Rezensions-Blog 259: Das Nautilus-Manöver (5/E)

Posted März 11th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Zeitreiseabenteuer sind trickreich, und Zeitreiseserien neigen leider dazu, ir­gendwann ins Uferlose abzudriften und dementsprechend den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dasselbe scheint auch mit Simon Hawkes „Timewars“-Zyklus geschehen zu sein, von dem es, wie mir ein Brieffreund kürzlich verriet, im angelsächsischen Raum noch erheblich mehr Bände gibt. Insgesamt umfasst die Serie wohl zehn oder noch mehr Romane.

Warum wurden dann nur fünf übersetzt und von Bastei publiziert? Ich nehme stark an, dass das wesentlich mit stark nachlassender Qualität zu tun hatte. So, wie ein Arthur Conan Doyle seinen Sherlock Holmes nur widerwillig nach der Hinrichtung in den Reichenbachfällen und dessen auf Leserwunsch erfolgte Neubelebung wieder Abenteuer des legendären Detektivs niederschrieb, eben­so ist es bekannt, dass Lyman Frank Baum zu den Fortsetzungen seines „Wizard of Oz“ genötigt wurde. Da sie meines Wissens nie ins Deutsche übertragen wur­den, kann man mutmaßen, dass ihre Qualität eher mäßig war.

Sieht man sich den vorliegenden – im deutschen Sprachraum letzten – Roman von Simon Hawkes Zeitreisezyklus an, so kann man nicht bestreiten, dass hier ein ähnliches Nachlassen zu erkennen ist. Leider ist dieses Werk das schwächste der Reihe, daran können auch Jules Verne und die NAUTILUS nichts ändern.

Aber macht euch lieber selbst ein Bild davon:

Das Nautilus-Manöver

(OT: The Nautilus Sanction)

von Simon Hawke

TIMEWARS Band 5

Bastei 23187

256 Seiten, TB, März 1997

Übersetzt von Rainer Gladys

ISBN 3-404-23187-2

 

Technische Innovationen machen auch vor Science Fiction-Serien nicht Halt. So geht es dementsprechend hier ebenfalls. Im 27. Jahrhundert wird sukzessive die „altmodische“ Technik der sperrigen Zeitschirme, mit denen man in die Ver­gangenheit reisen kann, durch mikrominiaturisierte „Warpscheiben“ ersetzt. Das ist nicht nur ein Vorteil, wie klar wird, als die Erste Division der Zeitarmee plötzlich in absolute Alarmbereitschaft versetzt wird.

Der Divisionskommandeur Forrester erklärt seinen fassungslosen Untergebe­nen, dass kriminelle Elemente aus der Firma Amalgamated Techtronics nicht weniger als FÜNFTAUSEND solcher Scheiben entführt haben. Ihre Spur verliert sich in den Strömen der Zeit. Um die Sache noch schlimmer zu machen, haben diese Terroristen aber auch im Jahr 1993 im Nordpolarmeer ein sowjetisches Atom-U-Boot entführt, das Hunderte von nuklearen Sprengköpfen auf ballisti­schen Raketen in den Einsatz bringen kann. Nunmehr haben es die Zeitagenten mit nichts Geringerem zu tun als einer zeitreisenden Mordmaschine, bemannt mit zu allem entschlossenen Fanatikern.

Die Spuren führen schließlich ins Jahr 1866, wo ein furchtbares Meeresunge­heuer gesichtet worden ist. Getarnt als Wissenschaftler gehen Major Lucas Priest, sein Kamerad Finn Delaney und die Zeitagentin Andre Cross an Bord des Dampfschiffs Abraham Lincoln unter Commander Farragut. Wem diese Namen irgendwie bekannt vorkommen, dem sei schon jetzt verraten, dass er Recht hat.

Dummerweise nämlich treffen die Agenten hier auf einen sehr klugen, detekti­vischen Franzosen namens Jules Verne, der ihnen bald beträchtliche Probleme bereitet. Ähnliches gilt für den kanadischen Harpunier Ned Land, der unbedingt den „Narwal“ abschießen möchte.

Als sie sich schließlich mit dem „Ungeheuer“ konfrontiert sehen, wird leider auch klar, wie sehr sie die Gefahr unterschätzt haben, die von dem Untersee­boot ausgeht. Als Gefangene auf Reisen durch die Zeit machen die Freunde die gespenstische Bekanntschaft mit dem Zeitimperium der letzten überlebenden Zeitwächter, die von dem im vorangegangenen Abenteuer1 entkommenen Niko­lai Drakov angeführt werden. Und sein Plan ist grauenhafter als alles, mit dem Priest und seine Gefährten jemals konfrontiert worden sind …

Sagen wir etwas Freundliches zu diesem Buch: Bis etwa Seite 190 ist es ausge­zeichnet lesbar und von ähnlicher Qualität wie die vier vorangehenden. Aller­dings sind gewisse Ermüdungserscheinungen zu konstatieren, und gegen Ende artet das Buch in ein an Doc Savage erinnerndes „catch-as-catch-can“ aus, ein relativ hirnloses Gemetzel, das seine Anleihen bei dem James Bond-Film „Man lebt nur zweimal“ nicht verleugnen kann. Wohlgemerkt: ich liebe diesen Film! Aber das, was in diesem Roman davon adaptiert wird, behagt mir überhaupt nicht.

War noch im vergangenen Roman das Finale so atemberaubend, unübersicht­lich und relativ unvorhersehbar, so rast die Handlung hier vergleichsweise ge­radlinig auf den Schluss zu, überhastet und nicht besonders liebevoll. Man spürt, der Autor wollte diesen Zyklus abschließen. Die Einführung von Dr. Darkness, dem Mann, der am anderen Ende der Galaxis lebt und sich zwischendurch als halbstabiles Phantom materialisiert und die Protagonisten mit neutronensterngestützten Superwaffen versorgt, hat mir als Leser das Vergnügen gänzlich vergällt. Es macht keinen Spaß, einen Roman zu lesen, wenn man ahnt, dass da jemand Übermächtiges ist, der einfach so eingreifen und die Gegner vom Tisch wischen kann. Schlussendlich blieb auch die liebevolle Charakterisierung der Personen auf der Strecke und die geschickte logische Argumentation, die verzwickten und kniffligen Denkkapriolen, die Hawke seinen Lesern abverlangt, es war nur noch Actionstoff. Da half es auch nicht, Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer zu adaptieren und den Piraten Jean Laffitte ins Boot zu holen.

Der Roman hätte entschieden mehr Potenzial gehabt, hätte man ihn ohne die neue Warptechnologie und gottähnliche, arrogante Supererfinder geschrieben. Aber dass danach kein weiterer Roman mehr auf Deutsch herauskam, ist ver­ständlich. Vermutlich hätte der nächste dann wohl im Zentrum der Galaxis ge­spielt.

Alles in allem ein trauriges Ende der Serie. Dennoch ist der Großteil des Ro­mans, wie oben angedeutet, mit großem Genuss zu lesen. Nur der Schluss lässt arg zu wünschen übrig.

© 2003/2018 by Uwe Lammers

Deutlich kurzweiliger, das kann ich heute schon versprechen, wird unser Ausflug ins Genre des erotischen Romans in der kommenden Woche. Gut, sonderlich viel Tiefgang braucht dann natürlich niemand zu erwarten, aber die Charakter­zeichnung hat mir da sehr gefallen.

In Bälde erfahrt ihr an dieser Stelle mehr.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Simon Hawke: „Die Zenda-Vendetta“, Bastei 23181 (siehe dazu auch den Rezensions-Blog 254 vom 5. Februar 2020).

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