Rezensions-Blog 317: Calendar Girl 3: Begehrt

Posted September 15th, 2021 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

auf in die dritte Runde des vierteiligen, ein Handlungsjahr um­spannenden Abenteuers um das „Calendar Girl“ Mia Saunders, das die Verfasserin ursprünglich in monatlichen Einzelepisoden veröffentlicht hat, die dann vom Ullstein-Verlag in das handli­chere Quartalsformat umgegossen und deutlich zügiger publi­ziert wurde.

In diesem dritten Band, in dem es um die Monate Juli bis Sep­tember von Mias Escort-Leben wider Willen geht, passiert bio­grafische eine ganze Menge, und man wird als Leserin bzw. Le­ser durch eine veritable Wildwasserfahrt geschickt, mit Alpträu­men, Panikattacken, biografischen Schrecken, bizarren Überra­schungen und regelrechter Todessorge. Langweilig, soviel ist zu konstatieren, wird es wirklich nicht. Der Fokus geht jetzt weg von der primär auf erotische Abenteuer unterschiedlichster Art gerichtete Action, es geht biografisch auf bisweilen seltsame Weise in die Tiefe, und mancherlei Zusammenhänge werden of­fenbar, die man zuvor so nicht sehen konnte.

Mein Fazit des Bandes fiel gleichwohl ein wenig verhalten aus, wer die folgende Rezension liest, wird das begreifen. Ein lesba­rer Roman, keine Frage, aber in mancherlei Beziehung blieb ein gewisser Realitätssinn schon auf der Strecke – was begreiflich ist, da die Autorin nun nur noch einen Band Raum hat, um die offenen Handlungsfäden zusammenzuführen.

Also, Vorhang auf für Mias nächste Abenteuer:

Calendar Girl 3: Begehrt

(OT: The Calendar Girl – July/August/September)

von Audrey Carlan

Ullstein 28886

402 Seiten, TB

Oktober 2016, 12.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Christiane Sipeer (Juli) und Friederike Ails (August/September)

ISBN 978-3-548-28886-4

Als Mia Saunders, die 24jährige angehende Schauspielerin und vormalige Kellnerin aus Las Vegas, die Hälfte ihrer sechs Monate als quasi zwangsweise rekrutiertes Escort-Girl und „Calendar Girl“ der Agentur Exquisite Escorts ihrer Tante Millie hinter sich hat, ist sie regelrecht am Boden zerstört. Der Sohn ihres letzten Kunden, der kalifornische Senator Aaron Shipley, hat in ange­trunkenem Zustand versucht, sie kurzerhand zu vergewaltigen und damit ein verstörendes Trauma ausgelöst. Da Mia, um die humanitären Hilfsaktionen von Aarons Vater Warren Shipley nicht zu gefährden, dies alles unter den Teppich kehren muss, ist sie aus der inneren Balance geraten.

Dennoch nimmt Mia zuversichtlich an, dass sie das alles – wie so oft – allein wieder in den Griff bekommen kann. Aber schon der nächste Auftrag, der sie nach Florida bringt, zeigt, dass das nicht stimmt. Hier soll Mia mit dem Hip-Hop-Star Anton Santia­go ein heißes Video aufnehmen. Damit hat sie auch grundsätz­lich Schwierigkeiten: sie kann beim besten Willen nicht tanzen. Aber das wäre nicht das entscheidende Problem – viel schlim­mer ist es, dass sie keine männliche Berührung mehr erträgt, ohne ein grässliches Flashback zu erleiden, das sie geradewegs zurück nach Washington, D.C., in die Nacht ihrer Quasi-Vergewal­tigung schießt.

Da ist guter Rat wirklich teuer.

Als wäre das nicht schon problematisch genug, ist sie sich im­mer noch nicht sicher, was sie genau für Weston Channing III., ihren ersten „Kunden“ empfindet. Dass er sie jederzeit bei einer Begegnung sexuell in Flammen setzt, ist offenkundig. Aber … ist das Liebe? Ehrlich? Immer, wenn Mia sich in einen Mann verlieb­te, ging das grässlich schief, und am Ende stand sie allein da. Sie fühlt sich schon halbwegs verflucht deswegen. Und mit dem L-Wort ist sie seither aus begreiflichen Gründen äußerst vorsich­tig.

Und dann ist da noch die Erkenntnis, dass sich ihre fünf Jahre jüngere Schwester Maddy nun nicht nur in einen Freund namens Matt verknallt hat, sondern er beim ersten gemeinsamen Abendessen mit Matts Eltern auch unverhohlen sagt, dass er Maddy einen Antrag gemacht hat und sie Ja gesagt hat!

Große Katastrophe! Ihre kleine Schwester will heiraten? Mit 19? Ist die Welt verrückt geworden? Mia ist sofort und vollständig dagegen und rastet heftig aus.

Also, Stress ohne Ende für die arme Mia. Und es wird noch selt­samer.

Im August wird sie im Rahmen ihres zwölfmonatigen Escort-Jobs nach Texas geschickt, zu einem Kunden, der wirklich eigenartige Vorstellungen hat. Mia soll seine verschollene Schwester mi­men, aus welchem Grund auch immer. Und unheimlicherweise heißt diese Schwester, die der junge Ölbaron Maxwell Cunning­ham angeblich nie gesehen hat, Mia Saunders und hat auch noch am selben Tag Geburtstag wie Mia! Und um die Sache noch bizarrer zu machen, hat Mia, sobald sie ihm gegenüber­steht, das überwältigende Gefühl, diesen Mann mit den eigenar­tigen Augen, die den ihren so ähnlich sehen, irgendwann und ir­gendwie schon einmal gesehen zu haben … aber auf die Enthül­lungen, die in Texas auf sie warten, ist sie in keiner Weise einge­stellt.

Ende August hören die seltsamen, fast märchenhaften Tage in Texas auf und münden in einen Alptraum: Mia erhält einen Anruf aus der Rehaklinik in Las Vegas, in der ihr Vater seit über einem halben Jahr im Koma liegt. Er ist zwar von den Verletzungen ge­nesen, aber er wacht einfach nicht auf. Und nun hat er sich In­fektionen im Krankenhaus eingefangen, und sein Herz ist ste­hen geblieben. Die Frau macht drastisch deutlich, wie es um ihren Vater steht: „Wahrscheinlich bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Sie sollten bald herkommen, wenn Sie sich noch von ihm verabschieden wollen.“

Was Mia unausweichlich ebenso wie ihre kleine Schwester nach Las Vegas zurücktreibt. Zum Teufel mit dem September-Kunden! Ihr Dad liegt im Sterben! Tagelang ist sie für gar nichts zu ge­brauchen.

Dann erst erreicht ihre Tante sie und macht Mia unmissver­ständlich klar, dass sie jetzt ein ernstes Problem haben. Ein Pro­blem, das in Hunderttausenden von Dollar Schulden besteht. Und wenig später taucht wie ein Springteufel auch noch der Gläubiger auf, der widerwärtige Kredithai Blaine Pintero, der ihren Vater erst ins Krankenhaus geprügelt und Mias Problemsi­tuation generell erst heraufbeschworen hat, und er setzt der schönen Escort-Dame wider Willen auf grässliche Weise die Pis­tole auf die Brust: sofortige Geldzahlung oder Sex mit ihm, und zwar sehr bald.

Für Sex ist Mia aber weniger denn je zu haben, da sie sich inzwi­schen neben dem fragilen Zustand um ihren Dad auch noch massive Sorgen um ihren Wes Channing macht – den Mann ihres Lebens. Denn er ist offensichtlich in Südostasien bei Dreh­arbeiten eines neuen Films verschollen – und als herauskommt, was da wirklich passiert ist, steht Mia kurz vor einer akuten Pa­nik …

Der dritte Band des „Calendar Girl“-Zyklus geht noch etwas wei­ter vom stürmischen Sex der ersten beiden Romane weg, ver­tieft aber auf interessante – wenn auch durchweg zu erwarten­de – Weise den biografischen Kosmos um Mia Saunders. Wäh­rend ihr Vater immer noch keinen Namen bekommt (er wird im­mer nur „Pops“ oder „Dad“ genannt, allmählich könnte der Au­torin echt mal sein Name einfallen), erfährt man ein wenig mehr über die leibliche Mutter von Mia: Meryl Colgrove. Dass diese Enthüllungen alle Rätsel lösen, kann man allerdings nicht be­haupten, es tauchen eher noch mehr auf.

Ich fand allerdings, dass im August-Kapitel ein bisschen zu pe­netrant „plötzlich“ die Erinnerungsträume von Mia einsetzen, von denen vorher nie die Rede war. Geraume Zeit hat man zu­dem als Leser das Gefühl, dass die Familie Cunningham irgend­welche sinistren Ziele im Sinn hat, und manchmal hätte man insbesondere Maxwell gern einen Tritt für sein dämliches Verhal­ten verpasst. Da geht Mia mit ihm noch recht sanft ins Gericht, fand ich.

Das September-Kapitel oszilliert außerdem ein wenig unent­schlossen hin und her, und da hätte ich mir von Mia schon ein wenig mehr Einsicht gewünscht. Wie das Blaine Pintero-Problem schließlich gelöst wird, kam mir zudem doch ein wenig schlicht vor. Der vorher – und auch in diesem Band – als so sinistre Cha­rakter aufgestellte Pintero erweist sich letzten Endes als gera­dezu absurd einsichtig und verliert schließlich jeden Biss. Es deutet sich hier schon an, dass die Autorin langfristig auf eine Art allumfassendes Happy End zusteuert. Ich kann nur hoffen, dass das in Band 4 nicht zu süßlich umgesetzt wird.

In gewisser Weise ist der Anfang des Bandes mit Mias Trauma mit weitem Abstand das realistischste, was man hier lesen kann, danach wird es teils melodramatisch, teils märchenhaft-ir­real. Es ist durchaus nicht so, wie sie stets beteuert, dass sie „alles selbst in den Griff bekommt“ – die Tatsachen sprechen klar gegen Mia Saunders und stellen ihrem Realitätssinn eher ein schlechtes Zeugnis aus.

Einerlei – man kann den Band locker in drei Tagen wegschmö­kern, wie es mir ging, und besonders im seltsamen August-Ab­schnitt fällt es schwer, das Buch überhaupt aus der Hand zu le­gen … des eigenartigen Beigeschmacks der ganzen texanischen Handlungsstränge wegen.

Es zeichnet sich allerdings jetzt schon ab, dass im letzten Band die Genesung von Wes sowie die Suche nach Mias lange ver­schollener Mutter im Zentrum stehen werden. Und wahrschein­lich wacht ihr Vater auch beizeiten auf und ist auf wundersame Weise von seiner Spielsucht genesen … das steht jedenfalls zu befürchten, wenn der superoptimistische Schluss zutrifft, der im Raum steht.

Ein lesbarer Band, nicht ganz so leidenschaftlich-sinnlich wie die ersten beiden, aber emotional durchaus eine Achterbahnfahrt mit sehr vielen Tränen darin. Etwas für romantik-affine Perso­nen, soviel steht fest. Für einen Romantiker wie mich war das jedenfalls eine angenehme Lektüre, und ich kann den Band mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Mal schauen, wie der Schlussband werden wird.

© 2018 by Uwe Lammers

Ich sagte ja, der Roman ist noch nicht so lange geschmökert. Es kann sehr gut sein, dass ich ihn beizeiten noch einmal lesen werde, er hat jedenfalls seinen festen Stellplatz nahe bei den Clive Cussler-Regalmetern gefunden. Mal sehen …

In der kommenden Woche werden wir wieder etwas historischer. Worum es genau geht, erfahrt ihr in sieben Tagen hier.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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