Rezensions-Blog 420: Jamaica Lane: Heimliche Liebe

Posted September 6th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

nachdem wir uns jüngst um James Bond-Action, Nazi-Erben und andere weltgefährdende Dinge zu kümmern hatten, geht es heute im Rezensions-Blog mal wieder etwas bodenständiger, beschaulicher und ruhiger zu … nun ja, soweit man die Serie „Edinburgh Love Stories“ von Samantha Young ruhig nennen kann.1 Denn wer lebhafte Gefühlswirrungen und Beziehungsdra­men schätzt, ob nun auf dem Papier oder auf der Leinwand, der ist hier durchaus richtig.

Ich machte damals, als ich die Rezension schrieb, einen sehr vernünftigen Vorbehalt, der auch heute noch Sinn ergibt. Er fuß­te auf einem grundsätzlichen Entschluss, den ich gelernt habe, als ich mit Diana Gabaldons „Highland-Saga“ begann und nur die ersten beiden Bände vorliegen hatte.

Wer die Romane kennt, namentlich Teil 2 „Die geliehene Zeit“, der weiß, dass der Roman nahezu nahtlos in Teil 3 „Ferne Ufer“ überging.2 Nun, als ich das Buch vor über 20 Jahren das erste Mal zu fassen bekam, hatte ich Teil 3 nicht im Regal stehen … und ohne Witz, als am nächsten Morgen die Buchhandlung Graff aufmachte (die damals noch eine uni-nahe Dependance besaß), stürmte ich hinein, kaufte mir „Ferne Ufer“ und begann das Buch noch auf dem Rückweg zu lesen.

Das, so schwor ich mir damals, sollte mir nach Möglichkeit bei Zyklen nicht mehr passieren. Deshalb ist es seither bei mir so, dass ich mich bemühe, erst einen Zyklus vollständig vorliegen zu haben, ehe ich in ihn einsteige.

Risiko, zumal bei unbekannten Autoren? Well, natürlich. Und ich bin damit auch schon ein paar Male auf der Nase gelandet. Aber es gibt mehrere Aspekte, die mich das verschmerzen lassen.

Aspekt 1: Ich kaufe die meisten Bücher antiquarisch bzw. auf dem Wühltisch, so dass sich der monetäre „Schaden“ bei Fehlin­vestitionen im Rahmen hält.

Aspekt 2: Ich bin von Haus aus Historiker, was bedeutet – ich bin geduldig und hechele nicht der Aktualität nach. Wenn ein mehrteiliger Zyklus eben erst zwei Jahre nach Abschluss sukzes­sive auf den Büchertischen mit den preisreduzierten Werken landet, reicht das völlig hin. So kann es natürlich vier oder fünf Jahre dauern, bis ich einen solchen Zyklus dann vollständig vor­liegen habe. Aber wie gesagt … ich bin geduldig. Und Langewei­le kommt bei den Regalen voller bislang ungelesener Bücher hier sowieso nicht auf.

Deshalb habe ich mit Samantha Young auch erst begonnen, als ich wirklich alle ihre Romane dieses Zyklus zusammen hatte. Und dann begann ich mit der durchaus unterhaltsamen Lektüre.

Insofern schicke ich euch mal in das Abenteuer des dritten Ro­mans ihres Zyklus. Und schaut euch besonders, wenn ihr Inter­esse zeigt, den Anfang der Rezension an und trefft dementspre­chend Vorkehrungen:

Jamaica Lane: Heimliche Liebe

(OT: Before Jamaica Lane)

von Samantha Young

Ullstein 28635

400 Seiten, TB

2014, 9.99 Euro

Aus dem Englischen von Sibylle Uplegger

ISBN 978-3-548-28635-8

Eine kleine Warnung vorweg: Es handelt sich bei „Jamaica Lane“ um den dritten Teil eines losen Romanzyklus, der durch gemeinsames Personensetting verbunden wird. Rekurse auf die ersten beiden Romane sind also zu erwarten und normal. Was vielleicht nicht jedem Leser von Anfang an bewusst ist, ist hin­gegen Folgendes: Die Autorin hat auch nebenher eine Reihe von E-Book-Novellen geschrieben, vergleichbar den „Stark-Novel­las“ von Julie Kenner.3 Diese wurden später in dem Band „Edin­burgh Love Stories“ zusammengefasst. Die Reihenfolge der Ro­mane UND Stories bezieht darum diese ursprünglich als einzel­ne E-Books publizierten Geschichten mit ein. Ich hatte das Glück, mich darüber vorab kundig zu machen und festzustellen, dass die Novelle „Castle Hill“ mitten im Handlungsraum des vor­liegenden Romans spielt. Ich habe sie also glücklicherweise di­rekt nach dem zweiten Roman gelesen, wo sie chronologisch auch hingehört. Ansonsten hätte ich eine durchaus wichtige und krisenhafte Passage dieses Romans einfach nicht verstanden.

Was ich damit sagen möchte: Es ist sinnvoll, um alle Nuancen der Anspielungen und durchaus mäandernden Storyline der Youngschen Protagonisten zu verstehen und ihnen folgen zu können, wenn man den Band „Edinburgh Love Stories“ neben sich liegen hat, um in der chronologischen Reihenfolge zu blei­ben.

Soviel als Vorbemerkung, und nun geht es in die Geschichte selbst:

Im zweiten Roman der Reihe wurde das Leben von Johanna Wal­ker verfolgt und letzten Endes zu ihrer Liebeserfüllung mit Ca­meron McCabe geführt. Im Zuge dieses Romans tauchte Johan­nas Onkel Mick Holloway wieder auf, der einst seine Geliebte, Johannas Mutter, im Stich gelassen hatte, um nach Amerika zu­rückzukehren. Denn dort hatte, wie sich herausstellte, seine leibliche Tochter das Licht der Welt erblickt, und er wollte für sie da sein. Was ihm nicht klar war: sein Bruder, Jos Vater, war ein brutaler Mistkerl, der zwar aus Jos Leben verschwand, aber ihre Mutter stürzte in den Alkohol ab, was Jos Leben nun zur Hölle machte.

Als Micks Geliebte in den USA unerwartet früh an Krebs starb, kam er mit seiner leiblichen Tochter Olivia Holloway, nach Edin­burgh, um nun für Johanna da zu sein. Er entschied sich letzten Endes dazu, hier zu bleiben, eine kleine Malerfirma aufzuma­chen und stellte Jo bei sich ein.

Ende gut, alles gut, könnte man sagen.

Aber was passierte mit Olivia? Nachdem Jo sie anfangs als Riva­lin angesehen hatte – ihr geliebter Onkel Mick hatte sie ihr vor­gezogen und war jahrelang verschwunden, nicht wahr? – , hat sich die Situation nun beruhigt, die beiden sind Freundinnen ge­worden, und Olivia hat eine Stelle in der örtlichen Bibliothek ge­funden. Zugleich wächst sie in den Freundeskreis von Johanna hinein, lernt Jocelyn und Braden Carmichael kennen, deren Fa­milienangehörige Ellie, Cole, Hannah usw. Und dann ist da Nate Sawyer.

Nate und Olivia sind nahezu sofort auf derselben Wellenlänge. Sie mögen die gleichen Filme, verstehen sich prächtig und hän­gen ständig miteinander ab, einfach so als beste Freunde. In seiner Nähe hat Liv kein Problem, locker zu sein … aber ansons­ten ist Nähe für sie ein Alptraum. Als ihre Mutter in den Staaten an Krebs erkrankte, war sie nahezu nur noch für sie zur Pflege da, und nach eigenen Angaben hat sie auf diese Weise wichtige prägende Teenager-Erfahrungen nicht gemacht. So etwas wie Parties, Rumknutschen, Beziehungsstress und dergleichen hat sie alles nicht erlebt.

Als ihr daraufhin in der Bibliothek der attraktive Benjamin auf­fällt, der in ihrem Magen Schmetterlinge tanzen lässt, ist sie fol­gerichtig stumm wie ein Fisch und nach jeder einzelnen desas­trösen Begegnung am Boden zerstört. Wenn sie in seiner Nähe ist, kriegt sie einfach kein gescheites Wort mehr heraus, wird knallrot und kommt sich unendlich dämlich und unattraktiv vor.

Schließlich bittet sie voller Verzweiflung ihren besten Freund Nate, er möge ihr doch bitte „Nachhilfeunterricht“ im Flirten ge­ben, angefangen mit Küssen, einem Date, gemeinsamem Essen und dergleichen.

Nate, der ihre Komplexe nicht wirklich nachvollziehen kann und sie einfach toll findet, geht sehr bereitwillig darauf ein. Er macht aber von vornherein klar, dass er nicht der Beziehungstyp sei und dies einfach „nur“ technische Hilfen von Freund zu Freundin seien. Olivia versichert, nicht mehr zu wollen. Schließlich weiß sie doch, dass Nate Sawyer mit seinem blendenden Aussehen jeden Abend eine andere Frau mühelos abschleppen kann, und sie wird oftmals Zeugin davon, wie er genau das tut. Er ist ein Herzensbrecher, mithin also eindeutig niemand, den man in ei­ner Beziehung halten kann.

Dummerweise erweckt Nates „Nachhilfe“ bei ihr ungeahnte, tie­fe Leidenschaften. Und als sie ihn schließlich bittet, auch noch die vollendeten Details eines Flirts beizubringen, die hinter den Schlafzimmertüren stattfinden (in klaren Worten: Sex!), da eska­liert die ganze Sache auf aberwitzige Weise …

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es sei enttäuschend, dass dieser Roman kürzer ist als der letzte – aber das wäre nicht ganz fair. Wenn man die Bücher nämlich nebeneinander stellt, erkennt man, dass „Jamaica Lane“ ein größeres Seitenformat besitzt als die ersten beiden Bände. Keine Ahnung, warum. Ich würde jedenfalls vermuten, dass der Textinhalt von Band 2 und 3 annähernd identisch ist.

Die Story um Olivia und Nate Sawyer hat zwar nahezu gar nichts mit der titelgebenden Jamaica Lane zu tun (die es, wie im Vorwort steht, unter diesem Namen in Edinburgh gar nicht gibt, was vermutlich die Übersetzungsverwirrungen im letzten Ro­man erklärt), und auch „Heimliche Liebe“ geht doch ziemlich am Thema vorbei … aber egal.

Es ist eine süße, sehr romantische Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich erst mal gründlich aufeinander einstellen müssen und zudem beide ziemliche Sturköpfe sind, was dann einige sehr lesenswerte Handlungskapriolen erzeugt (auch wenn man beide manchmal am Hals packen und durchschütteln möchte – ich glaube, wenn eine Autorin beim Leser solche Ge­fühle weckt, kann man mit Fug und Recht sagen, sie hat ihre Ar­beit gut gemacht!).

Ich denke, wer die Protagonisten der ersten Romane lieb ge­wonnen hat, wird sich ohnehin freuen, hier etwas mehr bei zwei bisherigen Nebenpersonen in die Tiefe gehen zu können. Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, diese biografischen Spuren zu ver­folgen, auch wenn sie nur eher mäßig überraschend ausfielen.

Nette Urlaubslektüre, würde ich darum konstatieren, etwas zum ausdrücklichen Entspannen. Definitiv lesenswert.

© 2019 by Uwe Lammers

Tja, ich sagte ja, es ist Entspannungs- und Feel Good-Lektüre. Und das ist tatsächlich der Fall. Tiefgang wird hier eher nicht ge­boten, aber es muss ja nicht immer etwas Komplexes sein. In der nächsten Woche bleiben wir bei eher ruhiger Literatur, die diesmal aber in den Kosmos der Biografie abtaucht, wie ihr se­hen werdet.

Immer schön neugierig bleiben!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu die Blogartikel 412 vom 12. Juli 2023 und 416 vom 9. August 2023, wo ich die ersten beiden Romane besprochen habe.

2 Für den Anfang reicht es vielleicht auch aus, zum Überblick über das Thema meine diesbezüglichen Rezensions-Blogs zu lesen, denn die ersten drei Gabaldon-Romane habe ich schon vor langer Zeit hier rezensiert. Schaut euch dazu die Rezensions-Blogs 50 (9. März 2016), 55 (13. April 2016) und 60 (18. Mai 2016) an.

3 Tja, da bin ich noch etwas zu vollmundig gewesen. Diese Romane sind zurzeit noch auf der Veröffentlichungsliste für den Rezensions-Blog. Was gut so ist, denn die Ken­ner-Romane der Stark-Reihe (inzwischen „Stark & Friends“) ufern immer noch aus, und ich habe nur einige der Teilzyklen gelesen. Das heißt: Ich sammle noch die ausstehen­den Werke. Das kann noch dauern …

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