Rezensions-Blog 26: Indiana Jones und die Hyänen des Himmels

Posted September 23rd, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

tja, wer kennt ihn wohl nicht, den charmanten, jungen Universitätsprofessor Dr. Henry Jones jr., der in der Zeit, wo er nicht schwärmerischen Studentinnen die Faszination der Vergangenheit nahe zu bringen sucht, für sein Leben gern mit Lederjacke, zerknautschtem Hut und Reitpeitsche durch die Welt gondelt, um verlorenen Schätzen hinterherzujagen? Wer mein Jahrgang ist (1966) oder jün­ger, der kann im Kino kaum jemals an Indiana Jones vorbeigekommen sein. Und ich spreche wohl nicht nur für mich allein, wenn ich sage, dass Dr. Jones alias Harrison Ford in dieser Inkarnation eine Menge Fans besitzt.

Natürlich blieb die mediale Bekanntheit Indiana Jones´ nicht allein auf den Film­sektor beschränkt. Es gibt quasi unendliches Merchandising seinetwegen, und natürlich gibt es auch Romane. Wie im Falle von Sherlock Holmes ist die Welt ja voll von antiken Mysterien einerseits und abenteuerlustigen Autoren anderer­seits, die beides in einem Indiana Jones-Abenteuer zur Deckung bringen wollen.

In Deutschland war der Goldmann-Verlag lange Zeit führend darin, die Roman-adaptionen zu veröffentlichen, und so nach und nach knabbere ich mich durch die hier versammelten Werke, die manchmal recht durchwachsene Qualität aufweisen. Der erste Roman, den ich hier vorstellen möchte, stammt aus der Feder von Martin Caidin, und hierum genau geht es:

Indiana Jones und die Hyänen des Himmels

(OT: Indiana Jones and the Skypirates)

Von Martin Caidin

Goldmann 43163

München 1996

352 Seiten, TB

Aus dem Englischen von Bettina Zeller

ISBN 3-442-43163-8

UFO-Sichtungen gibt es – unter anderem Namen natürlich – schon seit vielen Jahrhunderten, manche behaupten, sogar bereits seit Jahrtausenden. Zeitty­pisch nehmen die Gebilde offensichtlich bestimmte Formen an. In der Antike neigen die Schreiber dazu, die Fahrzeuge am Himmel als „glühende Schilde“ oder „Wagen“ zu definieren, in der Gegenwart behilft man sich mehr mit Ballo­nen, Zeppelinen, Raketen oder eben „Fliegenden Untertassen“.

All diesen Sichtungen aber scheint gemeinsam zu sein, dass die Objekte sich nicht klar einordnen lassen. Berichte über Erstkontakte treffen meist auf reser­vierte Skepsis. Aber was mag wohl passieren, wenn es sehr handfeste Belege für solche Objekte und ihre Wirkungsweisen gibt. Mit dieser Frage sieht sich Professor Dr. Henry Jones jr., der sich selbst gern als Indiana Jones bezeichnet, im Jahre 1930 überraschend konfrontiert. Und dies ist der Sachverhalt:

Bei einem Zugtransport von Diamanten in Südafrika kommt es zu einem gene­ralstabmäßig geplanten Überfall. Neben den Diamanten rauben die offensicht­lich deutschen Angreifer auch ein mit transportiertes, kleines Objekt aus Metall, eine Pyramide mit Keilschriftgravuren, die angeblich in einer Mine in Südafrika in großer Tiefe entdeckt worden sein soll. Doch das Glück der Angreifer ist nicht von langer Dauer: auf dem Heimflug ins Reich werden die Deutschen von unbe­kannten Flugobjekten zur Wasserung gezwungen, beraubt und anschließend versenkt. Nur ein Besatzungsmitglied überlebt schwer verletzt.

In England, wo Indiana Jones derzeit einen Lehrauftrag erfüllt, tritt ein Mr. Treadwell vom Geheimdienst an ihn heran und verpflichtet ihn im Sinne des Staatsinteresses für einen Sonderauftrag. Dabei handelt es sich indes um ein Täuschungsmanöver, denn Treadwell und Indy arbeiten schon längst zusam­men. Ein internationales Gremium von Experten und Geheimdienstlern hat her­ausgefunden, dass eine technologisch hoch entwickelte Macht im Geheimen dabei ist, eine Gefährdung des Weltfriedens herbeizuführen, und Indys Sachver­stand wird dafür benötigt, den rätselhaften Erbauern der rätselhaften Flugob­jekte auf die Spur zu kommen. Derweil verbreiten auch weiterhin diskusförmi­ge, offenbar antriebslose Flugobjekte Verunsicherung und Schrecken.

Indy ruft eine Gruppe zusammen, um eine schlagkräftige Truppe zur Verfügung zu haben, wenn man die Identität des Gegners herausgefunden hat und ihre Ausgangsbasis bekannt wird. Zu dieser Truppe zählt der bärbeißige Pilot Willard Cromwell, ein Weltkriegsveteran, ebenso Mirna Abi Khalil, eine feuerhaarige, kampferprobte Frau, die sich Gale Parker nennt. Dann ist da der gewalttätige Kurde Tarkiz Belem, offensichtlich ein Verbrecher, den Indy gleichwohl in sein Team aufgenommen hat. Der letzte im Korps ist der französische Flieger René Foulois (der im Buch durchgängig ohne Apostroph geschrieben wird, was das nachlässige Lektorat ebenso entlarvt wie die Tatsache, dass alle Kompositwör­ter „amerikanisch“ geschrieben sind, also ohne Bindestriche – in einer Deutsch-Klassenarbeit ein klarer Fehler).

Mit dieser Gruppe von Individualisten legt Indiana Jones im Verein mit dem englischen und amerikanischen Geheimdienst falsche Fährten und rüstet ein Flugzeug aus, um schließlich die durchaus nicht außerirdischen „Himmelspira­ten“ aufzustöbern und ihnen das Handwerk zu legen…

Martin Caidin, in die Jahre gekommener Flieger und Schriftsteller, hat sich mit diesem Buch einen Herzenswunsch erfüllt, wie man deutlich merkt. Er glorifi­ziert die Luftfahrt, namentlich den französischen Pionier Henri Coanda, der schon anno 1910 mit einem Düsenflugzeug Flugversuche unternahm. Aber Cai­din ergeht sich auch lang und breit in Schilderungen des Ford-Flugzeugs und der Zeppeline, und die Konsequenz besteht darin, dass die beiden Piloten in seinem Team (eigentlich sind es drei, wie bald herauskommt), Indiana Jones recht schnell den Schneid abkaufen.

Indiana Jones wird angesichts solch eines techniklastigen Haupthandlungsstran­ges relativ bald in die Rolle als „Verbindungsoffizier zum Geheimdienst“ ge­presst, die ihm nun überhaupt nicht gut zu Gesicht steht. Wo, so fragt man sich, ist der wagemutige Indiana Jones, den man aus den Filmen kennt, der im Allein­gang und manchmal auch durchaus tapsig von einem Abenteuer ins nächste stürzt? Antwort: hier jedenfalls nicht. Die Konsequenz besteht in einem höchst eigenartigen Roman, der bis auf gewisse Versatzstücke und gelegentliche Sze­nen, die der Figur Indys gerecht werden, sich auf weite Strecken so liest, als sein das Werk ursprünglich ohne Indys Gegenwart geplant worden. Der Eindruck ist ein ziemlich nachteiliger. Der Autor kann mit der Person Indiana Jones, von Schematismen und Äußerlichkeiten mal abgesehen, nicht sonderlich gut umge­hen.

Das gilt dann leider auch für die Handlungslogik. Es mag ja alles schön sein, was Caidin im Nachwort erzählt – bezüglich der technischen Machbarkeit und der Details, die sich insbesondere auf die realen Maschinen beziehen (aber eben nur darauf) – , die wesentlichen Dinge bleiben aber entweder im Dunkel, wer­den nicht plausibel durchleuchtet oder versiegen nach kurzem Anreißen voll­ständig. Ein paar Beispiele:

Dieses seltsame Pyramidenartefakt, das von den „Skypirates“ (was ich für pas­sender als „Hyänen des Himmels“ halte, das ist wenigstens zoologisch schief, weil Hyänen mehrheitlich Aasjäger sind, und darum geht es hier einfach nicht) gestohlen wird. Warum passiert das? Je mehr man über das Artefakt erfährt (und über die wissenschaftliche Qualifikation der Gegenseite), desto unbegreif­licher wird dieser ganze Handlungsstrang, bis er gar keinen Sinn mehr ergibt und am Ende des Romans auch jede Bedeutung einbüßt. Ist er nur dazu da, da­mit Indiana Jones eine – höchst fadenscheinige – Existenzberechtigung in dieser Geschichte erhält? Dürftig.

Da ist die rätselhafte Gruppe, die hinter den Flugobjekten steht. Caidin sieht sich außerstande, die Spur zeitig und gescheit bis zum Kulminationspunkt zu verfolgen. Infolgedessen blendet er relativ unmotiviert plötzlich in die Gegner­gruppe hinüber, aber der Leser kann lange warten, dass die so wenigstens nam­haft gemachten Hintermänner der Geschichte dingfest gemacht werden. Pas­siert vielleicht jenseits des Romans…

Eine Person aus dieser Gruppe schafft es sogar, den Beraterkreis des Geheim­dienstes zu infiltrieren. Die Person fällt Indy sogar auf (!), und er macht sich Ge­danken, hier nachzurecherchieren, wie sie wohl in diesen Kreis gekommen sein mag. Das vergisst Caidin dann völlig, obwohl es doch wirklich interessant wäre, hier ein bisschen mehr als Baukasten-Geheimdienststrukturen auszudehnen und ein wenig in die Handlung einzufügen. Nicht die Spur davon!

Dann wird gegen Schluss unmotiviert von Seiten der „Skypirates“ der Entschluss gefasst, europäische Hauptstädte mit Giftgas zu attackieren. Damit würde frei­lich die Vorstellung, die Fliegenden Untertassen kämen von einem anderen Stern, die ja intendiert ist, völlig zerstört. Es spielt keine Rolle, dass der Angriff vereitelt werden kann – das passt einfach alles nicht recht zusammen.

Zweifelsohne hätte ein talentierterer Autor, der nicht so manisch auf den Flug­zeugen herumgeritten wäre, aus dem vorliegenden Stoff erheblich mehr ma­chen können als Martin Caidin. Ich kann deshalb leider nur seufzend sagen: also wirklich, der Roman wäre besser OHNE Indy ausgekommen. Er ist doch recht halbherzig geschrieben. Da gibt es deutlich interessantere Indiana-Jones-Romane… dieser hier ist mehr für Flugzeugfans und UFO-Freunde gedacht.

© by Uwe Lammers, 2011

Hm, ernüchtert? Das mag schon sein… aber ihr seht hieran genau das, was man von Literaturblogs generell sagt: es handelt sich hier nicht ausschließlich um Lobpreisungen oder Werbeveranstaltungen für aktuelle Bücher (im vorliegen­den Fall ja sowieso nicht, weil dieser Roman nur noch antiquarisch zu bekom­men ist), sondern jedes einzelne Mal primär um die eigene Meinung des Blog­gers. Hier also um die meine. Und die kann, wie ich andeutete, auch schon mal durchwachsen ausfallen.

Ich bin der Auffassung, dass solch eine nüchterne und ehrliche Darstellung den Betrachtungen zugute kommt und sie realitätsnäher und aufrichtiger macht. Ihr erhaltet dadurch die Möglichkeit, euch ein besseres Bild vom vorliegenden Buch zu machen, ohne fürchten zu müssen, hier würde der eifrigen Schönfärbe­rei gehuldigt. Ihr werdet das in Bälde auch bei Peter F. Hamilton noch erleben.

Ach ja, zu dem kehren wir ja in der kommenden Woche wieder zurück. Dann könnt ihr sehen, was ich vom vierten Band des „Armageddon-Zyklus“ gehalten habe. Nicht verpassen!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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