Liebe Freunde des OSM,

Kommunikation ist schwierig. Jeder, der mal mit einer Person, die nicht dieselbe Muttersprache spricht, diskutiert hat, sei es im Berufsleben oder im Urlaub, weiß bestens darüber Bescheid, dass man sehr schnell nicht nur aneinander vorbeireden, sondern sich im Extremfall überhaupt nicht miteinander ver­ständigen kann. Das fängt übrigens schon im eigenen Mutter­land bei uns Deutschen an, denn der lokalen Dialekte gibt es gar viele, und versuche man mal, tiefstes Bayrisch mit Platt­deutsch, schwäbischer Mundart oder Sächsisch zusammenzu­bringen, und man wird rasch sehen, wie sich die eigentümlichs­ten verbalen Störungen ausbreiten.

Das ist natürlich zwischen Deutschen und Menschen in anderen Ländern und Kulturkreisen nicht anders. Hier sind in der Regel intensive mehrmonatige Sprachkurse vonnöten, wenn man sich in anderen Ländern halbwegs vernünftig miteinander verständi­gen möchte, ob nun in Lateinamerika, in afrikanischen Provin­zen, im arabischen Raum oder in Fernost … und selbst bei guter semantischer Vorbereitung ist man vor Tücken, Missverständnis­sen und Schlimmerem nicht gefeit.

Das war einstmals auch in Europa nach Christi Geburt natürlich so. Und damals, als das römische Weltreich expandierte und weite Teile des heutigen Frankreich, Spanien, Italien, des deut­schen Raumes und des Balkangebietes sowie Nordafrikas kolo­nial erschloss und kulturell überformte, entwickelte sich hier eine Form der völkerverbindenden Sprache – Latein. Als das rö­mische Weltreich zerfiel, blieb Latein für viele vormals zum rö­mischen Imperium gehörenden Provinzen, die dann in Regional­staaten zerfielen, z. B. das Frankenreich, das weite Teile des heutigen Frankreich und Deutschland umfasste, die zentrale verbindende semantische Klammer. Seither spricht man von solchen Elementen als „lingua franca“. Gemeint ist damit eine einheitliche Sprachbasis mit geringen regionalen Ausprägun­gen, die Diplomatie, Handel und sonstige Kommunikationsfor­men ohne größere Reibungsverluste möglich macht. Später wurden dann Sprachen wie Französisch, Spanisch und Englisch zu modernen Ausprägungen der lingua franca.

Soweit herrscht wohl, denke ich, Konsens, dass das bei uns auf der Erde vergleichsweise gut funktioniert hat. Aber wie ist das, wenn wir in den Weltraum vorstoßen und auf fremde Kulturen treffen? Können wir im Rahmen der Science Fiction erwarten, dass es so etwas wie eine kosmische „lingua franca“ gibt?

Wenn wir so etwas voraussetzen, geraten wir relativ schnell in Schwierigkeiten, und zwar tun wir dies aus folgendem Grund: Die Grundvoraussetzung für eine kosmische „lingua franca“ ist ein einheitlicher kulturell-sozialer Kosmos der auf diese Weise miteinander verbundenen Völker und Kulturen. Von so etwas im Universum auszugehen, ist freilich relativ blauäugig. Man muss sich nur einmal die räumlichen Distanzen zwischen möglichen Zivilisationen anschauen, um hier doch gewisse Zweifel zu ent­wickeln.

Wenn wir andererseits davon ausgehen, dass es so etwas wie eine kosmische lingua franca nicht gibt, wird die Angelegenheit mit dem interstellaren Kontakt doch arg schwierig. Aber die Sci­ence Fiction-Autoren haben für solch ein Problem natürlich schon seit langem eine Lösung gefunden: man nennt sie Trans­latoren. Übersetzungsmaschinen, die auf phänomenale, fast schon magische Weise imstande sind, flugs von einer Sprache in die andere zu übersetzen. Grundsätzlich eine schöne Sache … wenn man sie denn konsequent beachten würde. Aber genau das passiert eben leider nicht.

Zwei Beispiele dafür sollen heute mal hinreichen. Eins aus der Populärkultur, eins aus meinem eigenen Oeuvre.

Beispiel 1: Star Trek (Classic Series)

Commander James Tiberius Kirk und seine mutige Crew der U.S.S. ENTERPRISE stoßen kühn in Räume vor, die kein Mensch je zuvor gesehen hat, wie es in der amerikanischen Fassung munter heißt (die deutsche Übersetzung (!) versagt schon hier und faselt bis heute absurd von „Galaxien“, in die die ENTERPRI­SE vorstoßen soll – was in realiter nie passiert, weil weder unse­re ENTERPRISE der klassischen Serie noch die späteren jemals unsere Heimatgalaxis verlassen. Die deutschen Texter der Früh­zeit haben offenbar zwischen „Sonnensystemen“ und „Galaxi­en“ nicht zu trennen gewusst, und peinlicherweise wird dieser Fehler notorisch bis heute durchgehalten … jeder Astronom ver­dreht da die Augen, und sehr mit Recht!).

Man horche also auf: Kontakte mit fremden Zivilisationen, die noch nie mit Menschen in Verbindung standen (oftmals jeden­falls, denn vielfach haben Kirk & Co. auch mit Menschen oder Kulturen zu tun, die natürlich schon mit Menschen Berührung hatten, etwa mit Romulanern, Klingonen usw.). Aber sehr häufig stoßen sie tatsächlich auf (meist absurd menschenähnliche) Ali­ens, die noch nie mit Terranern Kontakt hatten.

Semantisch heißt das: Vorstoß in ein vollkommen unbekanntes Neuland! Da muss man sofort erst mal die Translatoren heraus­holen und stundenlang Sprach-Basispaare programmieren, ehe man die erste halbwegs holprige gemeinsame Sprachbasis ge­funden hat.

Passiert das? Nein. Denn dann ist ja schon die Hälfte der Episo­de vorbei. Gene Roddenberry und seine Skriptschreiber ver­passten den Aliens einfach in munter-kolonialistischer Manier stillschweigend einen Englisch-Crashkurs als „lingua franca“, und alle verstehen Kirk, Spock & Co. sofort von Anfang an.

Das ist natürlich blanke Fantasy, das funktioniert nicht. In Bezug auf halbwegs realistischen Alien-Sprachkontakt ist die klassi­sche Star Trek-Serie ein echter Rohrkrepierer. Man schaue sich dann doch besser mal solche Filme wie „Independence Day“ an oder „Arrival“, um ein wenig realitätsnäher zu sehen, was es da wirklich für Probleme gibt.

Damit kommen wir zum Beispiel 2 von mir:

Im Oki Stanwer Mythos der altmodischen Art, etwa im KONFLIKT 14, also der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC) habe ich diesen semantischen Grundgedanken auch munter ignoriert, immer und immer wieder.

Da kommt beispielsweise eine Cranyaa-Expedition in ein Son­nensystem nahe dem galaktischen Zentrum der Heimatgalaxis Hun‘arc, und sie treffen mit den völlig fremdartigen Mogolkern zusammen. Kommunikationsprobleme? Nö. Sie haben die Kerle zwar noch nie zuvor gesehen oder gesprochen, aber miteinan­der auf Augenhöhe plaudern können sie mühelos.

Das ist natürlich Nonsens.

Oder schauen wir ins „Zeituniversum“ in derselben Serie, etwa zwei reale Jahre später: die Lichtfestung OREOC trifft mit den DIGANTEN zusammen, einer Zivilisation von Kegelwesen, die sich mit Brummtönen verständigen. Damit hätte unser Kehlkopf doch einige Schwierigkeiten. Haben Oki Stanwers Freunde an Bord der Lichtfestung damit Schwierigkeiten? Nein. Warum nicht? Wird nicht erklärt.

Ich schätzte einfach in den 80er Jahren während meines Schrei­bens solche Sprachinkompatibilitäten nicht – was zweifellos auch darin begründet liegt, dass ich mich selbst mit dem Spra­chenlernen schwer tue. Und Komplikationen beim Schreiben wa­ren damals auch nicht so wirklich mein Ding. Alles, was ich als störend oder spannungshemmend empfand – und dazu gehören Kommunikationsprobleme nun einmal, die den Vorwärtsdrang der Handlung mitunter völlig zum Stillstand bringen können – , alles das suchte ich nach Möglichkeit auszublenden.

Zum Teufel mit dem Realismus, könnte man meine damalige Hauptmaxime auch formulieren, entscheidend ist es, dass die Handlung spannend ist und es genug Action gibt …

Gottlob bin ich davon inzwischen kuriert.

Wenn man sich beispielsweise in der OSM-Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) anschaut, wie sich Erstkontakte entwickeln, dann bin ich von einer „lingua franca“ da wirklich sehr weit entfernt.

Als die Yantihni von der GHANTUURON-Expedition in Band 10 der Serie („Das Maschinenvolk“) Kontakt mit dem zwergenhaften Volk der Shonta bekommen, da haben sie glücklicherweise eine sehr patente Linguistin namens Vaniyaa an Bord, doch selbst sie muss anfangs vor den Glucks- und Schnalzlauten der Shon­ta-Sprache munter kapitulieren. Nur auf dem Umweg über einen gefundenen und schon auf Shonta-Sprachkommunikation ge­eichten Translator der Tassaier gelingt es, mit diesen Wesen in den Dialog zu treten.

Noch abenteuerlicher ist der Erstkontakt zwischen Yantihni und den insektoiden Zhoncor, die sich mehrheitlich im Ultraschall­frequenzbereich unterhalten. Da gibt es im Grunde gar keine gemeinsame Gesprächsbasis. Wenn nicht … ja, wenn nicht das „Ewige Gedächtnis“ auf dem Planeten Hushhin den paralysier­ten Yantihni-Forschern um Noshtoy einen Translatorkristall ins Hirn appliziert hätte, der die Vibrationsfrequenzen der Zhonc bzw. Zhoncor automatisch übersetzt.

Dennoch kommt es hier zu massiven Missverständnissen.

Am vielleicht innovativsten ist dann der Kontakt zwischen den Riesenameisen der Cestai und den Raumfahrern des Mutter­schiffs RHONSHAAR – sie verfügen über eine Art symbiontische Lebensform, die offenkundig auf telepathischer Basis eine Re­laisfunktion zwischen zwei Sprachebenen herstellt und so nach und nach eine Art Kommunikationsverbindung realisieren hilft.

Und seien wir ehrlich – wenn wir da draußen irgendwann einmal mit Aliens zusammentreffen sollten, dann können wir ein paar Dinge schon mal kategorisch ausschließen: erstens, dass es so etwas wie eine „lingua franca“ zwischen Menschen und Aliens gibt, da wir völlig unterschiedlichen Weltsystemen und somit auch Sprachsystemen entstammen. Sie mögen vielleicht ähn­lich sein, aber sicherlich nicht sehr. Zweitens: Missverständnisse sind unvermeidlich, und manche davon können durchaus in kriegerische Konflikte einmünden, wenn wir Pech haben. Und drittens: dass wir mal eben schnell einen funktionierenden Translator erschaffen und zum Einsatz bringen, klingt nicht wirk­lich realitätsnah.

Das „lingua franca“-Problem wird uns jedes einzelne Mal be­schäftigen, wenn wir irgendwie mit Aliens (oder sonst wie fremdsprachigen Wesen) zu tun bekommen. Ich dachte mir dar­um, dass es ein guter Anlass wäre, endlich mal wieder nach lan­ger Pause einen „OSM-Kosmologie“-Beitrag zu verfassen. Der letzte ist immerhin gut zwei Jahre alt (Blogartikel 289, 16. Sep­tember 2018).

Habe ich noch einen anderen Gedanken in dieser Hinsicht zu verfolgen? Ja, grundsätzlich schon. Denn es gibt im OSM natür­lich eine semantische Hintertür. Sie löst nicht alle Probleme, aber eine ganze Menge … vorausgesetzt natürlich, man weiß ein wenig von den kosmologischen Hintergründen. Das ist ja nicht selbstverständlich.

In KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ gibt es beispielsweise diese famosen kristallenen Translatoren des Volkes der Uuraner (sie kommen später auch in der Edward-Norden-Saga (ENS) im KONFLIKT 20 zum Tragen). Und auch auf dem Planeten TOTAM sind auf bizarre Weise alle Lebensformen imstande, sich anhand einer vereinheitlichenden „lingua franca“ miteinander zu reden. Dafür gibt es natürlich solide OSM-kosmologische Gründe, das ist keine Nachlässigkeit oder eine stumpfsinnige Anlehnung an die vereinfachenden „Star Trek“-Regeln.

Aber um das auszuführen, bräuchte ich doch mehr Raum, als er mir heute hier zur Verfügung steht. Darum möchte ich es heute mit der Sensibilisierung für diese Schwierigkeit bewenden las­sen und euch wieder verlassen. In der kommenden Woche prä­sentiere ich euch die Kreativschreibergebnisse des Monats Juli 2020.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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