Blogartikel 592: Zufallsfunde

Posted Dezember 7th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich denke, ihr kennt das Gefühl, das ich gestern Abend emp­fand, auch sehr gut, wenn auch vielleicht aus anderen Zusam­menhängen. Jeder verlegt mal Dinge im Haushalt. Schlüssel, Geldbeutel, Brille, irgendwelche anderen Gegenstände, und da wir so ein flüchtiges Gedächtnis haben, sind manche dieser Din­ge dann ziemlich lange verschollen, obwohl wir genau WISSEN, dass wir sie in unseren eigenen vier Wänden abgelegt haben.

Es ist halt nur auch so, dass wir vieles davon eher intuitiv tun. Und damit gewissermaßen in einer erinnerungsbedingten Aus­nahmesituation. In Gedanken sind wir dann schon weiter. Die Konsequenz ist, gerade wenn man Gegenstände an unüblichen Orten abgelegt hat, dass man sie so schnell nicht wieder finden kann.

Mir ging das auch so. Und gestern Abend machte ich dann ei­nen wunderbaren Zufallsfund und entdeckte ein paar Dokumen­te wieder, die ich wirklich sehr lange vermisst hatte.

Die Vorgeschichte beginnt, kein Witz, vor zwanzig realen Jahren. Damals sortierte ich alte OSM-Episoden aus jenem Bereich, in dem ich Vorfassungen von Geschichten zu sammeln vorhatte. Das bezieht sich beispielsweise auf zahlreiche handschriftliche Dokumente, die KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ (OSH) betra­fen. Zur Erinnerung: Im Jahre 2002 hatte ich damit begonnen, endlich die frühen OSM-Serien zu digitalisieren, beginnend mit KONFLIKT 15 „Oki Stanwer“. Ich legte die beiden OSM-Info-Ord­ner an und einen Altmaterialordner. Doch es sollte noch Jahre dauern, ehe ich mich um KONFLIKT 13 kümmerte. Das begann erst im Jahre 2020.

Im Zuge dieser Sortierungsarbeiten fielen mir drei Episoden auf, die ich gar nicht recht einordnen konnte. Die Rede ist von der einzigen Episode der OSM-Serie „Oki Stanwer und das Todesim­perium“. Diese Episode namens „Die Festung des Bösen“ trägt die OSM-Kennziffer 271. Sie ist etwa 1984 entstanden und bekam nie eine Fortsetzung. Sie ist, genau genommen, der ers­te Versuch, das Troohn-Imperium darzustellen.

Ihr wisst, wenn ihr länger meinem Blog folgt oder meine E-Books gelesen habt, dass das ab 2003 in der sehr viel engagier­ten Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ umgesetzt worden ist (die Serie ist noch in Arbeit und weiter in Veröffentli­chung). Nach einer handschriftlichen Notiz auf dem Skript der Episode habe ich die obige Episode am 29. Januar 2004 wieder gefunden.

Ihr merkt daran, dass sie schon einmal lange verschollen war. Nun, leider legte ich sie dann in einem Ordner ab, in dem ich sie wahrhaftig so gar nicht vermutet hätte … in dem Ordner, in dem ich das handschriftliche Skript des ältesten OSM-Werkes „Der stählerne Tod“ (1979) verwahre. Und diese Skriptabschrift möchte ich ja alsbald vollständig abschließen, weil ich im Blogartikel 610 dieses Werk im Zuge meiner neuen Artikelreihe vorstellen will.

Zu meinem nicht geringen Entzücken förderte das Aufschlagen dieses Ordners noch zwei weitere verschollene Episoden zuta­ge! Ich war gestern ganz von der Rolle, ehrlich.

Bei diesen Bänden handelte es sich um OSM-Band 294: „Okis Bestimmung“ und 309: „Der Dunkelsee“. Wenn ihr diese Titel nicht kennt, kann das niemanden überraschen. Sie sind mir selbst inzwischen sehr fremd geworden. Der erste Band wurde am 17. Februar 1985 fertig gestellt, der andere Anfang Mai 1985. Es handelt sich um den ersten Versuch der Serie „Oki Stanwer, der Dä­monenjäger“, die ich parallel zu den KONFLIKTEN 13 und 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) zu entwickeln versuchte.

Die drei Serien bauen strukturell aufeinander auf und liegen je­weils 5 Milliarden Handlungsjahre auseinander. Bei allen handelt es sich um planetare KONFLIKTE, die auf der Erde spielen. Aber ich war bei OSH damals erst bis Band 40 gekommen, also noch 37 Episoden vom Serienschluss entfernt. Folgerichtig dümpelte auch KGTDUS als thematische Folgeserie (schon 1984 in Angriff genommen, also viel zu früh) gerade mal bei Band 10 herum.

Und dann startete ich schon in eine Nachfolgeserie? Ziemlich töricht, denkt ihr? Völlig richtig. Und dementsprechend ging die­se Serie – der gedankliche Vorgänger von KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ (DDj) – , auch nach 2 Episoden glanzlos unter. Erst am 1. August 1988 nahm ich dann tatsäch­lich Anlauf, KONFLIKT 23 niederzuschreiben, gut drei Jahre spä­ter.

Das war auch gut so, und da ich zurzeit gerade die DDj-Serie mit zunehmender Freude digitalisiere, kann ich euch versichern, dass sie sehr viel bodenständiger ist als dieses obige Experi­ment.

Dennoch … allein schon der Vollständigkeit halber werde ich die drei nun wieder entdeckten Episoden alsbald digitalisieren und umgehend glossieren, damit das alles so seine Richtigkeit hat.

Ich bin wirklich mal gespannt, ob in diesen insgesamt sehr kurz­en Episoden (die längste hat 7 anderthalbzeilige Skriptseiten) noch Ansätze stecken, die ich im modernen OSM irgendwie ver­wenden kann. Das möchte ich nicht von vornherein ausschlie­ßen.

So schön können Zufallsfunde sein, Freunde! Ich bin wirklich happy, dass das endlich gelungen ist, diese verschollenen Texte wieder zu finden. Dieses Mal sollte ich aber zusehen, sie so zu verstauen, dass sie nicht für die nächsten zwanzig Jahre unter die Räder kommen … denn so lange waren sie in meinen vier Wänden verschollen und wurden vergeblich gesucht …

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 485: The Creator (Filmrezension)

Posted Dezember 4th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Filmrezensionen in meinem Blog sind selten. Das hat nichts da­mit zu tun, dass ich keine Filme anschaue, das tue ich häufig und gern. Es ist nur so, dass mir Buchrezensionen üblicherweise leichter fallen. Man ist dort auf seine eigene Imaginationskraft angewiesen, um die Geschichten zu beleben, während man bei Filmen zu einem weitgehend passiven Rezipieren genötigt wird. Das führt dann dazu, dass ich Filme eher selten rezensiere.

Manchmal gibt es dann Ausnahmen. Dies hier ist eine davon, eine weitere wird in naher Zukunft auch ihren Weg hierher fin­den.

Dieser Film der jüngsten Vergangenheit ist, bei all seinen Schwächen, doch ein interessanter Versuch, sich sowohl dem Thema Künstliche Intelligenz und ihrer Interaktion mit einer zu­künftigen Menschheit zu nähern, außerdem dabei aber die Asi­mov’schen Robotergesetze nicht völlig aus dem Blick zu verlie­ren. Schade ist die starke Schwarzweiß-Polarisierung der Ge­schichte und die Verengung auf die Familie des Haupthand­lungsträgers … aber das war ein Kritikpunkt, der mich am Film etwas störte. Das muss nicht allgemein bei euch so sein.

Obwohl also mein Fazit durchaus durchwachsen ist, halte ich The Creator für einen beeindruckenden Film, der eine differen­zierte Besprechung verdient hat:

 

The Creator

(OT: The Creator)

Ein Film von Gareth Edwards

Erscheinungsjahr: 2023

Länge: 133 Minuten

Hauptpersonen: John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Gemma Chan, Ken Watanabe, Allison Janney u. a.

Produziert von Regency Enterprises, Entertainment One und New Regency

Musik: Hans Zimmer

Alle Welt redet über Künstliche Intelligenz (KI). Im Zeitalter gra­fischer KI und ChatGPT 4 ist das irgendwie vollkommen selbst­verständlich. Natürlich geht diese Entwicklung, zumal in einer Zeit moderner Tricktechnik, auch am Science Fiction-Film nicht vorüber. Im Gegenteil. Der SF-Film war recht eigentlich der Vor­reiter dieser Entwicklung, um schon frühzeitig die KI-Phantasien von SF-Autoren umzusetzen. Filme wie „Blade Runner“ oder „Terminator“ aus den 80er Jahren zeigen überdeutlich, dass es allenfalls eine Frage der Zeit sein konnte, bis es im Rahmen der allgemeinen digitalen technologischen Entwicklung ein Film zen­tral das KI-Thema behandeln würde. Edwards´ Film tut das auf eine interessante Weise, wie ich finde.

Wir befinden uns etwa in der Mitte des 21. Jahrhunderts. Die ak­tuelle technologische Entwicklung ist stürmisch vorangeschrit­ten. Die Robotisierung des Alltags hat überall Einzug gehalten, Roboter und KI sind quasi allgegenwärtig. Dieser Trend scheint sich konsequent fortzusetzen … bis zu dem Moment, in dem in Los Angeles eine Nuklearwaffe gezündet wird und mehr als hun­derttausend Menschen sofort tötet, darunter auch Joshua Tay­lors Eltern und Geschwister. Er selbst wird schwer verletzt, ver­liert einen Arm und einen Teil eines Beines. Daraufhin selbst zum Halb-Cyborg geworden, hat sich auch seine Einstellung ge­genüber den Künstlichen Intelligenzen verständlicherweise zum Negativen hin verändert

Dieser Terrorakt, der nämlich nach allgemeiner Lesart auf die KI zurückgeht, führt dazu, dass die Welt sich in zwei Lager schei­det. Während die westlichen Staaten, allen voran die Vereinig­ten Staaten, Roboter und KI verbieten und vernichten, wo im­mer sie ihrer ansichtig werden, weil sie darin eine Gefährdung der Menschheit sehen, setzt „New Asia“ auch weiterhin fest auf die KI-Unterstützung und entwickelt sich demzufolge zu einem Rückzugsgebiet der KI-Technologie. Dort sind alsbald robotische Polizisten und Mensch-Maschine-Hybriden, so genannte Simu­lants, nicht mehr wegzudenken.

Die USA entwickeln daraufhin eine monströse orbitale Verteidi­gungsbasis namens NOMAD (North American Orbital Mobile Ae­rospace Defense), mit der sie insbesondere in den asiatischen Ländern massive Vernichtungsschläge gegen KI-Zentren ausfüh­ren, die von Bodenkommandos ausfindig gemacht wurden. In ei­ner gewissen Weise reden wir hier von einer Art futurisiertem Vietnam-Krieg. Ähnlich endlos zieht sich die Auseinanderset­zung hin, die Kosten steigen ins Unermessliche, Bürgerrechtsbe­wegungen agitieren gegen die NOMAD-Mordpolitik (das be­kommt man allerdings nur flüchtig am Rande mit).

Es ist jedenfalls offensichtlich, dass das Militär schnelle Erfolge braucht.

Dies ist der Moment, wo Sergeant Joshua Taylor (John David Wa­shington) eingesetzt wird. Er wird als vermeintlicher Dissident nach New Asia eingeschleust. Sein Auftrag: Er soll eine junge Frau namens Maya Fey umgarnen (Gemma Chan). Sie gilt als Tochter des geheimnisvollen „Nirmata“ (Schöpfer), der hinter der KI-Entwicklung steht. Aber er verliebt sich in sie und heira­tet sie, bald ist ein Kind auf dem Weg … da wird sein Underco­ver-Einsatz brüsk durch ein amerikanisches Spezialkommando abgebrochen, Maya, inzwischen Maya Fey-Taylor, kommt dabei augenscheinlich ums Leben. Er selbst wird zurückgeholt und ist schwer traumatisiert.

Als das Militär 5 Jahre später – derweil der aussichtslose Krieg immer weiter fortgesetzt wird – wieder an ihn herantritt, weil Nirmata offenbar eine neue finale Waffe entwickelt hat, die man Alpha-O nennt (sinnig: Alpha-Omega, durchaus passend für eine ultimate Waffe), lässt sich Taylor nur zum Mitmachen bewegen, weil er hofft, dass es doch noch eine Chance gibt, seine geliebte Frau lebend wieder zu finden.

Doch die Waffe Alpha-O erweist sich als ein kleines Kind – und als Simulant (erkennbar an den gruseligen Kopftunneln). Und vor die Wahl gestellt, dieses Wesen zu töten, das ihn vielleicht zu Nirmata und seiner Maya bringen kann, entscheidet sich Tay­lor dafür, das Kind zu beschützen. Dies macht ihn in den Augen der Vorgesetzten zu einem Deserteur, der gnadenlos zu jagen ist. Und auch die robotischen und Simulant-Streitkräfte New Asi­as verfolgen ihn rigoros …

Die digitalen Bildeffekte von Industrial Light & Magic (ILM) und generell die faszinierende Zukunftslandschaft eines künftigen Asien machen den Film zu einem beeindruckenden visuellen Er­lebnis, das den Zuschauer rasch gefangen nimmt. Die intensive Symbiose der digitalen Technik, die im asiatischen Raum (ge­filmt wurde in Thailand) den Alltag dominiert, stellt eine durch­aus plausible Weiterentwicklung der heutigen Trends dar. Das betrifft sowohl das Alltagsleben als auch die Überwachungs­technologie.

Die Storyline kann mit dieser Vorlage leider nur bedingt Schritt halten. Letztlich wird sie auf eine Familienstory reduziert und et­was sehr einseitig auf polarisierende Weise von dem zumeist eher hilflos reagierenden Taylor dominiert. Auf der Gegenseite steht die verbissene Soldatin Colonel Howell (Allison Janney), die ihre Kinder durch KI-Aktionen verloren hat und völlig verbit­tert ist. Sie ist demgemäß skrupellos, agiert als verlängerter Arm des sturen amerikanischen Militärs und ist in ihrem blind­wütigen Hass zu keiner Veränderung ihres Verhaltens fähig – sie findet auch ein dementsprechendes Ende. Mir drängte sich da das biblische Wort auf „Wer durch das Schwert herrscht, wird durch das Schwert umkommen“. Oder auch: Gewalt zahlt sich langfristig nicht aus.

Dieser eindimensionale Dualismus, den man recht penetrant die ganze Zeit über spürt, zerstört meines Erachtens schöne Ansät­ze, die sich im Film durchaus finden. So kristallisiert sich auf glaubwürdige Weise heraus, dass die Künstlichen Intelligenzen im Wesentlichen nichts gegen ihre Schöpfer zu tun bereit sind (was nicht ausschließt, dass sie sich mit brutalen Mitteln weh­ren, wenn sie von der Zerstörung bedroht sind). Die morallose Gewalt geht hier ausschließlich vom überwiegend pathologi­schen Menschen aus, der dabei einseitig beim amerikanischen Militär lokalisiert wird.

Dagegen gibt es essenzielle Ansätze, dass in New Asia die Ma­schinen als Ersatzmenschen Teile der Familien werden. Sie wer­den zunehmend sogar in die spirituelle Sphäre mit eingezogen: So werden etwa klagende Menschen, die um „tote“ Maschinen trauern, gezeigt, eine Maschinenverbrennung, analog zur Ver­brennung von Menschen, wie sie in Indien immer noch prakti­ziert werden, und es gibt sogar Tempel mit Roboterschreinen. Auch die rücksichtslose Kurzzeitspeicherung menschlicher Erin­nerungen und das Hochladen derselben in ausgeschaltete Si­mulants – was Colonel Howell durchführt – und was literarische und filmische Vorbilder bei Peter F. Hamilton und der „Doctor Who“-Serie hat, würden mehr Aufmerksamkeit benötigen.

In dem permanenten Konfliktgeballer der Handlung sowie der ständig verfolgten Familienzusammenführungs-Geschichte um Taylor gehen solche interessanten Ansätze dann bedauerlicher­weise weitgehend unter und sind nur für sehr aufmerksame Zu­schauer zu erkennen. Von dieser Seite her enttäuscht der Film dann leider, von dem ich mir gerade in dieser Hinsicht etwas mehr erwartet hatte. Dennoch stufe ich ihn als unbedingt se­henswert ein, gern auch mehrmals aufzusuchen, um die ge­nannten Feinheiten jenseits der Oberflächenhandlung besser würdigen zu können.

© 2023 by Uwe Lammers

Soweit für heute. Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 591: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 59

Posted Dezember 1st, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

die Geschichte des KONFLIKTS 16 nähert sich allmählich dem Siedepunkt. Man könnte Band 100 dafür halten, zu dem ich am Ende dieses Beitrags komme, aber das ist trügerisch, denn das glaubte ich im Herbst des Jahres 1997 ebenfalls, als er in Pla­nung war … die Handlungsführung wollte es anders, und so be­gann nicht eben dort schon der Finalzyklus, sondern etwas an­deres.

Ich komme nachher dazu angegebener Stelle. Zunächst ein kurzes Resümee der letzte Geschehnisse:

Was zuletzt geschah: Oki Stanwer und seine engsten Getreuen sind nach wie vor in der Vergangenheit verschollen. Maria San­driacochi als präkognostische Helferin des Lichts weiß zwar zu sagen, dass sie noch leben, aber ob und wann sie wieder die Gegenwart erreichen, ist völlig unklar.

Nachdem im Anschluss an die Zerstörung des Königreichs der Dämonen die Fahndung nach den flüchtigen Kontingenten des Erzfeindes, der Dämonenwaffe GOLEM, vergebens blieb, führt ein monströser Zufall die Galaxisrebellen wieder auf die richtige Spur – die neue Generation der Vooler in GOLEMS Streitkräften erweist sich als psychisch labil und probt den Aufstand. Dies führt zu einem grässlichen Massenmord und zur inneren Insta­bilität von GOLEMS Vielvölkerimperium.

Der LEUCHTENDE entdeckt zudem, dass die Zeitgezeiten vor RANTALON von einer weiteren Seite manipuliert werden, und die Crew eines Galaktikerschiffes kommt ums Leben. Dies führt dazu, dass dem Matrixkoordinator und Ekkon erlaubt wird, die­ser Gefahr nachzugehen …

Episode 96: Geheimprojekt Zeitgezeiten

(1997, digitalisiert 2024)

Frühjahr 3938: Der LEUCHTENDE hat nachgewiesen, dass die Zeitgezeiten vor RANTALON manipuliert werden und zu einer noch tödlicheren Gefahr werden als bisher schon. Schlimmer noch: Sie deuten darauf hin, dass da jemand mit überlegener Zeittechnologie womöglich dabei ist, vor den Galaxisrebellen RANTALON zu erreichen, jene Welt, die das Kampfziel von Oki Stanwers Sohn Marconius und den überlebenden Menschen ist.

Also wird die STARDRAGON unter Kommandantin Lorraine Co­lonna bereitgestellt, damit die beiden Bediensteten des Lichts der Gefahr nachgehen können.

Die Urheber dieser Gefahr sind die Matrixaten und Lokes der Neuen LIGA Soffrols, der in den zurückliegenden Jahrzehnten eine gigantische Streitmacht im Geheimen geschaffen hat. Da­bei behilflich war ihm der havarierte ZYNEEGHAR 226, den Soffrol nun, nachdem er seine Schuldigkeit getan hat, kurzer­hand vernichten lässt.

Und ja, das Ziel der LIGA besteht darin, die Zeitgezeiten zu überwinden, um die Geheimnisse RANTALONS auszuspähen. Diese Welt haben sie schon vor vielen Jahren ausfindig ge­macht, unmittelbar vor den Galaxisrebellen … aber wegen der Zeitgezeiten konnten sie sie ebenfalls nicht erreichen.

Seither arbeiten sie am „Geheimprojekt Zeitgezeiten“, doch ist das nur ein Eisen im Feuer der LIGA. Außerdem haben sie zwi­schenzeitlich auch einige Synox, die Waffenmeister GOLEMS, in ihre Gewalt bekommen. Und die Synox verbindet mit der LIGA ein besonderes Band, das sich Soffrol nun zunutze machen will.

In KONFLIKT 12 (vgl. dazu beizeiten die E-Books der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“) waren die Synox die Waffen­meister der alten LIGA im Herzen der Galaxis Koopen. Die Synox in KONFLIKT 16, dem aktuellen Krieg Licht gegen Schatten, sind demzufolge Matrixfehler, ganz wie Soffrols eigene LIGA-Solda­ten auch. Der Rächer von Breeth-Fgahn ahnt, dass GOLEMS Synox über informelle Matrixfehler Kenntnis von der „mythologi­schen“ Vergangenheit ihres Volkes besitzen … von der Vergan­genheit, wo sie Teil der LIGA waren. Nun versucht er, die gefan­genen Synox umzudrehen. Und er klont aus ihrem Gewebe neue Synox, die als Doppelagenten in GOLEMS Reich zurückkehren sollen, um weiter das Reich der Dämonenwaffen zu destabilisie­ren.

Währenddessen kommt das „Geheimprojekt Zeitgezeiten“ nicht recht vom Fleck, was die Lokes auch kleinlaut eingestehen müs­sen. Aber sie haben etwas anderes entwickelt, was sie als „Tem­poral-Pressor“ bezeichnen. Und dessen Aktivierung hat der LEUCHTENDE nun ausgemacht und stößt auf Feindgebiet vor …

Episode 97: Feinde aus der Zukunft

(1997, digitalisiert 2024)

Blende in ein nebelhaftes Morgen:

In einem verwüsteten Baumeister-EXIL wird ein ZYNEEGHAR der Baumeister geplündert von bizarren Wesen, die an lebende Me­tallskulpturen erinnern. Oki Stanwer würde solche Wesen wieder erkennen – es sind Thaat-GRALSJÄGER aus der fernen Zukunft, die planmäßige Plünderung in der Vergangenheit betreiben. Doch diese Thaats sind nicht an der Evakuierung von GRALEN in die Zukunft interessiert, wie es die Thaats im GRALSREICH wa­ren (vgl. dazu die Bde. 64-66).

Diese Thaats sind negative GRALSJÄGER, Freischaffende, könnte man sagen. Sie arbeiten für das SYNDIKAT unter seinem Vorsit­zenden Inciil. Und sie freuen sich darauf, das „Ziel Eins“ anzu­steuern: Die Galaxis Milchstraße und die Baumeisterwelt RAN­TALON!

Derweil träumt Maria Sandriacochi furchtbare Träume auf MO­NOLITH – zunächst von bizarren winzigen Metallwesen, die vor RANTALON aus dem Nichts erscheinen und hier furchtbares, mörderisches Chaos verursachen. Und dann sieht sie hinein in ein Pfeilschiff der Baumeister … und hinter dem metallenen Würfel des Schiffslenkers sieht sie die grauenhaft vermoderten, zombiehaften Gestalten von Menschen, die sie noch lebend um sich hat.

Der Schock versiegelt ihre Stimme, aber sie hat das grässliche Gefühl furchtbaren Unheils, das sich rasend schnell nähert.

Während das geschieht, trifft die STARDRAGON-Crew mit dem LEUCHTENDEN und Ekkon auf LIGA-Streitkräfte und bemüht sich, ihnen zu entkommen. Der Matrixkoordinator begreift ange­sichts dieser Schiffe rasch, wer hinter den Manipulationen der Zeitgezeiten steckt – aber es hat den Anschein, dass er diese Erkenntnisse nicht mehr weitergeben kann …

Parallel dazu sammelt das SYNDIKAT in der nahen Zukunft eine in die Zehntausende zählende Streitmacht hasserfüllter Solda­ten verschiedenster Völker, in deren Herzen der Zorn brennt. Das SYNDIKAT hat ihnen versprochen, sie zum Ziel zu führen, ihre Rache ausleben zu dürfen – an einem Ort, den man RANTA­LON nennt …

Wie ihr seht, bahnen sich hier grässliche Dinge an. Und das ist wirklich erst der Anfang eines schrecklichen Dramas, das mit dem Folgeband richtig beginnt.

Episode 98: Der Baumeister

(1997, digitalisiert 2024)

Blende ins Jahr 3880: Aus dem Nichts erscheint ein kleines, un­scheinbares Pfeilschiff mit kugelförmigem Zentralkörper im zen­trumsnahen Raum der Galaxis Milchstraße, direkt über einer großen golden schimmernden Welt, die wie eine bizarre Stachel­kugel aussieht – die Lenkwelt THRAVOOR, in dessen Innerem Oki Stanwer, seine Gefährten, die LIBERATOR und ein Baumeis­ter-Schiff nebst Insassen aus der tiefen Vergangenheit in die Ge­genwart gereist sind.

Der Insasse des angekommenen Schiffes ist der intrigante Ver­räter-Baumeister, der nur kontrolliert, ob seine manipulierten Stasisfelder noch intakt sind. Sind sie. Niemand hat die Lenk­welt bislang gefunden, und die Eingeschlossenen sind ohnehin wehrlos.

Alles läuft bestens für ihn, den Verräter.

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte, die er im Schnelldurchlauf durchreist, bekommt er GOLEMS Invasion mit und schließlich auch, wie die THIRAAN-Weltenkette zerstört wird … unter tat­kräftiger Mithilfe des Matrixfehlers Z-NULL, der dabei selbst ver­nichtet wird (vgl. dazu Bd. 83). Dann manipuliert er die Zeitge­neratoren, die er den Galaxisrebellen aushändigen soll.

In der Realgegenwart sucht Maria Sandriacochi, durch ihre prä­kognostischen Träume zunehmend verstört, die Nähe zum Kom­mandogehirn des Baumeister-Wächtersterns MONOLITH. Sie ist davon überzeugt, dass alsbald ein Baumeister auftauchen wird. Das Kommandogehirn nimmt das ebenfalls an … aber als Maria sagt, dieser Baumeister habe offensichtlich Schlimmes im Sinn und sei nicht das positive Wesen, für das man ihn halten würde, mauert der Rechner. Doch sie kann ihn schließlich zu einem vor­sichtig-reservierten Verhalten animieren.

Am 26. März 3938 wird die STARDRAGON von der Neuen LIGA aufgebracht, und der LEUCHTENDE und all seine Gefährten wandern in Gefangenschaft. Der Matrixkoordinator wird dabei mit der Bemerkung konfrontiert, dass die Bediensteten der LIGA sich augenscheinlich noch im 12. Universum wähnen … Soffrol täuscht sie also, denn KONFLIKT 12 ist seit 20 Milliarden Jahren beendet, das diesbezügliche Universum untergegangen. Viel­leicht ist das eine hilfreiche Information … aber zunächst wan­dern sie ausweglos in Soffrols Hochsicherheitsgefängnis und verschwinden aus der Handlung.

Am 1. April versucht Maria, Marconius Stanwer dazu zu bewe­gen, vorsichtig zu sein bei einem eventuellen Baumeisterkon­takt … aber ehe sie sich aussprechen kann, erfüllt sich ihr jüngster Traum, und der Verräter-Baumeister nimmt Kontakt mit MONOLITH auf, richtet Grüße von Oki Stanwer aus und ver­spricht Hilfe bei dem Zeitgezeiten-Problem.

Die Rebellen sind völlig aus dem Häuschen und jubeln.

Nun scheint einfach alles nur noch gut werden zu können! Allein Maria Sandriacochi ist kreidebleich und weiß, dass ihnen von dem Neuankömmling tödliche Gefahr droht … aber niemand hört auf sie.

Episode 99: Die Sommeroffensive

(1997, digitalisiert 2024)

Fortsetzung des Handlungsstroms aus Band 98:

Das Auftauchen eines gottgleichen Baumeisters erfüllt die Gala­xisrebellen aus nahe liegenden Gründen mit euphorischer Be­geisterung! Nun, so denken sie alle, kann einfach nichts mehr schief gehen.

Wir haben Gott auf unserer Seite!“, so lautet ihre über­schwängliche Überzeugung. Als Maria nervös zur Vorsicht mahnt, heißt es, sie sei eindeutig nervlich überspannt und bräuchte dringend Ruhe (was so falsch nicht ist). Sie ist völlig deprimiert und sucht wieder Zuflucht beim Kommandogehirn von MONOLITH, das alsbald signalisiert, dass der angekommene Baumeister nicht zu denen gehörte, die den Wächterstern ge­baut haben. Es gibt beim Informationstransfer zwischen MONO­LITH und den SENSOREN des Baumeisters minimale Transfer­verzögerungen.

Sie ahnen beide nicht, was der entartete Baumeister daraus für Rückschlüsse zieht – ihm und seinen SENSOREN sind diese Din­ge ebenfalls aufgefallen, und der SENSORKERN des Baumeister­schiffes erklärt, dies ließe darauf schließen, dass MONOLITH nicht von ursprünglichen Baumeistern, sondern sozusagen Bau­meistern zweiter Generation errichtet worden sei – von Lokes-Baumeistern, der Baustruktur nach zu urteilen.

Der Verräter-Baumeister schäumt vor Hass, lässt sich aber ge­genüber den Galaxisrebellen nichts anmerken.

Maria Sandriacochi versinkt wieder in einem Wahrtraum … und sieht sich in der Zentrale der LIBERATOR, die völlig in veilchen­blaues Leuchten gehüllt ist … ein Stasisfeld, das die Zeit nur sehr zögerlich verstreichen lässt. Und sie spürt, dass das Schiff in der Gegenwart sein muss, aber eben immer noch im Zeitver­zögerungsfeld.

Und sie kann es nicht mehr verlassen! Die Stasis greift auf ihren Körper über und schaltet sie als handelnde Person aus.

Als Marconius ihren gespenstisch veränderten Zustand ent­deckt, tut er das Falscheste, was er tun kann – er fragt den Bau­meister um Rat … der schnell erkennt, dass Maria mit der Zeit­verzögerungsstasis auf THRAVOOR gekoppelt ist. Das ist ein Faktor, mit dem er nicht gerechnet hat und der ihm gar nicht ins Konzept passt. Aber er kann sich argumentativ aus der Affäre ziehen und die weitere Mobilisierung der Galaxisrebellen voran­treiben.

Hier wird eine Flotte von tausend robotischen ERKUNDERN mit starken Waffensystemen vorangetrieben (die so genannte „Win­kelflotte“), außerdem die Erstellung einer autonomen Lenkba­sis, die nahe RANTALON stationiert werden soll. Aber Anfang Mai 3938, während von der STARDRAGON nach wie vor auch nach Wochen jede Spur fehlt und Marias Stasis anhält, beginnen sich die Flotten vor RANTALON zu sammeln.

GOLEMS Truppen.

LIGA-Truppen.

TOTAM-Kontingente.

Und, fast verschämt im Hintergrund, die Galaxisrebellen mit ihren kleinen Kontingenten. Die Sommeroffensive beginnt, und sie scheint in ein unausweichliches Massaker münden zu müs­sen …

Episode 100: Festung RANTALON

(1997, digitalisiert 2024)

Irgendwann, irgendwo:

Die hasserfüllten Soldatenkontingente der SYNDIKATS-GRALSJÄ­GER werden darauf gedrillt, gnadenlos Siedlungen niederzu­brennen und alle Lebenden zu töten. Dummerweise sind sie aber nach wie vor nur auf einem Trainingsfeld mit Androiden, nicht auf RANTALON. Und die Truppen sind inzwischen auf 80.000 Soldaten angewachsen.

Der intrigante Verräter-Baumeister hat inzwischen RANTALON aus der Ferne observiert und ein meisterhaftes Hologramm der Ringwelt geschaffen, das er in der Kommandozentrale von MO­NOLITH den Galaxisrebellen umfassend erläutert. Dabei hält er sich völlig an die Wahrheit, rätselhafterweise.

Das Wesen TOTAM wird aus der Ferne Zeuge der Ankunft des Baumeisters und beschließt zusammen mit dem BUCH, dass es keine gute Idee wäre, jetzt die Galaktiker-Verbündeten zu kon­taktieren. Die einzige Möglichkeit, um zu handeln, ist Verstär­kung der Wachpräsenz vor RANTALON.

Am 10. Mai 3938 tauchen vor RANTALON, unbemerkt von den Wächterschiffen, winzige metallische Partikel aus dem Nichts auf – Kybernoiden, sporengleiche, schwarmartig organisierte Künstliche Intelligenzen, die ebenfalls wie die GRALSJÄGER aus der fernen Zukunft eines späteren Universums aufgetaucht sind, um hier zu manipulieren. Sie bilden einen geheimen Pol nahe den Zeitgezeitenfeldern vor RANTALON.

Soffrols Intrigantenschachzug, Synox von GOLEMS Streitkräften auf seine Seite zu ziehen, um sie zu Doppelagenten oder gleich zu Überläufern zu machen, funktioniert ebenfalls immer besser.

Während die Gefangenen der STARDRAGON-Crew noch darauf hoffen, dass irgendwer sie aus der Hand der LIGA befreit, unter­suchen die Lokes das Galaktiker-Schiff und stoßen dabei auf Hightech von MONOLITH … und auf klare Indizien, die auf wei­terentwickelte Lokes-Technik hindeuten. Das führt zu verschärf­ten Verhören, denen die meisten STARDRAGON-Besatzungsmit­glieder zum Opfer fallen. Dann verhört Soffrol den LEUCHTEN­DEN …

Auf der Genbasis 18, GOLEMS neuem Hauptquartier, nachdem das Königreich der Dämonen und damit seine Hauptwelt Malse­nador gefallen ist, tobt das Chaos. Vooler-Rebellen sabotieren und attackieren die Installationen der Dämonenwaffen-Allianz und säen Chaos. Linienuntreue Synox hegen verstärkt Zweifel an GOLEMS Mantra, die LIGA sei allein eine mythische Vergan­genheit und habe keinerlei Relevanz für die Gegenwart.

Ehe die Dämonenwaffen also ihre Streitkräfte konsolidieren kön­nen, müssen sie erst mal mit den Rebellen in den eigenen Rei­hen klarkommen.

Soffrol versucht weiterhin, Temporaltechnologie so zu perfektio­nieren, um einen Vorstoß nach RANTALON zu unternehmen. Was niemand seiner Untergebenen ahnt: Im letzten Verhör des LEUCHTENDEN hat er eine Information über RANTALON erhal­ten, die ihn elektrisiert – auf RANTALON existiert ein so genann­ter Ladungspol der Lichtmächte, an einem Ort namens TAARNA. Dort kann man Direktkontakt mit den Sieben Lichtmächten auf­nehmen. Und von dort kann man auch Lichtmacht-Truppen an­fordern, CROMO-Streitkräfte etwa. Das ist die große Hoffnung des LEUCHTENDEN, der nach dem Verhör ziemlich am Ende sei­ner Kräfte ist.

Soffrol aber will TAARNA als Fluchtmöglichkeit aus dem KON­FLIKT 16 nutzen. Und zwar er allein. Deshalb treibt er massiv die Arbeiten an der Zeittechnologie voran … und schmiedet einen weiteren Plan, um die Dinge auf der Gegenseite zu verlangsa­men.

Im Orbitalring II, einer weiteren Basis GOLEMS, versucht ein Synox namens Bheec, einen Zeitkapsel-Prototyp zu stehlen und wird von einem Alli in einem Energiegitter gefangen. Als dieser ihn exekutieren möchte, taucht ein zweiter Synox auf, der an­geblich nach eigener Auskunft „von der LIGA aus der nächsten Woche“ kommt und Bheecs Ermordung verhindern musste, weil GOLEM sonst die LIGA besiegt hätte. So bringt Bheec den Proto­typ zu Soffrol, und die Aufzeichnungen dieses Gesprächs befeu­ern GOLEMS pathologische Angst vor Zeitmanipulationen. Dabei handelt es sich hierbei in Wahrheit um ein raffiniertes Täu­schungsmanövers Soffrols, das GOLEMS Kräfte weiter verzetteln soll.

12. Mai 3938: Vollalarm für die Lenkbasis der Galaktiker – vor RANTALON marschieren massive Flottenkontingente auf. Ein Durchbruch zur Ringwelt scheint illusorischer denn je zu sein, Baumeisterhilfe hin oder her … und dann beginnen die Einhei­ten GOLEMS, Soffrols und TOTAMS damit, einander zu bekämp­fen …

Kurz zuvor hat die Subpersönlichkeit des Wächtersterns MONO­LITH insgeheim Marias Sorgen Abbitte geleistet – denn die Handlungsweisen des Baumeisters zeigen immer deutlicher, dass ihm nicht wirklich am Wohlergehen der Galaktiker gelegen ist, und vieles darauf hindeutet, dass er verzögert, verwirrt und verschleppt. MONOLITH entwickelt daraufhin einen Notfallplan und entdeckt bei weiteren Nachforschungen die Quelle der Tem­poralenergien, die Marias Stasis auslösen – in einem fernen Sek­tor der Galaxis, in dem sich die Lenkwelt THRAVOOR befindet … und zudem, dass diese Koordinaten schon seit über 800 Millio­nen Jahren in seinen Speichern existiert haben. Der Wächterstern beschließt, insgeheim eine unbemannte Kundschaftermission dorthin auszusenden.

18. Mai 3938: Die LIGA kontaktiert über MONOLITH die Lenkba­sis der Galaktiker, wo sich auch Marconius Stanwer und der Baumeister gerade aufhalten. Der Diplomatische Lord Suu, ein Lokes, überbringt den Galaktikern ein „großzügiges Angebot“ Soffrols. Sie sollen ihm das Erstlanderecht auf RANTALON über­lassen, dafür würden sie die „etwas lädierten“ Bediensteten des Lichts, Ekkon und den LEUCHTENDEN, zurückbekommen.

Doch zur Fassungslosigkeit aller ist es dann der Baumeister, der dem Lokes die Antwort gibt: „Ich spreche für die Galaxisrebel­len: das Angebot ist für uns gegenstandslos. Fahrt zur Hölle!“

Tja, und damit ist die Hölle nun wirklich am Kochen.

Mit diesem Band endet diese Trilogie, doch der so genannte „Verräter-Zyklus“ geht noch deutlich weiter. Und ich versichere euch, Freunde – jetzt werden die Dinge WIRKLICH richtig schlimm.

Mehr dazu im kommenden Teil dieser Artikelreihe.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

Rezensions-Blog 484: Die Gnadenlosen

Posted November 27th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist schon verblüffend, diese Rezension aus dem Jahre 2020 im Jahr 2024 wieder aufzunehmen und in den Rezensions-Blog zu projizieren. Ich schwöre, damit war keinerlei politische Mes­sage intendiert. Wie ich jüngst schrieb, pausiere ich zurzeit mit dem Lesen und Rezensieren bei James Rollins und wende mich der immer noch ansehnlichen Menge an noch nicht gelesenen und rezensierten Romanen von Clive Cussler und seinen Epigo­nen zu. Und dabei war nun die Reihe an diesem Werk.

Verblüffung ist dennoch vermutlich unvermeidbar, weil in Deutschland in diesem Jahr auch mächtig gestreikt wurde. Das ist schon eine witzige Koinzidenz … doch ansonsten haben die Streiks in den USA im Jahre 1902, in dem dieser Roman spielt, mit den doch eher zahmen Auseinandersetzungen in Deutsch­land der Gegenwart nicht viel gemeinsam.

Wir erleben es hier nicht, dass Minen explodieren, Schiffe ver­senkt werden und Mordanschläge vorkommen … solche Ereig­nisse verleihen aber dem vorliegenden Roman eine mächtige Dramatik.

Ich finde, da lohnt sich ein genauerer Blick:

Die Gnadenlosen

(OT: The Striker)

Von Clive Cussler & Justin Scott

Blanvalet 0144

480 Seiten, TB, Oktober 2015

Übersetzt von Michael Kubiak

ISBN 978-3-442-0144-1

Man schreibt das Jahr 1902, als in den Vereinigten Staaten die sozialen Ungleichheiten zwischen vermögender und arbeitender Klasse massiv aufbrechen und sich sozialistisch orientierte Streikbewegungen daran machen, die Arbeiterschaft zu organi­sieren. Ihr Ziel: mehr Arbeiterrechte, kürzere Arbeitszeiten, bes­sere Bezahlung. Wer das heutzutage für selbstverständlich hält, hat wirklich keine Vorstellung der Situation in den Vereinigten Staaten zu jener Zeit.

Der Industrielle Black Jack Gleason engagiert die noch junge De­tektei von Joseph Van Dorn, weil er überzeugt davon ist, dass seine Kohlegruben von sozialistischen Provokateuren und Sabo­teuren bedroht wird. Während Van Dorn sich darum bemüht, ein nationweites Netz seiner Agentur zu etablieren, wird der Junger­mittler Isaac Bell nach West Virginia geschickt, um in der Glea­son Mine 1 nach dem Rechten zu sehen. Hier wird er Zeuge ei­nes schrecklichen Grubenunfalls – jedenfalls sieht es ganz da­nach aus. Er kann mit Mühe eine Totalkatastrophe verhindern, aber es gibt eine Reihe von Toten.

Verantwortlich für den Zwischenfall wird der Gewerkschaftler Jim Higgins gemacht, aber Bell zweifelt diese Urheberschaft mit Recht an. Als er versucht, den inzwischen Verhafteten zu befra­gen, wird er von einem Unbekannten aus der aufgebrachten Menschenmenge beinahe erschossen … und das Ende vom Lied ist Bells Beteiligung an einer Häftlingsbefreiung, bei der das Ge­fängnis abbrennt und er sich schließlich mit der bildschönen und sozialistisch engagierten Schwester Jims, Mary Higgins, via Zug auf der Flucht befindet. Und er hat einen ernsten Verdacht: die Gewerkschaftsbewegung soll von höherer Stelle durch einen Provokateur ausgenutzt werden, um einen sozialen Konflikt in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand eskalieren zu lassen und die Macht der besitzenden Schicht zu festigen.

Er macht sich auf den Weg, Van Dorn zu überzeugen, und mit einem kleinen Team altgedienter Ermittler folgt er mühsam den geschickt vertuschten Fährten des Provokateurs, der tatsächlich existiert. Während er allerdings weithin im Dunkeln tappt und zunehmend entdecken muss, dass sein bernsteinäugiger, lange namenloser Feind höchst raffiniert und absolut gnadenlos ist – und immer einen Schritt voraus – , verbündet sich dieser mit ei­nem Wall Street-Magnaten, Judge James Congdon, um diesem zu mehr Macht zu verhelfen.

Erschwert wird die Angelegenheit durch mehrere Faktoren wei­ter. Zum einen ist der Junggeselle Bell alsbald ordentlich in die intelligente Mary verschossen, die andererseits bald entdeckt, dass er ein Detektiv ist und von ihr mithin als Agent der Eigen­tümerklasse abgelehnt wird. Zum anderen verfolgt Jim Higgins ehrenwerte soziale Ziele, ist aber strategisch auf geradezu be­klagenswerte Weise naiv. In der Streikbewegung geben mehr­heitlich die Radikalen den Ton an – exakt das, was sich der intri­gante Saboteur wünscht, der Gewalt auf beiden Seiten der Fron­ten anzetteln will. Dafür geht er buchstäblich über Leichen, sprengt Schiffe in die Luft, zerstört Gewerkschaftshäuser und hetzt inkognito Arbeiter wie Ordnungskräfte gegeneinander auf. Schließlich werden sogar Van Dorn-Agenten ermordet, und Isaac Bell gerät in eine immer prekärere Lage, als sich die Situation zuspitzt. Dass Mary den Radikalen zuneigt, macht die Angele­genheit noch heikler.

Joseph Van Dorn mahnt, Bell solle möglichst nicht Partei ergrei­fen – aber das erweist sich als unmöglich. Und als sie herausfin­den, wer der Provokateur ist, reagiert der Agenturgründer kurz­schlüssig … denn er selbst ist es gewesen, der dieses Monster geschaffen hat, das er nun in den Abgrund zurückstoßen will, aus dem es gekommen ist …

Als ich mit der Lektüre des Romans begann, nahm ich auch an, er müsse mit „Der Streiker“ übersetzt werden, da es sehr um die Person des Gewerkschaftlers Jim Higgins ging (der Klappen­text erzählt allerdings Blödsinn, denn er kommt bei dem Minen­unglück nicht ums Leben!). In Wahrheit kristallisiert sich bald heraus, dass es „Die Streiker“ übersetzt werden müsste, weil es schließlich um Abertausende von Personen geht. Und interes­santerweise ist die Lage im Herbst des Jahres 1902 auf bizarre Weise ein Spiegelbild der aktuellen Situation im heutigen Ameri­ka – das ein tief gespaltenes Land ist. Dort verlaufen die Fronten allerdings nicht rein politisch zwischen republikanisch und de­mokratisch, sondern zwischen Besitzenden und Arbeitenden, und die Auseinandersetzungen sind von einer atemraubenden Brutalität. Es wird schnell verständlich, warum Bell sich die Sa­che der Streikenden zu Eigen macht und massiv in die Gescheh­nisse eingreift, auch wenn er das gar nicht soll.

Herausgekommen ist eine Geschichte, die weitaus dramatischer als der Vorgängerroman „Meeresdonner“ ist, und selbst wenn ich personell manchmal den Faden verlor, weil Scott doch viele Protagonisten der vorherigen Romane wieder auftauchen lässt, an die ich mich z.T. nur noch vage erinnerte, muss ich doch at­testieren, dass dieser Isaac Bell-Roman das Niveau der vergan­genen Werke mühelos halten konnte und, was den sozialen Im­petus angeht, sogar noch ein gutes Stück zu steigern wusste.

Wer sich gern in das Jahr 1902 und die frühe Zeit der Van-Dorn-Detektei einfühlen möchte und in die damals noch junge und re­bellische Gewerkschaftsbewegung, der ist hier wirklich richtig am Platz.

Guter Geschichtenstoff, der mir sehr gefallen hat. Eine klare Le­seempfehlung.

© 2020 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche mache ich mal eine seltene Ausnah­me von der Regel. Da kümmere ich mich diesmal nicht um ein Buch, sondern um einen recht aktuellen Kinofilm, der mich nachhaltig beeindruckte.

Mehr dazu in der kommenden Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

es gibt wirklich überraschende Monate, in denen die Kreativität sprudelt … so etwas habe ich im gerade verflossenen Monat März 2024 erlebt. Mit 26 fertig gestellten Werken kam ich tat­sächlich fast auf ein Werk pro Tag. Sicherlich, manchmal waren es „nur“ Blogartikel oder Rezensionen, aber wie ich jüngst Freunden erzählte – ich pflege wirklich das alte Rezept von Ray Bradbury zu beherzigen, demzufolge man als Autor jeden Tag schreiben sollte. Und im Grunde genommen gelingt mir das nun schon sehr lange.

Befeuernd gerade im Bereich des OSM kam natürlich hinzu, dass ich mich geradezu schwindelerregend schnell OSM-Band 2300 nähere. In diesem Moment habe ich zuletzt OSM-Band 2295 abgeschlossen, und das heißt, dass ich prinzipiell am kom­menden Wochenende schon soweit sein könnte … ja, könnte. Aber so ein Hunderterband erlegt mir natürlich auch eine gewis­se Bürde auf.

Zu einem Hunderterband des Oki Stanwer Mythos taugt nicht jede Art von Geschichte. Es sollte schon ein Werk sein, das a) kein Digitalisat ist und b) keine Annalen-Geschichte und c) kein Roman. Das schränkt dann die mögliche Auswahl schon ziem­lich ein. Außerdem will ich versuchen, nicht gewissermaßen eine Art von Ballung von Jubiläumsbänden in einer Serie zu kon­zentrieren, sondern sie schon ordentlich auf verschiedene OSM-Serien zu verteilen.

Herausforderung? Absolut. Aber darum wird es in ein paar Wo­chen gehen, wenn ich einen Blogartikel explizit zum Band 2300 schreibe. Momentan bin ich noch reichlich unentschlossen, aus welcher der zahlreichen begonnenen OSM-Serien dieser Band stammen wird. Wenden wir uns darum lieber den Fakten zu, die schon sicher feststehen, also den Werken des Monats März 2024:

Blogartikel 586: Work in Progress, Part 135

(June – Erotic Empire-Story)

(Verspielt – Erotic Empire-Story)

(Ein denkwürdiger Urlaub – Erotic Empire-Story)

Anmerkung: Diese Ballung von Erotic Empire-Geschichten be­deutet weniger, dass ich darin viel vorankam. Es hatte mehr da­mit zu tun, dass ich aktuellere Ausdrucke von diesen Werken erstellen wollte. Das klappte bis zum 12. März, dann streikte mein Drucker … ich arbeite daran, den Fehler zu finden und zu beheben.

16Neu 102: TAASIK-889

16Neu 104: Auslöschungsgefahr

Blogartikel 571: Blitzideen

(Jessica II – Erotic Empire-Story)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

16Neu 103: Kampf um die Lenkwelt

(OSM-Wiki)

16Neu 105: Anschlagziel: VERRICOR

16Neu 97: Feinde aus der Zukunft

16Neu 98: Der Baumeister

16Neu 99: Die Sommeroffensive

Anmerkung: Ich denke, die alleinige Häufung dieser Episoden aus KONFLIKT 16 macht ziemlich klar, was mich in diesem Mo­nat geradezu magnetisch anzog … kein Wunder. Sowohl Band 100 ist ein Fixpunkt der Serie, und mit Band 107 beginnt der Fi­nalzyklus, den ich schon 1998 quasi nonstop herunterschrieb, in einem ziemlich singulären Schreibrausch. Ich freue mich echt sehr, ihn jetzt gründlich kommentiert zu sichern und auszudrucken. Ihr werdet im Rahmen der Close Up-Artikel in Bälde mehr zu den hochdramatischen Inhalten dieser Episoden lesen können.

(Das Akademie-Problem – OSM-Hintergrundtext)

Anmerkung: Das war eigentlich nur eine Stippvisite in einem Hintergrundtext, der schon seit vielen Jahren vor sich hindüm­pelt und sich auf KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schatten­fürst“ bezieht, allerdings deutlich jenseits von Band 50 der Serie. Hieran komme ich vermutlich wirklich erst voran, wenn ich mich gründlich in die Serie einlese und dann fortfahre, das Drama in der Galaxis Daarcor explizit niederzuschreiben. Das kann noch dauern …

16Neu 106: Verrätertod

20Neu 20: Kampf um Grat-ban

16Neu 100: Festung RANTALON

16Neu 101: THRAVOOR

(20Neu 21: Im Dienst des Lichts)

(Im Bann der schönen Fremden – OSM-Story)

Anmerkung: Ja, was war DAS denn? Eine OSM-Story aus dem KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“? Ja, ganz genau. Auch sie ist schon vor langer Zeit begonnen worden, und ich komme hier nach wie vor nur bis zum Strand … davon möchte ich noch gar nicht mehr verraten. Es ist nur soviel si­cher: eine allzu jugendfreie Geschichte ist das nicht. Es geht um Sternenfeen, viel Nacktheit und hemmungslosen Sex. Was er­wartet ihr von Sternenfeen-Geschichten denn auch anderes?

NK 62: Fürsorgliche Entführung

Anmerkung: Das Überwinden dieser Schreibschranke in der vor­liegenden Episode geschah wirklich ziemlich blitzartig. Sobald die inneren Bilder erst mal flossen und die anfängliche Szene modifiziert war, wusste ich ganz genau, wohin ich wollte. Aller­dings war ich wirklich nicht darauf gefasst, dass die drei Ge­staltwandler in Not von einem Wesen gerettet werden würden, das einer uniformierten Rübe gleicht … das wird noch ziemlich witzig werden, glaube ich. Und vermutlich tödlich.

(NK 63: In der Zwielichtzone)

(16Neu 107: Versprengte der Zeiten)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“)

Blogartikel 585: Close Up – Der OSM im Detail (58)

Blogartikel 591: Close Up – Der OSM im Detail (59)

(16Neu 108: Temporale Fußstapfen)

Blogartikel 587: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (LXII)

(Glossar der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam)

(Lexikon der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam)

(20Neu 24: Die Falle in den Lebenskanälen)

Anmerkung: Wie ihr deutlich erkennen könnt, schon vom rein quantitativen Umfang der Digitalisate, behandelte ich KONFLIKT 20 eher etwas stiefmütterlich. Das wird sich m. E. erst ändern, wenn ich mit der Serie 16Neu am Ende bin. Das ist nicht mehr weit weg.

(16Neu 109: Die Tunnelgänger)

(20Neu 22: Entropie-Alarm)

(20Neu 23: Die Labyrinthe von Arc)

(NK 64: Reise nach Westai)

Anmerkung: Dieser Episodentitel ist schon ziemlich alt, er stammt möglicherweise sogar aus dem Jahr 2018 oder ist noch früher geprägt worden. Mein Problem bei dieser Geschichte war formaler Natur: Jeder 4. Band einer OSM-Serie bekommt übli­cherweise eine Vorschauseite. Aber die Vorschautitel der Serie NK reichten nur bis Band 66, nicht – wie erforderlich – bis Band 69. Diesem Missstand half ich tatsächlich jetzt am 31. März 2024 ab. Und ja, ich kann mir schon vorstellen, dass Band 2300 von hier kommt … mal schauen.

(Im Parallelraum – OSM-Story)

Anmerkung: Dass ich mich zu guter Letzt an dieser Geschichte versuchte, kann im Grunde nicht verblüffen. Warum? Weil in ihr das Schicksal einer Schiffsbesatzung geschildert wird, die an der „Sommeroffensive“ im KONFLIKT 16 teilnimmt, aber nie dort ankommt, wo sie hin soll. Stattdessen landen sie an einem unheimlichen Ort, an dem die Welt buchstäblich so anders aus­sieht, dass sie das gar nicht glauben können.

Zu dumm, dass der Fluss der inneren Bilder hier nicht anhielt und ich nur ein paar Stichworte zum weiteren Handlungsverlauf erhaschen konnte … aber kommt Zeit, kommt auch wieder ein kreativer Impuls.

Damit bin ich für heute wieder am Schluss. Ihr seht, es tut sich einiges bei mir daheim. Mehr dazu über die Ereignisse, die mich im Monat April „heimsuchen“, verrate ich euch am nächsten Monatsersten … na, fast, denn dieser Eintrag soll dann nicht mit dem Maiblog kollidieren und kommt deshalb einen Tag früher.

Soviel für heute, Freunde.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 483: Wenn Napoleon bei Waterloo gewonnen hätte

Posted November 20th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wer mich kennt bzw. schon länger meinem Blog folgt, der wird längst verstanden haben, dass ich als studierter Neuzeithistori­ker ein Fan von Alternativweltgeschichten bin. Ich bin da ganz auf der Seite des Historikers Alexander Demandt, der mal sinn­gemäß urteilte, historische Spekulationen des „Was wäre wenn“ seien keine müßige Zeitverschwendung, sondern würden viel­mehr das eigentliche Potenzial von Geschichte sichtbar ma­chen, insbesondere an den charakteristischen Wendepunkten der Historie.

Wir brauchen gar nicht im Abstrakten zu verharren. Schauen wir uns die jüngere Geschichte an, so stoßen wir an vielen Stellen auf Entscheidungen, die reale Geschichte wurden, die selbst ge­standene Zeitgenossen konsternierten und völlig undenkbar schienen. Ob es sich dabei um dem Mauerfall 1989 handelt, um das Ende der Sowjetunion 1991, um den Aufstieg von Bündnis 90/Die Grünen zur arrivierten Regierungspartei, um die Wahl ei­nes offensichtlich egomanischen Demagogen zum US-Präsiden­ten (oder dem eines Schwarzen zum Präsidenten) … viele hät­ten solche Ereignisse eigentlich für undenkbar erklärt. Und den­noch ist das unsere heutige Geschichte.

Zu jedem einzelnen dieser Ereignisse und unzähligen anderen aus dem Ablauf der Geschichte kann man sich alternative Deu­tungen denken. Vielfach hingen die Entscheidungen von schein­bar irrealen „Hinge-Faktoren“ ab: vom Wetter, von widrigen Ver­kehrsverhältnissen, von unvermittelten Krankheiten, kinderlo­sen Heiraten, militärischen Desastern, verdorbenen Speisen und vielem mehr.

Die Vielgestaltigkeit alternativer Entwicklungen der Geschichte macht eigentlich deutlich, wie vieles, was wir heutzutage für selbstverständliche Fakten der Geschichte halten, auch ganz anders hätte geschehen können. Und damit sind wir in der Are­na der alternativen Geschichte, auf die ich euch heute mit Ver­gnügen loslasse. Auch wenn diese Storysammlung inzwischen nur noch antiquarisch zu haben ist, lohnt sie jede Stunde der Lektüre, ihr werdet es rasch merken:

Wenn Napoleon bei Waterloo gewonnen hätte

(OT: If It Had Happened Otherwise)

Parallelweltgeschichten

Herausgegeben von J. C. Squire

Heyne 6310

400 Seiten, TB

August 1999

ISBN 3-453-14911-4

Wenn es anders gekommen wäre“ (If It Had Happened Otherwi­se) lautete der Originaltitel dieser Storysammlung, die für sich genommen schon eine Antiquität ist. Der Band ist ursprünglich nämlich im Jahre 1931 (!) erschienen und würdigte die damals im Schwange befindliche „Manie“ von Scheideweg-Geschichten, die der britische Historiker Sir George Trevelyan mit seinem Es­say „Wenn Napoleon die Schlacht von Waterloo gewonnen hät­te“ gewissermaßen begründet hatte. Diese im Juli 1907 (sic!) von der Westminster Gazette prämierte Geschichte findet sich in diesem Buch wieder. Sie war auch in der Originalsammlung vertreten.

Vierzehn parallele Wirklichkeiten präsentieren sich hier dem ge­neigten Leser, und es handelt sich sämtlich um faszinierende bis abstruse Darstellungen, die in einem wesentlichen Punkt von unserer bekannten Geschichte abzweigen, zum Teil mit ver­störenden Folgen.

Einige dieser Geschichten könnten – wie mir – bereits aus dem HEYNE SF-MAGAZIN bekannt sein, in denen Wolfgang Jeschke in früheren Jahren ein paar abdrucken ließ (so die Geschichte von H. A. L. Fisher und von Winston Churchill). Die anderen jedoch sind zum Teil atemberaubend:

In Wenn die Mauren in Spanien gesiegt hätten lässt die Zeitwei­che im Jahr 1492 bei Granada die Richtung wechseln. Die spani­sche Reconquista ist im entscheidenden Moment erfolglos. Die Mauren triumphieren und treiben die spanischen Herrscher in die Flucht. Ferdinand von Spanien stirbt ein Jahr darauf, Isabella begibt sich ins Kloster und warnt bis zu ihrem Tod im Jahre 1512 vor einem erneuten Angriff auf die maurische Macht. In späte­ren Jahrhunderten führt das unter anderem dazu, dass ein be­kannter Mann namens Benjamin Disraeli Großwesir im König­reich Granada wird. Und das ist nur ein Teil dieser Vision, die bis April 1919 führt …

G. K. Chesterton, eigentlich für Krimis bekannt, beschreibt in seiner Vision Wenn Don Juan d’Austria Maria Stuart geheiratet hätte eine Veränderung der britischen Politik, die die starke Po­sition Elizabeths I. von England unmöglich gemacht hat und da­mit auch die Katastrophe der Spanischen Armada von 1588 nie geschehen ließ …

Wenn Ludwig XVI. eine Spur von Festigkeit gezeigt hätte, dann wäre wohl laut dem französischen Schriftsteller André Maurois die Französische Revolution nicht ausgebrochen. Bekannterma­ßen entließ er auf Drängen der Adeligen den Minister Turgot, als dessen Reformen ihre Pfründe antasteten. Doch wäre das NICHT geschehen, nun, dann hätte er gewiss seinen Kopf nicht verlo­ren …

Die Perspektive eines gerade verstorbenen Historikers, der von einem Erzengel in das „Archiv der nichtverwirklichten Möglich­keiten“ geführt wird, ist natürlich eine schriftstellerische Figur, die besonders für mich als angehenden Historiker UND Schrift­steller von beträchtlicher Faszination ist.

Hilaire Belloc nimmt einen noch banaleren Anlass zum Aus­gangspunkt SEINER Version, um die Französische Revolution scheitern zu lassen. Bei ihm ist in der Geschichte Wenn Drouets Karren stecken geblieben wäre die Handlung schon weiter: die königliche Familie ist auf der Flucht, und der Soldat Drouet, der die Kutsche kommen hört, versucht verzweifelt, die Straße mit­tels eines Karrens zu blockieren, der allerdings im Finstern an­gekettet ist. Drouet ist erfolglos, und das hat schwere Folgen …

Wenn Napoleon nach Amerika entkommen wäre, vom britischen Historiker Herbert Albert Laurens Fisher (+1940) verfasst, liest sich ungemein faszinierend. Aus der Sicht eines jungen ameri­kanischen Lehrers, der Napoleons Ankunft im August 1815 in Boston miterlebt, breitet sich das Panorama der Aktivitäten des rührigen Korsen aus, der zunächst versucht, die Amerikaner zum Aufstand gegen die Franzosen und Briten aufzustacheln. Als dies misslingt, wendet er sich nach Südamerika und sucht sich einen charismatischen Verbündeten. Er findet ihn schließ­lich in niemand Geringerem als Simon Bolivar …

Bizarr schildert Harold Nicolson den Verlauf der weiteren Karrie­re des Schriftstellers Lord Byron in der Geschichte Wenn Byron König von Griechenland geworden wäre. In der Fassung eines Schriftstellers, der Byrons alias König Georg von Griechenlands heldenhafte Vergangenheit klarstellen will, erfährt man eine Menge Indiskretionen hierüber. Und wie Byron eigentlich gegen seinen Willen zur griechischen Galionsfigur wurde …

Wenn Lee die Schlacht von Gettysburg nicht gewonnen hätte, wäre laut Winston Churchill über kurz oder lang die E.S.A (Eng­lisch sprechende Assoziation) entstanden, die die Gegensätze zwischen Nord- und Südstaaten endgültig überwunden hätte – allerdings erst nach jahrzehntelangem, erbittertem Wettrüsten zweier amerikanischer Staaten in ein und derselben Bündnis­struktur – und die schließlich erfolgreich als weltweit größte Mili­tärmacht 1914 in Europa interveniert hätte. Eine faszinierende Vision, die umso beklemmender über 70 Jahre nach Abfassung wirkt in Anbetracht all dessen, was WIRKLICH geschah …

Wenn Booth Präsident Lincoln verfehlt hätte, hätte man, wie Milton Waldman ausführt, vermutlich herausgefunden, dass er viel autokratischer regierte als zu erwarten war. In dieser Welt, die er als Kritiker einer lincoln-apologetischen Buchpublikation beschreibt, schneidet der Präsident nicht sonderlich gut ab. Und was sein Ende angeht, nun … das ist doch etwas überraschend.

Sehr bemerkenswert möchte ich die Geschichte Wenn Kaiser Friedrich III. nicht Krebs gehabt hätte von Emil Ludwig hervorhe­ben. Nach seiner Vorstellung wäre dann das so genannte „Drei­kaiserjahr“ 1888 anders verlaufen. In diesem Jahr starb Kaiser Wilhelm I. im Alter von 91 Jahren. Kronprinz Friedrich aber plag­te zu dieser Zeit eine schmerzhafte Erkrankung des Kehlkopfes, und die Ärzte diagnostizierten Krebs, der unbedingt operiert werden müsse. Beides führte schließlich zu Friedrichs Tod nach nur 99 Tagen Regentschaft, so dass ihm der junge Prinz Wilhelm II. auf den Thron folgte – und schließlich den Ersten Weltkrieg maßgeblich mit auslöste. Doch wenn Rudolf Virchow SICHER ge­wesen wäre, dass es sich NICHT um Krebs handelte, wenn Fried­rich überlebt und auch keineswegs Bismarcks Entlassung ange­strebt hätte, dann wäre es denkbar gewesen, dass sich die Ge­schichte in die Richtung entwickelte, wie Ludwig sie laufen lässt – die Konsequenzen sind schier atemberaubend …!

Die Geschichte des Herausgebers J. C. Squire schließlich bringt den Leser auf die Fährte einer unglaublichen Enthüllungsstory. Was wäre wohl passiert, wenn 1930 entdeckt worden wäre, dass Shakespeares Werke in Wirklichkeit von Bacon stammen. Was sich aus den anfänglichen „Wühlarbeiten“ (im wörtlichen Sinn!) des Professor Skinner J. Gubbitt von der Jones University in Rhode Island auf dem alten Grundstück von Lord Verulam ali­as Francis Bacon ergibt, dürfte insbesondere für Shakespeare-Fans eine veritable Schockstory sein. Wenn man auf einmal beim Schlachter „ein Stück Shakespeare“ bestellt (weil man Schinken haben möchte) und was um alles in der Welt mit dem „Verräter“ Shakespeare passiert, der sich Bacons Werke „unter den Nagel“ gerissen hat, das reizt wirklich die Lachmuskeln und stellt gute Unterhaltung dar. Aber dann ist natürlich noch immer eine Frage offen: Wer um alles in der Welt hat denn nun, wenn BACON Shakespeares Werke schrieb, BACONS Werke verfasst …?

Bei der nächsten Geschichte, die in jeder Hinsicht gewöhnungs­bedürftig ist, wäre es sehr sinnvoll gewesen, wie bei den ande­ren einen kurzen Abriss der wirklich historischen Ereignisse vor­anzustellen. Wenn der Generalstreik erfolgreich gewesen wäre ist nämlich nichts anderes als der Auszug einer imaginären Zei­tung vom 31. (sic!) Juni 1930, in der von verstörenden und völ­lig verwirrenden Dingen die Rede ist: von einer Klage der Berg­bauunternehmer, die gerne dichtmachen würden, aber nicht können; von einem Milchsee im Hyde-Park; von Phantomstreiks; von der BBC, die versucht, Karl Marx „Kapital“ als Zwangsvorle­sung an die Zuhörer zu bringen – und vieles mehr. Das meiste bleibt selbst für Historiker wie mich unverständlich. Wenn man sich nicht sehr gut mit der britischen Geschichte der Weltwirt­schaftskrisenzeit auskennt, ist man hier wohl hoffnungslos ver­loren.

Wenn: Eine Jakobitische Phantasie nimmt wieder ein sehr reales Ereignis aufs Korn, das für mich als Leser sehr gut nachvollzieh­bar war. Der Grund lag in der Lektüre des Romanzyklus von Dia­na Gabaldon, der ja vor dem Hintergrund des Jakobitenaufstan­des von 1745 spielt.1 Diese Geschichte von Charles Petrie, am 30. Januar 1926 in The Weekly Westminster abgedruckt, geht davon aus, dass Charles Stuart siegreich blieb und England ge­wissermaßen katholisiert wurde. Bedauerlicherweise ist sie sehr kurz. Seufz …

Sir George Trevelyan nimmt in seiner titelgebenden Geschichte Wenn Napoleon die Schlacht von Waterloo gewonnen hätte an, dass mit dem 26. Juni 1815, als Napoleon die Konvention von Brüssel unterzeichnen ließ, seine kriegerische Phase endete und ein „Napoleon des Friedens“ das Ruder des französischen Staa­tes ergriff. Die Vision ist bestechend und beeindruckend. Was Trevelyans neuer Napoleon bis zu seinem Tod im Jahre 1836 noch alles bewegt, ist außerordentlich lesenswert und die Prä­mie, die er verdiente, auf jeden Fall wert …

A. P. Taylors Werk Wenn Erzherzog Ferdinand seine Frau nicht geliebt hätte weicht von den anderen Skizzen, Geschichten, Zei­tungsartikeln usw. insofern ab, als er die realen Hintergründe er­zählt, die zur Entstehung des Ersten Weltkriegs geführt haben. Nur zum Schluss ändert sich das. Aber hier ist das Abstraktions­vermögen des Lesers in hohem Maße gefordert …

Insgesamt betrachtet ist dieses Werk lange überfällig gewesen. Ein Buch, das erst nach fast 70 Jahren vollständig ins Deutsche übersetzt wird, ist eher ein Trauerspiel als irgendetwas anderes. Dennoch: gut ist es, dass man das überhaupt gemacht hat. Le­senswert sind fast alle der Geschichten. Und wenn man sich für Geschichte ebenso interessiert wie für Phantastik, dann kommt man hierbei ganz gewiss auf seine Kosten. Geschmückt von ei­nem beunruhigenden Cover von Thomas Thiemeyer – das einen alternden Kaiser Napoleon vor einer ruinenbedeckten Welt mit Atompilz im Hintergrund zeigt, was leider in keiner Weise der Ti­telgeschichte entspricht – ist das Buch eine Zierde für jedes Re­gal eines jeden Phantasten, der Alternativweltgeschichten zu schätzen weiß …

© 2001 / 2009 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche machen wir einen Besuch im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts und verfolgen den Pfad eines De­tektivs, der einer Verschwörung auf die Spur kommt.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Diana Gabaldon: „Feuer und Stein“, „Die geliehene Zeit“, „Ferne Ufer“, „Der Ruf der Trommel“, „Der magische Steinkreis“, „Das flammende Kreuz“ und (bisher) „Ein Hauch von Schnee und Asche“ (Stand: Februar 2009).

Blogartikel 589: Das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt, Teil 12

Posted November 17th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist immer wieder eine phantastische Erfahrung festzustellen, dass die Welt durchaus nicht nur aus düsteren und pessimisti­schen Erfahrungen besteht, sondern es auch unerwartete, inter­essante Lichtblicke gibt, die Mut machen, auch ambitionierte Projekte mit neuer Energie anzugehen. Zu solchen Projekten rechne ich das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt, über das ich bei aktuellen Events gern Rede und Antwort stehe.

Dazu gab es jüngst in Braunschweig zwei schöne Möglichkeiten. In der vergangenen Woche Ende Oktober war ich Teil des Braun­schweiger Gründungstages im Trafo Hub, und wenn es dort dann auch wesentlich – aus gegebenem Anlass – um die Vertre­tung des Vereins KreativRegion e.V. ging, so gab es doch auch Gelegenheit, mit Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch zu kommen. Und damit konnte ich dann zumindest kursorisch das titelgebende Projekt wieder in den Blick rücken.

Noch schöner gelang das am gestrigen Abend (29. Oktober), als im frisch installierten Nachhaltigkeitszentrum Braunschweig die neue 16. Ortswechsel-Veranstaltung des Hauses der Wissen­schaft stattfand. Unter dem Thema „Zukunft“ wurden innovati­ve, positive Ideen für die Zukunftsgestaltung mit Bezug auf die Arbeitswelt, die Stadtentwicklung und die Zukunftsforschung skizziert. Im Gefolge dieser Impulsvorträge konnte ich auch mit der Gastgeberin und einigen Gästen über die Frage der Nachläs­se verstorbener AutorInnen sprechen und den Plan, diese für die Zukunft zu retten und der Öffentlichkeit vorzuhalten.

Das entscheidende Stichwort war, meiner Ansicht nach völlig passend, „Kulturgutschutz“. Gerade in Zeiten, in denen wir al­lenthalben auf diesem Sektor Probleme erkennen können (etwa durch Verlagssterben, Zensurbestrebungen, Zusammenstrei­chung von kulturellen Radio- und Fernsehprogrammen oder ge­nerelle Kürzungen im Kultursektor), scheint es mir eminent wichtig, dass gerade an diesem Punkt besser nicht gespart wird.

Die Kurzsichtigkeit vieler politischer Akteure, die kurzfristige Rendite mit langfristiger Amortisation verwechseln, führt zu ei­ner Fehlsteuerung der finanziellen Förderströme, die ständige Nachfrage, „was bringt das kurzfristig an monetärem Gegen­wert“ ist zwar begreiflich … in vielen kulturellen Belangen greift sie aber zu kurz.

Das sind so ein paar Gedanken, die ich diesbezüglich in die Run­de werfen möchte. Wie man allerdings auch daran sehen kann, dass überhaupt ein Nachhaltigkeitszentrum Braunschweig ins Leben gerufen werden konnte (wenngleich die Fördergelder zu­nächst nur für ein Jahr Betrieb reichen, was ich zu kritisieren gestern Abend leider nicht umhin kam zu sagen), macht doch Mut, dass vielleicht mittelfristig ein Projekt wie das meinige, das sich um die Nachlässe von Autoren kümmern soll, nicht effekt­los verpufft und als schöner Traum austrocknet und verfliegt.

Ich war euch außerdem noch eine Seite Notizen schuldig geblie­ben, die ich im Februar in einer sehr inspirativen Diskussion festhielt. Die Anfänge hiervon findet ihr in den Blogartikeln 574 (4. August 2024) und 583 (6. Oktober 2024). Hier folgt also der Schluss dieser Notizen:

Stiftungssatzung

Mittelverwendung/Begünstigung muss klar definiert sein

Verein ist gemeinnützig, ohne Gewinnerzielungsabsicht

Stiftung ist mit Gewinnabsicht

To do-Liste erstellen

Reihenfolge der Punkte festlegen

Meilensteine

andere kulturelle Formate suchen – Präsenz dort planen

Werbematerialien

Businessplan?

Stiftung bestellt Geschäftsführer des Vereins

Stiftung hat Kontrolle über Verein

Beide müssen Vorstand zustimmen, um den besten Kandidaten zu finden

in erster MV [Mitgliederversammlung] verbindliche Satzung festlegen!

Hochschule als Mitglieder? Bspsw. Hochschulbund BS

CFI bei CoApp

Anfang März neues Gespräch – nach Buchmesse

(hat sich so leider aus verschiedenen Gründen nicht ergeben)

regelmäßige Kontakttreffen

Werbungsmöglichkeit für die Stiftungen im Stiftungsrat

Vereinsmitglieder sind langfristig Mit-Stifter!“

Damit enden diese vielfältigen Gedankenanstöße, die in Summe zeigen, dass der Projektgedanke gerade strukturell wohl deut­lich komplexer ist, als ich mir das bislang ausmalte.

Allein die hier ventilierte Idee, parallel einen Verein UND einen Stiftungsrat zu erschaffen, die beide interagieren und unter­schiedliche monetäre Zielsetzungen verfolgen, ist neu für mich und durchaus ungewohnt. Sie würde aber ohne Zweifel helfen, das notwendige Startkapital zu finden, das für die Umsetzung erforderlich ist.

Jüngst – auf dem Gründungstag, den ich einleitend erwähnte – erfuhr ich übrigens auch, dass sich viele Gründer völlig überzo­gene Vorstellungen davon machen, wie viel Startkapital vonnö­ten sei, um die Idee zu realisieren. Allerdings ist einschränkend hierzu zu berücksichtigen: Es ging dabei um produzierende Un­ternehmen, die ja einen physischen Gegenwert erschaffen, was die Amortisation von investierten Geldern deutlich leichter macht, als das in einem Autoren-Nachlassarchiv der Fall wäre. Denn machen wir uns hier nichts vor: Zunächst ist das Archiv ganz klar ein Zuschussgeschäft. Kulturguterhalt, das sollte allen, die sich mit dem Thema ein wenig auseinandergesetzt haben, klar sein, zielt auf langfristige Rendite, nicht auf schnellen, kurz­fristigen Gewinn.

Dabei klar im Weg steht natürlich so etwas wie der Zeitgeist, auch das ist vermutlich recht verständlich: politische Entschei­dungen, bei denen Kultur, allgemeine Information, zeithistori­sche Überlieferung für spätere Generationen gering geschätzt und dementsprechend wenig finanziell unterstützt werden, er­schweren es, solche Projekte zu realisieren. Auch eine Gesell­schaft, die in immer kürzeren Produktzyklen denkt, deren Auf­merksamkeitsschwelle sinkt und deren historisches Bewusstsein bedauernswert durch Kurzsichtigkeit und historische Vergesslichkeit gekennzeichnet ist, macht die Situation nicht leichter.

Diese Dinge müssen wir im Blick behalten und solchen Tenden­zen entgegensteuern, wenn wir das Problem des Kulturgutver­lustes beim Nachlass wegsterbender Autoren angehen wollen. Das ist jedenfalls nach wie vor kategorisch mein Anliegen.

Damit möchte ich für heute wieder schließen. Die Artikelreihe wird am 12. Januar 2025 an dieser Stelle fortgesetzt. In der nächsten Woche berichte ich über meine Schreibfortschritte in aktuellen Projekten, die der Monat März 2024 erbracht hat.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 482: Die Begehrte (1)

Posted November 12th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

italienische Autorinnen, die erotische Literatur schreiben – oder solche Romane, die gern als solche gelabelt werden, sind selten in meiner Bibliothek, das sei zu Beginn erst mal eingestanden. Das hat nichts mit Qualität zu tun, es ist einfach eine Frage der Verfügbarkeit. Ich bin da nicht irgendwie festgelegt oder sortie­re bestimmte Länder aus. Das scheint mir völlig nutzlos zu sein und nur ein Ausweis eines begrenzten Literaturhorizontes oder anderweitiger, ebenso wenig haltbarer Vorurteile.

Zugleich muss ich zugeben, dass mich das vorliegende Buch überrascht hat. Als ich es 2017 las, mehrheitlich, weil mich die haptischen Eindrücke so faszinierten, da nahm ich – naturge­mäß – an, das Werk fiele in die Kategorie „Erotischer Roman“. Tatsächlich verhält es sich durchaus anders, auch wenn es deut­lich expliziter Liebesszenen nicht entbehrt.

Aber worum es in der Geschichte der schönen jungen Lehrerin Eleonora Contardi tatsächlich geht, das solltet ihr besser im Fol­genden nachlesen:

Die Begehrte

(OT: L’oltraggio)

Von Sara Bilotti

Blanvalet 0580

336 Seiten, TB (2016)

ISBN 978-3-7645-0580-6

Aus dem Italienischen von Bettina Müller Renzoni

Eleonora Contardi ist wirklich nicht vom Glück gesegnet. Die junge Lehrerin ist aus Rom geflüchtet, weil sie dort in einer un­befriedigenden Beziehung zu dem wesentlich älteren Roberto stand und einfach nur ausgenutzt wurde. Sie brauchte Abstand zu den Dingen, und der einzige Ort, der ihr einfiel, war Bruges – ein kleines, idyllisches Anwesen in der Toskana, wo ihre Kind­heitsfreundin Corinne lebt, die sie seit fünf Jahren nicht gesehen hat.1 Eleonora weiß, dass Corinne dort zusammen mit dem er­folgreichen Geschäftsmann Alessandro Vannini lebt.

Gleichwohl wirkt sie in Bruges wie ein Fremdkörper, und das merkt sie sehr schnell, ebenso, dass die kleine Gemeinschaft in Bruges Geheimnisse hat, sehr seltsame und beunruhigende Ge­heimnisse. So hängt beispielsweise der Haussegen zwischen Corinne und Alessandro gründlich schief. Während sie sich der Hoffnung hingibt, er würde sie lieben, erweist sich der in jeder­lei Weise zuvorkommende und liebenswürdige Alessandro als eine Person, die mehr eine Heiligenfigur ist als irgendetwas sonst. Jemand, der sich kaum bis gar nicht öffnet, unverbindlich ist und immer nur kurzfristig für eine Frau entflammt. Für Corin­ne ist das zu wenig … und für Eleonora bald reichlich verstö­rend, da sie sich von ihm angezogen fühlt, ungeachtet seiner scheinbaren Unnahbarkeit.

Dann ist da noch sein Bruder Maurizio, der mit der stets unzu­frieden wirkenden Denise verheiratet ist, und der dritte Vannini-Bruder Emanuele, der bei einem alten Künstler namens Raffaele und dessen Freundinnen auf einem nahen Hof wohnt, bringt Eleonora dann endgültig aus dem Gleichgewicht. Wo Alessandro unerträglich ruhig und distanziert ist, ist Emanuele eine Art von schwarzem Schaf der Familie. Er macht keinen Hehl daraus, dass er bereitwillig jede Frau in weitem Umkreis flachlegt, und zu ihrer nicht geringen Bestürzung gelingt ihm das mit seiner animalischen Anziehungskraft auch mit Eleonora. Dabei zieht es sie doch eigentlich zu Alessandro hin … der wiederum mit Corin­ne zusammen zu sein scheint, von ihr aber immer weniger wis­sen möchte.

Und dann diese Andeutungen. Diese Rätsel.

Was ist dran an der Geschichte, dass Alessandro ein Verhältnis mit der Kultursachverständigen Michela hat? Hat er tatsächlich – wie behauptet wird – auch mal ein Verhältnis mit Denise ge­habt? Und haben sich Emanuele und er die Frauen untereinan­der geteilt und sie anschließend auf sichere Distanz „abgescho­ben“? Und dann … wie ist das mit dem geheimnisvollen Trauma der Vergangenheit? Emanuele ist angeblich in der Kindheit ent­führt worden und wochenlang von Erpressern gefangen gehal­ten worden. Hat das zu seiner Verhaltensweise der Gegenwart geführt? Oder sind die Dinge in Wahrheit ganz anders? Warum hat Eleonora das beunruhigende Gefühl, Teil einer bühnenreifen Inszenierung zu sein, bei der auf derbe Weise mit ihrem Herzen Ball gespielt wird? Und wo um alles in der Welt ist ihr eigener Platz in dieser seltsamen Welt …?

Die Trilogie von Sara Bilotti ist rein optisch ein faszinierender, sinnlicher Genuss, und allein deshalb hat sie mich schon vor Monaten durchaus gereizt. Der Preis von 14.99 Euro pro Band schreckte mich jedoch jedes Mal durchaus davon ab. Gemessen etwa an dem Preis des neuesten Werkes von Peter F. Hamilton, wo man für 20 Euro gut 900 dicht bedruckte Seiten bekommt, schien mir das Preis-Leistungs-Verhältnis hier in keiner Weise gegeben zu sein. Ich neige dann dazu, solche Werke antiqua­risch für einen Bruchteil der ursprünglichen Kaufsumme zu er­werben. So war es auch hier.

Der Roman wusste zu überraschen. Es handelt sich nicht eigent­lich um einen erotischen Roman, wie ich annahm, sondern eher um ein familiäres Beziehungsdrama, das aber faszinierend in­szeniert ist. Es braucht eine ganze Weile, die komplizierten Be­ziehungsdetails zu klären, und der Leser ist darum anfangs ähn­lich orientierungslos wie Eleonora Contardi selbst. Und schnell gerät man in eine vergleichbare Lage wie sie und wünscht sich, das Dickicht aus Lügen, Halbwahrheiten und Vorspiegelungen durchbrechen und die Quellen der Probleme ausfindig machen zu wollen. Die Autorin bleibt dabei ihrer Erzählperspektive treu, bleibt aber manchmal doch zu unentschieden und distanziert, um intensives Miterleben zu ermöglichen … das hat damit zu tun, dass Eleonora selbst Geheimnisse mit sich herumschleppt und Selbstreflexivität nicht zu ihren Stärken gehört. So hat sie beispielsweise eine Narbe, die mit einem Tattoo kaschiert ist, über deren Ursprung sie nie etwas sagt.

Auch als sie schließlich eine Entscheidung zwischen den beiden Männern fällt, von denen sie begehrt wird – weswegen der Titel des Bandes durchaus treffend gewählt ist – , spürt man deutlich, dass das noch nicht das Ende vom Lied ist. Es bleibt interes­sant, es gibt noch unaufgehellte Kapitel der Vergangenheit, und die Zukunft ist nach wie vor offen. Ich bin neugierig, wie sich die Geschichte entwickelt.

Für Leser, die hier einen erotischen Roman im Stile der Plaisir d’Amour-Reihe erwarten, ist das Buch sicherlich enttäuschend, wer sich hingegen für die Tiefen der menschlichen Beziehungs­geflechte interessiert, wird hier spannenden Lesestoff vorfinden.

Einwandfreie Leseempfehlung.

© 2017 by Uwe Lammers

Da dem vorliegenden Roman noch zwei weitere folgen, ver­schiebe ich weitere Erörterungen auf später. Ich deute nur noch an, dass wir uns in der kommenden Woche an dieser Stelle auf das Glatteis der kontrafaktischen Geschichte begeben werden – ein Glatteis, das für mich bislang auch in Jahrzehnten nicht an Faszination eingebüßt hat. Vielleicht lasst ihr euch von diesen Ideen neugierig machen und inspirieren.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Wobei „Kindheitsfreundin“ ihr angespanntes Verhältnis nicht wirklich präzise be­schreibt, es ist sehr viel konfliktträchtiger. Von einer „Einladung“ auf ihr Landgut, wie es der Klappentext suggeriert, kann übrigens auch nicht die Rede sein.

Blogartikel 588: Langzeitprojekte 11 – Neu-Babylon

Posted November 10th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

vielleicht erinnert ihr euch, dass ich vor langer Zeit mal an die­ser Stelle in meinen Blogartikeln von dem seltsamen Phänomen des Todes im Oki Stanwer Mythos (OSM) sprach. Ich wies da­mals, eher ein wenig akademisch-trocken, darauf hin, dass ich mich als Dualist verstehe. Also als jemand, der der Auffassung ist, das Ende der physischen Existenz sei nicht gleichbedeutend mit dem Ende von allem, was den Sterbenden ausmacht.

Kurz gesagt: Ich glaube, auch wenn ich dafür keine stichhaltigen Belege anführen kann, an die Existenz einer feinstofflichen See­le, und diese Einstellung führt im OSM zu sehr manifesten Kon­sequenzen. Manche davon sind ausdrücklich ziemlich unheim­lich, ich erinnere in dem Zusammenhang etwa an die Knochen­straßen TOTAMS und das monströse Heer von Untoten, die LE­GION.1

Ich erwähnte außerdem, dass diese Skelett-Fortexistenz nicht die einzige Möglichkeit eines Weiterlebens der Individualität nach dem Tod ist. Da gäbe es beispielsweise noch die Matrix­fehler, auf die ich heute nicht eingehen werde.

Und es gibt das Matrixland. Dorthin entführe ich euch heute mal.

Als ich im Oktober 1997 an dem vorliegenden Langzeitprojekt „Neu-Babylon“ zu schreiben begann, nahm ich naiv an, ich könne es rasch beenden. Aber so ist das mit den meisten Pro­jekten … gerade in diesem Fall verselbständigte sich das sehr, sehr schnell. Ich weiß heute viel besser als vor gut 25 Jahren, warum ich damit nicht weiter vorankam.

Das hatte zentral mit der Tatsache zu tun, dass die Vorarbeiten dieser Geschichte im KONFLIKT 23 des OSM zu finden sind. Und diese Serie, „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“, ist die letzte Skriptbaustelle der Episodenserien, die ich bis heute noch nicht begonnen habe. Das wird sich im Laufe des Sommers 2024 än­dern, das stimmt. Aber aktuell (6. Mai 2024) habe ich damit noch nicht begonnen.

Der zweite Grund liegt in der schieren Dimension dessen, wo die Geschichte handelt. Das Matrixland und die „Sümpfe der Wiedergeburt“ sind wirklich etwas, das man quantitativ kaum fassen kann, ein Möglichkeitsraum, dessen Grenzen an die Un­endlichkeit selbst rühren. Da gibt es also zwar in Romanen und Episoden immer wieder posthume Berührungspunkte, wie ich das mal kokett nennen möchte, aber sie bleiben doch eher flüchtig.

Nun könnte sich für euch natürlich noch eine Frage ergeben, vielleicht diese: Dies ist der 11. Beitrag der Artikelreihe der „Langzeitprojekte“. Wenn das Werk schon so lange „gärt“, wie ich es mal wenig charmant nennen möchte, weshalb habe ich es dann nicht schon längst in dieser Reihe früher erwähnt und dargestellt?

Das hatte vermutlich einen Grund darin, dass es einen tendenzi­ell massiven Spoiler für jene Leser enthält, die KONFLIKT 13 im E-Book beizeiten lesen möchten, also die E-Books der Reihe „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ (CK). Die Hauptperson dieser Geschichte „Neu-Babylon“ ist nämlich eine der zentralen Per­sonen des CK. Und zwar nach seinem Tod.

Der charmante Vorteil ist hingegen, dass jeder Mensch irgend­wann mal sterben muss. Insofern gibt diese Tatsache nicht wirk­lich etwas über die Handlungsführung preis. Diese Details spare ich in den Zitaten unten auch tunlichst aus.

Aber schauen wir uns die Geschichte jetzt mal genauer an.

Auch die Hauptperson, der bärbeißige Yard-Commander Calvin Moore, ist bodenständiger Monist und der Auffassung, dass nach seinem Ableben nichts mehr von Relevanz folgt. Sterben = Licht aus, Ende des Films, danach kommt nur noch Schwärze. So stellt er sich das vor. Aber es kommt anders …

Sein erster Eindruck war der des Wassers.

Ringsumher war Wasser, war brackige Brühe, die ihn in die Tiefe zu saugen versuchte!

Er begriff nicht und ruderte hilflos mit den Armen umher, ging un­ter … und dann kamen die Überlebensreflexe durch und katapultier­ten ihn mit heftigen Schwimmstößen nach oben.

Das war kein Wasser!

Es handelte sich um eine widerwärtige, grünliche und stinkende Suppe, in der er trieb und die ihn wieder hinunterzuziehen versuch­te, hinab in die Tiefen, in denen ihn nur der Tod erwartete. Verzwei­felt strampelte er um sich, suchte Halt.

Vergebens.

‚Das ist ein Moor! Ein gottverdammtes MOOR … wie um alles in der Welt bin ich hierher …?’

Der Gedanke riss ab.

Da war keine Zeit zum Nachdenken, da war nur Zeit zum Han­deln!

Der Mann wuchtete seinen massigen Körper herum, versuchte ver­gebens, oben an der Oberfläche zu bleiben, tastete erneut, schlug um sich, suchte wild nach Halt …

Wenn das ein MOOR war, ein Sumpfloch oder dergleichen, dann MUSSTE es doch verflucht noch mal so etwas wie Wurzeln geben … so etwas wie Torfinseln, Vegetation, leichtes Treibgut … IRGENDET­WAS!

Er wollte nicht sterben!

Der Gedanke war irrwitzig, denn in diesem Moment erinnerte er sich an seinen eigenen TOD!

Der Schock der kurzzeitigen Erinnerung ließ ihn untergehen. Die grüngraue Brühe schwappte über ihm zusammen und erstickte ihn beinahe.

Er verdrängte hastig den mentalen Schmerz, den Anflug von schrillem Wahnsinn, der seinen Geist sprengen wollte, kämpfte sich wieder zur Oberfläche durch, prustete und rang nach Luft, weil seine Lungen nach Sauerstoff schrien.

Er riss den Mund weit auf, weil er spürte, dass nicht viel Zeit blieb. Der Morast zerrte an ihm mit unmenschlichen Kräften, gnadenlos, emotionslos …

Er schnappte nach Luft.

Die Luft stank genauso wie der Morast, der ihm teilweise in den Mund gekommen war. Es war ein ekelhaftes Gefühl, aber weder Er­brechen war möglich noch das Öffnen von Augen, weil er sich vorher das Gesicht hätte abwischen müssen … doch dann wäre er wieder untergegangen, diesmal endgültig …

Verzweifelt tastete er wieder um sich …

Plötzlich war da ein Halt!

Der massige Mann war bereits wieder fast zur Gänze unter die schillernde Oberfläche des brodelnden Morastes geraten, eines Mo­rastes, der ihm auf einmal so eigentümlich warm vorkam … wie das Innere eines behaglichen Mutterleibes, in den man sich zeit seines Lebens zurücksehnte, selbst wenn man das meist nicht ahnte. Bei­nahe hatte er den Kampf aufgegeben, fühlte sich erschöpft und be­reit, unter die feuchte Decke des Sumpfes zu schlüpfen und sich wie­der in die nasse Wärme zurückzuziehen, um endgültig zu sterben …

Doch in diesem Moment fand die tastende Hand etwas Festes!

Sie hatte etwas Stabförmiges ertastet …

Der Verzweifelte packte mit letzter Energie voll zu und spürte, dass der Halt schwankte … doch er ließ nicht locker, selbst auf die Gefahr hin, diesen Halt loszureißen und ihn mit in die Tiefe zu rei­ßen.

Der Stab – oder was auch immer es sein mochte – hielt jedoch.

Langsam zog sich der etwas korpulente Mann wieder an die Ober­fläche, bis sein Gesicht dauerhaft über der Morastoberfläche lag und der Kopf vollständig aus den brackigen Fluten auftauchte.

Er begann ungeachtet des modrigen Gestankes tief Luft zu holen, so widerwärtig die Atmosphäre auch riechen mochte.

Und nun erst, als die kreatürliche Panik allmählich abebbte und das Adrenalin nicht mehr in den Körper gepumpt wurde, begann er zu horchen. Mit einer Hand wischte er zittrig seine Augen frei.

Ringsumher ertönte ein allgegenwärtiges Blubbern und Zischen, das wie jenes einer vulkanischen Quelle oder eines Schlammgeysirs anzuhören war. Doch die Luft war dafür definitiv viel zu kühl. Der Mo­rast selbst mochte im Höchstfall seine achtundzwanzig bis dreißig Grad aufweisen. Die Luft kam ihm etwas kühler vor, möglicherweise zwanzig Grad warm.

Über der „Wasserfläche“ hing eine helle, dichte Dunstglocke, die die Sicht rasch eintrübte und bis auf eine Entfernung von zwanzig oder fünfundzwanzig Metern allenfalls vage transparent erhielt. Ab da war nichts mehr zu erkennen, doch auch innerhalb der Sichtweite zeigte sich alles verschleiert und verwaschen, kaum zu identifizie­ren.

Viel näher jedoch war das unheimliche Geräusch, das er nun im­mer stärker zu hören begann und das rasch alle anderen Laute über­deckte. Es kam einem Tuckern und Knattern sehr nahe, vermischt mit zeitweisen leisen Explosionen. Und dieses Geräusch schien ir­gendwie im Zusammenhang mit jener Stange zu stehen, die er um­fasste. Denn die Vibrationen, die besonders bei den Explosionen fühlbar waren, übertrugen sich auf die Stange.

‚Klingt wie ein gottverdammter alter Explosionsmotor’, dachte der völlig desorientierte, vor dem Ertrinken gerettete Mann benommen. ‚Das ist doch unmöglich …’

Es WAR möglich.

Nach einer Weile war er sich dessen ganz sicher.

„Hey! Bist du da oder schon wieder weg?“

So fängt für Calvin Moore das an, was man sein Nachleben nen­nen kann. Er wird aus einem bizarren Sumpf gefischt und macht die Bekanntschaft mit einem nicht minder bizarren Alien, des­sen Kurzname No lautet. Und er stellt beklommen fest, dass es völlig normal zu sein scheint, sich zuletzt an seinen Tod zu erin­nern. Wie sagt No das doch so völlig unvergleichlich? Am besten setze ich etwas früher mit dem Zitat ein:

Der Mann schrak zusammen. Die Erinnerung spülte wieder hoch, eine grauenhafte, zusammen mit einem infernalischen Schmerz …

„Das Letzte… das Letzte, was ich wahrnahm …, war offenbar …“

„…dein Tod“, vollendete der Schiffer seinen stockenden Satz.

Der Gerettete erschauerte heftig. „J… ja … aber …“

„Woher ich das weiß? Na, das ist doch normal. Aber das wollte ich auch nicht wissen, sondern …“

„Moment, Moment …“, stammelte der kahlköpfige Mann zutiefst verstört. „Das geht mir zu schnell … Wieso … wieso … ist das NOR­MAL, wenn man sich … an seinen … TOD erinnert?“

Er tastete seinen Körper ab, doch der war voll materiell. Er konnte seinen Puls ebenso fühlen wie er die Tätigkeit seiner Lungen spürte, die Luft in ihn hineinpumpten. Nichts, aber auch gar nichts deutete darauf hin, dass er tot sein sollte.

„Na, das war auch meine erste Erinnerung, als ich hier aus dem Sumpf auftauchte. Deshalb ist das normal. Mann, hier sind alle tot, und je eher du dich an den Gedanken gewöhnst, desto später musst du sterben.“

Da war er nun vollkommen verstört.

Das geht wohl nicht nur ihm so, könnte ich mir vorstellen. Aber das ist für den armen Moore ja erst der zarte Anfang einer wirk­lich ganz und gar unfasslichen Geschichte.

Von wegen: Licht aus, danach kommt nichts mehr.

Danach geht erst das Abenteuer seines Lebens für Calvin Moore los! Denn sein Retter No macht ihm alsbald klar, wo er hier ge­landet ist – im so genannten Matrixland. Und er hat eine sehr desillusionierende Vergegenständlichung dessen parat, als sie sein gestrandetes Raumschiff, seinebescheidene Burg“, wie er sie nennt, erreichen. Ich gebe euch noch mal ein Zitat aus der Geschichte, damit ihr ein wenig die Dimensionen ermessen könnt, in der sie sich abspielt:

„Cal“, murmelte No mitfühlend. „Was meinst du, wie groß ist die Matrix?“

Der einstige Yard-Commander musste zugeben, das nicht zu wis­sen.

„Wie viele Sterne hatte deine Heimatgalaxis?“ verwirrte der Au­ßerirdische ihn weiter.

„Schwer … zu sagen“, murmelte Moore verunsichert. Er sah die Verbindung nicht, nahm aber an, dass sich die Zusammenhänge gleich aufklären würden. „Ich glaube … es waren Schätzungen von ungefähr zweihundert Milliarden Sonnenmassen im Umlauf. Aber frag mich nicht nach der Zahl der Planeten …“

„Stell dir vor, jede Sonne hätte einen Planeten vom Format eurer Welt.“

„Aber …“

„Stell dir weiter vor“, fuhr No unerbittlich fort, „dass jeder dieser Planeten nicht nur bewohnbar ist, sondern auch bewohnt. Zwei­hundert Milliarden bewohnte Welten.“

„Ungeheuerliche Vorstellung!“

„Und dann, lieber Cal, stell dir vor, diese Welten werden platt ge­walzt und als eine einzige Landmasse aneinandergelegt. Wie viele Quadratquesh sind das wohl?“

Quadratkilometer, meinst du wohl. Quesh kenne ich nicht.“ Er dachte nach. Und gab dann auf. „Ich habe keine Ahnung. Es muss ungeheuerlich viel Land sein.“

Dann wandte er aber ein: „Aber solch eine Landmasse ist nicht möglich. Sie ist viel zu massereich. Sie würde in sich zusammenstür­zen und ein Schwarzes Loch bilden. Außerdem wäre eine solche Flä­che, selbst wenn man DAS Problem lösen könnte, niemals dauerhaft und gleichmäßig zu erwärmen, um ein Klima zu schaffen, das dauer­haft sein könnte …“

„Erzähl das mal den Baumeistern!“

No trat an eine Wand heran und fuchtelte mit dünnen, rostroten Stäben daran entlang wie ein wild gewordener Dirigent. Die Wand schob sich zur Seite und ein mächtiger Kubus tauchte auf, auf dem Moore so etwas wie ein Gewirr von Zackenlinien erkennen konnte. An manchen Stellen waren vielfarbige Kringel zu erkennen.

„Das ist ein Rollkubus, Cal. Ein winziger Ausschnitt unserer Welt. Hier unten sind wir.“ No deutete auf ein strudelförmiges Etwas und eine Kringelzinne, die man mit viel Phantasie für eine vergrößerte Darstellung von Nos bescheidener Burg halten konnte.

„Und hier drüben“, er deutete auf einen anderen, nahen Kringel, „ist Neu-Babylon. Talyesch Ye Naars Domäne. Der Hort der Irren. Ich habe die letzten gut hundertfünfzig Jahre meiner privaten Zeit­rechnung damit zugebracht, die paar hundert Quadratquesh hier zu kartieren. Aber glaube mir, das ist absolut NICHTS!“

„No … No, du willst doch nicht etwa sagen, dass wir … ich meine …“ Moore suchte verzweifelt nach Worten, während er die Zackendarstellung anstarrte, die sich nach unten abrollte. „Ich mei­ne … dass wir auf dieser Welt sind … von der du eben geredet hast … mit den zweihundert Milliarden Planetenoberflächen …?“

„Doch, durchaus“, nickte das Röhrenwesen jovial. „Aber natürlich hast du insofern recht, als ich dir nicht die ganze Wahrheit gesagt habe.“

Moore meinte, aufatmen zu können.

Aber er täuschte sich.

„Ich meine“, erklärte No brutal, „dass zweihundert Milliarden Wel­ten ein Euphemismus ist. Das ist vielleicht ein Prozent der Ge­samtmasse. Vermutlich aber nicht mal ein Promille. Weißt du, ich habe keine Ahnung, Wie viele MILLIONEN VÖLKER von Hundert­tausenden von Imperien hier leben und wie sie verteilt sind. Du kannst gerne versuchen, hier eine einzelne Person zu finden. Aber ich kann dir garantieren, du kannst MILLIONEN von Jahren an ihr vorbeilaufen, denn selbst eine Distanz von hundert Kilometern oder noch weniger – und das ist hier wirklich direkt nachbarschaft­lich! – reicht aus, um jemandem niemals zu begegnen.“

Calvin Moore sackte mit glasigem Blick auf seinen Sitz zurück. Er hatte das Gefühl, jählings aus Eis zu bestehen. Eben noch himmel­hoch jauchzend, und nun … alles zerschlagen, zerstört.

Er hatte das Bedürfnis, hemmungslos in Tränen ausbrechen zu müssen. Doch das wäre keine Lösung gewesen, da war er sich si­cher.

„Keine Chance …?“ flüsterte er erstickt.

Ich denke, ihr könnt Calvins Verstörung gut nachempfinden. Ge­strandet ohne Ausweg in einer Welt jenseits des Todes, die so unermesslich weit ist, dass jede Begegnung zu einem reinen Zufallsroulette wird … und dann gibt es ja auch immer noch die „Sümpfe der Wiedergeburt“, die alles noch schlimmer machen. Denn Calvin Moore stellt alsbald fest, dass so etwas wie der endgültige Tod in der Matrix unmöglich ist. Und die Gestorbenen hier landen automatisch wieder in den Sümpfen und kommen unkontrollierbar an völlig anderen Stellen des Matrixlandes zum Vorschein … bisweilen Hunderttausende oder Millionen Kilome­ter vom ursprünglichen Standort entfernt.

Ich fand schon, als ich in den späten 80er Jahre Philip José Far­mers Flusswelt-Romanzyklus entdeckte, die Idee einer an ei­ner Flusslandschaft liegenden Wiedergeburtswelt echt beeindruckend, aber sie geriet doch recht schnell zu einer ziemlich schematischen Struktur. Nun, das kann man vom Matrixland definitiv nicht sagen. Hier ist von einer homogenen Struktur kei­ne Rede, von einer nivellierenden Planung oder gar einer Art von Supervision ist man weit entfernt.

Das heißt nicht, dass es nicht Wesen gibt, die dergleichen an­streben. Das liegt in der Natur intelligenter Wesen. So werden Staatswesen geschaffen, Sklaverei flammt von neuem auf, es gibt Rassismus und Kriege … und irgendwo in der weiten Ferne des Matrixlandes residiert jemand, den man die „Fürstin der Matrix“ nennt, Oki Stanwers göttliche Tochter.

Aber ehe die Pfade Calvin Moore – vielleicht – dorthin lenken, muss er durch das finstere Tal der Qualen steuern, und hier liegt ein Reich des Wahnsinns, das man „Neu-Babylon“ nennt.

Da ich dorthin aber bislang auf all den 47 Seiten des bisherigen Geschichtenskripts nur vage Blicke hin werfen konnte, muss ich eure Neugierde auf die titelgebende, molochartige Stadt voller Gewalt, Unterdrückung und Perversion für heute leider enttäu­schen.

Doch ihr merkt schon an den obigen Zitaten, was für ein unfass­liches kreatives Potenzial und was für einen enormen Möglich­keitsraum das Matrixland bietet. Raum für alle nur denkbaren Abenteuer mit allen nur vorstellbaren Alienlebensformen aus al­len OSM-Geschichten, die ich bislang geschrieben habe oder noch schreiben werde.

Bislang ist Calvin ja schon auf ein röhrenartiges Alien wie No ge­stoßen, auf eine „verlorene Seele“ wie die anschmiegsame Ire­na, einen sprechenden, Feuer speienden Aliendrachen und sire­nenhafte, quasi-weibliche Fischwesen, die ihn fast in den Tod gelockt hätten … wer weiß, was er hier noch alles trifft? Ich weiß es aktuell jedenfalls nicht. Aber es ist gewiss, beizeiten schreibe ich daran weiter.

Denn diese Geschichte ist die perfekte Darstellung meiner Ge­danken bezüglich des Raumes jenseits des Todes: Ich sehe ihn durchaus nicht als finsteres Loch, in dem alles, was wir im Hier und Jetzt in einem langen Leben erschaffen haben, zu Asche und nichtig wird. Nein, meine Freunde. Ich glaube daran, dass der Tod und das, was folgt, einfach nur das nächste, große Abenteuer ist. Etwas, was zu groß ist, als dass wir es uns zu­treffend vorstellen können, solange wir die magische Grenze noch nicht überschritten haben. Und ist dies erst mal der Fall, so kommen wir – wahrscheinlich – nicht mehr zurück, um den Zu­rückgebliebenen davon Kunde geben zu können.

Eins ist jedenfalls sicher für mich: Diese Grenze überschreiten wir alle. Und die Lektüre des OSM ist ein Weg, sich mit dem Un­vermeidlichen (vielleicht) anzufreunden.

Damit schließe ich für heute und entlasse euch in die Welt der Lebenden.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu beispielsweise das zweiteilige E-Book „Mein Freund, der Totenkopf“, 2017.

Rezensions-Blog 481: Mondsplitter

Posted November 6th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wir leben im Jahre 2024, und wenn dieser Blogartikel erscheint, ist das Fixdatum, an dem der heute vorgestellte Roman spielt, schon einige Monate Vergangenheit. Ich gehe einfach mal opti­mistisch davon aus, dass McDevitt kein Prophet war und einfach lediglich einen Blick in ein Paralleluniversum geworfen hat, das uns technisch wie ethisch deutlich voraus war. In unserer Welt würde dieses Szenario mit dem Untergang der Menschheit en­den.

Der Plot der Geschichte ist, wie meist, relativ schnell zu umrei­ßen: Die Erde der nahen Zukunft wird durch einen rasch heran­nahenden fremden Himmelskörper bedroht, der Kollisionskurs auf die Erde nimmt. Hier braucht es keine Aliens und feindliche Raumflotten, Mutter Natur in ihrer bisweilen gnadenlosen Allge­walt reicht vollkommen hin.

So weit, so simpel. Aber wie Jack McDevitt aus diesem Stoff über 700 Seiten rasant-packenden Lesestoff zu generieren ver­mochte, das brachte mich auch nach all den Jahrzehnten noch zum Schwitzen. Werfen wir mal einen intensiven Blick in diese Zukunftswelt des Monats April 2024:

Mondsplitter

(OT: Moonfall)

Von Jack McDevitt

Bastei 24268

704 Seiten, TB, 2000

ISBN 3-404-24268-8

Aus dem Englischen von Thomas Schichtel

Der Roman beginnt am 8. April 2024 mit einem astronomischen Ereignis, das höchstwahrscheinlich real sein wird – einer totalen Sonnenfinsternis. Aber die Welt, in der dies geschieht, ist von der unsrigen doch auf sehr grundlegende Weise verschieden, dies betrifft auf signifikante Weise die Entwicklung der Raum­fahrt seit dem Jahre 1998, als der Roman verfasst wurde:

Auf dem Mond ist die Mondbasis International (MBI) entstanden. Im Orbit befindet sich eine voluminöse Raumstation namens Skyport, und auch im Lagrange-Punkt L 1 existiert eine Raum­station. Auf diese Weise entsteht eine Weltraum-Infrastruktur, die mit Langstrecken-Raumfähren und einem regelmäßigen Shuttle-Dienst die rasche Verkehrsverbindung zwischen Erde und Mond realisierbar werden lässt. Es ist nötig, das im Hinter­kopf zu behalten, weil das noch sehr wichtig werden wird.

Die USA werden von dem sterbenskranken zweiten schwarzen Präsidenten Henry Kolladner regiert, der seinen Vizepräsidenten Charlie Haskell zum Mond geschickt hat, um die MBI einzuwei­hen und zu eröffnen. Mit der Percival Lowell ist das erste atom­getriebene Langstreckenschiff geschaffen worden, das dem­nächst zum Marsflug starten soll. Dank moderner Technik wird dieser Flug nur zwei Monate dauern und soll der Menschheit endgültig das Tor zum Sonnensystem aufstoßen.

Leider hat das Universum grundlegend andere Pläne, und dies, wie sich herausstellt, wohl schon seit Millionen von Jahren.

Während der Sonnenfinsternis sichtet die Hobby-Astronomin To­miko Harrington seitlich der Korona ein ungewöhnlich helles, unkartiertes Objekt – einen Kometen, wie es scheint, und sie meldet ihn. Alsbald bestätigen auch Astronomen diese Sich­tung, doch das Objekt verschwindet nach der Sonnenfinsternis wieder hinter der Sonne und ist nicht mehr zu sehen. Als der As­tronom Professor Wesley Feinberg den Kurs zu bestimmen ver­sucht, um den Kurs einzuschätzen, stößt er sehr bald auf ein­fach nur noch bestürzende Daten. Das stellare Objekt, dem man nach der Entdeckerin den Namen Tomiko gegeben hat, ist sehr viel größer als ein gewöhnlicher Komet (auf dem Klappentext falsch als „Asteroid“ angegeben) … und sehr viel schneller … und es nimmt Kollisionskurs auf die Erde.

Am 10. April 2024 steht fest: Das Objekt wird statt der Erde glücklicherweise nur den Mond treffen … die Rückseite des Mon­des. Und der Zeitpunkt ist leider auch relativ klar und unglaub­lich nah: Am 13. April 2024 gegen 22.35 Uhr.

Feinbergs Berechnungen zeigen aber schnell auch – der Impakt wird nicht nur die Mondbasis bedrohen, auf der sich zurzeit gut siebenhundert Personen aufhalten, sondern es wird die struktu­relle Integrität des Erdtrabanten grundlegend gefährden. Mit großer Wahrscheinlichkeit, sagt er alarmiert, hört der Mond an diesem Tag auf zu bestehen. Ein unglaublicher Wettlauf mit der Zeit beginnt, um die Menschen von der Mondbasis in Sicherheit zu bringen … aber natürlich ist dies nicht das Ende vom Lied, sondern die Worst-Case-Szenarien Feinbergs beginnen sich zu erfüllen. Nach dem Zeitpunkt Null regnet es Mondsplitter vom Himmel, und eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes nimmt ihren Lauf, die durchaus das Ende der Menschheit und der Welt, wie sie sie kennen, bedeuten kann …

Jack McDevitts Romane, von denen ich wirklich lange keinen mehr gelesen habe (muss ich dringend nachholen!) zeichnen sich, etwa im Gegensatz zu den eher technisch-unterkühlten Werken von Stephen Baxter, durch lebendige Charakterzeich­nung der Protagonisten aus, denen er mit knappen Skizzen Glaubwürdigkeit verleiht. Dieser Roman besticht dazu durch die enzyklopädische Fülle an Personen.

Neben dem klassischen Raumfahrtpersonal haben wir, bei­spielsweise, einen an Captain Kirk angelehnten Filmhelden, der für fiktive Weltraumabenteuer berühmt ist. Wir haben einfache Rentner an der Küste, die ihrer verstorbenen Frau hinterhertrau­ern. Es gibt Literaturagenten in New York, die den öffentlichen Verlautbarungen der Regierung nicht trauen und diejenigen be­lächeln, die aus der Stadt ins Binnenland flüchten. Es gibt fana­tische Regierungsgegner, die sogar soweit gehen, dass sie es begrüßen würden, wenn ein kilometergroßes Trümmerstück im Herzen der USA einschlägt und jeden Rettungsversuch sabotie­ren – nur um die verhasste Regierung zu Fall zu bringen (dass sie damit die Welt zum Untergang verurteilen, scheint ihnen da­gegen nicht klar zu sein). Es gibt karrierebewusste Astronomen, Familien, die ins Binnenland flüchten und, statt Opfer des Kome­teneinschlags zu werden, in den Verkehrsstaus Todesopfer zu beklagen haben. Besonders gefallen hat mir der Möbelfabrikant, der in New Jersey feststellt, dass er keine Versicherung gegen Flutschäden hat und daraufhin beschließt, seine ganze Firma auf Lkws zu verladen und ins Binnenland zu transportieren, ob­wohl selbst sein Anwalt ihn belächelt, da die Firma 40 Kilometer im Binnenland liegt … spätestens als es Washington, D.C., weg­spült, wird klar, dass diese Handlungsweise sehr begründet war!

Die unglaubliche Vielfalt an Personen, Handlungsschauplätzen und verschiedensten Blickwinkeln auf diese Ereignisse macht den bemerkenswerten Reiz dieses zwar schon recht alten, aber in vielen Fällen immer noch durchaus plausiblen Romans aus. Da McDevitt die Kapitel zum Teil im Minutentakt countdownartig angeordnet hat, erzeugt er eine rasante Lesegeschwindigkeit, die mich beispielsweise innerhalb von 2 Tagen durch den Roman jagte … das ist bei einem Roman diesen Umfangs selbst für mich ungewöhnlich flink und spricht sehr für eine flüssige Über­setzung.

Natürlich gibt es auch ein paar Punkte, die ich durchaus belä­cheln musste. So hat sich bei McDevitt im Jahre 2024 immer noch die Diskette als Speichermedium der Zukunft durchgesetzt (S. 100), aber das ist nur ein Randparameter. Wichtiger ist es, wie er sich optimistisch die Weiterentwicklung der Welt denkt: „Das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war … eine gute Zeit für den Planeten gewesen. Hundert Millionen Chinesen fuhren inzwischen eigene Autos; fast alle Menschen waren sich einig, dass militärische Übergriffe von schlechtem Geschmack zeug­ten; der alte Wirtschaftszyklus von Aufschwung und Depression schien gebändigt; und die Großmächte hatten entdeckt, dass Kooperation bessere Früchte trug als Konfrontation. Die Technik ermöglichte fast jedem ein besseres Leben. Die Wissenschaft machte Fortschritte, und die Menschen lebten länger und blie­ben dabei länger jung als je zuvor. Die meisten Krebsformen waren heilbar; Energiesats lieferten fast unbegrenzt Strom, und der lange Kampf um die Behebung der Umweltschäden hatte endlich die Wende geschafft. In den Vereinigten Staaten hatten ethnische Spannungen stetig abgenommen; das Bruttoinlands­produkt stieg jährlich, während Verbrechensraten und Bevölke­rungswachstum abnahmen …“ (S. 509)

Ein Idyll? Nun, trotz weiter Verbreitung von Solarautos eins mit Schattenseiten, die er auch nicht restlos verschweigt. An dersel­ben Stelle heißt es nämlich weiter, die überoptimistische Vision etwas einhegend: „Das sollte nicht heißen, dass es keine Pro­bleme gab. Weit mehr Menschen lebten auf der Erde, als ihnen die natürlichen Ressourcen sicheren Unterhalt boten, und alte Traditionen und religiöse Gruppen bekämpften jeden Versuch, das Bevölkerungswachstum umzukehren.“

Auch Verbrechen gibt es natürlich noch, ebenso Analphabetis­mus, und 25 Prozent der Weltbevölkerung haben in dieser Welt noch keinen Anschluss an die globale Datensphäre gefunden … hier zeigt sich, dass McDevitt das Internet und die Satelliten­kommunikation wie auch die Verbreitung von Computern und Handys deutlich unterschätzt.

Dennoch … das ist durchaus eine beeindruckend fortschrittliche Welt, in der man ganz gern leben würde. So erreicht der Autor, dass man sich nicht nur um die mehrheitlich sympathischen Protagonisten sorgt, sondern auch um den Bestand der ganzen Welt, die am Schluss buchstäblich auf Messers Schneide steht, als die monströse Bedrohung durch den „Possum“, ein giganti­sches Trümmerstück des Mondes scheinbar unausweichlich naht.

Schön wäre es übrigens auch, wenn sich die Einstellung der ers­ten Präsidentin der USA im Roman mal herumsprechen würde. Wie beschreibt McDevitt das doch? „Sie absolvierte eine Amts­zeit von 2017 bis 2021, und lehnte dann die Kandidatur für eine zweite Amtszeit mit der Bemerkung ab: Die Sache ist es nicht wert.Na, das ist doch mal eine Einstellung! Leuten wie Donald Trump fiele so etwas nie im Leben ein.

Als ich den Originaltitel „Moonfall“ las, musste ich an Roland Emmerichs Katastrophenfilm gleichen Namens denken … und es ist wirklich unübersehbar, wie mir scheint, dass Emmerich sich wesentliche Teile aus diesem Roman ausgeborgt hat, nicht nur den Titel. Emmerich beging halt nur den kapitalen Fehler, seine Filmgeschichte nicht – wie McDevitt – in einer technolo­gisch weit fortgeschrittenen Zukunft anzusiedeln, in der die oben erwähnte erdnahe Weltraum-Infrastruktur existiert, son­dern er siedelt sie in unserer technikskeptischen Gegenwart an, in der Raumfähren in Museen landen und selbst der Mondflug an sich zu einem utopischen Projekt geworden ist. Das musste seinem Film letzten Endes jede Glaubwürdigkeit rauben. Denn mit einem Space-Shuttle – wie im Film dargestellt – zum Mond zu gelangen, und mag er noch so nah an die Erde heranschlin­gern … und dann wieder zurückzukommen, ist raumfahrttech­nisch so absurd, dass ihm das nicht mal ein Fünftklässler abge­nommen hätte.

Hätte dieser Film dagegen in McDevitts Technosphäre gespielt, in der sogar eine Evakuierung einer Mondbasis binnen weniger Tage realisierbar erscheint, hätte das vollkommen anders aus­gesehen. Ich glaube kaum, dass Jack McDevitt über Emmerichs Film sonderlich erbaut war, ich war es auch nicht. Es wäre schö­ner und sicherlich auch dramatischer gewesen, wenn er einfach den Roman so verfilmt hätte, statt nur den englischen Titel zu klauen.

McDevitts solide durchkomponierter, packender Roman vermag auch 25 Jahre nach Abfassung noch mitzureißen … ob Emme­richs Film in 25 Jahren überhaupt noch bekannt sein wird, nun, das ist doch wohl eher zu bezweifeln.

Der Roman lohnt also ungeachtet seines Alters definitiv die Lek­türe!

© 2023 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche stelle ich euch den ersten Band einer interessanten erotischen Trilogie vor, die sich – ganz wie der Mc­Devitt-Roman oben – wesentlich durch intensive Gefühle und bemerkenswerte Charakterzeichnungen aus dem Mainstream heraushebt.

Bleibt gespannt, Freunde, ich finde, da solltet ihr mal einen Blick riskieren.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.