Rezensions-Blog 31: Virtuelle Antike

Posted Oktober 28th, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

da habe ich mich in der vergangenen Woche doch tatsächlich verheddert, teil­weise zumindest, indem ich behauptete, wir würden uns heute primär Alexan­der Demandt zuwenden… er kommt in dem vorliegenden Aufsatzband zwar zu Wort, aber ich verwechselte sein Werk über die „ungeschehene Geschichte“ prompt mit diesem hier.

Hier haben wir es einmal mehr mit so genannter „kontrafaktischer Geschichte“ zu tun, worum wir uns teilweise schon vor einem guten halben Jahr im zweiten Blogartikel dieser Reihe kümmerten, als sich „Die Gehäuse der Zeit“ mit dem Fo­kus auf Zeitreise beschäftigte. Auch in „Fleisch und Blut“ (Blogartikel 10 vom 3. Juni 2015) kam das schon zur Sprache, doch auch hier von Phantastenseite.

Es wurde nun Zeit, auch mal die arrivierten Historiker zu Wort kommen zu las­sen. Wer Geschichte als Schulfach gehasst hat, mag hier auf den ersten Blick fehl am Platze sein… dennoch lohnt es sich, zu verweilen und sich ein bisschen auf die Gedankengänge der Geschichtswissenschaftler einzulassen. Ihr werdet sehen, Alternativwelten, Parallelwelten, Zeitreisen und „virtuelle Antike“ liegen durchaus nicht so weit auseinander, wie der erste Anschein vermuten lässt.

Taucht ein und lasst euch überraschen:

Virtuelle Antike

von Kai Brodersen

Primus-Verlag, Darmstadt 2000

176 Seiten, TB

ISBN 3-896-78221-5

Was Geschichte ist, meinen wir Menschen zu wissen. Geschichte stellt den Rah­men von Geschehnissen dar, die wir anhand von Unterlagen über die vergange­nen Generationen einsehen, nachvollziehen und dokumentieren können. In Ge­schichte drückt sich aus, wie sich die Entwicklung der Menschheit vollzogen hat. Geschichte ist, der Name drückt es gewissermaßen aus, das, was eben geschehen ist.

Und „virtuelle Geschichte“?

Etwas Virtuelles ist ein flüchtiges Ding, etwas Ungreifbares, Mögliches, nicht Gewisses. Und dieser Begriff, angewandt auf Geschichte? Was mag das sein? Wie sieht das aus? Und – ist es nicht ein Widerspruch in sich?

Geschichte, die virtuell ist, stellt ein Spektrum an Alternativen zu dem dar, was geschehen ist. Es handelt sich um das, was ich in anderem Zusammenhang als „kontrafaktische Geschichte“ bezeichnete.1 Ungeschehene Geschichte eben, wie es einmal Alexander Demandt nannte.

In diesem Aufsatzband unternimmt der Althistoriker Kai Brodersen (Jahrgang 1958), der in Mannheim ordentlicher Professor für Alte Geschichte ist, den Ver­such, zu analysieren, inwiefern die virtuelle Geschichte fruchtbar sein kann für die Untersuchung der tiefen Vergangenheit.

Als Alte Geschichte oder Antike wird üblicherweise ein Zeitrahmen definiert, der von 500 vor Christus bis etwa 500 nach Christus reicht. Darin fallen also im we­sentlichen die Kulturen der griechischen Stadtstaaten in Griechenland selbst so­wie deren sogenannte Pflanzstädte im westlichen Mittelmeer und rings entlang der Mittelmeerküste. Ebenfalls in diesen Zeitradius fällt der Aufstieg des Römi­schen Imperiums und der Zerfall der karthagischen Seemacht, das allmähliche Versinken der Phönizier und, natürlich nicht zu vergessen, die gewaltigen Hee­reszüge Alexanders des Großen, die am Ende der klassischen Epoche Griechen­lands das Makedonenreich auf nie dagewesene Größe anschwellen ließen.

Der räumliche Rahmen reicht von den phönizischen Stützpunkten in Spanien und Britannien bis ins Industal, an die Schwarzmeerküste und ins Innere Ger­maniens sowie, im Süden, bis an den Nordrand der Sahara. Das ist jedenfalls der traditionelle Radius.

In der virtuellen Antike wird einiges anders, oder zumindest wird es angedacht: was etwa hätte passieren können, spekuliert der antike Autor Titus Livius, wenn Alexander der Große sich nicht dem Osten zugewandt, sondern stattdessen den Entschluss gefällt hätte, gegen Rom zu marschieren? Wäre die Geschichte an­ders verlaufen? Auch wenn Alexander der Große nicht im Jahre 323 vor Christus in Babylon an den Folgen einer fiebrigen Entkräftung gestorben wäre, hätte sich so einiges verändert, spekuliert Arnold Toynbee in seinem vom Herausgeber neu übersetzten und sehr lesenswerten Essay über das neue Weltreich Alexan­ders des Großen, das er bis in die – griechisch beherrschte – Gegenwart fort­spinnt. Hier verliert er freilich den Boden unter den Füßen.

Holger Sonnabend analysiert stichhaltig eine lebensbedrohliche Krise des römi­schen Kaisers Augustus (Tatsache) und was hätte geschehen können, wenn er jung gestorben wäre. Auf diese Weise erhält man faszinierende Einblicke in das Funktionieren des Machtgefüges des frühen Kaiserreichs. Heinrich Heine spot­tet ein wenig, wenn er Quinctilius Varus im Teutoburger Wald über die Germa­nen siegen lässt. Es hätte unter anderem den frühen Vormarsch der Fußboden­heizungen gebracht…

Wenn Pontius Pilatus Jesus begnadigt hätte, wäre das von Bedeutung für das Christentum gewesen? Natürlich, argumentiert Alexander Demandt und führt das in seinem Essay weiter aus. Die Historikerin Karen Piepenbrink schließt die Fallbeispiele mit einer Untersuchung über den ersten christlichen römischen Kaiser Konstantin den Großen und kommt hier zu sehr ernüchternden Erkennt­nissen.

Äußerst faszinierend ist die in den begleitenden Essays herausgearbeitete Fest­stellung, dass Althistoriker per definitionem virtuelle Historiker sind. Denn die Quellenarmut ihres Untersuchungsgegenstandes, der Mangel an Zeitzeugen und glaubwürdigen Zeugnissen macht es zwingend notwendig, zu spekulieren, zu vergleichen und Geschichtsverläufe gewissermaßen zu modellieren, für die es kaum bis keine Nachweise gibt.

Nun kommt keine Geschichtsschreibung ohne Modelle und Theorien aus, aber es ist höchst plausibel, dass diese Theorielastigkeit dann besonders stark ausge­prägt ist, wenn man wenig Fakten hat, auf die man sich stützen kann. Das ist etwa wie bei einer Hängebrücke, bei der viele Sprossen fehlen. Will man hin­über, muss man springen, man muss abschätzen, wie weit man springen kann, wie tragfähig die Konstruktion ist, man geht also Risiken ein.

Schlagend bewiesen wird diese zittrige Unterlage der Antike durch die Analyse der Biografie des griechischen Politikers Perikles, der schon früh am Beginn des Peloponnesischen Krieges Opfer der Pest wird. Der griechische Historiker Thu­kydides zeichnet seine Biografie erst nach dem Ende des Konfliktes auf und stili­siert Perikles zu einer heldenhaften, visionären Persönlichkeit. Jahrhunderte­lang stützten sich Historiker, wenn sie Perikles darstellen wollten, auf Thukydi­des´ Angaben. Wolfgang Will weist in seinem Aufsatz ausdrücklich nach, dass vieles von dem, was dieser über Perikles schreibt, in hohem Maße verzerrt und geschönt ist. Auf diese Weise wird Thukydides als einer der ersten virtuellen Historiker entlarvt, die mehr den Mythos förderten statt eine ehrliche und klare Aussage über die Vergangenheit zu treffen.

Wer immer sich also für kontrafaktische Geschichte, virtuelle Geschichte und wie immer man sie noch nennen möchte, interessiert, und wer überdies einiges darüber erfahren möchte, wie Historiker ihren Gegenstand, in diesem Fall die Antike, sehen, der ist hier gut aufgehoben. Er wird zugleich Zeuge von Disputen, Kritiken der Autoren untereinander und kann dadurch erkennen, dass beispiels­weise Alexander Demandts sehr positives Diktum der Behandlung kontrafakti­scher Geschichte von vielen Kollegen keineswegs geteilt wird.

Spannender Stoff, nicht nur für Historiker. Und eine Quelle der Anregungen für Phantasten, denen die Ideen ausgegangen sind.

© by Uwe Lammers, 2004

Wie man an dieser über zehn Jahre alten Rezension erkennt, war sie ursprüng­lich ganz darauf zugeschnitten, im Fanzine Baden-Württemberg Aktuell (BWA) des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg publiziert zu werden, wo sie dann auch erschien. Einige der in der obigen Fußnote erwähnten eigenen Wer­ke werden wohl in absehbarer Zeit auch hier ihren Platz finden, denke ich, dann sicherlich aber in etwas aktualisierter Form.

Die Fanzines selbst, die in einer sehr geringen Auflage erschienen sind, werden kaum mehr zugänglich sein. Obwohl eine Anfrage beim Webmaster des SFCBW sicherlich nützlich sein könnte, sitzt er doch auf einer Vielzahl älterer noch nicht verkaufter BWA-Exemplare… eine Anfrage lohnt sich da bestimmt. Über die Website www.sfcbw-online.de kommt man hier weiter.

In der kommenden Woche möchte ich euch auf einen kleinen Ausflug in die Kri­minalistik der nahen Vergangenheit mitnehmen. Die Bestsellerautorin Patricia Cornwell nahm sich vor Jahren einer prominenten Mordserie an und behaupte­te schließlich vollmundig „Case closed“ – jedenfalls, wenn die damaligen Ermitt­lungsbehörden ihre heute gängigen forensischen Methoden angewandt hätten.

Um welchen Fall es sich handelt? Lasst euch überraschen und seid nächste Wo­che wieder auf dem Posten, wenn der Rezensions-Blog 32 online geht. Bis dann, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. hierzu etwa meine philosophische Hausarbeit „Alternative Weltentwürfe in der Science Fiction“ in BWA 220 (Januar 2002) oder die Rezensionen der Bücher „Alexanders langes Leben, Stalins früher Tod“ in BWA 211 (April 2001), „Ungeschehene Geschichte“ in BWA 217 (Oktober 2001), „Der 21. Juli“ auf der Homepage des Geschichts-Vereins „Geschichte in Braunschweig“ (www.gibs.info) oder auch meine Worte zu dem Buch „Was wäre gewesen, wenn“ in BWA 254 (November 2004).

Liebe Freunde des OSM,

diese Rubrik macht, je öfter ich sie aufsuche und schreiben kann, mehr und mehr Spaß. Das liegt einfach daran, dass ich hier ebenso wie ihr klar sehen kann, wie das Gesamtwerk des Oki Stanwer Mythos sukzessive voranschreitet. Mal langsam, mal rascher, je nachdem, wie stark die sonstigen Turbulenzen meines Lebens sind und was für Impulse mich beleben oder stören.

Aktuell fühle ich mich, ungeachtet der Komplikationen, die die nach wie vor schwelende Erbschaftsangelegenheit meiner verstorbenen, seligen Mutter mit sich bringt, in großartiger Schreibstimmung. Das hat zweifellos damit zu tun, dass ich viele positive Impulse von allen möglichen Seiten erhalte. Ein paar sei­en hier kursorisch erwähnt: die phantastische Zusammenarbeit mit dem Lekto­rat von Thrillkult-Media (www.thrillkult-media.de), die jüngste Bemerkung mei­ner Autorenfreundin, ich würde rege auf ihrer Website verlinkt werden (die ist übrigens sehr besuchenswert, und da solltet ihr mal hinschauen: www.jottfuchs.de), die Tatsache, dass ich mit einem Autorenkollegen derzeit in einem tollen Projekt zusammenarbeite, über das ich (seufz) leider noch voll­kommenes Stillschweigen bewahren muss.

Dann ist da mein E-Book-Programm, wo just heute, wo ich diese Zeilen verfasse (1. August 2015), mein 30. (!) E-Book veröffentliche: „Reinkarnation und ande­re phantastische Geschichten“. Oder die Zusammenarbeit mit XinXii, wo ich ak­tuell schon sechs E-Books veröffentlicht habe. Bis ihr diesen Artikel zu sehen be­kommt, werden es vermutlich 15 sein.

Tja, und last but not least habe ich gestern allein an einem Tag unfassliche 5.605 Besucher auf meiner Website gehabt und damit mühelos für den Monat Juli die Marke von 10.000 Klicks gesprengt, was ich im Traum nicht für möglich hielt.

Also, ihr seht – tolle Stimuli für meine Kreativität. Von einem weiteren erzähle ich euch in drei Wochen, wo ich euch in die Welt des Jahres 2113 mitnehme.

Was aber, um zum Thema des heutigen Beitrags zu kommen, habe ich im Mo­nat Juli 2015 an kreativen, auf den OSM bezogenen Projekten schreiben können oder weiterschreiben können? Dies hier:

Glossar der Story „Der Platz der Steine“

(OSM-Wiki)

(Aus den Annalen der Ewigkeit 5: Jaleenas zweites Leben)

14Neu 27: Die Ruinenwelt

(E-Book 28: Hinter der Raumzeitwand)

14Neu 28: Landung auf Runix

(14Neu 29: DER TITAN)

Erläuterung: Als ich diese Episode im Jahre 1984 schrieb, hatte ich die kuriose Vorstellung, ich bräuchte ein Ausrufezeichen dahinter. Bei der Neufassung wur­de das natürlich eingespart. Sieht aber auch wirklich zu affig aus.

Blogartikel 134: Work in Progress, Part 31

(12Neu 31: Treffpunkt Calnier)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“)

(14Neu 30: TRAUMKRIEGER)

E-Book 27: Auf Götterpfaden

(Ungleiche Freunde – OSM-Story)

18Neu 69: Hinab ins Flammenlabyrinth

(18Neu 71: Weißwelt-Rebellen)

Erläuterung: Wer sich ein wenig mit den Bildern von Salvador Dalí auskennt, wird sich diese Welt besser vorstellen können, wenn ich euch irgendwann mal hierhin schicke. Momentan ist das alles ja nur die Abschrift der Episoden von 1987, und die Überarbeitung folgt dann deutlich später. Nur soviel: dies ist eine der so genannten Dämonenwelten des KONFLIKTS 18. Sie liegt im direkten Dunstkreis TOTAMS im Vorhof der Knochendimension, und diese Welt, bedeckt zu einem erheblichen Teil von grauweißen Schleimozeanen, ist der Herrschafts­ort der Dämonenwaffe Glusem.

Das Problem in dieser Handlungszeit ist nur: Glusem ist in seinem Dämonenwaf­fensarg eingeschlossen und quasi „schlafend“. Das gilt jedoch nicht für die Be­wohner seiner Welt. Und die proben den Aufstand, allen voran eine Person, de­ren Namen ihr euch merken solltet: Gordon Barring.

(Besuch in der Heimat – OSM-Story)

(E-Book 29: Welt der Wunder)

(E-Book 34: Als Tiyaani noch ein Kind war… – Phantastische Geschichten)

Erläuterung: Es ist richtig, dass es sich hierbei um eine Storysammlung (Nr. 4) handelt, die nicht originär OSM-charakteristisch ist. Ich dachte dennoch, ich er­wähne die Arbeit an diesem Werk, weil hierin die OSM-Story „Der Platz der Stei­ne“ veröffentlicht werden wird, die ich jüngst fertigstellte.

(Beas Freund – OSM-Story)

18Neu 70: Der kretische Fluch

(DM 54: Der Vernichtungskonvoi)

(DSf 54: Der Biopsi-Kontakt)

(Kämpfer gegen den Tod – OSM-Roman (Abschrift))

(BURTSONS Feuerprobe – OSM-Hintergrundtext)

Wochen-Blog 149: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (IX)

(IR 30: Der letzte Flug der STERN VON ALLKOOM)

(18Neu 72: Fürst der Weißwelt)

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH)

Erläuterung: Was es genau mit dem letzten Eintrag auf sich hat, erzähle ich euch dann in drei Wochen detaillierter.

Wie ihr sehen könnt, bin ich in diesen Wochen ziemlich weit im OSM herumge­kommen, und das ist auch verdammt gut so. Die Arbeiten sowohl an der TI-Se­rie als auch an KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ (IR) streben unver­meidlich gewissen Höhepunkten zu. Für TI kann ich euch da schon mal den Mund ein wenig wässrig machen für das Frühjahr 2016, wo ihr die erste leibhaf­tige Begegnung mit einem Baumeister haben werdet, der für den Fortgang der Serie absolut zentral sein wird. Und wer den OSM später weiter verfolgt, wird von diesem Wesen noch einiges hören.

Und bei IR, nun, da stehen apokalyptische Tage bevor, vor denen es mich graust, denen ich aber nun beim besten Willen nicht mehr ausweichen kann… auch wenn der CK vielleicht eine gewisse Ablenkung auf Zeit darstellen mag. Wir werden sehen.

In der kommenden Woche nehme ich euch mit ins Jahr 2006 in meine kreative Vita. Eine abenteuerliche Zeit, wie ihr entdecken werdet. Ich freue mich auf eu­ren Besuch!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 30: Die Besessenen (5)

Posted Oktober 21st, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

einmal mehr kehren wir mit der unten abgedruckten Rezension in den Kosmos von Peter F. Hamiltons Armageddon-Universum zurück, in dem die monströsen „Besessenen“ ihr Unwesen treiben und sich immer weiter ausbreiten. In diesem ersten von zwei Teilen, in die der Bastei-Verlag damals bei der deutschen Veröf­fentlichung den Schlussband der Trilogie aufgespalten hat, beginnen sich nicht nur die Handlungsrätsel zu klären, sondern es treten auch zunehmend Schwä­chen in der Argumentation auf, was mir dann allmählich die Lesefreude trübte.

Ich meine, das muss ja nicht jedem so gehen, vielleicht bin ich nur ein beson­ders kritischer Leser oder auch Filmzuschauer. Aber es geht mir ein wenig auf die Nerven, wenn man gegen Ende des Lese- oder Kinovergnügens allmählich merkt, dass Autor oder Regisseur die Story nicht richtig durchdacht hatten und sie am Ende noch mit ein paar Holzlatten zu vernageln suchten, in der bangen Hoffnung, das fiele niemandem auf. So etwas ist dann weniger witzig, man fühlt sich veräppelt, und das mögt ihr sicherlich auch nicht.

Deshalb wundert euch also nicht, wenn sich in diese und in die nächste Hamil­ton-Rezension zunehmend kritische Töne einschleichen. Ich sagte schon an an­derer Stelle, ich halte nichts von Mogelpackungen. Grundsätzlich ist dieser Ha­milton-Zyklus immer noch ein grandioses Lesevergnügen, aber zum Schluss eben mit einigen Missklängen. Wer nicht musikalisch ist, kann da ja einfach weghören…

Also, hier geht’s weiter:

Die Besessenen

(The Naked God, Part I)

Armageddon-Zyklus, 5. Roman

von Peter F. Hamilton

Bastei 23233

992 Seiten, TB

Februar 2001, 9.90 Euro

Übersetzt von Axel Merz

Die Besessenen…

Sie kommen aus dem Jenseits, und es gibt eigentlich nur drei Dinge, die sie un­endlich fürchten: zum einen, ihre Wirtskörper wieder zu verlieren und in das grauenerregende Jenseits zurückgetrieben zu werden, in dem sie z. T. seit Jahr­hunderten gelitten haben. Zum zweiten, die unablässigen Klagen, flehenden Stimmen, Flüche und Schmeicheleien aus dem Jenseits zu ertragen, die Teil ih­rer tagtäglichen Existenz sind. Und, drittens, den schwarzen Himmel des Univer­sums direkt über ihnen, wenn sie einen Planeten der Konföderation betreten und mehr oder weniger unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Um sich einen Schutzschild zu schaffen, erzeugen die Besessenen eine rote Wolke, die offensichtlich „nur“ aus Wasserdampf besteht. Die dafür aufge­wendeten Energien, das Wetter auf diese Weise zu manipulieren, sind kaum vorstellbar und nicht anzumessen. Wenn die Wolke groß genug ist, reicht sie aus, um mit einer mächtigen energistischen Anstrengung Asteroiden, Habitate und ganze Planeten aus dem Hier und Jetzt herauszuhebeln und in ein fremdes Kontinuum zu versetzen, in dem die Stimmen der Verlorenen Seelen verstummt sind und die Konföderation ihnen nicht mehr folgen kann.

Das heißt indes nicht, dass die Probleme beendet sind. Sie verwandeln sich nur.

Das Schicksal der Transformation trifft so unterschiedliche Orte wie den Plane­ten Norfolk und das Habitat Valisk. Auf ersterem machen die Besessenen die verwirrende Erfahrung, dass die nicht-besessenen Menschen plötzlich ebenfalls über energistische Fähigkeiten verfügen und ihnen somit kräftemäßig gleichge­stellt sind. Und das ist nicht mal das wichtigste Problem. Valisk hingegen schlit­tert geradewegs in ein unbegreifliches Inferno.

Als Valisk die Grenze zum „Paradies der Besessenen“ überschreitet, finden sich der Erbe des Habitatgründers Rubra, Dariat, unvermittelt als Geist wieder. Und alle anderen Verlorenen Seelen wurden gleichfalls aus ihren Körpern vertrieben – sie irren als hasserfüllte Schemen durch das Habitat. Schlimmer noch: die Gastkörper, nun wieder bei Sinnen und frei (aber ausnahmslos schrecklich trau­matisiert), sind zum großen Teil mit Metastasen bedeckt. Der Krebs, eigentlich eine ausgerottete Krankheit, kehrt massiv zurück, und die medizinischen Syste­me Valisks versagen. Der umliegende, fremdartige Kosmos entzieht ihnen im­mer schneller Energie. Und dummerweise ist dieser Kosmos nicht einmal unbe­völkert

Im realen Universum beginnt der Feldzug gegen die Besessenen auf Ombey, auf der Halbinsel Mortonridge. Unter der Leitung der fanatischen Annette Eklund organisieren die Invasoren ihre Abwehrkräfte und wollen eine furchtbare Schlacht entfesseln. Stattdessen geraten sie in eine beispiellose Umweltkata­strophe, gegen die die Flutwelle vor Indonesien im Dezember 2004 beinahe harmlos anmutet.

Im Sonnensystem New California verschärft sich der Gegensatz zwischen der über die Hellhawks gebietende Kiera Salter und Al Capone. Außerdem muss Ca­pone ständig gegen die separatistischen Kräfte seiner Untergebenen kämpfen und hat überdies Schwierigkeiten mit der Konsolidierung seiner allgemeinen Er­werbungen. Das wird noch schlimmer, als er jene illegale Station verliert, in der Antimaterie hergestellt wird.

In der Zwischenzeit gelingt es zwar dem Raumkapitän Joshua Calvert, die Ge­fahr des Neutronium-Alchimisten zu entschärfen, aber das ist kein Grund zur Beruhigung. Von einer weitgehend friedlichen Lösung des Problems der Beses­senen sind sie alle noch weit entfernt… doch es gibt einen hauchzarten Ansatz dazu. Er kommt ausgerechnet von einer der beiden Xeno-Rassen, die sich nicht sonderlich kooperativ gezeigt haben – von den Kiint.

Sie entwickeln eine enorme, schwer begreifliche Neugierde auf jene Aufzeich­nungen, die die Journalistin Kelly Tirrell auf dem Dschungelplaneten Lalonde gemacht hat. Die ungeschnittenen, vollständigen Aufzeichnungen. Der Grund dafür ist offensichtlich die Erwähnung des Schlafenden Gottes der Tyrathca. Ir­gendetwas daran macht die Kiint unglaublich nervös. Doch die einzigen, die dazu etwas sagen können, sind die Tyrathca selbst. Und sie stufen die Men­schen inzwischen als Bedrohung ein und lassen nun ihrerseits die Maske fallen, die die Menschheit jahrhundertelang getäuscht hat…

Im vorletzten Band des Zyklus dreht Hamilton an allen Handlungsfronten massiv auf. Das tut der Geschichte nicht nur gut, denn es treten logische Probleme auf. Manche Handlungsstränge werden ziemlich brüsk entsorgt, andere so gedehnt, dass man sich ernstlich fragen muss, warum er nicht auf den Punkt kam. Solch eine Stelle ist die Handlung auf der Erde, wo Louise Kavanagh in der Tat „myste­riöse und starke Verbündete“ findet, „deren Ziele jedoch nicht ganz mit den ih­ren übereinstimmen“. Wenn man das freilich als Verbündete bezeichnet, ziehe ich es allerdings vor, nur noch Feinde zu haben. Der Leser wird das rasch verste­hen.

Unangenehm berührt wurde ich schließlich von einem Logikschnitzer, der ge­eignet ist, Hamiltons ganzes Handlungsgerüst in sich zusammenstürzen zu las­sen: in früheren Bänden legte er sehr überzeugend dar, dass sich Besessene aufgrund ihrer energistischen Fähigkeiten, die elektronische Felder beeinflus­sen, nicht in Raumschiffen aufhalten können, die Antimaterie an Bord haben. Das war alles sehr schön und gut, nur hier erzählt er uns das Gegenteil, und dann noch, ohne es plausibel zu untermauern: an Bord der Antimateriestation Al Capones befindet sich gleich eine ganze Gruppe von Besessenen, wo einer ausreichte, durch bloße Annäherung alles in die Luft zu jagen. Und später mutet Hamilton dem Leser sogar antimateriebestückte Hellhawks zu… also wirklich, das passt nicht.

Auch die Vorstellung, dass eine von den Tyrathca seit 1300 (!!) Jahren aufgege­bene Weltraumarche sich ihre intakte Elektronik bewahrt hat, die zudem noch von Menschen problemlos benutzt werden kann, mutet dem Leser doch einiges zu (hier hatte er eine Menge wirklich knifflige Probleme in kurzer Zeit zu lösen, aber er hat seine Möglichkeiten m. E. ziemlich überstrapaziert).

Faszinierend beschrieben ist die monströs vergewaltigte Erd-Ökosphäre, die Stratosphärenlifts, die summende und brummende Datensphäre der Erde und der Wandel von Louise Kavanagh und ihrer kleinen Schwester, die hier auf be­stürzende Weise als Köder für Quinn Dexter eingesetzt werden.

Alle Handlungsfäden bleiben nach wie vor offen und problematisch, Verände­rungen zeichnen sich nur langsam ab, Lösungen derzeit gar keine. Aber Hamil­ton hat auch noch 1000 Seiten Platz, um auf den sprichwörtlichen Punkt zu kommen. Der letzte Band verspricht einiges an furiosem Showdown und lässt gewiss kein Auge trocken.

Bald in diesem Kino.

© by Uwe Lammers, 2005

Doch noch neugierig geblieben? Gut so. Ungeachtet der Schrammen auf dem Hintergrund des Handlungskonzepts bleibt die Story auch tatsächlich sehr span­nend, und der Schlussteil lohnt sich ebenfalls, wie ich noch ausführen werde, in ein paar Wochen.

In der nächsten Woche begeben wir uns wieder in die Vergangenheit… oder eher: in die Vergangenheit, die es nicht gab. Wie das jetzt gemeint ist? Da soll­tet ihr mal genauer hinschauen und meiner Rezension folgen, die in die Gedan­kenwelt des Historikers Alexander Demandt eindringt.

Und zwischendurch könnt ihr natürlich gern noch am Sonntag einen Blick in meinen OSM-zentrierten Wochen-Blog werfen. Ich freue mich drauf.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

manche Menschen sagen, es sei die beste Möglichkeit, wenn man ein kreativer Kopf ist, sich von persönlicher Trauer dadurch zu beruhigen, indem man sich in die Arbeit stürzt und gar nicht erst zulässt, dass die Seelenfinsternis die Ober­hand gewinnt. Ich neige ebenfalls zu dieser Ansicht, und das hat mit meiner grundlegend positiven Einstellung zum Thema des Todes zu tun. Wer diesem Blog länger gefolgt ist, weiß darüber längst Bescheid.

Der Tod ist für mich nun wirklich eine Art von altem Freund, und dass er zum Leben dazu gehört, ist eine Binsenweisheit. Auch das Leben sei nicht umsonst, heißt es, „es kostet das Leben“, und das ist so elementar wie wahr. Ich denke zudem, dass nur unser Körper dahinwelkt, das Elementare jedoch, die Seele, das also, was das Wesen des geliebten Menschen ausmacht, fortdauert. Ob das so geschieht, wie ich es im Oki Stanwer Mythos beschreibe oder in anderer Form, das sei dahingestellt. Wir bekommen darüber im Hier und Jetzt diesseits des Schleiers keine Aufklärung.

Während ich diese Worte formuliere, die ihr erst am 18. Oktober 2015, einen Tag nach meinem 49. Geburtstag, zu lesen bekommen werdet, schreiben wir den 12. Mai, und der recht unvermittelte Tod meiner lieben Mutter liegt damit gerade einmal eine Woche zurück. Der Schmerz ist darum noch frisch, und wundert euch nicht, wenn ich in der Folge vielleicht ein wenig fahrig sein sollte… ich mühe mich, eine konsequente Gedankenführung einzuhalten. Wo­chenlang Trübsal zu blasen oder in Seelenfinsternis zu verfallen, halte ich für wenig nützlich.

Also, Rolle rückwärts – wo waren wir stehen geblieben?

Vor acht Wochen verließ ich euch mit der Ankündigung, wir würden im nächs­ten Teil dieser Subartikelserie – also heute – auf die Jahre 1992 und 1993 zu sprechen kommen, soweit in ihnen Werke der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ entstanden. Das Versprechen lässt sich einhalten.

1992 und 1993 waren zwei recht ergebnisarme Jahre, was das Schreiben an­geht. Mit gerade mal gut 70 Werken jeweils waren sie eher dürftig, und das lag natürlich daran, dass ich zu jener Zeit das Wolfsburg-Kolleg besuchte und reichlich schulisch eingespannt war. Für den OSM bedeutete das ebenfalls Hungerzeit und auch einige eigenartige Veränderungen.

Mit „Ein Wunder in der Wüste“ entstand am 29. Juni in einem Guss die kürzes­te OSM-Geschichte, die ich jemals geschrieben hatte, und wohl auch eine der eigentümlichsten – denn es war eigentlich eine Fantasy-Story. Der Sohn des Pharaos wird von Räubern entführt und von göttlichen Boten wieder befreit… inwiefern hat das etwas mit dem OSM zu tun? Das fragt man sich an dieser Stel­le wohl zu Recht.

Wer aber irgendwann mal die Gelegenheit findet, die Serie „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ (DDj) zu lesen, die in den Jahren 1988-1994 entstand (d.h. KONFLIKT 23), wird sowohl auf den Pharaonensohn Ti wieder stoßen als auch auf den ägyptischen Gott Horus… allerdings ist es weniger ein Gott als ein wahnsinniger Baumeister, der die bizarre Kulisse der so genannten „Pharaonen­welt“ geschaffen hat als Szenerie für seine wahnsinnigen Pläne.

Und damit, da stimmt ihr mir sicher zu, sind wir vollständig zurück im Oki Stan­wer Mythos. Nun, bis ihr diese Story zu lesen bekommt, die jenseits dieses Kon­textes wenig Sinn ergibt, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern.

Am 28. Juli 1992 wurde dann ein gescheites Stück OSM fertig, nämlich der Ro­man „Die Weisen von Arc“. Es handelt sich dabei um den vierten Band der Ed­ward-Norden-Saga, die in der Baumeistergalaxis Arc während des so genannten KONFLIKTS 20 – Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ (OuC), geschrieben von 1984-1997 – spielt. Wie erinnerlich verließ ich die Galaxis Arc im Frühjahr 1988, nachdem ich den Roman „Die Geheimnisse von Arc“ abgeschlossen hat­te. Mir war damals jedoch schon klar, dass mit der Rettung des Protagonisten Edward Norden die Geschichte nicht abgeschlossen sein konnte. Es gab zu viele offene Handlungsstränge.

Und so fand sich Edaad, wie die Bewohner von Arc inklusive seiner eigenen Tochter Ylana und seiner Frau Jyseewa Edward Norden nannten, in der wohl­meinenden Gefangenschaft der legendären „Weisen von Zhanyor“ wieder. Er hatte seine Pläne aber nicht aufgegeben: Sturz des Dämonenherrschers Holka­xoon von TOTAM und besonders auch Rettung seiner Tochter Ylana.

Die Weisen von Arc“ stellt zugleich das Eintrittstor in die zweite Edward-Nor­den-Trilogie dar, an der ich bis 1994 arbeiten sollte. Beizeiten, ich erwähnte es schon, werden diese Romane in der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ im E-Book-Format veröffentlicht werden.

Im Jahr 1992 wurde weiter nichts für diese Reihe fertig. Und auch das Jahr 1993 sah in der Hinsicht sehr trübe aus. Es entstanden jede Menge andere Geschich­ten, unzählige Rezensionen und Episoden, aber erst am 5. November 1993 konnte ich mit „Maskerade“ einen weiteren Roman aus dem Oki Stanwer My­thos abschließen.

Maskerade“ ist der neunte Roman der Überarbeitung des KONFLIKTS 15 „Oki Stanwer“, mit dem um 1981 die Niederschrift des OSM überhaupt begann. In dieser Geschichte geht es darum, dass Oki Stanwer, der im 75. Jahrhundert in der Galaxis Milchstraße, von Matrixfehlern verseucht, wie man aus heutiger Perspektive sagen muss, darum ringt, eine Streitmacht zu sammeln, die imstan­de ist, dem erwarteten Angriff TOTAMS Paroli zu bieten. Doch jenes Volk, auf das er sich eigentlich stützen soll, die Terraner, bieten kein einheitliches Bild mehr. Vor fast zweitausend Jahren ist das terranische Reich durch den Angriff der Voorks in zahllose kleine Sternenreiche zersplittert, die sich seither munter befehden und belauern.

Es ist also vonnöten, inkognito in diese Gesellschaft einzudringen und sie von innen her zu unterwandern. Das beginnt in diesem Roman. Das Auffinden der Raumyacht FRATERNITÉ des verschollenen Milliardärs Eon Seggar erleichtert die Sache, und in dieser Maske tritt Oki Stanwer nun auf, um Seggars Erbe anzutre­ten. Eine Rolle, die einige Komplikationen mit sich bringt…

Weihnachten 1993 gelang es mir dann außerdem noch, eine ziemlich bizarre Story zu vollenden, die recht schnell heranreifte und am 24. Dezember abge­schlossen wurde. „Der Herr der Schwarzen Berge“ ist für einen reisenden His­toriker aus dem nonhumanoiden Volk der Toccer eigentlich nur eine von vielen rätselhaften Legenden der Vorzeit, und selbst die Schwarzen Berge tragen ihren Namen offensichtlich nicht mehr zu Recht. Das findet er heraus, als er sie nach einer entbehrungsreichen Reise endlich erreicht.

Was er ebenfalls auffindet, ist das Skelett eines unbekannten Wesens, das scheinbar an einem umfassenden, rätselhaften Rekonstruktionsprojekt gearbei­tet hat. Aber hier scheint der arme Toccer zu spät gekommen zu sein. Er meint, hier sei nichts mehr zu erfahren.

Wie groß ist jedoch sein Entsetzen, als das menschliche Skelett mit schwarzem Brustpanzer auf einmal grässlich lebendig wird und sogar noch mit ihm zu spre­chen beginnt? Unerwartet ist der Forscher hier auf eine Kreatur aus den Legen­den der Vorzeit gestoßen – auf ein Wesen, das sich TK 40112 nennt. Es ist ein so genannter Totenkopf, ein Angehöriger von TOTAMS unheimlicher, ewiger Ar­mee, der LEGION. Andere Wesen kennen ihn unter der Bezeichnung „Toten­kopf-Prophet“, und obwohl er Milliarden von Jahren alt ist, hat er nur wenig von seiner Macht und noch sehr viel weniger von seinen Machtambitionen ein­gebüßt…

Diese Geschichte ist, natürlich völlig aus dem Kontext des späten OSM heraus­gelöst, relativ bald danach im Juli 1994 in dem Fanzine „Storytip 5“ veröffent­licht worden. Wer weiß, vielleicht findet ihr das irgendwann mal antiquarisch. Die Story selbst werde ich beizeiten ebenfalls abschreiben, überarbeiten und veröffentlichen – vermutlich allerdings nicht als autonome Geschichte, sondern als Teil einer meiner Storysammlungen. Haltet da einfach mal die Augen offen, Freunde, die Geschichte hat einiges an Informationen zu bieten.

Soweit möchte ich für heute gehen. In der nächsten Ausgabe dieser Artikelreihe werde ich entweder auf das Jahr 1994 eingehen oder mich um die nächste Ver­öffentlichung aus dieser Reihe kümmern, nämlich „Annalen 5: Jaleenas zweites Leben“. Lasst euch mal überraschen.

In der nächsten Woche berichte ich an dieser Stelle, wie sich meine Kreativität, bezogen auf den OSM, im Juli 2015 entwickelt hat. Nicht verpassen, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde meiner E-Books,

nachdem eine Weile Pause war mit der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimpe­rium“ (TI), weil ich euch im vergangenen Monat den zweiten Band der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ im EPUB-Format zugänglich machen wollte, folgt heute also Band 11 der Serie.

Es wird die Handlungsschiene der TI-Bände 4 und 5 fortgesetzt. Auf dem Plane­ten Hushhin ist der Extrayantihni Gwensh abgestürzt und hat vor seinem jähen Tod noch die schreckliche Geschichte seines Volkes preisgegeben. Während, wie ihr in den letzten Bänden nachlesen konntet, daraufhin die RHONSHAAR-Ex­pedition aufbricht, bleibt die Zeit auf Hushhin natürlich auch nicht stehen.

Wissenschaftler von der Welt Shoylon kommen zu Besuch, um die Artefakte zu untersuchen, die Gwensh hinterlassen hat… und sie bringen einen Quälgeist ganz besonderer Art mit, der noch einige Komplikationen in die Serie bringen wird: den exzentrischen Wissenschaftler Noshtoy. Und er wird in diesem Band mit je­nem Geheimnis konfrontiert, das die Archäologen von Hushhin bislang nicht verraten haben…

Das E-Book „Das Archiv der Hushhiner“ steht ab sofort auf www.beam-ebooks.de im MOBI- und EPUB-Format zum Download für den Preis von 1,49 Euro bereit… und ich hoffe sehr, dass es in Bälde von euch erworben werden kann. Das könnte freilich derzeit einige Schwierigkeiten machen, für die ich in­des nicht verantwortlich bin.

Ich sagte schon den Verantwortlichen bei der Beam AG, dass ich die heutige Ge­legenheit gern nutzen würde, diesbezüglich ein paar Worte zu machen, und das möchte ich auch einhalten.

Es ist bedauerlicherweise ja so, dass in den letzten Monaten einige Komplikatio­nen aufgetreten sind, die im Netz seitens der regelmäßigen Käufer von Beam-E-Books längst bekannt sind. Da ging es insbesondere darum, dass es nahezu un­möglich wäre, E-Books kostenpflichtig von der Beam-Seite downzuloaden und dergleichen… der Klagen gab es jede Menge. Ich habe das, zugegeben, geraume Zeit gar nicht bemerkt, weil ich eben als Autor tätig bin und nicht als Käufer von E-Books.

Mir fiel allerdings auch unschön auf, dass sich seit Anfang September absolut überhaupt kein E-Book bei Beam von den von mir eingestellten Werken ver­kaufte, und das fand ich einigermaßen eigenartig.

Ich fragte also nach – und machte die nächste ernüchternde Feststellung, dass auch die Kommunikation etwa so funktionierte wie in Treibsand: Wenn Antwort kam, dann erst nach mehrmaligem Nachfassen… und das beunruhigte mich dann schließlich so sehr, dass ich intensiver nachfasste.

Daraufhin erhielt ich folgende Zeilen zur Antwort, die vielleicht von allgemei­nem Interesse sind: „Zu den technischen Turbulenzen der jüngeren Vergangen­heit möchte ich noch einige Worte verlieren. Die Server, die den beam Shop [sic!] lange Zeit gehostet haben, kamen leider an ihre Grenzen, so dass ein Ser­ver-Umzug durchgeführt werden musste. Dieser Umzug erwies sich als sehr viel komplizierter, als wir und auch die durchzuführende Agentur erwartet hatten. Der Großteil dieser Probleme ist nun jedoch behoben.“

Dies ist der Stand vom 5. Oktober 2015, möchte ich ergänzen. Und da ich als Vorstandsmitglied des Fördervereins Phantastika Raum & Zeit e. V. in Braun­schweig von unserer eigenen Vereinswebsite www.sciencefiction.de diese Schwierigkeiten durchaus kenne, die ein Serverumzug nach sich ziehen kann – wir haben dieses Jahr selbst einen durchgeführt, und das erwies sich ebenfalls als nicht unkompliziert… wir sind aktuell immer noch nicht wieder ganz „restau­riert“, wenn ich das mal so nennen darf – , da war ich doch einigermaßen er­leichtert, die obige Mitteilung zu erhalten.

Ein weiteres Zeichen der Besserung kann ich ebenfalls vermelden: Die Tantie­menzahlung funktioniert augenscheinlich wieder, ich habe heute meine Tantie­men von Beam erhalten. Zwar haben sich die Downloadzahlen meiner hiesigen E-Books noch nicht wieder normalisiert, aber ich würde jedem Leser meines Blogs, der sich in den letzten Wochen und Monaten vergebens bemühte, über Beam meine E-Books zu besorgen, einfach vorschlagen: Noch einmal probie­ren! Und falls es nicht sofort klappt – gebt den Beam-Leuten noch ein bisschen Zeit, die Technik und den Support wieder zu optimieren.

Ich werde jedenfalls auch weiterhin mit der Frequenz von einem E-Book pro Monat bei Beam publizieren und mich über aktuelle Zugangs- und Kaufengpäs­se mit dem Gedanken hinwegtrösten, dass die Werke ja langfristig auf jeden Fall dort erhältlich sind.

In der Hoffnung, dass diese Informationen sowohl für die Macher von Beam wie auch für meine Leser hilfreich gewesen sind, möchte ich für heute schließen und nur noch darauf hinweisen, dass ihr euch natürlich auch weiterhin – und ohne Zugangsprobleme – mittels meines Blogs auf der Website www.oki-stanwer.de am Sonntag und am Mittwoch über die Hintergründe meines Werkes und über die Bücher, die ich gern lese und dann für euch rezensiere, informieren könnt. Ihr seid in beiden Blogs gern gesehene Gäste.

Ich wünsche euch angenehmes Lesevergnügen und freue mich, von euch zu hö­ren!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 29: Das Geheimnis des Geigers

Posted Oktober 14th, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ich jüngst schon versprochen habe, kehren wir heute zurück zum legen­dären Detektiv aus der Baker Street 226B und seinen Epigonen, von denen es bekanntlich unzählige gibt… mal mehr, mal weniger geschickte, mal mit intelli­genten Einfällen, dann leider auch wieder mit eher mäßig interessanten bis misslungenen Adaptionen.

Das, was ich hier vor mir hatte, als ich mir das Buch im Jahre 2010 schenken ließ, konnte ich nicht vorhersehen – auf alle Fälle eine Anthologie mit einem ganzen Korb voll neuer und unbekannter Holmes-Fälle. Teilweise ein recht span­nendes Vergnügen, teilweise eine arge Zumutung… aber wie meine Freunde wissen, habe ich schon gewisse Qualitätsansprüche an Werke, die dem Holmes-Kanon gerecht werden sollen. Das muss ja nicht jedermanns Messlatte sein. Al­les in allem ist dieses Buch jedenfalls eine schöne Überraschung, und sie macht uns mit einer Reihe interessanter Nachwuchstalente vertraut, deren Namen man sich merken sollte.

Und um diese Fälle geht es dann im Speziellen:

Das Geheimnis des Geigers

von Alisha Bionda (Hg.)

Blitz-Verlag, o. O. 2006

304 Seiten, Paperback

Sherlock Holmes Criminal Bibliothek 4

ISBN 3-89840-214-2

Sechzehn Autoren hauchen dem legendären Detektiv aus der Baker Street 221B in London neues Leben ein, und so etwas ist natürlich ein Ereignis, das ich mir als alter Holmes-Freund nicht entgehen ließ. Es war darum völlig selbstver­ständlich, dass ich, als ich zu meinem Geburtstag 2010 dieses Buch auf dem Ge­schenktisch vorfand, es umgehend zu lesen begann.

Die Lektüre ist, wie kaum anders zu erwarten, durchwachsen. Manche der Ver­fasser waren mir schon vom Namen oder anderweitigen Textproben her be­kannt, andere präsentierten hier erstmals ihre Fähigkeiten, sich in die Welt des 19. Jahrhunderts und in die Psychologie des Sherlock Holmes einzudenken. Und jeder, der sich schon einmal selbst an einer Holmes-Geschichte versucht hat, wird begreifen, dass das nicht einfach nur so dahinplätschernd geschrieben, sondern sehr scharfsinnig durchdacht sein will. Manche Verfasser sind darum im vorliegenden Band auch an dieser Herausforderung leider gescheitert, je­denfalls nach meiner Ansicht. Doch schauen wir uns die Geschichten einfach mal im Detail an, das lohnt sich.

Den Auftakt macht der in Phantastik-Kreisen nicht unbekannte Christian von Aster mit seiner Story „Das Renardi-Komplott“. Dr. Watson versucht, seinem Freund Sherlock Holmes eine Geburtstagsüberraschung zu bereiten, ohne dass dieser es merkt – wie man sich vorstellen kann, eine nicht unknifflige Sache bei Holmes´ Fähigkeiten. Dass die Geschichte wegen Albernheit des Autors in völli­ger Lächerlichkeit verendet, ist umso bedauerlicher. Daraus hätte man mehr machen können.

Der Henker“ von Christian Endres, der schon als Herausgeber von Holmes-An­thologien einschlägig in Erscheinung getreten ist, spricht hingegen eine völlig andere, faszinierende Sprache: ein Mordfall im Londoner Hafen ruft Sherlock Holmes auf den Plan. Unter dem Dach eines leeren Lagerhauses baumelt eine vermummte Leiche. Und Holmes´ Deduktion tritt in Aktion… sehr prägnant.

Andreas Gruber war mit seiner Story „Glauben Sie mir, mein Name ist Dr. Wat­son!“ (präziser wäre natürlich „Dr. John Watson!“, doch man vergebe mir meine Besserwisserei) mit dem Deutschen Phantastik Preis 2006 ausgezeichnet wor­den, und das geschah durchaus mit Recht. Es handelt sich nämlich nicht nur um eine Holmes-Geschichte, sondern um eine Phantastik-Story reinsten Wassers, in der Holmes und Watson an die Grenzen ihrer Wissenschaft geraten und Watson gewissermaßen in eine andere Welt abrutscht. Rätselhafte, flehentliche Briefe von Personen, die für andere gehalten werden, erreichen den Detektiv in der Baker Street, nachdem er an der Vorführung eines Apparates des Dr. Allan Wale im November 1916 teilgenommen hat, der eigentlich einen Übergang in eine andere Dimension demonstrieren sollte… was nicht völlig fehlschlägt. Aber die Ergebnisse sind, um es vorsichtig zu sagen, haarsträubend.

Grubers enorme Belesenheit hält sogar biografischen Nachrecherchen stand, und so etwas imponiert mir stets. Ob es um Jack London oder Arthur Conan Doyle geht, Literaturanspielungen oder zeitgeschichtliche Details – Grubers Ge­schichte ist reich daran und sehr lesenswert. Vermutlich erschließt eine Zweit­lektüre noch mehr Einzelheiten. Zweifellos eines der Highlights dieser Samm­lung.

Hermann Agis steuert mit „Der Vorfall“ die nächste Geschichte bei und bewegt sich dabei auf ähnlichem Terrain wie später Dominik Irtenkauf – auf dem vom Rezensenten eher nicht geliebten Terrain der Destruktion des Holmes-Mythos. Hier wirft er die Themen Holmes und Frauen sowie Jack the Ripper zusammen und braut sie in einer eher unappetitlichen Mischung zu einem Gericht, das ich nicht recht zu goutieren wusste. Und im Detail beweist er zu wenig Sachkennt­nis, wenn er Holmes´ Wohnung ins Erdgeschoss verlegt, was für seinen Plot es­sentiell wichtig ist. Schade, dass das so nicht geht.

Der schwarze Joe“ von Linda Budinger – die als Holmes-Übersetzerin, und zwar eine ausgezeichnete, gut bekannt ist – ist ein Mitglied der Baker-Street-Bande, das eines Tages wie vom Erdboden verschwindet. Naturgemäß machen sich die anderen Bandenmitglieder so ihre Gedanken, kommen aber nicht recht damit vorwärts. So behelligen sie also Sherlock Holmes, der das wirklich süße Rätsel relativ schnell auflöst, ohne freilich den verschwundenen Joe wieder her­beizaubern zu können… warum das? Nun, das muss man nachlesen. Sehr reiz­voll.

Die Titelstory „Das Geheimnis des Geigers“ stammt von dem mir unbekannten Matthias Heyen und ist mit gerade mal 12 Seiten eher knapp. Aber es lohnt sich. Der russische Pianist Leinad Alexandrow gastiert unerwartet in London, und Watson, der Holmes´ Musikleidenschaft kennt, ergattert Karten für die Auf­führung, die indes zum Desaster gerät – der Musiker erleidet auf der Bühne einen nervösen Zusammenbruch. Aber während Watson ausschließlich die ärzt­liche Seite der Angelegenheit sieht, sagt Holmes anschließend: „Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir ein Verbrechen aufzuklären!“ Womit er auf grausi­ge Weise Recht behält. Aber der deduktionistische Weg dorthin ist faszinierend und wasserdicht. Von Heyen hätte ich gern mehr gelesen.

Der Tote von Belgrave Manor“ von Stefani Hübner-Raddatz präsentiert das, was man eine klassische Holmes-Geschichte nennen kann. Der Erzähler ist einer der Söhne der Belgrave-Familie, der zusammen mit Watson in Indien gedient hat (was unpräzise ist, denn Watson diente bekanntlich in Afghanistan!), und er ist unter Mordverdacht wegen seines Bruders George geraten. Außerdem ist ihre verlobte Cousine Lizzy in die Angelegenheit verstrickt. Doch jenseits dieses Handlungsstrangs sind es die kleinen Details, für die die Verfasserin ein glückli­ches Händchen hat, die die Geschichte lebendig machen: Holmes meisterhafte Deduktion, die gut getroffen wird und die wissenschaftliche Demonstration zur Sichtbarmachung von Fingerabdrücken. Eine hübsche Geschichte. Allerdings bleibt es wohl ein Rätsel der Autorin oder des Lektorats, warum Holmes im letz­ten Absatz der Geschichte anfängt, Watson ganz überraschend zu siezen…!

Holmes und das Abenteuer um den Tintenklecks“ von Dominik Irtenkauf ist dann wieder so ein Tiefschlag in der Anthologie, dass ich mich echt fragte, warum man solch eine Story in die Sammlung aufnimmt. Irtenkauf, der mir noch von seinem späteren Roman „Holmes und das Elfenfoto“ in höchst un­rühmlicher Erinnerung war, erfüllte alle finsteren Erwartungen wirklich aufs Beste: sein Holmes ist ein mittelmäßiger, nervöser und deprimierter Gesell, der von Watson auf dem Papier zu einem Genie aufgewertet wird. In der Realität zerbricht er an dem Anspruch und möchte am liebsten den Holmes-Mythos zer­stören. Das mag ja psychologisch ganz nett sein, kommt aber – wie sein Roman – dermaßen aufdringlich psychologisierend herüber, dass jedem wirklichen Hol­mes-Freund die Lust an der Lektüre vergeht. Tut mir leid, Herr Irtenkauf, Sie wä­ren gut beraten, eine eigene Detektivfigur zu entwerfen, die derlei Identitäts­probleme hat. Aber wenn dann niemand diese Geschichten lesen möchte, soll­te man nicht verblüfft sein.

Markus Kastenholz führte Sherlock Holmes dann in seiner Geschichte „Die brennende Leiche“ auf ein wissenschaftliches Mysterium, das meines Wissens bis heute weitgehend ungeklärt ist: die SHC, die „Spontaneous Human Combus­tion“, also die menschliche Selbstentzündung. Es handelt sich dabei um ein, wie Holmes richtig sagt, seit Jahrhunderten nachgewiesenes reales Phänomen, bei dem der menschliche Körper offensichtlich aus sich selbst heraus extrem jäh und kurzzeitig so extrem hohe Temperaturen entwickelt, dass er in weiten Tei­len selbst verbrennt, allerdings nicht vollständig (meist bleiben Gliedmaßen üb­rig, unverbrannt!), und interessanterweise wird die Umgebung damit nicht in Mitleidenschaft gezogen. Notwendigerweise gerät Holmes hier an die Grenzen seiner Ermittlerfähigkeit.1

Stephan Peters war mir seit Jahren vom Namen her durchaus bekannt, aller­dings eher aus dem Horrorbereich, und so verblüffte es mich auch nicht, festzu­stellen, dass seine Story „Ein Fall von Nekrophilie“ genau in diesem Bereich an­gesiedelt ist. Wieder bekommen Holmes und Watson (anno 1904! Wenn man mir die Bemerkung gestattet, leben die beiden zu dem Zeitpunkt sicherlich nicht mehr zusammen in der Baker Street! Watson ist schließlich verheiratet) Besuch von einem Klienten, der Holmes mit der ungeheuerlichen Geschichte konfrontiert, er habe derzeit eine Affäre mit einer lebenden Toten. Interessant ist jedoch, wie verstört der Detektiv darauf reagiert, und noch schlimmer ist, was er anschließend unternimmt – dies ist ein durchaus phantastischer Ver­such, Holmes´ notorische Frauenfeindlichkeit zu erklären.

Die Anmerkung am Schluss führt freilich etwas in die Irre. Peters bedankt sich hier für die Inspiration bei einem gewissen „Zeus Weinstein“. Das ist deshalb ir­reführend, weil „Zeus Weinstein“ ein Pseudonym ist. Dies wird aus dem Impressum des exzellenten Holmes-Romans „Die Wahrheit über Ludwig II.“ klar, in dem das Pseudonym gelüftet wird. Weinstein ist bürgerlich Peter Neugebau­er. Es wäre elegant von Peters gewesen, das hier gescheit aufzuklären.

Ein faszinierendes Stück Holmes-Epigonen-Literatur liefert auch der mir unbe­kannte Martin Barkawitz mit „Der ägyptische Gnom“ ab. Es zeigt sich beson­ders an dieser Story, dass kurze Holmes-Geschichten durchweg nicht übel sein müssen, wenn sie in allen Details wohl durchdacht sind. Und das ist sie hier: wir finden nacheinander Holmes´ nervtötende Schießübungen in der Wohnung, Holmes´ messerscharfe Deduktion, zunächst auf den Besucher Goodfellow Car­ruthers und sodann auf den Droschkenkutscher angewandt, der sie zum Briti­schen Museum bringt. Der Leser kommt auf den ersten Seiten aus dem stau­nenden Blinzeln gar nicht mehr heraus. Und das geht noch weiter, als er den Tatort besichtigt, wo Dr. Kenneth Winterbottom sich offensichtlich in einem von innen abgeschlossenen Zimmer selbst erschossen hat. Holmes meint indessen, er sei im Zimmer ertrunken! Und das Verblüffende daran ist – er hat Recht! Aber wie genau das stimmt, muss man nachlesen. Eine köstliche, raffinierte Geschichte, unbestreitbar eine der besten der Storysammlung. Auch von Barkawitz würde ich gern mehr in der Richtung lesen. Er hat es drauf, unbestreitbar.

Der Fall, den S. H. nicht lösen konnte“ von Christian Schönwetter (auch ein mir Unbekannter) stellt den jungen Dylan McHale in den Vordergrund, ein Mit­glied der Baker-Street-Bande, das in diesem Fall einen mysteriösen Fall quasi im Alleingang löst, über den ich nicht viel andeuten möchte. Die Geschichte eignet sich eigentlich mehr für eine Anthologie von Jugendbuchgeschichten und wirkt hier ein wenig deplatziert.

Der Tote vom Sewer“ von Klaus-Peter Walter, der später auch für den Blitz-Verlag einen Holmes-Roman verfasst hat, spielt 1897, und Inspektor Lestrade vom Scotland Yard, der Holmes aufsucht, um ihn in einer Mordsache zu konsul­tieren, denkt – ebenso wie Dr. Watson – in reichlich abergläubischen Bahnen. Das liegt nahe, denn der Roman „Dracula“ von Bram Stoker ist gerade erschie­nen, und Holmes weist nach, dass das Opfer des Verbrechens vor dem Versuch, es zu verbrennen, offensichtlich blutleer war. Leider kommt die gründliche De­duktion dieser ansonsten exzellenten Geschichte ausschließlich bis zu diesem Punkt und lässt den Leser dann äußerst konsterniert zurück, weil Walter durch Holmes am Schluss sagen lässt: „Wir werden uns ein anderes Mal um dieses Un­getüm kümmern. Heute nicht mehr, denn man hat uns für die Lösung des klei­nen Rätsels um den toten Mann von Sewer lediglich fünfzehn Manuskriptseiten zugestanden. Und die sind genau jetzt gefüllt. Etwas Musik gefällig?“

Das ist, um es vorsichtig auszudrücken, eine Unverschämtheit – seitens des Lek­torats!2 Manche Geschichten im Band sind fünfzig (!) Seiten lang, und diese hier, die so ausgezeichnet begann, bricht wegen Lektoratsvorgaben mitten in der Ermittlung zusammen? Das ist wirklich außerordentlich dreist und tut rich­tig weh. Dann wäre es besser gewesen, diese Geschichte in der vollständigen Form lieber in einer anderen Anthologie unterzubringen… oder die fragwürdige Irtenkauf-Geschichte einzusparen und die dortigen Seiten für die Verlängerung und Lösung (!) von Herrn Walters Geschichte zu verwenden.

Der mir unbekannte Kurt Mühle steuert mit „Kandelaber-Dessous“ eine so pri­mitive Geschichte bei, dass ich mir den Namen des Verfassers wirklich nicht merken muss. Ein paar Details mögen das verdeutlichen: Holmes und Watson finden sich am Schauplatz eines Todesfalls ein. Der Tote liegt in einer Villa unter einem Kronleuchter (Kandelaber sind eigentlich mehrarmige Kerzenleuchter, in­sofern ist auch der Titel irreführend), ist offenbar durch den Sturz auf dem glat­ten Boden umgekommen, und am Kronleuchter hängt weibliche Unterwäsche. Verdächtigt wird das Dienstmädchen, die trauernde Witwe ist offensichtlich fest überzeugt von der Schuld… und dann gibt es noch den Geschäftspartner Booth, der mit dem Toten verabredet war.

Nun, um es kurz zu machen: die Story krankt an vielen Details, schon am ersten Satz, wo der „Immobilienmakler“ (!) Barrow – der Tote – erwähnt wird, erkennt man deutlich, wo der Hase entlang läuft. Der Autor hat, vielleicht aus Zeitgrün­den, vielleicht aus Einfallslosigkeit, eine x-beliebige Kriminalgeschichte, die ur­sprünglich in der Gegenwart angesiedelt war, hergenommen, kurzerhand Hol­mes und Watson in die Szene montiert, und was herauskam, ist Blödsinn.

Den Beruf des „Immobilienmaklers“ gab es mit der Bezeichnung im 19. Jahrhun­dert sicherlich nicht. Dass die Ehefrau, wie angegeben „im Kino“ war, als die Tat passierte, ist ebenfalls eine klare 20. Jahrhundert-Antwort, die in einer Holmes-Geschichte keinen Sinn macht, weil das Kino noch nicht erfunden war. Und dass der „Geschäftspartner“ Booth für die Villa seines Kollegen einen Hausschlüssel besitzt, kommt vielleicht im 20. Jahrhundert vor, aber im 19.? Da gibt man doch niemandem den Hausschlüssel! Dafür hat man Dienstboten, die die Gäste empfangen und die Tür aufmachen! Ganz zu schweigen von Holmes lächerlicher Überraschung am Schluss, weil Watson eine Waffe zückt! Watson hat regelmäßig eine Waffe dabei, und natürlich WEISS Holmes das! Wer es nicht weiß, ist der dumme Verfasser. Bitte, das ist alles Schrott! Auch diese Geschichte sollte man schnell vergessen. Sowohl das Lektorat als auch der Verfasser haben sich hiermit keinen Gefallen getan. Vergessen wir Kurt Mühle, und zwar schnellstens!

Arthur Gordon Wolf (dem ich irgendwie den Namen nicht recht abzunehmen vermag, klingt er doch zu sehr nach Arthur Gordon Pym, Edgar Allan Poe lässt grüßen!) fügt mit der langen, komplexen Geschichte „Die blaue Taube“ ein fas­zinierendes Stück Holmes-Geschichte ein. Es geht, streng genommen, nicht um ein Tier, sondern um ein verfluchtes Haus… jedenfalls sieht es so aus. Am Russel Square in London soll ein Haus von der Malerfirma des Mr. Joseph Duxberry ge­strichen werden, aber während der Streicherarbeiten verschwindet einer der Arbeiter spurlos, und daraufhin kann Duxberry offensichtlich keine Arbeiter mehr finden, die für die Arbeit bereit sind, und der Termin droht zu platzen. Aber das ist nicht einmal das größte Problem, wie Sherlock Holmes bald schwant. Die haben vielmehr etwas mit dem Bleidach des Gebäudes und rätsel­haften Inschriften zu tun. Aber wie das alles zusammengehört und was das aus­gerechnet mit Dr. John Watson (!) zu tun hat… das sollte man wirklich gelesen haben. Der Leser wird wunderbar auf spekulierende, falsche Fährten gelockt. Hat mir sehr gefallen!

In der Abschlussgeschichte der Anthologie, die Bernd Rieger mit „Der Dolch“ bestreitet, machen wir den glücklicherweise letzten Ausflug ins Kuriositätenka­binett derjenigen Epigonen, die der Ansicht sind, der traditionelle Holmes-Ka­non sei noch nicht reizvoll genug. Diesmal haben wir es mit einem höchst lang­weiligen, durchsichtigen Manöver zu tun, und schon der Untertitel der Ge­schichte zeigt dem Kenner, wohin der Weg weist: „Der unvergleichliche Voodoo Holmes, Master Detective“. Wir machen die Bekanntschaft mit Voodoo Holmes, dem unbeachteteren weiteren Bruder von Sherlock Holmes (der bekanntlich nur einen Bruder hatte, nämlich Mycroft, aber in dieser Geschichte hat ja sogar John Watson einen Bruder, der in diesem Fall Voodoo Holmes hilft und vor aufgeblasenem Ego geradezu platzt), und es geht um den Fall einer Voodoo-Übertragung. In Österreich stirbt die Kaiserin Sisi überraschend an den Folgen eines Attentats, und zeitgleich wird in London im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud ein Anschlag mit einem Dolch auf die Wachsfigur der Kaisern verübt… ersparen wir uns den Rest, der eigentlich nur noch Geblubber ist. Man sollte eben in einer Story nicht die Lösung des Rätsels bereits in der zweiten Zeile vorab verraten. Auch diese Geschichte gehört zu jenen, die man leicht hätte einsparen können.

Alles in allem macht die Anthologie einen sehr heterogenen Eindruck. Der Wechsel zwischen faszinierenden, bisweilen brillanten Vignetten, die sich kon­genial auf die Wellenlänge der Stories aus dem Kanon einschwingen und die Fi­guren wieder zum Leben erwecken können, und plumpen Übungen, in denen dagegen versucht wird, Holmes munter zu demontieren oder seine Einzigartig­keit krass in Frage zu stellen (wobei man sich dann fragt, warum die Autoren Sherlock Holmes als Medium benutzten für ihre schriftstellerischen Ergüsse, und der Gedanke nahe liegt, dass man sie eigentlich als Trittbrettfahrer verste­hen muss, die sich ins Rampenlicht der Öffentlichkeit katapultieren wollten, ohne Holmes zu mögen oder viel von ihm zu verstehen), ist manchmal schon recht dramatisch.

Da werden dann in den letzteren Werken bisweilen Dilettantenfehler begangen, die den Leser die Stirn krausen lassen. Etwa wenn Watson in einer Story kurzer­hand Irene Adler und Professor Moriarty (!) anschreibt (!), damit sie bei einer Geburtstagsüberraschung für Sherlock Holmes helfen (!). Als wenn diese Da­men und Herren postalisch so leicht zu erreichen wären, um es vorsichtig aus­zudrücken. Da werden Berufe munter durch die Jahrhunderte in die Vergangen­heit transportiert, es mangelt an Einfühlungsvermögen für die Zeit und den Stil…

Der Rezensent kann daher nicht umhin, diese Anthologie als eine Art von Ge­mischtwarenladen zu begreifen. Ehrenwert, dass sie zusammengestellt wurde, ist es schon. Aber Klaus-Peter Walters (!) Einleitung macht die Art der Zusam­menstellung und ihre höchst heterogene Qualität nun wirklich nicht durchsich­tig. Hier hätte ich mir eine solidere Auswahl gewünscht – ganz zu schweigen von einem besseren Lektorat. So gehen gelegentlich die „Moriatys“ (sic!) durch, es fehlen gelegentlich Silben, „Der Hund der Baskervilles“ wird – unzutreffend – „Der Hund von Baskerville“ genannt (als wenn Baskerville ein Ort wäre!), Watson grüßt auch schon mal mit „Grüß Gott!“, als wäre er Bayer, der Londoner Stadtteil Whitechapel macht ernste Schwierigkeiten und wird mal als „White Chapell“, mal als „Whitechappel“ geschrieben. Dann gibt es das „Bakers-Sreet-Freikorps“ (sic!) (das haben wohl die Polen übersehen, das Manuskript wurde ja aus Kostengründen in Polen gedruckt), manchmal ist etwas auch „von Flecken übersäht“ (sic!)… also, da ist durchaus noch Luft nach oben zum Verbessern, wenn man mich fragt.

Abgesehen von diesen Kritikpunkten ist die Anthologie aber durchaus lesens­wert und eignet sich für einen schönen, rund 14 Tage dauernden Abstecher in die Welt des Sherlock Holmes. Es empfiehlt sich, jeden Tag höchstens eine Ge­schichte zu lesen, um das Vergnügen andauern zu lassen (na schön, wenn eine gründlich missraten ist, vielleicht zwei, um es auszugleichen). Man darf auf wei­tere Anthologien dieser Art gespannt sein.

© by Uwe Lammers, 2011

Ihr merkt es, Freunde – selbst wenn man Holmes-Fan ist und die Literatur sehr schätzt, heißt das noch lange nicht, dass man sich schlichtweg alles bieten las­sen muss, was hier unter dem Label „Holmes“ verkauft wird (und manchmal zu einem wirklich gesalzenen Preis, wie jeder festzustellen imstande ist, der die neueren Holmes-Publikationen verfolgt, da wird zum Teil echte Beutelschneide­rei vorgenommen!).

Ich halte es aber an dieser Stelle dann auch für ein Zeichen von gutem Stil, wenn ich solche Anthologien bespreche und euch auf die Perlen und auch auf die Rohrkrepierer hinweise, die sich oftmals in bunter Mischung in ein und demselben Buch finden.

Soviel also für den Moment zu Mr. Holmes. In der kommenden Woche kehren wir ins eskalierende Armageddon-Universum des Mr. Hamilton zurück, und ich denke, darauf können wir uns wirklich freuen.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vor vielen Jahren habe ich mal einen SF-Roman gelesen, der das Thema ebenfalls aufgriff. Leider habe ich ihn aktuell nicht griffbereit und kann mit den bibliografischen Fakten nicht dienen. Es handelt sich um Bob Shaws Roman „Brandmuster“, in dem Shaw diese Selbstentzündungsphänomene als außerirdischen Invasi­onsversuch von einer höchst lebensfeindlichen Welt darstellt. Eine höchst originelle Deutung.

In dieselbe Kerle schlägt übrigens die beeindruckende Story „Das Rätsel des Warwickshire-Wirbels“ von F. Gwynplaine MacIntyre in der Anthologie von Mike Ashley (Hg.): „Sherlock Holmes und der Fluch von Addle­ton“, Bergisch-Gladbach 2003. Hier dient er aber als Verschleierung eines Verbrechens, weniger als Thema an sich. Die Strukturen sind aber sehr klar identisch. Doch dort, wo Kastenholz eher kursorisch ist, geht Ma­cIntyre erheblich tiefer.

2 Wenn man dann bedenkt, dass Walter die Einleitung geschrieben hat, gerät man noch mehr ins Grübeln und zieht zwei Alternativen in Betracht. Alternative 1 sieht so aus, dass Herausgeberin Bionda ihm tatsäch­lich nur 15 Seiten zugestand und Walter den Plot auf diesen Seiten nicht entwickeln konnte (die Ausführlich­keit der Geschichte legt tatsächlich nahe, dass er wenigstens noch 15 Seiten gebraucht hätte). Das ist, wie oben erwähnt, äußerst unsympathisch. Alternative 2 ist noch unangenehmer: sie geht davon aus, dass der Verfasser durchaus mehr Platz hätte bekommen können… wenn er denn für die Story schon eine Auflösung gehabt hätte! In diesem Fall wäre die schnippische Schlussfloskel eine unverschämte Form von Ausrede für eine nicht vollständig vorliegende Fallgeschichte aus dem Sherlock-Holmes-Kosmos. In Anbetracht der vor­liegenden Fakten kann aber nicht gesagt werden, welche Deutung zutrifft oder ob es weitere Möglichkeiten gibt. Die vorliegende Version ist jedenfalls ungenügend.

Wochen-Blog 136: Schreibtraining

Posted Oktober 11th, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

der Beruf eines Schriftstellers ist doch für jemanden, der mehrheitlich „nur“ Le­ser ist – dies ist keine Herabstufung, sondern lediglich eine Einschränkung, die mir aktuell die Gedankensortierung erleichtert – , vermutlich ein sehr fremdes Phänomen. Wie leicht denkt man als Leser wohl, dass die Majorität der Schrift­steller die Anstrengung des Schreibens auf sich nimmt, um… ja, was zu errei­chen? Reich zu werden? Berühmt zu sein? Ewigen Ruhm zu erwerben?

Vielleicht, solche Schriftsteller gibt es zweifelsohne.

Nun, zu dieser Sorte Literat zähle ich mich nicht. Ich komme gewissermaßen vom anderen Ufer, von den Gestaden der Idealisten. Und diese Leute sind noch seltsamer, noch unbegreiflicher als die obigen, die man wenigstens nachvollzie­hen kann. Die obigen Literaten schreiben, um ihre Rechnungen zu bezahlen, ihre Recherchereisen für die nächsten Romane, um ihr Bankkonto zu füllen.

Begreiflich, wie gesagt.

Wie verhält es sich mit den Idealisten wie mir? Natürlich wäre es mir auch lieb, wenn ich mit dem Schreiben hinreichend Geld verdiente, um davon mein Leben zu bestreiten. Danach sieht es allerdings gegenwärtig noch nicht aus. Leute, die der obigen Lebensanschauung zuneigten, würden vielleicht jetzt die Flinte ins Korn werfen und sagen: Okay, ich kann zwar schreiben, aber wohl nicht allzu gut, also lasse ich’s bleiben und suche mir einen anständigen Job, vielleicht an der Bandstraße der Automobilproduktion, wo ich mit stumpfsinniger Arbeit we­nigstens hinreichend Geld scheffeln kann. Oder such mir einen anderen Job, sa­gen wir, hinter einer Supermarktkasse oder beim Zeitungsaustragen oder als Ta­xifahrer…

Es gibt wahrlich genug Wahlmöglichkeiten, nicht wahr?

Tja, aber dem steht etwas wie ein sperriger Steinklotz im Weg, und das ist der idealistische Grundimpuls jener Art, der mich umtreibt. Für Idealisten wie mich ist das Schreiben nicht nur ein Weg, Geld zu machen, bekannt zu werden, be­rühmt womöglich… für mich ist das ein Grundbedürfnis, das es zu befriedigen gilt wie Essen, Trinken, Schlafen und Lesen. Am besten hat das ein alter Seelenverwandter von mir ausgedrückt, über den ich in meinem allerersten Rezensions-Blog am 1. April 2015 geschrieben habe, den ich immer noch zur Lektüre empfehlen kann: Ray Bradbury. Lassen wir ihn zu Wort kommen:

Ich habe auf Reisen die Erfahrung gemacht, dass ich mich unwohl fühle, wenn ich einen Tag vergehen lasse, ohne zu schreiben. Nach zwei Tagen beginne ich zu zittern. Drei, und ich vermute Wahnsinn. Vier, und ich könnte ebenso gut ein Wildschwein sein, das sich im Schlamm suhlt. Eine Stunde Schreiben wirkt stär­kend wie ein Kräftigungsmittel. Ich bin auf den Füßen, laufe im Kreis umher und brülle nach einem sauberen Paar Socken…“

Er beschreibt das Schreiben als eine Form von Rausch, und er sagt weiter: „Blei­ben Sie berauscht vom Schreiben, damit die Realität Sie nicht vernichten kann. Denn das Schreiben liefert Ihnen die richtigen Rezepte für die Wahrheit, für das Leben, die Wirklichkeit – so natürlich, wie Sie essen, trinken und verdauen, ohne dabei in Ihrem Bett nach Luft zu schnappen und wie ein Fisch auf dem Tro­ckenen herumzuzappeln…“

Selbst wenn wir davon ausgehen, dass Bradbury an dieser Stelle ein wenig iro­nisch übertreibt – es steckt mehr als nur ein Gran Wahrheit in diesen Zeilen. Ich weiß es aus eigenem Erleben. Und wenn er die Geschichte vom Pianisten an­bringt, so steckt auch darin eine wichtige Erkenntnis:

Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich es, wenn ich zwei Tage nicht übe, mer­ken meine Kritiker es, und wenn ich drei Tage nicht übe, merkt mein Publikum es.“

Etwas zu drastisch? Vielleicht. Aber die Übertreibung geht nicht sehr weit, finde ich. Ich merke es aktuell gerade auf wunderbare, ja, berauschende Weise (De­tails dazu in fünf Wochen im Wochen-Blog 141).

Es ist schon seit Jahrzehnten ein tief verwurzeltes Gefühl in mir, dass ein Tag, an dem ich nichts schreiben konnte, weil ich anderweitig abgelenkt war, ein verlo­rener Tag für meine Kreativität ist. Lange bevor ich im August 2012 Ray Bradbu­rys Buch „Zen in der Kunst des Schreibens“, aus dem ich eben zitierte, erwarb und binnen kürzester Zeit verschlang, lange zuvor schon war es meine feste Überzeugung, dass stetes Training die beste Methode sein würde, um mein Ge­spür für die Sprache, für die Wortmelodien, für die tieferen Verflechtungen von Satzzeichen, Formulierungen und Absätzen zu schärfen.

Man verstehe dieses Schreibtraining jetzt jedoch nicht so, wie es Dichter tun, das wäre ein Missverständnis, und hier möchte ich an dieser Stelle differenzie­ren: Dichter sind Menschen mit einem eher musikalischen Verständnis der menschlichen Sprache, für sie haben Texte eine gewisse Melodie, eine innere Harmonie und Symmetrie, die gebieterisch fordert, dass gewisse Etiketten und Grenzen eingehalten werden. Man merkt das beispielsweise bei den asiatischen Haikus, in denen strenger Formalismus und die Beschränkung auf sehr wenige Zeilen, sehr wenige, präzise gesetzte Worte Wert gelegt wird.

Während Dichter also eher Juweliere der Worte sind, würde ich die Romanciers und die Autoren, die mehr der Langform zuneigen – also Leute wie ich – als leb­haft sprudelnde und dahinschießende Wildbäche verstehen wollen, voller Ener­gie, Elan, unbändig strudelnd und mäandernd im weiten Feld der Worte. Wo die Dichter sich auf einen schmalen, edlen Pfad beschränken und strikteste Dis­ziplin walten lassen, wo sie gleich Bonsaigärtnern jeden Wildwuchs beschnei­den, um schließlich die reine, konzentrierte Essenz zurückzulassen, da neige ich eher dazu, mehr Worte zu machen.

Mein Schreibtraining, das ich mir tagtäglich angedeihen lasse, ist weniger ein Stutzen, ein Ringen nach erlesenen, exquisiten Formulierungen, es ähnelt viel­mehr dem, was Ray Bradbury einstmals tat – umfangreiche Wortlisten anlegen, aus dem Brunnen der Gedanken Worte schöpfen und sie in ständig wechselnde Formen unterschiedlichster Größe und Tiefe gießend.

Wer dies nur als Arbeit begreift, hat mich nicht verstanden.

Fragt doch einen Bildhauer, ob es ausschließlich Arbeit ist, eine Idee aus einem Marmorblock zu modellieren, bis er ein Kunstwerk vor sich hat, wie es die Welt noch nicht sah.

Fragt doch einen Musiker, der unablässig Noten aneinanderreiht, bis die Melo­die, die in seinem Verstand verführerisch säuselt und ihn nicht zum Schlaf kom­men lässt, endlich jene Gestalt gefunden hat, mit der er die Welt bezaubern kann.

Nein, das ist nicht nur harte Arbeit, das ist sehr viel mehr Erfüllung.

Und das stete Schreibtraining eines Literaten wie mir ist ganz dasselbe. Es ist tatsächlich für mich so, wie Ray Bradbury es geschrieben hat: „Wenn Sie ohne Leidenschaft, ohne Gusto, ohne Liebe, ohne Freude schreiben, sind Sie kein ech­ter Schriftsteller. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ein Auge auf den kommerzi­ellen Markt zu werfen oder ein Ohr für erlesene Zirkel der Avantgarde zu haben, dass Sie nicht wirklich Sie selbst sind. Dass Sie sich selber gar nicht kennen. Denn was ein Autor zuallererst sein sollte, ist – erregt! Aus Fieber und Enthusi­asmus sollte er bestehen. Ohne solche Energie kann er eben so gut Pfirsiche pflücken oder Spargel stechen; Gott weiß, es wäre besser für seine Gesundheit…“

Ich denke, dies ist es wesentlich, was mich von den eingangs erwähnten Litera­ten unterscheidet, die tatsächlich mit der Intention schreiben, viel Geld zu ver­dienen oder berühmt zu werden. Der Elan. Die Tatsache, dass ich das Schreiben mit Liebe und Leidenschaft betreibe.

Nach wie vor fliegen mir die Ideen zu, umkreisen mich in mal nahen, mal fernen Orbits, und ich muss nur die Hand danach ausstrecken, um die glühenden Fun­ken neuer Geschichten zu erhaschen, Geschichten ohne Zahl… angefüllt mit le­bendigen, humorvollen, Furcht einflößenden Protagonisten, die mich auf Wel­ten oder in Zeiten und Dimensionen entführen, die ich niemals zuvor gesehen habe.

Schreiben ist Abenteuer.

Schreiben ist Leben schlechthin für den Idealisten.

Schreiben wie im Fieber, wie auf Bradburys Buch steht, ist für mich nicht nur eine leere Worthülse, sondern tagtägliche Realität, und es macht ein Mordsver­gnügen.

Das ist der Nebeneffekt des Schreibtrainings, wenn man es richtig macht und wenn man tatsächlich die richtige Person dafür ist – es ist in gewisser Weise wie eine Droge, die am Schreibtisch festhält, bis das Tageslicht draußen verblichen ist und man die Lampe anschalten muss, um überhaupt noch etwas zu erken­nen. Eine Droge wunderbarster Art, die selbst den Lockruf des Bettes übertönt, wenn die Bilder im Verstand aufblühen gleich exotischen Pflanzen, wenn man auf einmal wissen möchte, was hinter der nächsten Ecke lauert, um die noch nie ein Mensch zuvor geschaut hat.

Dies zu erschließen, dies niederzuschreiben und später moderat nachzuschlei­fen… und letztlich diese Werke auf euch, meine Leser, loszulassen… das ist der wahre Genuss des idealistischen, intuitiven Schriftstellers.

Es mag sein, dass damit nicht viel Geld verdient wird, vielleicht gar keins.

Das spielt nicht die entscheidende Rolle.

Wichtig ist es, zu wissen, dass diese Arbeit, die man gerne tut, getan wird. Dass die Werke entstehen, die man aus den Bergwerken seines Verstandes gleich ei­nem pfiffigen, findigen Mineur ans Tageslicht befördert, veredelt und dann letztlich als geschliffenes Schmuckstück präsentiert.

Nein, die Arbeit, die darin steckt, die seht ihr nur in den allerwenigsten Fällen. Und vielleicht gibt es Autoren, die müheloser und geschickter mit Worten um­gehen können… einerlei. Sie würden nicht die Worte finden, die ich finde. Sie sind nicht an meiner Stelle, haben nicht meine physischen, nicht meine meta­physischen Augen.

Diese Welten sehen kann nur ich selbst.

Und ich kann sie nur dann beschreiben, wenn ich regelmäßig mein Schreibtrai­ning fortsetze, sei es in diesen Blogartikeln, in Rezensionen, in Editorials oder Artikeln für Fanzines, sei es in E-Books oder Kurzgeschichten und Romanen, die ihr heute noch nicht zu sehen vermögt.

Vieles von dem, was im Rahmen solcher täglichen Schreibaktionen entsteht, werdet ihr vermutlich nie zu Gesicht bekommen – beispielsweise die zahllosen Privatbriefe, die ich schreibe und die eben genau dies sind: privat – , oder auch sehr lange Werke, für die ich gegenwärtig noch keine probate Möglichkeit der Veröffentlichung gefunden habe. Oder kommentierte Episoden des Oki Stanwer Mythos (OSM), die als Vorstufen für die spätere Ausarbeitung dienen. Einerlei… all dies zählt zu meinen tagtäglichen Schreibübungen.

All dies sorgt dafür, dass ich nicht einroste.

Und vor allen Dingen: ich tue das alles unendlich gern, es ist mir nicht Pflicht und Fron, sondern von Herzen angenehm. Wenn die Worte strömen, wie jetzt etwa, unter dem Einfluss inspirierender Musik (derzeit: Mike Oldfield – Music of the Spheres), dann genieße ich das Schreiben, ganz gleich, welcher Art.

Und dann sagen mir die inneren Bilder ganz von selbst, wie lang sie sich auf dem Papier respektive Bildschirm ausdehnen wollen. Wenn ich also hin und wieder betone, dass meine Geschichten so lang werden, wie sie es wollen, dann ist das kein Kokettieren, kein böswilliger Scherz auf eure Kosten, sondern die lautere Wahrheit.

Nun, und heute und an dieser Stelle war es mir ein Herzensbedürfnis, mal ein wenig über das Thema des Schreibens an sich zu philosophieren. Solche Launen überkommen mich bestimmt wieder, ich kann aber nicht sagen, wann… lasst euch davon einfach mal überraschen.

In der kommenden Woche reisen wir im Rahmen unserer Erörterungen zu den „Annalen der Ewigkeit“ zurück ins Jahr 1992 und direkt in eine Wüste. Was das genau bedeutet? Schaut einfach nach am 18. Oktober.

Bis dann, meine Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 28: Abenteuer Ozean

Posted Oktober 7th, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute schlagen wir mal wieder ein neues interessantes Kapitel der Lektürewelt von heute auf. Und um die bizarre, fremdartige Welt zu entdecken, die wir heute bereisen wollen, brauchen wir keinen Hyperspace-Antrieb, keine Zeitreisen und auch sonst nichts wirklich Exotisches. Diese Welt liegt buchstäblich unter unse­ren Füßen… wenn wir etwa auf einem Kreuzfahrtschiff die Weltmeere überque­ren.

Der Ozean. Ein Kosmos faszinierender Überraschungen und unerwarteter Ent­deckungen, der sich für phantastische Exkursionen geradezu anbietet. Wer da beispielsweise an die Fernsehserie SeaQuest DSV aus den 90er Jahren denkt mit Roy Scheider in der Hauptrolle, oder wer sich an Frank Schätzings fulminanten Roman „Der Schwarm“ erinnert, weiß, wovon ich rede. Das sind aber dann schon die fiktionalen, phantastischen Weiterungen.

Der Meeresforscher Robert D. Ballard hingegen steht durchaus mit beiden Fü­ßen fest auf dem Boden der Tatsachen (oder auf dem Deck eines Forschungs­schiffes). Er ist aber nicht nur ernstzunehmender Forscher, sondern kann dazu auch noch spannend über das, was er erlebt, schreiben. Und das unten aus den Myriaden Büchern heute herausgehobene Werk zeigt das recht nachdrücklich. Schaut selbst:

Abenteuer Ozean

Von Robert D. Ballard

National Geographic-Buch

National Geographic Society 2001

292 Seiten, geb., 49.95 Euro

Aus dem Amerikanischen von Theresia Übelhör

Es gibt Gebiete, die sind ideale Tummelplätze für Besessene. Ob es die Gipfel windumtoster Gebirge sind, die schier undurchdringlichen Dickichte der Urwäl­der dieser Welt… oder die Ozeane, das wohl größte und unerforschteste Myste­rium der gesamten Erde.

Wenn man sich auf die Reise macht in unbekannte (oder weitgehend unbe­kannte) Gefilde, dann tut man gut daran, sich kundige Reiseführer anzulachen. Und in solchen Regionen wie den Tiefen des Weltmeeres verspricht der Name Robert Ballard fachmännische Beratung und spannende Unterhaltung zugleich.

Ballard erlangte im Jahre 1985 schlagartig Weltberühmtheit, als ihm glückte, was vor ihm niemand geschafft hatte: er entdeckte in einer Wassertiefe von rund 3800 Metern das gigantische Wrack des Luxusschiffes TITANIC, das im April 1912 mit über tausend Menschen an Bord in den Tiefen des Atlantik ver­sank (vergegenwärtigt man sich die zurückgelegte vertikale Distanz, so müsste man eigentlich von „stürzen“ reden) und nie wieder gesehen wurde.

Doch auch zuvor war der Geologe – denn das ist er eigentlich – nicht ein unbe­schriebenes Blatt. Seine wissenschaftliche Karriere begann schon Anfang der 60er Jahre, und bereits 1959 tauchte er als Schüler der High School in die Tiefen des Ozeans ab. Spätestens seit jener Zeit hat ihn der Bann des Meeres gefesselt, lässt ihn nicht mehr los. Und diese Faszination findet sich auch zuhauf in diesem Buch wieder.

Es geht überwiegend um Unterwasserarchäologie, aber eben lange nicht nur. Wir schlängeln uns als Leser langsam und in mitunter heftigen Sprüngen durch Robert Ballards Leben und gleichzeitig durch die Geschichte der Seefahrt, die er in zahlreichen packenden Episoden in den Kontext des Buches einzubinden ver­steht (beispielsweise in den Kapiteln II-IV). Dabei muss man das Buch so lesen, dass es eine Dokumentation allmählich sich steigernder Perfektion ozeanischer Wissenschaft darstellt. Auch an dieser Perfektionierung ist Dr. Ballard maßgeb­lich beteiligt, etwa durch Entwicklung von Unterwasserrobotern.

Bekannte Episoden aus anderen Büchern – eben von der TITANIC-Expedition (Kapitel V), der Suche nach dem Schlachtschiff BISMARCK, den Tauchgängen zur LUSITANIA und den Wracks von Guadalcanal (Kapitel VI) – werden flankiert von beinahe desaströsen Erlebnissen von Kabelbränden in U-Booten, Implosionen von Kabinen in Unterwasserfahrzeugen, von Stürmen und zahlreichen anderen Dingen, die man teilweise nicht erwartet.

Wer Ballards Spuren folgt, stößt lesend vor in eine Welt, die zum Teil gar nicht so fern ist, aber unsagbar fremdartig. Um nur ein Beispiel zu nennen: heutzuta­ge ist es allgemein bekannt, dass die Erdkruste eine dünne, feste Schicht ist, die aus gigantischen Gesteinsschollen, den Kontinentalplatten, besteht. So wird schließlich Vulkanismus und Erdbebentätigkeit rund um die Erde plausibel nach­gewiesen und dargestellt.

Doch was wir heute als selbstverständliches Schulwissen hinnehmen, war An­fang der 60er Jahre (!) des 20. Jahrhunderts alles andere als unangefochten. Wegeners Kontinentalschollentheorie aus den 30er Jahren galt als kühnes Ge­dankenkonstrukt, das unbeweisbar schien. Bis zur Entdeckung der ozeanischen Plattengrenzen. Und in diesem Zusammenhang – in den Ballard involviert war, wie er hier darlegt (Kapitel VII) – wurde zugleich eine weitere These ad acta ge­legt: die These nämlich, dass die Tiefsee eine öde, lebensfeindliche Wüstenei sei, in der rein gar nichts existierte (es sei denn, einzelne wenige Exemplare von aquatischen Lebensformen verirrten sich dorthin).

Auch für jemanden wie mich, der doch einigermaßen belesen ist, was Ozeano­grafie und Unterwasserarchäologie angeht, hat das Buch noch einiges Packende zu bieten. Ballards These etwa, dass das Leben nicht vor zahllosen Hunderten Millionen von Jahren in flachen Binnengewässern nahe der Oberfläche der Erde entstanden sei, sondern es viel plausibler wäre, einen Ursprung des Lebens auf dem Grund der Ozeane anzunehmen (Kapitel VIII), diese These hat viel für sich.

Und absolut spannend wird es, als der Erzähler den Handlungsbogen von Kapi­tel I „Archäologie der Tiefsee“ – hier geht es im wesentlichen um die Verifikati­on einer Theorie von der Sintflut; sie soll angeblich auf den Bruch des Isthmus der Dardanellen zum Schwarzen Meer zurückzuführen sein, was ich wenigstens anzweifeln möchte – zum Kapitel IX „Museum der Tiefe“ schlägt und einen atemberaubenden Ausblick auf die nahe Zukunft darbietet. Inklusive Fotos ei­nes Schiffes, das in perfektem Erhaltungszustand seit 1500 (!) Jahren in den Tie­fen des Schwarzen Meeres liegt, inklusive stehendem Mast und gut erkennba­ren Seilknoten.

Ballard erklärt plausibel, wie das möglich ist: einst, erläutert er, war das Schwar­ze Meer ein Binnengewässer, also ein durch Flüsse gespeistes Süßwasserreser­voir. Bis sich die Meerenge der Dardanellen öffnete und Salzwasser einströmen ließ. Sehr viel Salzwasser. Dieses Wasser bildete schließlich eine über hundert Meter dicke Schicht, die die Süßwasserschicht darunter völlig vom Sauerstoffaustausch abschnitt. Im Laufe von Jahrhunderten wurde aller Sauerstoff aufge­braucht, die Mikroorganismen starben ab. Die Tiefsee des Schwarzen Meeres ist also absolut steril. Was dorthin absinkt, wird konserviert und kann nicht zerfal­len.

Alleine die Vorstellung, zahllose Schiffe entdecken zu können, die seit Jahrtau­senden dort unten zur ewigen Ruhe gebettet worden sind, ist unglaublich pa­ckend. Die Forschungen dort sind noch lange nicht beendet. Im Gegenteil – zu diesem Teil der Tiefsee, einem einmaligen „Museum der Tiefe“, wie er zu Recht sagt, hat die moderne Technologie gerade erst die Tür geöffnet. Und wir leben in der richtigen Zeit, um mit Ballard und seinen Schülern dieses Zauberreich un­ter dem Ozean betreten zu können, um Dinge zu sehen, die nie zuvor ein Men­schenauge erblicken konnte…

Wenn man ein wenig Interesse hat für das Meer, wenn man sich für historische Biografien, Entdeckerfahrten, Piraten, Tiefseeleben, Unterwasserarchäologie oder schlicht für Bob Ballards durchaus spannendes Leben interessiert, ist man hier eindeutig recht am Platze. Der Preis des Buches mag ein wenig peinigend sein, aber die absolut opulente Bildqualität und die sehr lesbare Übersetzung entschädigen dafür hinreichend.

Mein Fazit lautet also, und nicht nur für Historiker: das Buch ist absolut empfeh­lenswert. Nur schade – wie bei allen guten Büchern – , dass es so schnell wie­der vorüber ist. Seufz.

© by Uwe Lammers, 2005

Tja, und da dieses Buch natürlich auch schon wieder lange vergriffen ist, machte es Sinn, wenn ich euch hiermit ein wenig den Mund wässrig gemacht habe, indem ich über ein Buch mit dem Thema Meereskunde im weiteren Sinne sprach – und das als passionierter Nichtschwimmer! Welch pikantes Paradoxon! – , dann schlage ich einfach vor: Durchforstet die Weiten der Internetantiquariate. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ihr da fündig werdet, zweifellos auch für einen deutlich geringeren Preis als im Jahre 2001.

In der kommenden Woche werde ich an dieser Stelle wieder eine schöne Stippvisite bei dem Detektiv aus der Baker Street 226B machen. Ja, und ich weiß mindestens einen Leser dieses Blogs, den das frohlocken lassen wird. Fragte er mich doch bald nach Erscheinen des Blogs 5 „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“, ob es wohl „einen Teil 2“ dazu gäbe.

In gewisser Weise kann er das in der kommenden Woche an dieser Stelle lesen. Ich freue mich drauf, euch das nächste faszinierende Sherlock-Buch vorzustel­len. Um welches es genau geht, wird noch nicht vorweggenommen.

Stay tuned, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Wochen-Blog 135: Gedanken über die Zhonc

Posted Oktober 4th, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

mal Hand aufs Herz, ihr Lieben – kann sich das irgendwer gescheit vorstellen? Es schreibt sich so leicht und spricht sich so einfach aus, wenn man darüber dis­kutiert, dass die Kultur der arachniden Zhonc, auf die die Yantihni vor Jahrzehn­ten durch einen Zufall auf dem Planeten Hushhin gestoßen sind (siehe Bd. 4 der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI)) vor 200.000 Jahren ausgestor­ben sein soll.

Aber überlegt mal selbst, was das bedeutet, auf menschliche Maßstäbe umge­rechnet. Zweihunderttausend Jahre! Selbst wenn man berücksichtigt, dass das yantihnische Jahr deutlich kürzer ist als das irdische und wir so den Zeitraum vielleicht auf 180.000 Jahre oder so zusammenschrumpfen lassen können… das ist verdammt viel Zeit.

Die ältesten irdischen Kulturzeugnisse, die man als solche ansehen kann und die die archaische Höhlenmalereikunst übersteigen, werden mit viel gutem Willen auf ein Alter von 12.000 bis vielleicht 15.000 Jahren geschätzt. Die Zhonc-Kultur auf Hushhin ist mehr als zehnmal so lange Vergangenheit.

Als der fassungslose Technikforscher Noshtoy vom „ewigen Gedächtnis“ berich­tet bekam, dass die eigentliche Raumfahrtkultur – inklusive eigenes Sternen­reich, vermutlich am anderen Ende der Galaxis Twennar – damals schon in Blü­te stand (vgl. dazu die Bde. 11 und 12 der TI-Serie), da wurde schon deutlich, dass die damalige (!) Zhonc-Gesellschaft die aktuelle Sternenreichsstruktur der Yantihni bei weitem übertraf.

Und natürlich explodierte Noshtoys Sorge, was ihn und seine vier ahnungslosen Mitstreiter auf der anderen Seite des Transmitterportals erwarten würde, im Reich der Zhonc und ihres angeblich unsterblichen Baumeisters.

Wer von euch hat diese Sorge wohl nicht geteilt?

Nun, und dann kommen Noshtoy, Jeshtar, Ayantor, Yasaari und Zharidd auf der anderen Seite an, auf der Welt Nylviidin… und sie landen im warmen Dauerre­gen in den Ruinen eines Transmitterdoms, der sich so vollständig energetisch verausgabt hat, dass da schlichtweg überhaupt nichts mehr zu holen ist. Ringsum herrscht die vollkommene Wüstenei. Von „Sternenreich des Windes“, Raumfahrtkultur oder Hightech-Zivilisation der Zhonc ist weit und breit nichts zu entdecken.

Es hat den Anschein, dass die verstrichene, schier endlose Zeitspanne nicht nur nicht spurlos an den Zhonc vorbeigegangen ist, sondern sie im Gegenteil ausge­reicht hat, ihre kulturellen Errungenschaften ein für allemal von der Oberfläche von Nylviidin zu tilgen. So taumeln die verstörten Yantihni, die sich erst einmal mühsam als Gruppe zusammenraufen müssen, durch eine Wildnis, in der ihre Hoffnungen rasch zuschanden werden.

Ja, es gab offensichtlich sehr gute Gründe, warum der Kontakt von Nylviidin nach Hushhin/Phaylyss so lange Zeit vollständig unterbrochen war. Welche das genau sind, werdet ihr beizeiten noch erleben, versprochen. Momentan sieht die Lage trist aus.

Das ändert sich, zugegeben, in dem gestern erschienenen Band 21 der TI-Serie gründlich, also in „Hinter der Raumzeitwand“. Da wird ja auf gespenstische Weise deutlich, dass sich auf Nylviidin zwar beispiellose Katastrophen ereignet haben, die Zhonc aber so völlig verschwunden dann doch nicht sind… und ohne euch jetzt zu viel vom aktuellen E-Book verraten zu wollen: es lohnt sich, diese Geschichte gründlich zu lesen. Da werden eine Menge faszinierender neuer Fährten gelegt, auch für die fernere OSM-Lektürezukunft, versprochen!

Die Yantihni werden schnell entdecken, dass ein uraltes Stellarimperium natür­lich seine ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten hat. Und die Völker, die ein solches Reich errichten, kreieren ganz automatisch ihre eigene Geschichtsschreibung und haben mit Aufsplitterungstendenzen, inneren Wirren und Unruhen und dergleichen zu kämpfen…

Davon werdet ihr hier noch lesen, recht bald sogar.

Die Zhonc als Volk selbst, möchte ich an dieser Stelle aber ein wenig abschwei­fen (vielleicht zumindest), die sind mir schon sehr viel früher bekannt gewesen. Will sagen, sie traten nicht erst im Herbst des Jahres 2003 in mein Blickfeld, als ich die nämlichen TI-Episoden schrieb, sondern der erste Zhonc erschien ein wenig unvermittelt im September 1986. Damals hatte ich noch keine rechte Vorstellung, was das wohl für ein eigenartiges Wesen sein mochte. Das konnte nicht überraschen.

Die Umstände der Entdeckung waren… ungewöhnlich, sagen wir es so. Die Be­gegnung mit Yell, dem ersten Zhonc meines Lebens, könnte man sagen, fand im KONFLIKT 20 statt, also in der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ (OuC), an der ich von 1984 bis 1997 schreiben sollte. In diesem Universum dehnte sich, ausgehend von der Galaxis Zooltahn, das Imperium der MACHT aus, und diese übermächtige Ausdehnung zwang schließlich den amtierenden Matrixkoordinator, den LEUCHTENDEN, dazu, einzuschreiten.

Er beabsichtigte, eine Helferin des Lichts zu befreien, die in die Gefangenschaft der MACHT gelangt war und auf der Sichelwelt Tehlorg zwischen den Dimensio­nen inhaftiert wurde. Und auf der einen naturbelassenen Seite Tehlorgs wan­derte der LEUCHTENDE schließlich stundenlang durch eine Wüstenei und stieß letzten Endes auf der Suche nach Nahrung auf ein sechzehnbeiniges Spinnen­wesen, das er sich einzuverleiben anschickte.

Zu dumm: Das Wesen begann jämmerlich und völlig verständlich zu schreien und entpuppte sich als gestrandeter Raumfahrer der Zhonc. Und so erklärte dieses Wesen namens Yell dann seine Herkunft in Band 15 der OuC-Serie (Epi­sode „Eine Königin in Ketten“):

Yell, einfach Yell, aus der Rasse der Zhonc aus der fernen Galaxis Arc. Ach, es ist eine schöne Galaxis, flankiert von den Blauen Lichtern der Entropie, die von den Lebenskanälen durchflossen und vom Allumfassenden Wall geschützt wird. Aber was hat der Statthalter der MACHT daraus gemacht! Ein kosmisches Ge­fängnis. Das Volk der Zhonc wird bitterliche, träge Tränen vergießen wegen der Transporte in den Kosmos…“

Und es fallen in der Folge weitere Begriffe, die mich zunehmend zu elektrisieren begannen: Die Baumeister. Der Statthalter Holkaxoon von Arc… und ich spürte damals schon deutlich – über Arc, die Heimat der legendären Baumeister, dar­über würde ich schreiben müssen. Und über die Zhonc, die dort lebten, ver­sklavt durch einen Dämon von TOTAM.

Das tat ich dann tatsächlich in den Jahren 1987-1994, als ich die Edward-Nor­den-Saga (ENS) verfasste, sechs für damalige Verhältnisse voluminöse Romane. Ihr werdet sie beizeiten in überarbeiteter Version in der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ zu lesen bekommen.

Aber wie ich euch ja schon verschiedentlich erzählt habe – der OSM entwickelt sich achronisch in beide zeitliche Richtungen. Viele spätere KONFLIKTE sind be­reits in der Rohversion fertig, während manche frühe noch weitgehend im Dämmer liegen. Die Vergangenheit zahlreicher Völker, die ich seit Jahrzehnten schon kenne und beschreibe, muss also noch aufgehellt werden.

Die Kultur der Zhonc, das wurde mir 2003/2004 klar, stammt ursprünglich aus der Galaxis Twennar, sie ist unter dem düsteren Glanz der Sonne Ryrnosh ent­standen. Und ihr seid jetzt gerade wie Noshtoy und seine Freunde dabei, diese frühen Wurzeln zu ergründen und langsam mit mir ein Gespür für dieses fremd­artige Volk zu entwickeln.

Die Zhonc sind ausgestorben?

Nein, durchaus nicht. Sie leben vielleicht nicht mehr auf Nylviidin, aber das hat nicht viel zu sagen. Ihr werdet es sehen in Band 22 der TI-Serie, der den Titel „Welt der Wunder“ trägt. Dorthin stoßt ihr im kommenden Monat vor. Ich den­ke, darauf könnt ihr euch freuen.

Und wohin führt der Weg in der kommenden Woche an dieser Stelle? Da solltet ihr euch mal überraschen lassen, das sei jetzt noch nicht verraten…

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des Oki Stanwer Mythos,

da sind unsere fünf Reisegefährten wider Willen also vom Planeten Hushhin in die Tiefen von Twennar expediert worden. Nun wandern sie über die Oberflä­che der gründlich renaturisierten Welt Nylviidin auf der Suche nach den Zhonc und den Spuren ihres legendären Mentors, des Baumeisters.

Was sie finden, sind jedoch nur jede Menge an Trümmern, die den Verdacht im­mer mehr erhärten, dass es die Zhonc womöglich gar nicht mehr gibt. Doch ne­ben Trümmern gibt es auch noch andere Rätsel, wie ein Blick durch die Wolken­wand gen Himmel zeigt. Und schließlich entdecken Noshtoy und seine Gefähr­ten dann das größte Artefakt von allen… und den Punkt, an dem sich ihr Schick­sal gründlich verändert.

Details zu dieser Entwicklung der yantihnischen Odyssee erhaltet ihr im neuen E-Book „Hinter der Raumzeitwand“, mit dem die Erlebnisse der Hushhin-For­scher auf Nylviidin fortgesetzt werden.

Das aktuelle E-Book „Hinter der Raumzeitwand“ ist ab heute zum Preis von 1,49 Euro auf Amazon-KDP erhältlich.

Der einmalige Gratisdownload ist am 12. Oktober 2015 möglich.

Ich wünsche euch eine angenehme Lektüre.

Und ergänzend zu den vorliegenden E-Book-Abenteuern im Reich der Zhonc schlage ich euch vor, morgen auch meinen Wochen-Blog zu konsultieren, worin ich davon berichte, wie ich anno 1986 erstmals auf die Spezies der Zhonc stieß… also lange vor meiner ersten Reise ins Reich der Yantihni. Das dürfte für euch sicherlich auch interessant sein.

Bis morgen dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.