Rezensions-Blog 514: Das geheime Verlangen der Sophie M.

Posted Juni 25th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute mute ich euch mal harte Kost zu, und ich kann jeden ver­stehen, der nach einer halben Stunde schaudernd den Blogein­trag schließt. Ich denke aber auch, dass ihm oder ihr damit eine interessante, den Horizont erweiternde Erkenntnis verschlossen bliebe.

Wir schauen mit der heute hier publizierten Rezension in das Herz einer bekennenden Masochistin, die schonungslos über ihre sexuellen Vorlieben und grenzwertigen Erfahrungen berich­tet. Und ja, ich erwähne es weiter unten, an manchen Stellen der damaligen Lektüre musste ich mich anno 2017 wirklich ziemlich überwinden, weiterzulesen. Das Buch ist harter Tobak, keine Frage.

Es ist aber auf der anderen Seite eben auch ein unverstellter, klarer Blick in die Tiefen einer menschlichen Seele, für die wir jenseits aller Klischees oder Moralvorstellungen Verständnis ent­wickeln sollten. Die Art und Weise, wie Sophie Morgan mit ihrem sexuellen Begehren umgeht und was sie dafür benötigt, um vollendeten lustvollen Genuss zu erleben, mag von unserer ei­genen Denk- und Lebenswelt sehr weit entfernt sein. Das sollte uns aber nicht dazu verleiten, sie oder Menschen ihrer Neigung vorschnell zu verurteilen.

Toleranz, wie ich sie verstehe, sollte auch einen unvoreinge­nommenen Blick voraussetzen. Wir sind hier nicht bei Friedrich Nietzsche, dies ist kein Abgrund, der seinerseits in uns hinein­schaut und uns womöglich mit dem Virus des Masochismus infi­ziert. Es ist ein Blick, der unseren Horizont weitet, und insofern natürlich auch ein Experiment.

Wer aufgeschlossen, mutig und neugierig ist, lese weiter:

Das geheime Verlangen der Sophie M.

Tagebuch einer unterwürfigen Liebhaberin

(OT: The Diary of a Submissive)

Von Sophie Morgan

Goldmann 15766

320 Seiten, TB (Dezember 2012)

Übersetzt von Gaby Wurster

ISBN 978-3-442-15766-2

Die weibliche Sexualität kennt viele Facetten, sie reichen von unschuldiger, sanfter Zärtlichkeit und Verspieltheit bis hin zu finstersten Sehnsüchten nach peinigender Gewalt und Qual. Der weltweite Hype um die Fifty Shades of Grey“Romane der Autorin E. L. James hat durch die Millionenauflage der insge­samt sechs Bücher stark dazu beigetragen, höchst romantisierte Vorstellungen von sadomasochistischen Phantasien literarisch salonfähig zu machen. Man braucht sich nur beispielhaft das Programm des Verlags „Plaisir d’Amour“ anzusehen, aber auch zahlreiche weitere Verlage sind auf diese Welle mal mehr, mal weniger intensiv aufgestiegen und bedienen das gesteigerte Le­serInnen-Interesse seither mit immer weiteren Epigonenroma­nen.

Doch ist die Beziehung zwischen der unschuldigen, jungen Stu­dentin Anastasia Steele und dem exzentrisch und sadistisch veranlagten und zudem noch gut aussehenden Millionär Christi­an Grey alles andere als realistisch. Und die wirklichen Abgrün­de bleiben darin ausgeblendet, weil sie definitiv erschreckend wären. Auf der anderen Seite gibt es jedoch definitiv Frauen und Männer, die zur Erfüllung ihrer sexuellen Sehnsüchte nach ge­nau diesen „Kicks“ suchen, die auf sie angewiesen sind.

In einer Welt, in der zwar Genderdebatten toben, Queer Theory salonfähig ist, Lesben- und Schwulen-Referate an Universitäten existieren und Demonstrationen gegen homophobes Verhalten stattfinden, ist dieser Teil der menschlichen Sexualität gleich­wohl immer noch eine Dunkelzone. Menschen, die Schmerz und Demütigung ernsthaft benötigen, um sexuelle Erfüllung zu fin­den und die sich darüber definieren, werden nach wie vor ent­weder bemitleidet oder als pervers eingestuft.

Wahre Toleranz sieht meiner Meinung nach anders aus.

Sophie Morgan, eine junge britische Journalistin, beleuchtet in diesem Buch aus der autobiografischen Perspektive genau jene Randsicht. Denn sie ist genau dies, eine „submissive“ Person, die schon recht frühzeitig nach ihrem sexuellen Erwachen ent­deckt, dass es sie zunehmend erregt, wenn sie im Liebesspiel mit Schmerz konfrontiert wird.

Das erste Mal geschieht es, als ein Freund während ihrer Bezie­hung unschuldig dazu animiert wird, „von der Haarbürste Ge­brauch zu machen“ ... entgegen Sophies Vorstellung nutzt er sie dafür, überraschend ihren Hintern zu versohlen. Eine Erfahrung, die ihr Leben definitiv bereichert. Und sie wird, was sie nicht we­nig verwirrt, feucht und ist schrecklich erregt, wann immer sie sich an diesen Moment erinnert.

Es tut ihr gut.

Es klingt vermutlich einigermaßen verrückt, aber sie findet es in der Tat wahnsinnig erotisch, Schmerzen zu suchen und zu erdul­den, es stachelt sie auf und führt Sophie zu atemberaubend in­tensiven Orgasmen … und so sucht sie fortan ganz unweigerlich weitere „Kicks“ dieser Art. Natürlich ist das erklärungsbedürftig. Und psychologisch sucht der Leser unweigerlich Zuflucht bei ir­gendwelchen Kindheitstraumata. Leider wird er dabei in diesem Fall nicht fündig.

Sophie ist durchaus keine Person, die aus einer irgendwie ver­korksten Familie stammt, sondern auf ihre Weise stammt sie aus einem wirklich durchschnittlichen Haushalt, mit biederen El­tern, die sie niemals geschlagen haben. Sie hat keine SM-Ver­wandten in ihrer Ahnenreihe, die sie mit solch einer Form von Sexualität bereits konfrontiert hätten. Sie hat ganz normale Schulen besucht, die üblichen Teenager-Verliebtheiten durchge­macht, und sie ist in keiner Weise auffällig.

Sie hat eben nur entdeckt, dass es sie unglaublich erregt, wäh­rend einer Liebeszusammenkunft den devoten Teil der Bezie­hung darzustellen, sich dem Partner zu unterwerfen und gewis­sermaßen in eine andere Haut zu schlüpfen oder, was vermut­lich besser passt, sich gleichsam zu häuten und ihr wahres, viel­leicht „dunkles“ Ich freizusetzen.

Das Internet macht all diese Dinge deutlich einfacher als in frü­heren Jahrzehnten oder Jahrhunderten, in denen es derlei Nei­gungen natürlich immer schon gab. Es gibt heutzutage breite Foren im Netz, in denen sich Gleichgesinnte austauschen, in de­nen unspezifische Vorstellungen derjenigen konkretisiert wer­den können, die von der Entdeckung ihrer Veranlagung begreif­licherweise verunsichert sind. Sophie stellt etwa schnell fest, dass es Bondage gibt und nimmt diese Form in ihr Liebesreper­toire auf, mit ausgesprochenem Lustgewinn. Sie stellt fest, dass Fesseln und Hilflosigkeit für sie ein weiterer, prickelnder Stimu­lus sind. Dass sie unter Schlägen zwar in Tränen ausbrechen und völlig verzweifelt sein kann … aber dass es auch eine subti­le, variable Grenze gibt, jenseits derer sie eine Sphäre der Emo­tionen erwartet, die fast unbegreiflich intensiv ist und sie voll­ständig enthemmt und so gründlich über die Welt hinaushebt, dass Sophie diese Erfahrung wieder und immer wieder sucht.

Es ist eine Form von Sucht.

Die Submissivität einer Masochistin ist eine Leidenschaft und Sucht in gleichem Maße, aber es kostet Überwindung und Kraft, das auszuloten, wie ihr nachzuspüren. Sophie Morgan macht sich auf die Reise und nimmt uns dorthin mit, in das Grenzland der Pein und Qualen – und doch ist es nicht wie der Ausflug in einen Folterkeller, wiewohl man das manchmal glauben könnte.

Medizinisch könnte man vermutlich sagen, dass die Misshand­lungen die Ausschüttung körpereigener Endorphine befördert, die gleichsam die Unterworfene in einen biochemischen Dro­genzustand versetzen. Zugleich wird durch die Kombination zwi­schen Zärtlichkeit einerseits und Qual andererseits eine neuro­nale Verschaltung der entsprechenden Hirnareale vorbereitet.

Aber das ist nicht alles, jedenfalls nicht in Sophies Fall. Sie ana­lysiert ihre Befindlichkeit durchaus recht prägnant und meint, es sei deutlich mehr als nur eine Art von körpereigener Betäubung, die sie all dies nicht nur erdulden lässt, auf dass sie die „Beloh­nung“ erhält – vielmehr spiele der Faktor der Demütigung eine wesentliche Rolle. Der Zwang, durch seinen dominanten „Herrn“ zu Dingen gezwungen zu werden, die sie eigentlich gar nicht will.

Sophie Morgan betrachtet diese peinigenden Momente, in de­nen sie durchaus wilde, leidenschaftliche Verzweiflung fühlt, die bis zum Hass hinführen kann, als eine bizarre, absichtlich peini­gende Form von Wettbewerb. Denn: natürlich bekommt sie ein Safeword, mit dem sie jederzeit die „Session“ abbrechen kann, wie es in der Szene heißt. Aber sie ist auch ein stolzes Wesen, manchmal bis zur Dummheit stolz, fand ich gelegentlich, und es war durchaus peinigend, manche Seiten des Buches zu lesen … doch ja, sie empfindet es als eine Form von Tapferkeit gegen­über ihrem „Sir“, das Safeword nicht zu benutzen, selbst wenn alles in ihrer Seele danach schreit, genau dies zu tun.

Dies hat zur Konsequenz, dass sie, als Sophie schließlich an James gerät, immer weiter in einen Zirkel der Bestrafung und Bestrafungsverschärfung hineingetrieben wird. Manche Formen der höchst einfallsreichen Peinigung fand ich äußerst extrem, insbesondere dann, wenn sie via Telefon dazu gezwungen wird, sich selbst zu bestrafen, obgleich Sophie gar nichts Falsches ge­tan hat – sie hat gleichwohl ein schlechtes Gewissen und möch­te alles tun, um eventuelle Fehler wieder gutzumachen – auch wenn das beispielsweise bedingt, mit Hilfe von chinesischen Essstäbchen und Gummibändern Folterinstrumente zu erschaf­fen und sie sich selbst peinigend anzulegen … und wer sich das jetzt nicht vorstellen kann, sollte es nachlesen. Es ist allerdings wirklich heftig, das sei nicht verschwiegen …

Das vorliegende Buch ist nicht im strengen Sinne ein „Tage­buch“, wie es der deutsche Verlag apostrophiert hat, und so ro­mantisch das Cover auch sein mag, mit Romantik hat der Inhalt vergleichsweise wenig zu tun. Es handelt sich eher um eine Form von „Beichte“ oder vielleicht auch Autobiografie. Man fühlt sich als Leser ein bisschen ins 18. Jahrhundert nach Frankreich zurückversetzt, wo etwa mit dem Buch „Die weise Thérèse“ des Marquis d’Argens eine Art fingierter Bekenntnisliteratur ent­standen ist. Sophie Morgans Bericht ist recht ähnlich struktu­riert, allerdings sehr viel gegenwartsnäher, rigider und direkter in der schonungslosen Darstellung sexueller Gewalt.

Es muss allerdings auch gesagt werden, dass das Gewand des Buches absolut mitreißend ist – der humorvolle Stil ist ausge­zeichnet übersetzt. Eine Anlaufschwierigkeit kann indes auftre­ten, weil sie gleich im Vorwort schockiert. Wenn man nur das Vorwort liest, wie ich es zu Beginn tat, gerät man vermutlich ganz unweigerlich ins Stocken und hält mit der Lektüre inne (wie es mir widerfuhr). Es empfiehlt sich, dann gleich die Kapitel 1-3 hinterher zu lesen, dann ist man im Lesefluss drin und wird von der eigenen, zuweilen ungläubigen bis erschrockenen Neu­gierde vorangetrieben.

Dass es sich um leichte Kost handelt, würde ich nicht behaup­ten. Ehrliche Kost? Durchaus ja. Interessanterweise wird weni­ger moralisiert, als man vermuten sollte. Das macht die Lektüre dann bemerkenswert, auch wenn mir manche der masochisti­schen Züge der Verfasserin nachgerade unmenschlich hart er­schienen. Ich bin eben ein auf Harmonie bedachter Mensch und würde im Traum nicht auf die Idee kommen, dass es in irgendei­ner Weise erregend wäre, meiner Partnerin Demütigungen, Qua­len oder folterähnliche Handlungen zuzumuten. Tränen rühren mich, ich habe sie mal als das ultimative Lösungsmittel einer Frau beschrieben.

In Maßen mögen solche Praktiken – wie sie eben in den romanti­schen BDSM-Romanen der eingangs erwähnten Reihen und Ver­lage zentral ausgeführt werden – eine anregende Ergänzung des Liebesspiels von Paaren (oder auch Dreiern oder größeren Gruppen) sein. Sie als essenziell für eine Beziehung anzusehen, scheint mir mehrheitlich ein großes Risiko darzustellen. Aber es gibt andererseits auch Menschen, für die diese Art von Sexuali­tät die einzige Möglichkeit darstellt, die romantisch verklärten Höhepunkte der Lust zu erreichen und vollendeten Genuss zu erleben. Man sollte ihnen weniger mit Ablehnung und Abscheu als mit Verständnis begegnen.

Natürlich betont Sophie Morgan ebenso wie die meisten Verfas­serinnen von BDSM-Romanen, dass solche Handlungen nur in Übereinstimmung mit den Wünschen des Partners oder der Part­nerin herbeigeführt werden sollten, und dass sie maßvoll zu bleiben haben. Die Autorin überschreitet hier allerdings den Ru­bikon, um es mal so zu sagen, und sie führt uns an der Hand in einen Bereich der menschlichen Psyche, der tatsächlich dunkel und abgründig zu nennen ist.

Dies tut sie nicht in dem Wunsch, um zu schockieren. Sie möch­te vielmehr damit zum Ausdruck bringen: He, schaut her, ich bin nicht das Produkt einer verkorksten Vergangenheit (wie etwa Christian Grey! Wer James´ Romane gelesen hat, weiß Be­scheid, was ich hier andeuten möchte), das mit Geduld und viel Liebe wieder auf den richtigen Pfad der Tugend zurückgebracht werden muss. Ich bin nicht unglücklich und elend und werde un­terdrückt und misshandelt, weil ich mich dagegen nicht zu weh­ren verstehe. Ich bin auch nicht ein unselbständiges Ding, das einer chauvinistischen, archaischen Macho-Denkweise unter­worfen wird – ich tue es vielmehr aus freien Stücken, behalte meinen eigenen Willen und ziehe Genuss daraus, von meinem Herrn und Meister gezielt und raffiniert über die unsichtbaren Grenzen in meinem Herzen getrieben zu werden.

Sophie Morgan ist, wie sie bis zum Schluss beweist, eine Person, die durchaus ihr eigenes Urteilsvermögen nicht eingebüßt hat und nach wie vor zur Reflexion mehr als imstande ist. Das ver­leiht dem Buch Charakter und hebt es eindeutig von der Ro­mantisierung a la Fifty Shades of Grey“ ab. Wo eine Anasta­sia Steele am Ende von Band 1 bereits nach sechs Hieben das Weite sucht, würde sich Sophie Morgan vorher bereitwillig fes­seln lassen, damit sie den Hieben nicht mehr ausweichen kann. Und sich dann gnadenlos 100 Hiebe versetzen lassen.

Ihre Leidensfähigkeit ist erschreckend, sie übertrifft letztlich so­gar die ihres dominanten Parts. Und noch erschreckender ver­mutlich, welchen ungeschminkten Genuss sie aus all dem zieht. Das sind Emotionen, die E. L. James fremd geblieben sind. Wer also wirklich in den Abgrund schauen möchte, wissen will, was eine wirklich „unterwürfige Liebhaberin“ ausmacht und wie sie sich fühlt, der sollte hier hineinschauen.

Dies ist definitiv ein Buch, das den Horizont für die psychologi­schen Tiefen der menschlichen Seelenabgründe weitet und, so würde ich das wenigstens sehen, die Toleranz auch gegen der Gruppe von Menschen ermöglicht, die sonst in unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft nach wie vor tabuisiert und totge­schwiegen werden. Ein bemerkenswertes Werk, dem ich defini­tiv eine Menge interessierter Leser wünsche.

© 2017 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche wird es sehr viel entspannter, wenn­gleich auch immer noch dramatisch. Ich stelle euch den dritten Teil von Arthur C. Clarkes und Gentry Lees „Rama“-Zyklus vor.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

wir machen erneut eine Zeitreise zurück in meine frühen kreati­ven Tage. Diesmal stoppt der Zeiger im Frühjahr 1984. Ich zähl­te damals noch süße 17 Lenze und war ziemlicher Frischling im bundesdeutschen Fandom, in dem ich mich erst seit Ende 1982 tummelte. Die Ausarbeitung des Oki Stanwer Mythos (OSM) war noch recht schlicht, meine Hauptlesequellen waren zahllose Heftromanserien, von denen die meisten heutzutage längst nicht mehr existieren.

Ich ging noch zur Realschule und stand etwa ein Jahr vor dem Schulabschluss, ohne rechten Plan, wie es weitergehen sollte. Aber angeregt von meiner Romanlektüre und bis zum Scheitel voll von kreativer Energie fasste ich einen, wie ich heute weiß, recht wagemutigen Plan.

In Worte gefasst lautete er so: Ich kann schreiben. Ich liebe Phantastik. Ich liebe Heftromane – und Heftromane schreiben kann offenbar jeder, also probiere ich das einfach mal!

Ich hatte wenige Monate zuvor eine erste längere Novelle von ungefähr 40 Textseiten Umfang geschrieben und wusste durch meine Kontakte ins Horror-Fandom natürlich längst, wie ein Heftromanskript auszusehen hatte: 120 Norm-Textseiten, zwei­zeilig geschrieben … und mir war zwar klar, dass das eine ziem­liche Arbeit werden würde, solch eine Geschichte auch tatsäch­lich zu Papier zu bringen, aber erfüllt von Ehrgeiz und ausge­stattet mit einer gebrauchten mechanischen Schreibmaschine war ich zuversichtlich, die Aufgabe zu bewältigen.

Also nahm ich Kontakt zum damals noch existierenden Zauber­kreis-Verlag auf und erhielt grünes Licht für die Einreichung ei­nes Horror-Romanskripts. Das war der Startschuss dessen, was ich später mein „Romanarchiv“ nennen sollte, in dem inzwi­schen 86 Werke vorliegen und von denen ich im Rahmen dieser Artikelreihe nach und nach in den nächsten Jahren berichten werde.

Der Ausgangspunkt war also eine schon existente Novelle, die den Titel „Dämon mit tausend Gesichtern“ trug. Das Roman­skript, das ich nun entwarf und am 1. Juli 1984 mit 120 Textsei­ten wie geplant abschloss, erhielt folgerichtig denselben Titel. Die Ursprungsnovelle wurde nie publiziert und wanderte in mei­nen ersten Geschichtenordner, in dem sich die Skripte der Jahre 1983/84 befinden.

Die Geschichte, die ich anlässlich dieses Beitrags noch einmal las und die sich überraschend stürmisch voranpeitschend lesen ließ, was mich selbst verblüffte, beginnt in Schottland. Dort er­wacht in einem Quellgewässer eine namenlose Wesenheit und wird sich ihrer selbst bewusst. Sie ist amorph und gallertartig, fragt sich, wer sie ist und was ihr Existenzgrund sein soll.

Sie erhält Instruktionen von nebelhaften Wesen. Ihr wird signali­siert, dass sie einen Menschen namens Steve Swenna finden und töten soll. Warum und weshalb, ist unklar.

Als ein Mann aus der Quelle Wasser schöpft und trinkt, erwacht die erste Fähigkeit des „Dämons“: Er wird von dem Körper des Trinkenden aufgenommen und okkupiert umgehend seine Per­sönlichkeit und nimmt seinen Körper in Besitz … zu seinem nicht geringen Entzücken stellt er fest, dass der Trägerkörper der erfolglose Schriftsteller James Kerrol aus Oban ist. Und er ist freundschaftlich verbunden mit dem vermögenden Hank Swen­na und seiner Frau Christine, die er früher einmal begehrt hat. Sie sind auf Urlaub in Oban und stammen eigentlich aus Bristol.

Schon glaubt sich der „Dämon“ am Ziel und begibt sich, nun­mehr im Körper des Schriftstellers weilend, nach Oban in den Haushalt der Swennas, die natürlich nichts von seinen Zielen ahnen.

Doch die Aufgabe ist alles andere als simpel. Denn Hank Swen­na kennt keinen Steve Swenna. Während der „Dämon“ den Nei­gungen seines Schriftsteller-Gastkörpers nachkommt und Ge­danken über seine eigene Herkunft leichtsinnig verschriftlicht (diese Notizen machen nachher einen wesentlichen Faktor der Enttarnung aus), wird ihm zunehmend deutlicher, dass seine Okkupation die Trägerkörper immer stärker erschöpft und er deshalb gezwungen sein wird, alsbald seinen Gastkörper zu wechseln.

Der Vorteil dabei ist, dass er die Erfahrungen und das Wissen der Trägerkörper übernimmt und beibehält, womit sein Wissens­vorsprung in der Menschenwelt stetig wächst. Als Problem noch nicht erkannt wird von ihm dagegen, dass die „abgelegten“ Trä­gerkörper Charakteristika aufweisen, die den Kriminalisten, die ihm alsbald auf der Spur sind, verraten, dass es sich bei dem Täter nicht um einen Menschen handeln kann.

In seinem Bestreben, Steve Swenna, den er bald in Bristol ver­mutet, ausfindig zu machen, hinterlässt der „Dämon“ eine Spur von Leichen. Nebenbei erreicht er es, den psychisch ohnehin schon labilen Hank Swenna in einen psychopathischen Wahnsin­nigen zu verwandeln, der alsbald ebenfalls unter dämonischer Kontrolle steht, diesmal allerdings von Gegenkräften.

Während der Kommissar Alan Wylon und der Polizeiarzt Ben Wil­kins, die den Fall zu bearbeiten beginnen (eine gewisse Analo­gie zu Sherlock Holmes und Dr. John Watson ist zweifellos nicht zufällig, ich habe die Geschichten damals schon gelesen), die unheimliche Natur des fremdartigen Wesens anerkennen, ent­spinnt sich eine hektische Jagd nach dem „Dämon“, wobei die Natur, Misstrauen, ungläubige Fachkollegen und Ahnungslosig­keit immer stärker gegen die Verfolger arbeiten.

Das unheimliche Wesen scheint den Verfolgern immer einen Schritt voraus zu sein …

Ich war wirklich sehr verblüfft von dieser Geschichte, muss ich sagen, die ich seit Jahrzehnten nicht mehr gelesen hatte. Und während ich sie las, wuchs durchaus mein Respekt vor meinem jüngeren Ich. Zugegeben, die Geschichte beginnt ziemlich holp­rig und unbeholfen (und Korrekturmarken des Lektors des Verla­ges zeigen auch deutlich, dass sie ihn nicht überzeugt hat, was die nachmalige Ablehnung verständlich macht). Aber die zweite Hälfte des Romans, die in eine atemlose Verfolgungsjagd ausar­tet, hat durchaus Potenzial, das ist nicht zu leugnen. Ab einem bestimmten Punkt habe ich mehr als die Hälfte der Geschichte dann in einem Zug ausgelesen – was mir bei eigenen Texten, die so alt sind, sonst eher schwer fällt.

Es gibt zudem zwei Aspekte, die ich an dieser Stelle noch er­wähnen möchte und die ich wichtig finde. Der eine bezieht sich auf mögliche literarische und filmische Anleihen, die ich in der Geschichte verarbeitete bzw. Themen, die ich später in anderen Kontexten wieder aufgegriffen habe.

Die zweite hat mit der Öffentlichkeitswirkung zu tun. Ich sollte vielleicht damit anfangen, weil das einiges Befremden auslösen könnte. Immerhin handelt es sich bekanntlich um ein unveröf­fentlichtes Romanwerk. Wie kann das also eine Öffentlichkeits­wirkung haben? Nun, das ist eine witzige Geschichte für sich.

Ich erwähnte, dass ich noch zur Schule ging. Damals musste im Frühjahr 1985 im Rahmen unseres Deutschunterrichts jeder Schüler ein Buch vorstellen. Wenn ich mich recht erinnere, war das Werk, das ich vorstellte, ein Politthriller von Paul Erdman, „Die letzten Tage von Amerika“. Das müsste ich noch mal genauer erkunden, weil ich konkrete Lesestofflisten erst seit 1987 geführt habe.

Nun, wie dem auch sei … einer meiner Klassenkameraden kam in diesem Kontext auf die urige Idee, meinen Roman „Dämon mit tausend Gesichtern“ als Referatsthema zu wählen. Et­was, was nicht nur mich, sondern auch unseren Klassenlehrer und die Mitschüler ziemlich verblüffte. Das kann man durchaus als singuläre Buchvorstellung betrachten.

Die Notizen zu diesem Referat sind dem Romanskript vorgehef­tet. Da dort als schon vorhandene Romanskripte von mir auch „Baumsterben auf Lepsonias“ aufgeführt wird (von diesem Roman erzähle ich euch im Blogartikel 659, dessen Veröffentli­chung für den 22. März 2026 geplant ist), kann ich den Zeit­punkt dieses Referats relativ gut eingrenzen. Der genannte Ro­man wurde am 27. Mai 1985 vollendet, das Schuljahr hörte im Sommer 1985 auf, sodass das Referat wohl im Juni 1985 gehal­ten wurde.

Kommen wir zum anderen oben angesprochenen Punkt: Das rätselhafte gallertartige Wesen, das als „Dämon“ charakterisiert wird, nicht als Außerirdischer, hinterlässt bei seinem „Auszug“ aus den Trägerkörpern eine Leiche, der sämtliche Flüssigkeit entzogen worden ist. Die Methode wird nie konkret erläutert, aber diese eine Szene, als der Arzt Wilkins eine Leiche auf­schneidet und statt Blut roter Staub rieselt, ist ganz unverhoh­len eine Filmanleihe an Michael Crichtons Romanstoff „Andro­meda. Tödlicher Staub aus dem Weltall“.

Dann hat mich von Anfang an bei der Lektüre die Natur des rät­selhaften gallertartigen Wesens und die Übernahme der Gast­körper verdutzt. Ich dachte: Verdammt, das klingt so vertraut! Woher kenne ich das nur?

Es dauerte eine Weile, bis es mir einfiel: Ich habe im Juli 1999 den alten SF-Roman „Symbiose“ (OT: Needle) von Hal Clement gelesen. Und schon damals dachte ich frappiert – die Story ken­ne ich von irgendwoher! Aber ich konnte mir damals nicht erklä­ren, woher. Auch hier geht es um einen formlosen Gestaltwand­ler, der auf der Erde einen Trägerkörper übernimmt und seiner­seits einen Gestaltwandler jagt, der sich in menschlicher Tarn­gestalt auf der Erde aufhält.

Die Ähnlichkeiten mit der obigen Geschichte sind indes so schlagend, dass mir während der Lektüre des eigenen Romans deutlich wurde, was ich völlig vergessen hatte: Ich musste ohne Zweifel als Büchereibuch den Roman von Clement 1983 oder 1984 gelesen haben und verarbeitete diese Gedanken erst in meiner Novelle von 1984, wenn auch deutlich dramatisiert, und schließlich im obigen ersten Zauberkreis-Versuchsroman.

Auch ansonsten ließ mich das Thema des Körpertausches nicht wirklich los. Im Dezember 1992 griff ich das Thema erneut auf. In der – ebenfalls nie publizierten – Episode der Phantastikserie „The Shadow“ taucht ein bizarres Wesen auf, das „Der Verkör­perer“ genannt wird (so auch der Titel der bislang nie veröf­fentlichten Episode), das ebenfalls dadurch auffällt, dass es Menschen okkupiert und Leichen der vorherigen Gastkörper zu­rücklässt.

Die Verbindungslinie zum acht Jahre vorher geschriebenen Ro­man ist m. E. unübersehbar.

Vermutlich gibt es sogar noch weitere Hintergrundinspirationen. Da wäre etwa die Filmtrilogie um den Verbrecher Fantomas zu nennen, die ich damals schon kannte, auch ein Mann mit tausend Gesichtern. Sherlock Holmes und seine Maskierungskünste sind ebenso als Hintergrundfolie zu reflektieren (die später in Klivies Kleines im OSM noch deutlich weiterentwickelt wurden, das geht bis heute fort).

Alles in allem ist zwar damals mein Versuch, für den Zauber­kreis-Verlag gescheitert, weil dieses Romanskript abgelehnt wurde. Und ebenso enthält das Skript sehr viele Schreibfehler, holprige Stellen und holzschnittartige Charakterisierungen, die vielfach kaum über Klischees hinausgelangen. Dennoch ist die strukturelle Grundidee nach wie vor reizvoll.

Und wie ging es dann weiter? Nun, ich hatte den Roman beim Verlag eingereicht und machte mich umgehend daran, den nächsten zu schreiben. Denn der Zauberkreis-Verlag hatte ja auch eine SF-Reihe, und für die wollte ich den nächsten Roman verfassen.

Davon erzähle ich dann im nächsten Teil dieser Artikelserie. In der kommenden Woche berichte ich allerdings erst mal über meine kreativen Schreibfortschritte im Monat Oktober 2024.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 513: Das Orakel des Königs

Posted Juni 17th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es freut mich immer wieder, wenn ich im Rahmen meiner Lektü­releidenschaft ans Regal gehen und einen der noch ungelese­nen Cussler-Epigonenromane herausziehen kann, um mir damit eine ganze Reihe angenehmer Stunden zu machen. Dabei habe ich inzwischen keine besonderen Präferenzen mehr. Ob es sich um Cusslers Ursprungs-Abenteurer Dirk Pitt handelt, die NUMA-Forscher Kurt Austin und Joe Zavala, ob es sich um die OREGON-Crew handelt oder den Detektiv Isaac Bell vom Anfang des 20. Jahrhunderts … ich lese sie alle grundsätzlich gern.

Gleichwohl ist es immer besonders spannend, ein Fargo-Aben­teuer zu schmökern. Das hat mit dem Sujet zu tun. Es geht um Archäologie und um Schatzsuche. Notwendigerweise dachte ich das also beim vorliegenden Roman auch, dem inzwischen 11. Fargo-Abenteuer. Und ja … wenn man einen erheblichen Teil des irreführenden Klappentextes ignoriert und etwa 300 Seiten des Inhalts (na, eher 350 Seiten, würde ich schätzen, vielleicht auch noch mehr), dann geht es in der Tat um einen Schatz.

Aber nicht in der Hauptsache. Die meiste Zeit des Romans müs­sen sich die Fargos mit völlig anderen Dingen herumschlagen, die beispielsweise mit kriminellen Jugendbanden in Nigeria zu tun haben, mit zulaufenden Kindern, einer Fargo-Mädchenschu­le im Aufbau (in Nigeria) … und ich glaube, es kann nur wenig überraschen, dass am Ende der Romanlektüre mein Fazit eini­germaßen ernüchternd ausgefallen ist.

Heißt das, vorab erwähnt, dass es sich um einen SCHLECHTEN Roman handelt? Habe ich einen Verriss geschrieben? Nun, das würde ich so nicht formulieren, auf beide Fragen geantwortet. Es ist schon ein wichtiges Thema, was hier angesprochen wird, aber die Art und Weise, wie Robin Burcell mit den Protagonisten und letzten Endes auch den Fargos umspringt und sie agieren lässt, führten dann dazu, dass ich diese Geschichte als diejenige einzustufen habe, die mit weitem Abstand die Fargos am schlechtesten und brutalsten charakterisiert. Vom anfänglichen Charme der Reihe ist in diesem Werk leider kaum mehr eine Spur.

Gleichwohl habe ich die fast 600 Seiten in drei Tagen verschlun­gen, die letzte Hälfte davon am letzten Tag. Also, prinzipiell le­senswert ist er. Nur hängt euch weder an das Orakel oder den Vandalen-Schatz. Lasst am besten den Rest des Buches auf euch wirken.

Und mit diesen vielleicht orakelhaften Worten schicke ich euch einfach mal los in den Roman:

 

Das Orakel des Königs

(OT: The Oracle)

Von Clive Cussler & Robin Burcell

Blanvalet 0829; 2021, 11.00 Euro

576 Seiten, TB

Übersetzt von Michael Kubiak

ISBN 978-3-7341-0829-7

Ich mag die Fargo-Romane wirklich, schon seit Jahren. Nicht um­sonst habe ich die ersten zehn Bände dieser Serie über das Schatzsucher-Ehepaar Sam und Remi Fargo bereits rezensiert. Bei diesem hatte ich allerdings doch einige Probleme, das will ich gar nicht verleugnen. Die Geschichte hat ein paar eklatante Schwächen, kommt über rund 400 Seiten titelmäßig als eine Art Mogelpackung herüber und ist doch zugleich verblüffend in vie­lerlei Hinsicht. Der Eindruck, der sich bei mir während des Le­sens einstellte, war ein eigentümlich gespaltener … was mich indes nicht daran hinderte, die zweite Hälfte des Romans an ei­nem Tag zu verschlingen, weil ich mich nicht aus der Geschichte lösen konnte. Der Eindruck, den er bei mir hinterlässt, ist also durchaus zwiespältig.

Aber vielleicht sollte ich vorne beginnen.

Wie üblich startet der Roman mit einem historischen Prolog (ge­nau genommen sind es zwei, aber das blenden wir hier mal aus). Wir befinden uns im Jahr 533 nach Christus in Nordafrika. Das Königreich der Vandalen steht an der Schwelle zum Unter­gang, eine verheerende Schlacht steht bevor, und der Regent Gelimer hört auf ein Orakelwort, das das Ende vermeiden soll. Demzufolge muss eine versteckte Schriftrolle gefunden werden, um das Schlimmste zu verhindern … doch er versagt bei dieser Aufgabe, und das Reich der Vandalen geht unter.

Gut 1500 Jahre später finanziert das Schatzsucher-Ehepaar Sam und Remi Fargo zwei wichtige Unternehmungen in Afrika – zum einen die Ausgrabung einer Vandalen-Küstenstadt namens Bulla Regia in Tunesien, zum anderen sind ihre Mitarbeiterinnen Wen­dy Corden und Pete Jeffcoat dabei, in Nigeria eine Mädchen­schule aufzubauen. Doch bei beiden Projekten gibt es Probleme. Bei der spendenfinanzierten Ausgrabung gibt es bei der Buch­haltung ernste Schwierigkeiten, weil offensichtlich Gelder verun­treut werden. Und Wendy und Jeff berichten, dass eine Aufbau­lieferung für die Schule nicht angekommen ist, sondern schein­bar von einer regionalen Bande gestohlen wurde.

Die Fargos beschließen daraufhin, mit einem Umweg über Tune­sien, nach Nigeria zu reisen, um die Lieferung der benötigten Materialien selbst in die Hand zu nehmen. Sie sind halt Aben­teurer von Natur aus, und es widerstrebt ihnen, alles an Dritte zu delegieren. Was daraus geworden ist, haben sie ja unmiss­verständlich erlebt.

In Tunesien treffen sie Remis alte Studienkollegin, Dr. Renee La­Belle, die die leitende Archäologin in Bulla Regia ist, und hier machen sie auch die Bekanntschaft mit dem Ausgrabungsleiter Hank und der Studentin Amal. Hier wird an den Prolog ange­schlossen, aber es bleibt keine Zeit, der titelgebenden Orakel-Geschichte ernsthaft nachzugehen – die Fargos wollen ja nach Nigeria weiterreisen, was sie auch tun, nun verstärkt um Hank und Amal, die unter seltsamen Anfällen leidet, die sie gelegent­lich traumtänzerisch wirken lassen. Sie soll den Mädchen der Schule ein berufliches Vorbild demonstrieren und zeigen, wohin Bildung sie zu bringen vermag.

Worauf der Leser dabei nicht vorbereitet wird, ist, dass die kom­menden dreihundert Seiten dann ausschließlich in Nigeria spie­len … wogegen ja auf den ersten Blick nichts einzuwenden ist. Die Fargos sind schließlich Globetrotter, und sie sind schon an sehr vielen exotischen Orten der Welt gewesen. Aber in Nigeria werden sie rasch in zahlreiche abenteuerliche Komplikationen verwickelt, die mit dem Titel der Geschichte rein gar nichts zu tun haben. Anfangs hielt ich das für eine reine Nebenhandlung neben der Schatzsuche, aber spätestens nach hundert Seiten, als die Handlung unverdrossen in diesem Fahrwasser fortschritt und einfach nicht aufhörte, begriff ich, dass ich mich täuschte. Dies ist quasi ein völlig anderer Roman im Roman. Die Fargos bekommen es hier etwa mit rivalisierenden Banden zu tun, mit Kindersoldaten, Dieben, Verdächtigungen, Hinterhalten, Schuss­wechseln und Betrug, und die Probleme reißen auch im Umfeld der Schule selbst nicht ab.

Warum das dann letztlich zu einem Überfall auf die Schule führt, zur Entführung von Remi Fargo und zahlreichen Mädchen, aben­teuerlichen Bergwanderungen mit zahllosen Problemen, und in­wiefern die struppige Straßendiebin Nasha Atiku eine zentrale Rolle bei all diesen Abläufen spielt, das sollte man dann wirklich gelesen haben. Das ist schon durchaus lesenswert. Tatsache ist nämlich, dass aufgrund der engen Cliff-hanger-Taktung der Kapi­tel ein Ausstieg aus dem Lesemodus schwer bis nicht möglich ist, selbst wenn die gleich anzusprechenden Mankos die Lektüre bisweilen anstrengend und nervig machen.

Und ja, natürlich kommt es am Ende doch noch dazu, dass die Fargos die geheimnisvolle Schriftrolle suchen. Aber bis es dazu kommt (und vergesst bitte diesbezüglich den Klappentext, der völlig auf Abwege führt!), vergehen ungelogen weit mehr als 400 Seiten. Und ich muss ehrlich zugeben, dass mich die Schriftrollen-Geschichte insgesamt in keiner Weise überzeugt hat, sie wirkt einfach wie mühsam angeklatscht.

Die Schwierigkeiten mit dem Roman, die ich oben andeutete, liegen auf zwei Feldern. Eine davon ist einfach nur lästig und absolut kritikabel, die zweite ist schon kniffliger, weil es mit ei­nem realen Problem zu tun hat, das unbedingt wichtig anzu­sprechen war – nur wirkt es in einem Fargo-Roman, erst recht in dieser Dimensionierung, seltsam fehl am Platz, dass man sich lange wie in einem falschen Film vorkommt.

Problem 1 sieht man bereits am umfangreichen Personenregis­ter, das stolze vier Seiten umfasst. Das ist nicht singulär, das passiert in vielen Romanen, namentlich in den Fargo-Werken. Aber man schaue sich mal an, wie „vollständig“ die Namen dort aufgeführt werden. Ich zitiere mal ein paar Personen: „Hank, Amal, José, Osmond, Yesmine, Warren“ (Tunesien), „Yaro, Moni­fa, Zara, Jol, Tambara, Maryam“ (Schülerinnen in Nigeria) bzw. „Jimi, Pili, Dayo, Den, Devic, Urhic, Joe“ (Jugendbande). Und das ist dann die vollständige Namensaufstellung. Quasi niemand davon wird hinreichend charakterisiert! Selbst bei wichtigen Personen wie Amal oder Hank fehlen die Familiennamen. Im Laufe des Romans wird auch nicht ernsthaft darauf geachtet, dass sie biografisch sonderlich verankert werden, was naturge­mäß dazu führt, dass man sie leicht verwechselt oder für aus­tauschbar, gesichtslos usw. hält.

Die meisten Vornamens-Protagonisten sind dann in der Tat, so muss man das wirklich sagen, einfach Kanonenfutter. Das ist zwar ein Muster, das auch im Vorgängerroman schon stark zu finden war, hier wird es aber auf die Spitze getrieben. Ich deute nur mal an, dass beispielsweise auftauchende Polizisten und Soldaten allesamt namenlos in Erscheinung treten – auch ein klares No-Go, das man sich in einem Hollywood-Film wohl auch nur bedingt vorstellen könnte.

Das hat mir dann in dieser Massierung wirklich zu schaffen ge­macht – ganz zu schweigen davon, wie viele Leute die Fargos in diesem Roman rigoros totschießen, das ist ein krasser Bruch mit der bisher doch sehr viel raffinierteren Vorgehensweise des Ehe­paars bei früheren Coautoren der Reihe, wo Waffengewalt in der Regel so gut wie nie zur Anwendung kam. Da hat die aktuelle Autorin Robin Burcell wirklich einen drastischen Bruch herbeige­führt, der m. E. der Serie schadet. So exzessiv die grassierende Gewalt in Nigeria hier auch sein mag, in realiter sie so eindi­mensional darzustellen, ohne dass auch nur irgendwo Gedan­ken der Fargos zu sehen sind, dass diese Art der Konfliktbewälti­gung einfach falsch ist, das kam mir auch verkehrt vor. Sie stellt die Fargos hier eindeutig als zu schießwütig dar, das kam gar nicht gut an.

Doch davon mal ganz abgesehen: Es zeugt schlicht von schlam­piger Arbeit, Protagonisten nicht hinreichend namentlich zu be­nennen oder ihnen eine klare Vita zu geben. Was beispielsweise Hank beruflich gemacht hat oder was der frühere Ausgrabungs­leiter Warren für Befähigung für seinen Job mitbrachte, erfährt man nirgendwo (und Hank taucht nun wirklich sehr oft und in­tensiv auf, aber einen Nachnamen oder seine bisherigen berufli­chen Meriten werden dennoch verschwiegen). Das sind alles – und man muss das von nahezu jedem Ein-Namen-Protagonisten der Geschichte sagen (es gibt davon noch mehr) – nur Schlag­wort-Statisten ohne hinreichende Tiefe. Selbst wenn sie dann zentrale Handlungspersonen sind! Ich schweige mal von wichti­gen Negativpersonen wie Tarek, der natürlich auch keinen Nachnamen oder eine Vita bekommt, sondern einfach nur „der Böse“ sein darf.

Sicherlich kann man sagen, bei solch einer Personenvielfalt sei das ein Aspekt, der zu noch mehr Unübersichtlichkeit beigetra­gen hätte … aber bei allem Respekt, das ist in meinen Augen keine hinreichende Begründung. Hier hat es sich die Autorin klar viel zu einfach gemacht und oberflächliche Schemaprotagonis­ten entworfen, denen jede gesellschaftlich-biografische Tiefe fehlt. Das führt mich dann zu dem zweiten Punkt, der mir bei dem Roman zu denken gab. Gerade hier wäre diese biografi­sche Verankerung nämlich wichtig gewesen.

Punkt 2 kümmert sich sehr energisch um die Frage von Mäd­chenrechten in politisch instabilen Ländern in Afrika, hier im Fall Nigeria, und das ist ein eindeutig drängendes Problem, das zu sehr problematischen langfristigen gesellschaftlichen Auswir­kungen führen wird. Es wird hierbei mit Recht – und das war wohl ursprünglich auch der Aufhänger, der die Autorin das The­ma so in den Vordergrund spülen ließ – auf die Terrorbewegung Boko Haram angespielt, die in jüngerer Vergangenheit Schulen dort überfiel und Hunderte von Schülerinnen entführte und so bis heute die Frauenrechte in Nigeria stark bedroht. Der Fargo-Roman mit dem Nigeria-Teil ist bisweilen eine sehr starke An­spielung darauf.

Aber zugleich arbeitet die Autorin hier mit einem empfindlichen Weichzeichner. Denn solche leider sehr realen Dinge wie Verge­waltigungen, Folter und Ermordung der Mädchen fehlen in der Geschichte ebenso wie Zwangsverheiratungen von minderjähri­gen Entführungsopfern (alles ist dort im Zusammenhang mit Boko Haram längst nachgewiesen). Stattdessen wird ständig betont: Nein, die Mädchen sind Geiseln, ihnen darf ja kein Haar gekrümmt werden … in der Quintessenz führt das nicht nur zu nachgerade irreal-grotesken Szenen, sondern es macht die häu­fig vorgeführten Kriminellen vollkommen unglaubwürdig, bis die Geschichte beinahe zur Satire gerinnt (was allerdings im Kon­trast dazu immer hochdramatisch inszeniert wird – hier wirkt die Cliff-hanger-Strategie, die ich oben ansprach, ganz unleugbar).

So wichtig es ohne Zweifel ist, hier auf die politische Instabilität und grassierende Kriminalität in solchen failed states hinzuwei­sen, und so relevant es ebenfalls ist, auf die bedauerliche Zu­nahme von Jugendkriminalität hinzuweisen, so wenig hat das – fand ich – hier in diesem Roman dermaßen viel Raum einzuneh­men. Es wird auch viel zu wenig über Korruption gesprochen oder sozial und religiös reaktionäre Einstellungen, da ist die Ge­schichte unrealistisch „zahm“ und eindimensional gestrickt.

Dass die mangelhafte Personencharakterisierung dann auch im späteren tunesischen Teil munter weitergeht und die Schatzsu­chergeschichte eher so als bescheidenes Tarnmäntelchen für ein im Kern eminent soziokulturelles Problemszenario behandelt wurde, das fand ich doch bedauerlich. Nach dem letzten Roman über die Fargos, die „Gray Ghost“-Geschichte, auf die hier auch gelegentlich angespielt wird, ist das hier ungeachtet seines Um­fangs und seiner flüssigen Übersetzung doch ein Fargo-Roman, der sehr aus dem Rahmen des Üblichen herausfällt.

Statt dass wie bisher der Wettlauf um einen verborgenen Schatz mit zahlreichen vertrackten historischen Rätseln und dem raffi­nierten Austricksen von Konkurrenten im Zentrum steht, wie es bislang der Fall war, verläuft sich dieser Roman in einem sehr ungenügend dargestellten Personentableau, permanenten Ver­folgungsjagden, die mit ihren wechselnden Orten und Vorteils­gewichtungen erstaunlich an Doc Savage-Romane aus den 30er Jahren erinnern, und schließlich in einer für diese Reihe unge­wohnt-unsympathischen, geradezu hypertroph zu nennenden Schusswaffengewalt, die hier vielfach als ultima ratio eingesetzt wird. Besonders von den Fargos!

Dabei war es gerade dieser Aspekt, dass „Rübe ab“ eben keine Lösungsstrategie der Fargos war, der mir diese Reihe von An­fang an so sympathisch machte. Davon ist Robin Burcell krass abgewichen, und das nehme ich der Autorin übel. So wichtig es ohne Frage ist, auf die Kriminalität in solchen Ländern und auf die schlechten Ausbildungschancen gerade für Mädchen ebendort hinzuweisen – mit solchen Mitteln sollte man das dann doch eher nicht tun.

Interessant für Zitatsammler ist indes die überraschende Neue­rung, jedem der 95 (!) Kapitel ein Sprichwort aus Afrika voran­zustellen, das (teilweise) die jeweilige Kapitelhandlung antizi­piert. Klappt nicht immer, aber es ist eine originelle Idee, die eindeutig Beachtung verdient.

Dennoch kann ich diesen Roman für diejenigen, die sich an den bisherigen Stil der Fargo-Abenteuer gewöhnt haben, nur mit starken Einschränkungen empfehlen. Tut mir wirklich sehr leid. Ich hoffe sehr, dass die künftigen Fargo-Abenteuer mit sehr viel weniger Schusstoten auskommen müssen. Die Fargos mögen ei­nen Western-Namen tragen, deshalb müssen die Schatzsucher-Romane aber nicht zu Western verkommen, in denen tödlicher Waffengebrauch die ideale Lösungsstrategie von Problemen darstellt!

© 2024 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche wird es vermutlich noch etwas unan­genehmer. Dann wechseln wir in einem autobiografischen Buch mal auf die düstere Seite der individuellen sexuellen Abgründe. Das Buch, das ich 2017 dazu las und rezensierte, habe ich da­mals schon als harten Tobak eingestuft … ich bin gespannt, was ihr davon halten werdet.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

wie jüngst versprochen (Blogartikel 613 vom 4. Mai 2025) be­ginne ich heute mit der vierteiligen Behandlung des Jahres 2023. Das bedeutet, ich schaue mir die Monate Januar – März an und checke sie daraufhin ab, inwiefern ich hier mit Werken vorangekommen bin, die zu den OSM-Geschichten Aus den An­nalen der Ewigkeit gerechnet werden können.

Im Januar ging es beispielsweise mit einer leichten Weiterarbeit an einem E-Book los: Ich kümmerte mich um Nachfeilen des bis­her vorhandenen Textkorpus des Werkes „BdC 2: Gestrandet in Bytharg“. Ärgerlicherweise kam ich nicht allzu weit damit, weil ich gedanklich doch immer noch sehr stark in den Digitali­sat-Serien steckte, namentlich zu dem Zeitpunkt in KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ alias 13Neu und in KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ (16Neu).

In diesen Serien und einigen anderen, die noch als Urschrift in Arbeit sind (genannt seien hier die KONFLIKTE 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ und 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“) hing ich deutlich mehr, sodass es bei diesem einen Anna­len-Projekt für den Monat Januar blieb. Ansonsten kam ich im­merhin auf 16 Neuwerke im Januar 2023. Das hatte vermutlich sehr viel damit zu tun, dass ich noch Korrespondenz aufarbeite­te und statistische Arbeiten zu erledigen hatte, die mit dem ver­flossenen Jahr 2022 zu tun hatten. Außerdem gab es zahlreiche Einträge zu Glossaren und Serien-Lexika, das ist ein durchge­hender roter Faden für das gesamte Jahr.

Auch im Februar hielten mich die Digitalisate von KONFLIKT 13 und 16 massiv gefangen. Bei beiden Serien hatte ich gerade ex­trem spannende Passagen am Wickel, die mich sehr mitrissen. Dass ich mich dabei nicht auf ältere, begonnene Annalen-Werke oder E-Book-Texte konzentrieren konnte, kann eigentlich nicht überraschen.

Ganz zum Monatsende (diesmal kam ich auf eine Gesamtzahl von Fertigstellungen von 18 Projekten) gelang mir aber doch noch die Abdrift zu den Annalen der Ewigkeit:

Ich schnitzte ein wenig weiter an der in KONFLIKT 2 („Oki Stan­wer und das Terrorimperium“) spielenden Geschichte „Exil auf Hushhin“ weiter. Und als Kontrast dazu ergänzte ich ein paar Seiten des in KONFLIKT 15 („Oki Stanwer“) spielenden Annalen-Werks „Partisanengruppe Rilon Vleh“. Fertig wurde ich allerdings in beiden Fällen nicht.

Im Monat März drehte ich dann allerdings richtig auf. Mit 40 be­endeten Werken fällt dieser Monat sehr aus dem üblichen Ras­ter heraus. Ich war quasi nonstop am Schreiben, das kam zum einen dem Bereich der Romanrezensionen zugute, zum anderen am ich besonders in KONFLIKT 16 dramatisch weit voran (allein die Bände 42-51 wurden in diesem Monat digitalisiert), ähnlich sah es bei KONFLIKT 13 aus.

Außerdem wurde die Story „Partisanengruppe Rilon Vleh“ vollständig digitalisiert, ergänzend entstand eine umfassend kommentierte zweite Fassung dieser Annalen-Geschichte. Als nächstes stürzte ich mich – was nahe lag – in das Romanfrag­ment „Quisiins letzter Fall“. Wieso lag das nahe? Weil es in KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ spielt. Und bekanntlich saß ich ja gerade an diesem Seriendigitalisat.

Eigentlich war ja geplant, diesen Roman zu vollenden, ehe ich mit dem Digitalisat fertig werde … aber das ist wie so oft ein Plan, der in der Realität Schiffbruch erleidet. Denn seht ihr: Das Seriendigitalisat ist längst fertig, der Roman aber immer noch nicht (wenigstens gilt das für den Schreibmoment der Gegen­wart, also für den 7. August 2024. Bis ihr diese Zeilen am 15. Juni 2025 lest, hat sich das hoffentlich geändert … ihr werdet es lesen.

Auch ein weiteres Projekt, an dem ich schon lange feile, ein uni­versenüberschreitendes Crossover mit GRALSJÄGER-Hinter­grund, suchte ich auf, um daran weiterzuschreiben. Der drama­tische Titel der Jagdgeschichte lautet „Ziel – Liquidation“. Lei­der war auch das eher eine Strohfeuerleidenschaft. Der Schreibelan daran erlosch bedauernswert rasch.

Und damit hatte das Jahr zwar bis zu diesem Zeitpunkt am Ende des ersten Quartals schon 74 vollendete Werke aufzuweisen, mehrheitlich Blogartikel, Episodendigitalisate und Rezensionen, aber leider recht wenige Annalen-Werke.

Aber das Jahr war ja noch jung. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sich das noch ändern würde. Ob sich dieser hehre Gedanke bewahrheitete, könnt ihr in ein paar Wochen im nächsten Teil dieser Artikelreihe kontrollieren.

In der kommenden Woche reisen wir mal gut 40 Realjahre zu­rück ins Jahr 1984, als ich mich daran versuchte, Heftroman­skripte zu schreiben, die ich tatsächlich bei Verlagen einreichte. Im Rahmen der neuen Artikelreihe „Unveröffentlichte Romane“ sage ich Näheres dazu.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 512: Das Geisterschiff

Posted Juni 11th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

seit nunmehr über 150 Jahren geistert im fast buchstäblichen Sinne eine Legende durch die Weltgeschichte, die durch Mangel an faktenbasierten Zeitzeugnissen, Verschleierungstaktik und reger Phantasie von erregten Lesern und Autoren immer mehr zu einer ungeheuerlichen Geschichte aufgebläht wurde. Das ist absolut nichts Singuläres, und selbst in der heutigen Zeit der überhitzten sozialen Medien, die selbst hartnäckigste und schnell widerlegte Lügen penetrant beharrlich an der Oberflä­che des Diskurses schwimmen lassen wie eklige Fettaugen auf der Suppe, ist niemand dagegen gefeit, solchen Legenden auf den Leim zu gehen. Der amerikanische Wahlkampf 2024 hat das ja mal wieder deutlich gezeigt.

Das hier ist weniger politisch als nautisch-naturwissenschaftlich relevant. Es geht sowohl um ein Seeunglück als auch um des­sen hypertrophe mediale Ausschlachtung, die man um so gründlicher und erfolgreicher nennen muss, als anfangs – und wir reden da von den ersten paar Jahrzehnten nach dem Vorfall! – kaum korrekte Informationen für die Öffentlichkeit zur Verfü­gung standen.

Wie immer, wenn so etwas geschieht, bildet sich die öffentliche Meinung rasch ihre eigene Sicht der Dinge, mitunter ist es auch eine blanke Einbildung. Und so wurde aus dem Havaristen Mary Celeste „das Geisterschiff“.

Was damals – höchstwahrscheinlich – anno 1872 im Atlantik ge­schah, darüber erfahrt ihr nun mehr:

Das Geisterschiff

von Eigel Wiese

Bastei 64195

192 Seiten, TB

September 2003, 7.90 Euro

ISBN 3-404-64195-7

Man schreibt den 5. Dezember des Jahres 1872, als das Segel­schiff DEI GRATIA vor Madeira ein fremdes Segel sichtet. Die Brigg ist am 7. November von New York aus in See gestochen, und die Matrosen freuen sich auf den Kontakt mit dem anderen Segler, um ein wenig Neuigkeiten auszutauschen. Doch statt­dessen haben sie eine Begegnung mit einem buchstäblichen Geisterschiff. Und ehe sie begreifen, was geschieht, legen sie den Grundstein zu einem Mythos der Seefahrt.

Das Schiff, dem sie begegnen, ist die Mary Celeste, die unter dem Kommando des jungen, aber erfahrenen Benjamin Spoo­ner Briggs am 15. November von New York aus gestartet ist. An Bord waren zusammen mit Briggs und seiner Frau sowie der zweijährigen Tochter noch sieben Matrosen. Kapitän David Reed Morehouse von der DEI GRATIA weiß das deshalb so ge­nau, weil er mit den Leuten und dem Kapitän der Mary Celeste im Hafen noch gesprochen hat. Die Mary Celeste ist mit einer Ladung Alkohol unterwegs nach Genua, doch diesen Hafen soll sie erst als Legende erreichen.

Die Mary Celeste macht einen völlig normalen Eindruck, wenn man davon absieht, dass niemand zu sehen ist und auch keine Menschenseele auf die Signale reagiert, die man gibt. Schließ­lich lässt Morehouse sein Schiff beidrehen und ein Prisenkom­mando an Bord senden. Was die drei entsandten Matrosen fin­den, macht die Sache nur gespenstischer:

Alles an Deck ist relativ aufgeräumt, lediglich die Ladeluken sind geöffnet, sodass sich in der Bilge Wasser gesammelt hat und schwappt. Allerdings ist es nicht sonderlich viel. Die Kom­passsäule ist umgestürzt, das Deckglas zerstört. Das Steuerru­der ist nicht befestigt, das Ruder selbst aber offensichtlich völlig in Ordnung. Einige Unordnung herrscht in der Takelage, das Bei­boot fehlt. Im Schanzkleid gibt es einige seltsame, unerklärliche Einschnitte, auch außen am Schiffsrumpf ist das der Fall.

Unter Deck finden sie ungemachte Betten, aber keinerlei Hin­weise, die auf ein Verbrechen schließen lassen. Einige Navigati­onsinstrumente fehlen, aber keine Vorräte, der Safe ist unange­tastet, die Ladung intakt. Die letzte Eintragung des gewissen­haften, streng christlichen Kapitäns betrifft den 25. November 1872. Das Wetter war an diesem Tag ausgezeichnet, das Meer äußerst ruhig. Es gibt keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder Katastrophen. Was immer geschehen ist, muss die Besat­zung förmlich überwältigt und in Panik von Bord vertrieben ha­ben. Aber niemand kann sich vorstellen, was das gewesen sein mag.

Alles in allem ist der Vorfall völlig unerklärlich.

Kapitän Morehouse bemannt das Geisterschiff mit einer Prisen­besatzung und lässt sie nach Gibraltar segeln, wo auch sein Zielhafen liegt. Doch statt den ersehnten Finderlohn zu erhal­ten, werden sie hier prompt arretiert und geraten unter den un­geheuerlichen Verdacht, sie hätten die Besatzung der Mary Ce­leste heimtückisch gemeuchelt, um das Geld zu kassieren.

Zwar lässt sich der gelegentlich hysterische Züge annehmende Verdacht des Generalstaatsanwalts Frederick Solly Flood auch in den nächsten Jahren nicht erhärten, doch da die Mari­neuntersuchungsakten volle 70 Jahre (!) unter Verschluss blei­ben, geraten nur die wirrsten und widersprüchlichsten Erkennt­nisse und Gerüchte an die Presse. Die Journalisten und Schrift­steller sowie Möchtegern-Schriftsteller stürzen sich nur zu be­reitwillig auf diese Story.

Da gibt es die Version, die Mary Celeste sei während ihrer Über­fahrt in die Nähe eines mordlüsternen Riesenkraken geraten, der einen Seemann nach dem nächsten über Bord gerissen habe. So ließen sich auch die Einschnitte am Schanzkleid erklä­ren – verzweifelte Beilhiebe der Matrosen, die das Ungetüm ab­zuwehren versuchten.

Eine andere Version berichtet von einem Piratenüberfall, der von geflüchteten Sklaven durchgeführt worden sei, die darauf­hin das Schiff an die afrikanische Küste gesteuert, die Besat­zung gemeuchelt oder entführt und das Schiff wieder freigege­ben hätten. Dass sich das überhaupt nicht mit dem Logbuch oder dem unberührten Schiffssafe verträgt, wird ignoriert. In ei­ner 1913 aufgegossenen Neuversion der Überfallgeschichte werden aus den Schwarzen Sombrero tragende, bärtige Gesel­len, die man unschwer als eine hysterische Kopie aus dem ame­rikanisch-mexikanischen Krieg erkennen kann, der erst kurze Zeit zurück liegt.

Dann wieder spekuliert man auf ein jähes Unwetter (was aber die auch damals schon zugänglichen Wetterberichte schlagend widerlegen), religiöser Wahnsinn wird zur Ursache erklärt, letzt­lich werden noch unterseeische Vulkanausbrüche, giftige Gase und vieles andere als mögliche Erklärung des Rätsels angeführt. Vielleicht hat ja auch die Frau an Bord Unglück gebracht? Frau­en auf Schiffen bringen, einem uralten Aberglauben zufolge, stets Unglück …

Doch je mehr man spekuliert, desto nebulöser und rätselhafter wird die Geschichte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Journa­listen und Schriftsteller – darunter ein damals noch relativ unbe­kannter Arthur Conan Doyle – munter Details erfinden, um die Geschichte zu dramatisieren (etwa noch dampfendes Mit­tagessen oder Kaffee). Munter erfinden die sensationslüsternen Interpretatoren fiktive Besatzungsmitglieder, blinde Passagiere und ähnliches. Einer Lösung kommen sie alle nicht näher.

Dabei sagt schon wenige Jahrzehnte nach dem Vorfall ein Inter­pret völlig richtig, wenn man sich dem nähern wolle, was da­mals wohl wirklich passiert sein könnte, dann müsse man ein­fach mehr Details über die beteiligten Personen wissen. Und als schließlich der freie Journalist und Schriftsteller Eigel Wiese aus Hamburg sich des Mary Celeste-Rätsels annimmt, tut er genau das und findet schließlich nach 130 Jahren die Lösung für das Mysterium …

Als ich selbst das erste Mal auf die Mary Celeste stieß, schrieb man etwa das Jahr 1983 oder 1984. Der Name des Schiffes fiel damals im Zusammenhang mit dem Bermuda-Dreieck und rät­selhaften Ereignissen auf See. Obgleich natürlich das Bermuda-Dreieck nicht bis zu den Azoren reicht, war das besatzungslose Geisterschiff Mary Celeste sozusagen der Prototyp für solches Rätsel. Es ist also verständlich, dass ich sofort darauf ansprang, als ich dieses Buch entdeckte. Und dass ich es innerhalb von anderthalb Tagen „verschlang“.

Die beklemmende Lösung hat vieles für sich, wenngleich sie, für sich genommen, nicht richtig phantastisch ist, schon gar nicht so phantastisch, wie es einst Philip José Farmer in seinem Ro­man „Das echte Log des Phileas Fogg“ (Heyne 3980) dargestellt hat. Einerlei. Die langsame Entfaltung der Details, das Aufdrö­seln der einzelnen Hypothesen und ihr genüssliches Widerlegen durch Herausstellen der Widersprüche hat seinen unbestreitba­ren Reiz. Der Autor Wiese kann solide und packend schreiben, er bringt auch dem Laien die nautischen Fachbegriffe nahe, ein Glossar ergänzt das Buch, desselben Skizzen und Zeichnungen sowie zeitgenössische Fotos von den Protagonisten, sodass man sich ein gutes Bild dessen machen kann, was dort geschah.

Wer einmal erfahren möchte, was Menschen aus einer rätselhaf­ten Begebenheit machen und wie diese sich letztlich durch mehr oder minder phantastische Ausschmückungen zur schein­bar unentwirrbaren Legende verknäult, der ist hier genau rich­tig. Und am Ende sieht man das Meer mit anderen Augen, und natürlich auch das Geisterschiff Mary Celeste

© 2005 by Uwe Lammers

Ich habe oben aus gutem Grund die Lösung nicht geliefert. Eine Rezension soll ja nicht originär dazu führen, dass man sie als Er­satzlektüre für das Buch selbst missbraucht. Aber ich kann euch beruhigen – die Lektüre lohnt sich unbedingt, so desillusionie­rend sie vielleicht auch für den munteren Verschwörungstheore­tiker sein mag. Denn die spannendsten Geschichten schreiben eben nicht jene Leute, die in rätselhafte Ereignisse mystizisti­sche Geheimnisse hineinprojizieren. Die spannendsten Ge­schichten schreibt immer noch das Leben selbst, und damit meine ich dann in der Aufarbeitung der Geschehnisse die realen Fakten, die nach und nach ein dramatisches Bild der damaligen Ereignisse sichtbar machen, das der Fiktion kaum nachsteht.

In der nächsten Woche erleben wir mal wieder ein rasantes Abenteuergarn des Fargo-Schatzsucher-Ehepaars aus der Feder eines Clive Cussler-Epigonen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

und wieder sind ein paar Wochen ins Land gestrichen … okay, ein paar Monate, eingestanden. Das gilt zumindest für euch, nicht für mich – denn ebenso wie den vorherigen Teil (Blogarti­kel 607!) dieser Artikelreihe schreibe ich diesen Beitrag am glei­chen 1. März 2025. Das hat damit zu tun, dass die Gedanken zurzeit wunderbar fließen und ich diesen Moment entsprechend zu nutzen gedenke.

Während ich im letzten Beitrag der Reihe doch eher politisch-skeptisch unterwegs war, möchte ich heute einen anderen Ge­danken ventilieren. Und natürlich hat er mit dem Autoren-Nach­lassarchiv-Projekt zu tun, selbstverständlich.

Schon vor vielen Monaten begegnete mir im Gespräch mit ei­nem Autor ein Standpunkt, der mich etwas konsternierte und der mich zum Nachdenken brachte. Und je länger ich darüber sinnierte, desto mehr kam ich zu dem Schluss, dass es sich um ein kurzsichtiges Statement handelt, das verschiedene Ursa­chen haben kann und das gründliches Durchdenken angebracht erscheinen lässt.

Es ist doch so: Wir begegnen ständig antagonistischen Weltsich­ten, wenn wir Gespräche mit anderen Menschen führen. Uns mag ihre politische Einstellung vielleicht nicht gefallen, mögli­cherweise ist unsere Haltung zu allgemeinen Themen nicht kon­gruent, vielleicht ecken sie oder wir damit im Gespräch an. So etwas kommt vor. Widersprüche muss man aushalten können, mit Kritik sollte man als erwachsener Mensch umgehen können, als gestandener Demokrat sowieso.

Von Denkverboten halte ich in dieser Hinsicht wenig. Das führt in der Regel zu engstirnigem, dogmatischem Denken, verstei­nert die Weltsicht und hat üblicherweise eine unangemessene Polarisierung im Gefolge. Nicht selten führt das auch politisch zu falschen Wahlentscheidungen, wie wir beispielsweise in der US-Wahl oder unserer vorgezogenen Bundestagswahl erkennen können. Doch nein, darauf möchte ich aktuell nicht herumrei­ten. Bis dieser Blogartikel im Sommer 2025 erscheint, sieht die Welt vielleicht schon wieder ein wenig heller aus … auch wenn, zugegeben, derzeit wenig dafür spricht.

Ich sollte beim Thema bleiben. Was war das für ein Standpunkt, von dem ich sprach? Nun, ich versuchte im Jahr 2024 verschie­dentlich, Autoren für die Idee eines Autoren-Nachlassarchivs zu begeistern. Eine Antwort hat mich dabei ziemlich vom Kurs ab­gebracht. Der gefragte Autor meinte sinngemäß: „Alles, was ich schreibe, wird auch veröffentlicht. Was ich nicht veröffentliche, kann nach meinem Tod ruhig vernichtet werden. Kümmert mich nicht weiter.“

Ich denke, ihr versteht, dass ich da erst mal schlucken musste.

Das Statement an sich ist eindeutig und nicht irgendwie unklar. Ich hielt es dennoch für falsch. Aber es dauerte lange Monate, bis ich mir darüber klar wurde, wo hier vermutlich das eigentli­che Problem liegt. Es ist vielschichtig, und ich gebe vorab schon zu, dass das, was folgt, lediglich meine eigene Mutmaßung ist und vielleicht nicht wirklich den Kern trifft. Aber das sind so die Gedanken, die mir dazu durch den Kopf gingen:

Der erste Punkt ist der der individuellen Wertschätzung des Schöpfungswerkes des jeweiligen Autors.

Der zweite Punkt ist die Frage der allgemeinen Wertigkeit jen­seits des individuellen Horizonts.

Der dritte Punkt betrifft dann die Frage, ob solch eine Position zu verallgemeinern ist und ob nicht vielmehr der Literaturbe­trieb durchaus antagonistisch dazu unterwegs ist.

Schauen wir uns die Punkte mal der Reihenfolge nach an:

Erstens – generell haben kreative Geister eine abweichende Einstellung zur Qualität ihres Werkes. Ich kenne das von einer befreundeten Künstlerin, deren Werk ich wirklich bemerkens­wert finde … sie selbst stuft es indes als „Gebrauchsgrafik“ ein und wertet es ab. Damit demontiert sie meiner Ansicht nach auch ihr eigenes Selbstwertgefühl. Meiner Ansicht nach völlig zu Unrecht.

Auch bei dem Autor, der dieses Statement von sich gab, könnte man so argumentieren: sein Selbstwertgefühl, was das Ge­schriebene angeht, mag bezüglich fertig gestellter und veröf­fentlichter Werke solide ausgeprägt sein, aber hinsichtlich der nicht vollendeten Texte ist es offenkundig unterentwickelt. Da­mit einher geht offenbar ein Verdikt, alles, was nicht zur Publi­kationsreife entwickelt werden konnte (aus welchem Grund auch immer) in Bausch und Bogen zu verwerfen und für wertlos zu halten.

Ihr kennt mich: Das ist nicht mein Standpunkt.

Zweitens – Auch hier beziehe ich mich, partiell zumindest, auf die grafische Kunst, aber ebenso auf die schriftstellerische Schiene. Ich habe es oft selbst erlebt, dass etwa Brieffreunde, die selbst nicht schreiben konnten, fasziniert waren von dem, was ich schrieb und veröffentlichte. Ebenso erging es mir oft in Lesungen.

Damit wurde deutlich, dass Leser bzw. Gäste von Lesungen ge­genüber den Verfassern/Künstlern gewissermaßen mit verschie­denen Qualitätsmaßstäben operieren. Das kann mich inzwi­schen nicht mehr überraschen. Was für die Künstler selbst viel­leicht nur zu 70 oder 80 Prozent oder weniger „gelungen“ er­scheint, wird vom Publikum, das nicht über die Basisqualifikati­on verfügt, solches zu erschaffen, grundsätzlich sehr viel höher veranschlagt.

Ich denke, hiermit ist offensichtlich, dass der individuelle Künst­ler-Tunnelblick, wie ich ihn mal nennen möchte, wenig geeignet ist, die Wertigkeit der eigenen nicht beendeten Werke zu beur­teilen. Im Zweifelsfall steht dem Künstler sein hoher Perfektions­anspruch im Weg, weswegen womöglich im Fall der Fälle schlussendlich von seiner Seite mehr an Restwerken vernichtet wird, als es tatsächlich sinnvoll ist.

Schauen wir hierzu nur mal zu Künstlern wie van Gogh oder Franz Kafka … wäre tatsächlich alles, was sie nicht zeitlebens veröffentlicht haben, vernichtet worden (wie es bei Kafka expli­zit gefordert wurde!), wäre viel wichtiges Kulturgut verloren ge­gangen.

Solchen kurzschlüssigen Gedanken kann ich mich deshalb nicht anschließen.

Drittens – auch ganz allgemein und bezogen auf den Literatur­betrieb scheint mir ein solches Diktum wenigstens problema­tisch zu sein. Wir brauchen uns hierzu nur anzuschauen, wie viele Werke nach dem Ableben von Autoren noch das Licht der Welt erblicken. Dazu brauche ich gar nicht viele Namen zu nen­nen, ein paar exemplarische mögen völlig hinreichen: Umberto Eco etwa liegt schon lange unter der Erde, Stephen Hawking, J. R. R. Tolkien, Robert Ludlum und Clive Cussler ebenso. Dennoch sind ihre Namen bei Buchveröffentlichungen nach wie vor pro­minent.

Gewiss ist es in vielen dieser Fälle so, dass prominente Namen einfach auf Bücher gedruckt werden, die allenfalls noch ein paar Gedanken oder namhafte Protagonisten des Verstorbenen mit neuen Abenteuern fortführen. Kein Zweifel, so verhält es sich fraglos. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass viele Werke aus nachgelassenen Fragmenten zu Ende entwickelt werden.

Bezogen auf meine eigenen Werke würde ich sagen, dass das meiste von dem, was ich bislang geschrieben habe, noch nicht veröffentlicht worden ist, das bezieht sich besonders auf die großen Weltentwürfe des Oki Stanwer Mythos, des Archipels, der Horrorwelt oder des Erotic Empire.

Werden diese Werke je zu meinen Lebzeiten veröffentlicht wer­den? Das kann ich nicht beurteilen. Aber sollen diese Gedanken nach meinem Ableben eine kurze Restexistenz in einem Papier­container und dann auf einer Mülldeponie fristen? Das ist zu­mindest für mich eine ziemliche Horrorvorstellung, und ich kann mir gut denken, dass das manch anderem Literaten, der diese Zeilen hier liest, sehr ähnlich gehen wird.

Deshalb ist mein Gegenstatement zu dem obigen, das mich so konsternierte, völlig klar: Ich mag ja vielleicht unangemessen stark an meinen Skripten hängen, selbst an denen, die noch nicht zur Publikationsreife geschliffen wurden. Aber meiner Mei­nung nach – wohlverstanden, das ist meine individuelle, nicht zwingend zu verallgemeinernde Ansicht – lohnen es die in die­sen unveröffentlichten Werken steckenden Gedanken durchaus, sie für die spätere Zeit zu bewahren und in einem Autoren-Nachlassarchiv zu überliefern.

Denn denken wir einfach mal ein wenig mehr an die Zukunft. Das mag ein unpopulärer Gedanke sein in der Gegenwart, wo so viele Leute in die vermeintlich „gute alte Zeit“ zurückfallen wol­len und politische Zensur und kultureller Backlash zunehmen … aber lasst euch darauf einfach einmal ein. Nehmen wir Abstand von der Eintagsfliegen-Aufmerksamkeitswelt der sozialen Medi­en und betrachten das, was ich als „long range“ bezeichnen möchte.

Wir entscheiden heute und hier, was wir für die Zukunft überlie­fern wollen. Und wie die Menschen von Morgen über unsere Ge­genwart urteilen, die kurzsichtigen, bisweilen stumpfsinnig-ängstlichen Entscheidungen, die wir fällen. Da kluge Gedanken in einem Nachlassarchiv für die Zukunft aufzubewahren, wenn die brodelnde Politik sich wieder etwas abgekühlt hat, scheint mir ein sehr kluger Gedanke zu sein.

Es wäre vielleicht unklug, jetzt solche Geschichten wie die aus meinem Archipel oder dem Erotic Empire zum aktuellen Zeit­punkt zu veröffentlichen, weil sie nicht so recht dem moralin­sauren Mainstream der Gegenwart entsprechen … aber sie dann komplett zu vernichten, ohne ihnen beizeiten die Gelegen­heit zu geben, ihre Wirkung zu entfalten, halte ich für grundver­kehrt.

Es gibt Zeiten für bestimmte Formen von Literatur, die nicht sel­ten auch mit politisch-sozialen Konjunkturen einhergehen. Und vieles hiervon ist in Zeiten wie den jetzigen eher als antizyklisch zu verstehen … aber das bedeutet nicht, dass diese Ideen ab­sterben sollen, nur weil der Autor nicht mehr am Leben ist.

Vielmehr ist ein wesentlicher Gedanke für ein Autoren-Nach­lassarchiv, genau solche Krisenfälle der Zeitläufte durch Erhalt abzupuffern. Mag es sein, dass ein Autor stirbt, ohne einen wichtigen Roman veröffentlicht zu haben. Oder mag er ein Ma­nuskript fertig gestellt haben, das nicht recht zur gegenwärti­gen Verlagspolitik passt und das deshalb in seinem Nachlass überliefert wird. Selbiges gilt möglicherweise für seine/ihre Ta­gebücher, Korrespondenz, Ideenkladden usw.

Diese Dinge fordern die Schaffung eines Autoren-Nachlassar­chivs, um diesen Kulturgutverlust – mag er von der Seite des Schöpfers der Werke selbst ausgehen, mag er von Verwandten oder ignoranten Vermietern ausgehen, die darin nur nutzloses Papier sehen – zu verhindern.

Nein, ich denke, das Statement des Autors oben, das ich sinnge­mäß eingangs wiedergab, entspricht durchaus nicht den Prinzi­pien, die ich selbst einzuhalten gedenke oder die dem Autoren-Nachlassarchiv-Projekt eigen sein werden. Mag sein, dass mein Denkhorizont utopisch und träumerisch-idealistisch ist. Von mir aus.

Die Träume sind frei, und sie sind der Möglichkeitsraum, in dem sich auch das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt zurzeit noch be­findet. Ich werde mein Möglichstes tun, beides miteinander in Deckung zu bringen. Und ich hoffe, ihr steht mir dabei zur Seite, Freunde!

Soviel für heute zu diesem Thema. In der kommenden Woche reisen wir zurück ins Jahr 2023.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 511: Rendezvous mit Übermorgen [2]

Posted Juni 4th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

mit diesem Roman kehrte der Altmeister Arthur C. Clarke in den Kosmos der Ramaner zurück. Man darf mit Fug und Recht an­nehmen, dass bis auf die schieren Grundideen die gesamte Aus­führung in den Händen des Coautors Gentry Lee gelegen hat. Das ist ein ähnliches Phänomen, wie es heutzutage – und auch schon vor dessen Ableben – mit den Subserien des Bestsellerau­tors Clive Cussler der Fall ist. Das Rezept war also schon in den 90er Jahren durchaus wirkungsvoll, wenn auch noch nicht so verbreitet.

Sieht man einmal von der Frage der originären Autorenschaft ab und lässt sich einfach auf das Abenteuer der zweiten Kontaktge­schichte mit einem ramanischen Raumschiff ein, dann steht demjenigen, der diese Geschichten noch nicht kennt, eine abso­lut spannende, packende Geschichte bevor, die den doch relativ nüchternen, schlichten (wiewohl faszinierenden) Erstkontakt aus dem ersten Roman deutlich und sehr komplex ausbaut.

Jenseits der psychologisch geschickt gezeichneten komplizier­ten Protagonisten und der leider recht plausibel dargestellten weltpolitischen Großwetterlage erfahren die Leute, die in den 70er Jahren noch händeringend mehr über die geheimnisvolle zylindrische Kunstwelt Rama erfahren wollen, außerordentlich mehr über sie. Und der Cliff-hanger am Schluss zeigt überdeut­lich, dass das noch sehr viel weitreichender ist, als man sich das zu Beginn vorstellt.

Wer glaubt, hier nur einer plumpen Wiederholung des Erstlings „Rendezvous with Rama“ beizuwohnen, sollte sich gut an­schnallen – das hier ist etwas vollkommen anderes, im sehr po­sitiven Sinn.

Auf ins Abenteuer:

Rendezvous mit Übermorgen

(OT: Rama II)

von Arthur C. Clarke und Gentry Lee

Heyne 8187

558 Seiten, TB

München 1991

Übersetzt von Roland Fleissner

ISBN 3-453-04590-4

Rund siebzig Jahre lang hat die Menschheit über dem Rätsel des außerirdischen Raumschiffs Rama gebrütet, das im Jahre 2130 das Sonnensystem durchquerte und in die Tiefen des Kosmos wieder verschwand, offenbar, ohne die Menschen, die es mit dem Raumschiff ENDEAVOUR besuchten, auch nur zu registrie­ren.

Es war klar, dass dieser eigentlich nicht direkt stattgefundene Erstkontakt die Menschheit und die kollektive Psyche erschüt­terte. Eine außerdem eingetretene katastrophale weltwirtschaft­liche Rezession mit Aufständen sowie Putschen, die letztlich Mil­lionen von Toten zur Folge hatten und in einem Erstarken funda­mentalistischer Kräfte sowie messianischer Bewegungen gipfel­ten, haben die Menschheit weiter zum Negativen hin beein­flusst. Am Schluss kam es gar zu einem nuklearen Attentat auf den charismatischen christlichen Prediger Michael von Siena, die dazu führten, dass das terrestrische Kolonialreich völlig in sich zusammenbrach und insbesondere alle Anstrengungen be­züglich der Raumfahrt stagnierten.

Als Astronomen im Jahre 2197 feststellen, dass sich erneut et­was aus den Tiefen der Galaxis dem solaren System nähert, ist man deshalb auf diesen Kontakt nicht vorbereitet. Aber in aller Eile wird eine Expedition von zwei Raumschiffen organisiert, ei­nem wissenschaftlichen und einem militärischen, die kurz nach Neujahr 2200 ein Rendezvous mit dem fremden Raumschiff her­stellen sollen. Es erweist sich als baugleich mit Rama I. Auch dieses Schiff ist ein gewaltiger Zylinder mit 16 Kilometern Weite und 60 Kilometern Länge.

Der Kontakt findet planmäßig statt und wird von einer eigenen Berichterstatterin an Bord (Francesca Sabatini) umfassend do­kumentiert. Das Innere des Rama-Raumschiffes scheint vollkom­men baugleich zu sein mit dem ersten Rama-Schiff. Doch das ist nicht das eigentliche Problem.

Das Hauptproblem liegt vielmehr in der psychologischen Dimen­sion der Besatzung der so genannten Newton-Mission.

Da ist der tief religiöse General Michael O’Toole, der von dem heiligen Michael von Siena fasziniert ist; da ist die Bordärztin und Biologin Nicole des Jardins, eine Halbafrikanerin, die allein erziehende Mutter einer fünfzehnjährigen Tochter und zudem einstige Olympionikin ist. Den Vater kennt niemand, aber Nicole hat gute Gründe dafür, ihn zu verheimlichen. Weiter findet man den genialen Rama-Forscher Takagishi, dessen höchstes Ziel es ist, einmal ein Rama-Raumschiff zu erforschen, trotz eines ge­ringfügigen Herzfehlers, der ihn eigentlich aus der Aspiranten­liste ausgesondert hätte – doch er hat die Liste manipuliert, um zum Ziel zu gelangen.

Außerdem findet sich an Bord der Mission Richard Wakefield, ein absolut genialer Mathematiker und Computerspezialist und Shakespeare-Narr, der furchtbare Komplexe hat, was Frauen an­geht. Und dann wäre da noch David Brown, fachlich höchst kompetent, aber zwischenmenschlich ein arrogantes Ekel, der nur auf seine eigene Karriere aus zu sein scheint. Ähnliches trifft auf Francesca Sabatini zu, die vor nichts zurückschreckt, um ihren eigenen Vorteil zu haben, selbst nicht vor Einsatz des ei­genen Körpers im Bett und Drogen, die sie den Crewmitgliedern verabreicht.

Das alles wird dann zum Problem, als sich das Rama-Raumschiff gar nicht so verhält, wie man es von Rama I gewohnt war. Es vollführt Manöver, die nicht vorhersehbar sind (und tötet damit, wohl unabsichtlich, den Kommandanten der Mission). Die Lich­ter im Innern gehen verfrüht an, Bioten, als Kunstwesen der Ra­maner, erscheinen in Gruppen statt vereinzelt. Als die Newton-Crew versucht, einen der Bioten aufzusammeln und einzufan­gen, wird ein Crewmitglied von einem Bioten in Stücke geschnit­ten und dies live zur Erde übertragen.

Das alles ist schon schlimm genug, doch dann verschwindet auch noch Dr. Takagishi. Nicole, die sich besonders für ihn ver­antwortlich fühlt, begibt sich nach „New York“, der Stadt im noch immer gefrorenen Zylindermeer Ramas, um ihn hier zu su­chen. Dabei erleidet sie jedoch einen Unfall und gilt seither ebenfalls als verschollen.

Unterdessen gerät die öffentliche Meinung außer Kontrolle, weil bekannt wird, dass der neue Kurs von Rama II direkt auf die Erde zielt. Xenophobe Terraner fordern daraufhin vehement, dass Rama II mit den geheim an Bord der NEWTON mitgeführ­ten Nuklearwaffen zerstört werden soll, und zwar ganz egal, ob die Verschollenen noch am Leben sind oder nicht …

Die letzten 200 Seiten des Romans handeln überwiegend vom Schicksal Nicoles in Rama II und von denjenigen, die ihr letztlich doch noch zu Hilfe kommen. Erschreckenderweise müssen sie feststellen, dass Rama II offenbar keinen Schutz gegen Nuklear­waffen besitzt. Und die Erde hat bereits einen ganzen Schwarm von Nuklearwaffen abgefeuert, um auf „Nummer Sicher“ zu ge­hen. Eine Flucht von Rama II ist offensichtlich ausgeschlossen, daher beginnt für die Eingeschlossenen nun ein verzweifelter Wettlauf mit der Zeit …

Als ich „Rama II“ das erste Mal 1991 las, war ich fassungslos. Fassungslos über den Einfallsreichtum des Autorenduos, fas­sungslos über die Borniertheit der Entscheidung, Rama II zu zer­stören, und erst recht fassungslos, was das Ende des Romans anging, denn im Nachwort sagte Clarke, dass nach Rama II noch zwei weitere Romane folgen würden, nämlich „The Garden of Rama“ und „Rama Revealed“.

Unglaublich faszinierend war jedoch die Tatsache, dass die Mit­arbeit von Gentry Lee den Charakteren des Roman außerge­wöhnliche Plastizität verlieh, besonders der sehr starken Persön­lichkeit von Nicole des Jardins. Das allein macht den Roman schon sehr lesenswert. Und natürlich alles das, was über den ersten Band hinausgeht.

Sinngemäß wird von Nicole an einer Stelle gesagt, die alte Ex­pedition von Commander Norton (siehe „Rendezvous mit 31/439“/„Rendezvous with Rama“)1 habe lediglich an der Ober­fläche des ramanischen Geheimnisses gekratzt. Nach Lektüre des viel umfangreicheren Bandes Rama II muss ich hinzufügen: Auch der zweite Rama-Roman hat nur an der Oberfläche ge­kratzt, denn viele Geheimnisse bleiben einfach offen. Wer die Peranodonten sind, beispielsweise. Oder welche Rolle die Oktarachniden spielen, auf die sie treffen. Und natürlich, wer die Ramaner sind und warum sie Raumschiffe aussenden, die im 70-Jahre-Abstand die Erde erreichen.

Der dritte Band, „Die nächste Begegnung“, erschien im Juli 1992, also ein gutes Jahr nach dem Band Rama II. Das war noch zu verkraften. Doch der Abschlussband, „Nodus“, kam dann erst Ende 1995 heraus! Und da war mir der zeitliche Abstand defini­tiv zu groß, als dass ich ihn separat gelesen hätte. Also lese ich heute alle Bände noch einmal, dieses Mal mit ganz anderen Au­gen als vor vielen Jahren, und es ist wirklich ein beeindrucken­des Erlebnis, zu sehen, wie sich die Geschichte allmählich gleich einer Blüte entfaltet und schließlich im noch verborgenen vier­ten Band ihren höchsten Stand erreicht. Da lasse ich mich mal überraschen.

Auf jeden Fall ist der Rama-Zyklus voll und ganz lesenswert. Selbst wenn die Titelbilder manchmal wirklich völlig abwegig sind und keinen Inhaltsbezug besitzen und die Titel selbst reine Verlegenheitslösungen zu sein scheinen (abgesehen vom Titel des Abschlussbandes, für den der Verlag wohl keine Alternative mehr fand). Ich vermutete immer, dass bis zur aktuellen Neu­auflage des ersten Bandes des Zyklus die Margarinen-Industrie ihr Veto eingelegt hat („Rama“). Aber Rama scheint heutzutage auf die Buchbranche keinen Einfluss mehr auszuüben …

© 1998 / 2023 by Uwe Lammers

So, ihr könnt wieder durchatmen, Freunde (und bei Bedarf den Roman gleich antiquarisch bestellen, wenn er noch nicht in eu­rem Bücherregal steht – es lohnt sich auf alle Fälle, diese Lektü­reerfahrung nachzuholen!). In der kommenden Woche wird es wieder ein wenig entspannter.

Wir begeben uns auf die hohe See und versuchen da mal, ein historisches Rätsel der Seefahrt zu lösen, das zu allerlei Schau­ermärchen Anlass geboten hat.

Wovon ich rede? Nun, schaut einfach in sieben Tagen wieder rein, dann erfahrt ihr Näheres.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 507 vom 7. Mai 2025.

Liebe Freunde des OSM,

ich musste gestern (10. Dezember 2024) so herzhaft und aus­giebig lachen über ein paar unfasslich witzige Kommentare, die ich vor über zehn Jahren geschrieben hatte, dass mir sofort klar war: Das muss ich euch zum Besten geben, das glaubt man ei­gentlich kaum.

Natürlich, ich könnte jetzt behaupten, was ich damals im Jahre 1984 schrieb, sei einfach nur noch megapeinlich … aber es heißt ja nicht umsonst, dass es von Größe zeugt, wenn man frei­mütig zu den eigenen Fehlern von einst steht. Also führe ich euch heute mal in den digitalisierten KONFLIKT 18 „Kampf ge­gen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (18Neu), in den Band 4, den ich 1984 verfasste.

Ich gebe zu, im ersten Moment, als ich diese neue/alte Baustelle entdeckte, war ich einigermaßen genervt. Inzwischen, mit 48 Stunden Abstand, sehe ich das deutlich gelassener. Ihr solltet die Vorgeschichte kennen, um das Folgende richtig einordnen zu können:

Ihr wisst längst, dass ich zu jeder OSM-Serie sowohl ein Glossar führe als auch parallel dazu eine Lexikonliste. Üblicherweise sind diese deckungsgleich. Ich schreibe eine Episode, drucke sie aus, gehe sie auf Glossarbegriffe durch und übertrage die neu­en/alten Begriffe dorthin bzw. vermerke die ergänzenden Episo­denziffern. Ins Lexikon kommen dann explizit die „Neuzugänge“ an Namen, Begriffen, semantischen Neuerfindungen usw.

Als ich nun dem Gedanken nachging, mir anzuschauen, wie weit ich damit beim KONFLIKT 18 gekommen war, haute es mich ziemlich um. Im Glossar: bis Band 114, also bis zum Serienende. Okay. Im Lexikon: Bis inklusive Band 67! Weiter ging es nicht. Das zeigte mir ernüchternd, dass ich in dieser Serie Lexikon und Glossar unabhängig voneinander entwickelt hatte. Und ersteres war während der Digitalisierungsphase dann völlig abgestürzt und ignoriert worden.

Nicht gut? Wahr. Aber das war ja noch nicht alles.

Ich stellte nämlich aufgrund eines Fußnotenkommentars, den ich 2019 geschrieben hatte, außerdem fest, dass die Glossie­rung der Serie offensichtlich nur den Basistext erfasst hatte. Was bedeutete, dass ich rund 14.000 Fußnoten völlig ignoriert zu haben schien! Das war nun gar nicht mehr lustig.

Aber da Lamentieren bekanntlich nichts hilft und externe Hilfe sowieso nicht in Sicht ist, biss ich kurzerhand in den sauren Ap­fel und begann mit der handschriftlichen Glossierung der Fußno­ten … und damit gelangte ich binnen eines Abends bis Band 4.

Dann musste ich vor Lachen aufhören, echt … denn was ich da fand, war so urig, dass ich aus dem Kichern kaum mehr heraus­kam.

Was hatte ich entdeckt, und was war so aberwitzig? Dazu erst mal etwas Hintergrundkolorit:

Oki Stanwer wird im Jahre 2034 als relativ ahnungsloser Müßig­gänger in London unvermittelt ins Zentrum dämonischer Aktivi­täten hineingezogen, die ihm nach dem Leben trachten. Zu sei­nem Glück ist schon jemand zu ihm unterwegs, nämlich der Deutsche Gerd Kartland von der WEOP, der Weltgemeinschaft zur Erforschung Okkulter Phänomene. Dabei handelt es sich um eine weltweit operierende philanthropische Organisation mit Sitz in Rom, die paranormalen Phänomen nachspürt, einer Enti­tät namens TOTAM und den mysteriösen SIEBEN SIEGELN VON TOTAM.

Oki wird von der WEOP protegiert und in diverse dämonische Zwischenfälle einbezogen. Einer davon ereignet sich in Grie­chenland, wo Menschen auf rätselhafte Weise versteinern. Dort spielt der KGTDUS-Band 4, um den es hier geht.

Die WEOP ist natürlich eine internationale Organisation, und wie das bei solchen Institutionen – etwa der UN oder auch dem bü­rokratischen Apparat der Europäischen Union zu eigen ist, kommt es zu internationalen personellen Verflechtungen.

Ich übertrieb es aber in meiner argen Naivität auf so unfassliche Weise, dass mein 2011 gemachter Kommentarapparat zu KGTDUS 4 bisweilen recht bissig ausfiel.

Nehmen wir etwa die Fußnote 248. Sie kommentiert eine Stelle, an der ein (aufpassen!) griechischer Polizeibeamter namens „Franco“ auftritt. Ich notierte dazu in der Fußnote: „Franco! Ach, was für ein herrlicher griechischer Name! Sag mal, war ich damals total bescheuert? Deutsche, die in England leben und in München arbeiten (Ray Braun). Griechen mit italienischem Namen, die auf Französisch fluchen … also, Kosmopolitismus ist was Schönes, aber das ist wirklich eine Lachnummer. Das geht ja überhaupt nicht!“

Ihr merkt schon, dass ich ziemlich säuerlich dreinblickte. Aber es ging noch weiter in dieser Episode. Nun wisst ihr zumindest schon einmal, woher dieser Blogartikel seinen Titel hat.

Weiter geht es mit der Fußnote 268. Hier wird das Zusammen­treffen Oki Stanwers und Gerd Kartlands mit Franco Benici (ja, schon wieder ein Franco, aber darum geht es hier jetzt nicht) beschrieben. Er ist Leiter der griechischen WEOP-Zentrale.

Mein Kommentar dazu lautete folgendermaßen: „Das muntere Nationalitätenwechseln geht weiter. Möglicherweise ist auch ein Japaner bei der WEOP-Niederlassung in Nairobi führend, und ein Senegalese vertritt die WEOP im Ural, oder was? Gescheit ist das nicht, weil es z.B. die Zusammenarbeit mit den lokalen Be­hörden und der örtlichen Bevölkerung erschwert. Natürlich wür­de ein solches Rotationssystem Korruption erschweren, das will ich nicht bestreiten. Es ist aber zu zweifeln, ob ich damals so weit gedacht habe. Auch hier betone ich einmal mehr: ich muss in den Anfangsbänden viel mehr über die Struktur, Größe, das Alter usw. der WEOP unterbringen.“

Aus der Kommentierungstiefe ist schon recht klar erkennbar, dass ich eine Menge Defizite und abenteuerliche Übertreibun­gen durchaus kritisch zu hinterfragen wusste. Aber der Band hatte ja noch einen Klopfer für mich parat. Dazu schauen wir uns mal Fußnote 282 an.

Hier geht es um Themistokles Thuronis, einen griechischen Dä­monenjäger, der nach dieser Passage von sich selbst behauptet, „ein Geist von den Sternen habe ihn geküsst und auserkoren“. Deshalb habe Benici an die WEOP übermittelt, es handele sich vielleicht um einen Fall von Seelenwanderung.

Und dann kam mein Kommentar dazu: „Moment! Widerspruch zum letzten Band, wo stand, THURONIS habe sich als jemand bezeichnet, der einer Seelenwanderung unterlag. Hier ist es Be­nici, der das VERMUTET und diese Vermutung an die WEOP wei­tergibt. Der Stille-Post-Effekt wirkt offensichtlich auch auf dieser Ebene. Demnächst hätte er vermutlich noch behauptet, TOTAM sei ein Gastwirt in Thessaloniki, und man könne ‚die Macht des Bösen’ einfach so festnehmen, hm? Hallo? Was ist denn das al­les für ein Quatsch?“

Ehrlich, Freunde, ich lachte Tränen. Ich konnte nicht mehr. TO­TAM als „Gastwirt aus Thessaloniki“! Keine Ahnung, wo das her­kam, aber es war einfach nur noch grotesk urig.

Die Episode enthält noch sehr viel mehr absurde Stellen, aber diese drei Fußnoten (von insgesamt 100, die die Episode spren­kelten, als ich sie anno 2011 abschrieb), sind zweifellos das Highlight.

Selbst wenn man bedenkt, dass ich zu der Zeit, als ich die Epi­sode schrieb, vor gut 40 Jahren also, gerade mal 17 Lenze zähl­te, hätte ich mir soviel Unsinn doch nicht gestatten sollen.

Und was den vermeintlichen Kosmopolitismus angeht … ich hat­te einfach so überhaupt kein Gespür dafür, dass das Personal solcher Organisationen im Kern immer noch mit relativ stark re­gional verwurzeltem Personal besetzt sein würde. Das ist bei der WEOP natürlich auch nicht anders. Und Leute in Ermange­lung passender griechischer Namen (und Flüche) mit italieni­schen Namen und französischen Flüchen agieren zu lassen, ist eigentlich nur noch peinlich. So etwas muss natürlich in Zukunft vermieden werden. Hier suchte ich händeringend nach etwas „Passendem“ und tapste von einem Fettnäpfchen ins nächste, und heraus kam eine groteske Lachnummer wider Willen.

Was mir in dem Zusammenhang aber absolut peinlich ist (und da muss ich auch eine dezente Rüge Dritten gegenüber aus­sprechen), das ist die Dreistigkeit, mit der ich diese Episoden dann Dritten zur Veröffentlichung in Form eines Fanzines weiter­reichte … was 1989 dann auch tatsächlich geschah!

Ich sage nicht, wo und bei wem das passierte, aber demjenigen ist nachträglich natürlich ebenso zu attestieren, dass sein Quali­tätsbewusstsein ähnlich gering ausgeprägt war wie meines als Verfasser.

Doch das ist Schnee von gestern. Wir haben uns da beide däm­lich angestellt, Schwamm drüber.

Damit schließe ich mal wieder die „Fehlerlese-Akten“, wie ich das hier nennen möchte. In der kommenden Woche gelangen wir wieder in die Gegenwart, dann schreibe ich ein wenig zum Autoren-Nachlassarchiv-Projekt.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 510: Attentat

Posted Mai 28th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Mord ist nie eine Lösung – so ist zumindest meine Auffassung nach 57 Lebensjahren. Ich habe genug historische Indizien ge­sehen und gelesen, um das immer wieder in der Geschichte der Menschheit bestätigt zu finden. Denn ganz ungeachtet, ob es Einzelpersonen sind, die töten oder Staatenlenker, die im staat­lichen Auftrag töten lassen … sie werden damit selbst schuldig und verwerfen jedwede demokratische Verhandlungslösung und treten das moderne Strafrecht mit Füßen. Aus denselben Grün­den bin ich auch kategorisch gegen die Todesstrafe.

Meiner Ansicht nach sind alle Argumente für die Todesstrafe – oder eben auch Attentate, also politischen Mord – fadenschei­nig. Entweder handelt es sich um Bequemlichkeitslösungen, weil man den oftmals beschwerlichen Verhandlungsweg scheut, oder man fanatisiert Menschen auf politische, ideologische oder religiöse Weise und führt sie so zu wahnhaften Mordaufträgen. Mitunter ist es auch schlichte, blinde Rachsucht, die noch nie ein guter Ratgeber war.

Gerade in der Gegenwart sehen wir im Nahen Osten, dass das stumpfsinnige Rezept, eine Terrororganisation mittels Attentat zu „enthaupten“ und so zur Auflösung zu bringen, einfach nicht funktioniert.

Vielleicht ist das ein guter Anlass, einmal einen Blick zurück zu werfen in die Geschichte und sich anzusehen, ob es jemals an­ders war, ob politischer Mord je zu einer wirklichen Verbesse­rung geführt haben könnte. Es gibt dazu Literatur, und eine klei­ne Einstiegslektüre dafür habe ich euch heute herausgesucht:

Attentat

Mord mit gutem Gewissen

Von Julius Cäsar bis Jitzhak Rabin

Jörg von Uthmann

Siedler 75508, Juni 1998

194 Seiten, TB

ISBN 3-442-75508-5

Ein gutes Gewissen, so schreibt der Autor, hatten die Attentäter stets, wenn sie aufbrachen und ihren mörderischen Auftrag aus­führten. Vom eigenen Gewissen getrieben, von wahnhaften Ide­en besessen oder ausgeschickt mit religiösem oder politisch-ter­roristischem Motiv brachten sie Männer von weltpolitischer Be­deutung um. Das konnten unbequeme Kleriker sein wie Thomas Becket oder herausragende, bisweilen selbst diktatorische Herr­scher (etwa Jean-Paul Marat). Minderheiten wandten mörderi­schen Terror an, um sich an die Macht zu putschen oder dies wenigstens zu versuchen, andere Attentäter zielten auf Rache an repräsentativen Personen, die sie für eine grundlegende Ver­änderung des politischen Systems verantwortlich machten, in dessen neuen Bahnen sie keinen Platz mehr fanden.

Der Autor Jörg von Uthmann, langjähriger Diplomat, Journalist und inzwischen freier Schriftsteller, geht hierbei chronologisch vor und greift aus der fast unüberschaubaren Zahl von politi­schen Morden nur 25 Personen heraus, die er in neunzehn knappen Essays bespricht. Dennoch, damit schafft er einen Bo­gen der blutigen Fortsetzung des Krieges mit den sinistren und kryptischen Mitteln der Verschwörung, des Wahnsinns und der schieren Mordlust, dass es den Leser schaudern machen kann.

Ob es um Tyrannenmord geht (wie er im Fall von Julius Cäsar diskutiert), die Beseitigung eines politisch schwierigen Monar­chen wie Heinrich IV., ob die legendäre Wallenstein-Tragödie verfolgt wird oder der verstörende und bis heute nicht ganz ge­löste Fall von Kaspar Hauser, oftmals geht es um dynastische Verflechtungen, die sich offenkundig auf politische Weise nicht lösen lassen oder um Leute, deren bloße Existenz für Herr­schende zur Gefahr wird.

Eine andere Qualität haben solche Morde an Literaten wie Au­gust von Kotzebue, Politikern a la Malcolm X, Martin Luther King und Mahatma Gandhi. Hier erfolgt die Legitimation gerne durch das „Volksgewissen“ oder religiöse Inspiration. Es gibt auch of­fenkundige Einzeltäter wie den Kennedy-Mörder Lee Harvey Os­wald (hier scheut sich von Uthmann auch nicht, Oliver Stone, dem Regisseur des Films „JFK“ massive Geschichtsklitterung nachzuweisen), so dass man sagen kann, alle wesentlichen „Muster“ von Attentätern und Attentaten seien in dieser knap­pen Auswahl berücksichtigt.

Zu sagen, man würde nur wohliges Gruseln verspüren, wenn man diese Ausflüge in die Geschichte mitmacht, hieße indes, zu kurz zu greifen. Jörg von Uthmann bettet die Morde schon in die historische Vorgeschichte ein, allerdings merkt man zum Ende des Buches hin, also etwa ab der Mitte des 20. Jahrhunderts, wie der Duktus hastiger und oberflächlicher wird. Das raubt dem Werk einiges an Qualität. Dennoch stellt er anschaulich und gut einführend dar, wie Täter und Opfer biografisch aufge­baut waren, was die Attentäter bezweckten und was sie letzten Endes erreichten. Das Resümee, dass keiner der Attentäter schließlich das intendierte Ziel erreicht habe, mag auf den ers­ten Blick erleichtern. Aber es ist von den Zeitläuften leider über­holt worden:

Das letzte behandelte Attentat fand am 4. November 1995 in Tel Aviv auf den israelischen Premierminister Jitzhak Rabin statt. Der Attentäter Jigal Amir, dessen erschreckendes Lächeln auf dem letzten Foto des Buches zu sehen ist, kommentiert von Uthmann folgendermaßen: „Als Amir dem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde, zeigte er nicht die geringste Reue. Mit heite­rer Miene bekannte er sich zu seiner Tat. War die Heiterkeit be­rechtigt? Auf kurze Sicht schon: Rabins Beseitigung hat den Ausgleich mit den Palästinensern fraglos um Jahre verzögert. Dass sie ihn ein für allemal verhindert hätte, ist dagegen zu be­zweifeln. Die Mehrheit der Israelis ist kriegsmüde und bejaht den Friedensprozeß. Daher ist die Hoffnung erlaubt, dass es nicht Amir ist, der zuletzt und am besten lacht.“

Bedauerlicherweise hat sich durch die israelischen Regierungen Netanjahu und inzwischen Scharon der politische Kurs in Israel dramatisch radikalisiert.1 Der Friedensprozess muss inzwischen als tot bezeichnet werden, die Tausende von Opfern, die seither auf beiden Seiten zu beklagen sind, namentlich durch Terroran­schläge und „Vergeltungsmaßnahmen“ der israelischen Armee, dies alles deutet nicht darauf hin, dass ein Frieden im Nahen Osten in greifbarer Nähe ist. Bis heute, würde ich also konstatie­ren, hat Jigal Amir – zu wie vielen Jahren Haft er auch immer verurteilt worden sein mag – , der Mörder Rabins, vermutlich al­len Grund zum Lachen. Bedauerlicherweise.

Wer übrigens lesen möchte, was Historiker zum Thema Attentat zu sagen haben, der sei auf den ausgezeichneten, vom Berliner Historiker Alexander Demandt herausgegebenen Aufsatzband „Das Attentat in der Geschichte“ (suhrkamp 2936, 1999) hinge­wiesen. Er rekurriert im Vorwort direkt auf das hier rezensierte Werk. Zum Teil findet man bei Demandt dieselben Fälle, die auch von Uthmann behandelt, hier indes mit umfangreichem Fußnotenapparat und historisch-kritisch durchleuchtet. Wer also mit von Uthmanns kurzem Buch einsteigt, kann bei Demandt seine Kenntnisse erweitern und vertiefen.

Prädikat: mit Abstrichen als Einstiegslektüre geeignet.

© 2004 by Uwe Lammers

Ja, ich gebe zu, das war ein ungenießbares Thema … aber wie ihr an meiner Nachbemerkung sehen könnt, ist es traurigerwei­se immer noch so, dass die Menschheit nicht klüger geworden ist und es nach wie vor verblendete Volltrottel gibt, die der An­sicht sind, „Rübe ab“ sei ein probates Mittel, um politische, soziale oder religiöse Probleme zu lösen.

Das ist, wie beispielhaft das Trump-Attentat im vergangenen Jahr zeigt, nicht einmal auf nahöstliche Staaten, Diktaturen oder dergleichen Staatsformen beschränkt, das kommt durchaus auch in westlichen Demokratien vor, wo Gewalt als vermeintli­ches Mittel der Konfliktlösung sich in den letzten Jahren immer stärker wieder positioniert hat.

Wie ich eingangs sagte, halte ich das für einen Fehler und Irr­weg, aus dem nichts Gutes erwachsen kann. Wir müssen leider einfach mal schauen, wie sich die Dinge weiter entwickeln und das Beste hoffen.

In der nächsten Woche entführe ich euch in eine ferne Zukunft, in eine Welt, in der das solare System erneut von einem Alien-Raumschiff Besuch bekommt … von RAMA II.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Nachtrag vom September 2024: Wenn man sich 20 Jahre nach den obigen Zeilen an­schaut, wie sehr sich die Lage in Israel-Palästina nach Scharons Tod und der erneuten Machtübernahme durch Netanjahu verhärtet hat, sind die obigen Bemerkungen eher noch verharmlosend zu nennen. Die Zeichen stehen leider im Nahen Osten weiterhin auf Krieg, Mord und Totschlag – und die israelische Regierung ist hier gleichfalls sich nicht zu schade, zum Mittel des politischen Mordes, also des Attentats, zu greifen. Dass das dem Frieden in irgendeiner Weise dienlich ist, konnte man damals schon be­zweifeln, heute ist es gänzlich ausgeschlossen.

Liebe Freunde des OSM,

dieser Monat war ein wenig chaotisch. Und im Nachhinein ent­decke ich diverse Schreibfehler darin, die mir deutlich zeigen, dass ich nicht so ganz bei der Sache war, als ich in meinem Schreibheft meine Eintragungen machte. Das verdrießt mich ein wenig, eingestanden. Vielleicht zeigt es auch auf, dass ich alt und schusselig werde … auch wenn ich natürlich auf das Gegen­teil hoffe und es für eine vorübergehende Phase halte.

Mir geht zurzeit einfach viel im Kopf herum, zahlreiche Probleme widersetzen sich einfachen, schnellen und zufrieden stellenden Lösungen, und dass mich das ablenkt, ist vielleicht nachvoll­ziehbar. Sobald ich hier wieder etwas Ordnung hineingebracht habe, so meine optimistische Hoffnung, wird sich das alles wie­der ein wenig stabilisieren und die Fehlerquote in meinen Listen nachlassen.

Der Monat September, der uns ja noch ein paar sehr warme Tage bescherte, war ein Monat, in dem ich recht viel geschrie­ben habe. Mit knapp 900 Textseiten – worin ich wie immer aller­dings auch solche eingerechnet habe, die aktualisierte Listen­seiten betreffen – blicke ich auf ein Textvolumen zurück, das man im Grunde zufriedenstellend nennen kann. 23 Werke konn­ten vollendet werden, und eine ganze Menge mehr sind noch auf dem Weg der Vollendung. Schauen wir mal, wie viel davon auf den OSM, den Archipel oder das Erotic Empire entfallen sind oder was es an diesbezüglichen Baustellen noch so gibt:

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

Blogartikel 612: Work in Progress, Part 141

(Die Kolonie Saigon II – Erotic Empire-Roman)

20Neu 25: Rücksturz aus dem Silbernen Kosmos

23Neu 24: Stadt der Dämonen

Anmerkung: Auch hier gilt, wie für zahllose frühere Work in Pro­gress-Artikel – lasst euch nicht von der Reihenfolge der Episo­den irritieren. Sie werden nicht en bloc nacheinander geschrie­ben, sondern so in der Reihenfolge eingetragen, in der ich die Dateiversionen begonnen habe. Sie sind dann schon in der nu­merischen Reihenfolge vollendet worden.

23Neu 20: Die Ruinenmetropole

23Neu 21: Hort der Rätsel

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“)

23Neu 22: Zielpunkt 1991

Anmerkung: Die Jahreszahl wirkt natürlich heute ein wenig sehr anachronistisch. Aber ihr müsst bei dieser Angabe zweierlei be­rücksichtigen. Zum einen liegt der Ausgangspunkt der Ge­schichte im Jahre 2021, sodass damit eine Zeitreise um 30 Jah­re in die Vergangenheit verbunden ist. Zum anderen handelt es sich nicht um unsere Welt. 1991 ist die Schildwelt schon seit Jahrzehnten ein nukleares Chaos … ausgenommen der Mittel­meerraum, der unter GOLEMS magischem Schild liegt. Und Oki Stanwer reist hier nach Sizilien, das noch fast so idyllisch ist wie in unserer Gegenwart … nun, wenn da diese mörderischen, kannibalischen Laurins nicht wären, unheimliche, quasi unsicht­bare Bestien, mit denen er es zu tun bekommt …

23Neu 23: Attentat auf GOLEM

(OSM-Wiki)

(VvD 21: Alarmsignale)

(20Neu 28: Welt der Grabmäler)

Anmerkung: Das ist eine schaurige Geschichte. Zwei verzweifel­te Yooner werden aus Lebensgefahr gerettet – von niemand Ge­ringerem als einem Wesen, das nur aus bleichen Knochen be­steht, von dem legendären Totenkopf-Propheten TK 40112. Und er führt sie zu einem trostlosen Planeten, auf dem „sein Volk“ schlummert – Milliardenheere von Totenköpfen, die auf seinen Weckruf warten …

Wer mal das E-Book „Mein Freund, der Totenkopf“ gelesen hat, sollte sich mal ein Milliardenheer von absolut humorlosen Untoten vorstellen, das aufgeweckt werden soll, um in den Krieg zu ziehen … das steht hier nämlich direkt bevor.

(Glossar des Romans „Die Kolonie Saigon II“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“)

(23Neu 25: Der falsche Zwerg)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“)

Anmerkung: Das ist jetzt vielleicht eine Überraschung für euch. Dieses Seriendigitalisat habe ich doch schon 2020 abgeschlos­sen, falls ihr euch daran noch erinnert. Das stimmt. Aber in die­sem Monat ging ich einem unterbewussten Impuls nach und schaute, wie denn der Stand des dortigen Lexikons und Glos­sars aussah … und mein Verdruss war vermutlich unumgäng­lich.

Verdammt! Die meisten dieser Begriffe dort habe ich doch schon längst in anderen Glossaren erklärt! Warum sind diese Erklärungen hierhin noch nicht übertragen worden?“, grollte ich. Und nahm mir vor, das umgehend zu ändern.

Wisst ihr, solche Glossar- und Lexikonarbeiten können eine ver­dammte Suchtgeschichte sein. Und bei all der kleinteiligen Ar­beit daran merkt man echt nicht, wie die Zeit verstreicht. Nun, das Resultat dieser mehrtägigen Arbeiten war, dass ich letzten Endes 58 Seiten mit noch offenen Lexikonbegriffen vor mir lie­gen hatte … und bis zum Monatsende waren alle Begriffe bis auf 16 Seiten (!) komplett übertragen und erklärt. Jetzt sind nur noch die offen, die serien-endemisch sind, wie ich das mal nen­nen möchte. Dafür muss ich also die Digitalisate zu Rate zie­hen, um sie zu erklären. Aber dieser Fall allein zeigt schon – in einigen anderen Serienglossaren sieht es nicht besser aus, mer­ke ich hier an – , dass hier vieles liegengeblieben ist, was längst fertig gestellt sein könnte. Das ist auch so ein Grund, warum ich speziell im September so viel an Serienglossaren und Serienle­xika gearbeitet habe. Die rauben nun mal viel Zeit und schrei­ben sich leider nicht von selbst.

VvD 26: Schneise der Verwüstung

Anmerkung: Natürlich ist mir bewusst, dass es hier in der Serie noch einige frühere Episoden gibt, die noch nicht fertig gestellt sind. Sie betreffen aber glücklicherweise andere Schauplätze. Und ich deutete ja jüngst schon an, dass es mich nach dem Ab­fassen von Band 25 „Das Monster von Dyllawaar“ sehr reiz­te, hieran weiterzuschreiben. Und so war das einfach unum­gänglich.

Ich kann nur sagen: Die Leute in Dyllawaar tun mir von Herzen leid. Je länger das Yiviin-Wesen seiner Verwüstungsspur folgt, desto mehr beginnt blanke Panik zu regieren. Jedenfalls bei den meisten Leuten … glücklicherweise nicht bei allen.

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“)

(VvD 27: Der Verzauberungs-Faktor)

Anmerkung: Ja mei, was ist denn das? Zauberei in der VvD-Serie? Kommt man mit Wissenschaft nicht voran, ruft man die Magier? Nein, so läuft das hier absolut nicht. Die Sache mit die­sem Abschlussband der Yiviin-Trilogie sieht völlig anders aus. Während Yiviin weiterhin Raumschiffe verschlingt, Planeten­sphären verwüstet und die Verlustzahlen dramatisch ansteigen, kommt einer Person ein scheinbar abwegiger Gedanke, der zur Verfolgung einer nachgerade selbstmörderischen Lösung führt. Und obwohl ich das Ende schon gesehen habe, ist der Weg dorthin noch etwas verschleiert und unklar … also muss der Ge­danke noch nachreifen. Ich bin aber zuversichtlich, im Oktober die gesamte Handlungsführung zu sehen. Und dann bin ich ruckzuck fertig mit der Episode.

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Verteidiger von Demor“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Verteidiger von Demor“)

Blogartikel 583: Das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt, Teil 11

(23Neu 26: Weltenroulette)

(23Neu 27: Fremde in Amerika)

Anmerkung: Als ich an diesen Band kam, konnte ich mit dem Schreiben wirklich nicht mehr aufhören. Wir befinden uns auf der nachmaligen Schildwelt im Jahre 1904, direkt in den Tagen, in denen ein nuklearer Weltkrieg die Menschheit beinahe voll­ständig ausrottet. Und Oki Stanwer taucht via Zeitreise bei ge­landeten Außerirdischen auf, die noch nie von ihm gehört ha­ben … auch nach über 30 Jahren immer noch eine mitreißende Geschichte.

(Glossar der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“)

(Lexikon der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“)

(23Neu 28: Der Jüngste Tag)

(23Neu 29: SARAI STANWER)

Anmerkung: Und auch das war ein Band, den ich unumgänglich als Digitalisat beginnen musste. Sehr handlungsarm, aber das spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Person, die hier gebo­ren wird, Oki Stanwers Tochter, von deren Ruhm die Matrix schon seit Jahrtausenden kündet, wird in dieser Serie so ziem­lich alles niederreißen, was es gibt, und mit ihrem Auftauchen bricht im OSM tatsächlich eine ganz neue Zeit an … das war mir in voller Konsequenz vor gut 30 Jahren nicht wirklich klar. Aber mit meinem heutigen Wissen ist unübersehbar, dass damit das moderne OSM-Handlungskonzept begann.

Ein Handlungskonzept, in dem der PROPHET und die TUURIN­GER zentrale Rollen spielen, die GRALSJÄGER und die „Teile der Seele“, in der die Identität der Sieben Lichtmächte gelüftet wird und die Netzuniversen entstehen und die Basis der Neutralen … ja, ja, ich bin ja schon still. Aber ihr merkt, dass mich dieser Punkt des OSM, damals kurz vor Band 700, ziemlich bewegt.

20Neu 26: Wandlerstation 436

(Vivica auf Abwegen – Archipel-Roman)

Anmerkung: Auch dieses Werk ist natürlich noch nicht fertig. Ich entdeckte am letzten Tag des Monats, dass hier noch eine Men­ge Handlungsbedarf ist und machte mich daran, etwas nachzu­formatieren. Ärgerlicherweise stehen manche Teile der schon gut 70 Seiten langen Geschichte im Präsens, andere im Imper­fekt, viele Dialoge sind nur angedeutet … und das über einen Handlungszeitraum, der mindestens fünf oder sechs Jahre um­fasst.

Da ist noch eine Menge Arbeit zu investieren, ehe aus diesem Romanfragment eine gescheite Geschichte wird. Kommt Zeit, kommt auch das, was noch alles hieran fehlt. Da muss ich ein­fach geduldig bleiben.

Damit sind wir dann am Ende dieses arbeitsreichen Monats an­gelangt. Und ich sage nur die reine Wahrheit, wenn ich betone, dass ich sicherlich sehr viel mehr fertig gestellt hätte, wenn ich nicht so ausgiebig durch die Lexikon- und Glossararbeiten klein­teilig abgelenkt gewesen wäre. Aber ich klage nicht – diese Din­ge sind zwingend erforderlich. Ich merke das besonders am 16Neu-Glossar, das inzwischen schon über 400 Seiten (!) um­fasst. Wenn ich das in naher Zukunft in das Gesamtglossar überführe, werde ich das in drei Teile aufspalten müssen, damit ich damit noch ordentlich arbeiten kann.

Worum wir uns in der nächsten Woche kümmern, werde ich hier noch nicht verraten. Lasst euch da mal überraschen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.