Rezensions-Blog 80: Die Verwechslung

Posted Oktober 4th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal wieder leichte Lesekost für Leute, die einfach nur muntere Unterhaltung und vergnügliche Verwirrungsgschichten sowie emotionale Ach­terbahnen mögen. Also keine dramatischen Reisen in die Abgründe der menschlichen Seele, in kriegszerrissene Krisenregionen oder kosmische Konflik­te. Wir bleiben völlig bodenständig heute.

Im Jahre 2002 begann ich damit, auch gelegentliche erotische Romanstoffe zu rezensieren, wenn mir danach war. Das lag irgendwie nahe, denn im Januar des­selben Jahres verfasste ich einen summarischen Artikel über erotische Literatur mit dem Titel „Die natürlichste Sache der Welt“, der allerdings erst im Novem­ber 2003 in dem Fanzine BWA 242 des Science Fiction-Clubs Baden-Württem­berg (SFCBW) erschien.

Das unten präsentierte Werk schien mir auch deshalb damals rezensionswürdig, weil es mich von der Atmosphäre und dem Verhalten der Protagonisten recht deutlich an die von mir geschätzte Autorin Diana Gabaldon erinnerte. Ob diese Parallele von mir mit Recht so gesehen wurde, das überlasse ich eurem Urteil. Ich denke, die Schatzsuchergeschichte, die hier überraschend ausgebreitet wur­de, hat auch heute noch ihren Reiz:

Die Verwechslung

(OT: Treasure Hunt)

von Catriona Beck

Heyne-TB 12062

256 Seiten, 1999

Übersetzt von Laura Schmidt

Was doch eine Verwechslung so alles auslösen kann.

Da sitzt die junge Chrissy allein in einem Pub, ärgert sich über ihren Exfreund Marc, der ihr Leben bestimmen wollte, und plötzlich wird sie von einem wild­fremden, aber äußerst attraktiven Mann angesprochen, der abgehetzt herein­kommt und sie offenkundig mit einer anderen Frau verwechselt. Ehe sie sich versieht, befindet sich Chrissy mit ihm in einem Zimmer und in der Rolle der un­bekannten Clarissa: die hat sich mit dem Mann wohl verabredet, um Sex zu ha­ben. Ein wenig abenteuerlustig, verwirrt, aber rasch sehr erregt macht Chrissy mit und genießt die Lust in vollen Zügen.

Freilich kann sie mit den Bemerkungen des Mannes, der seinen Namen nicht nennt – Chrissy kann ihn schlecht danach fragen, denn ER verwechselt sie schließlich mit Clarissa, mit der er schon geschlafen hat! – nicht viel anfangen. Da geht es um eine „Schatzsuche“, um eine Rivalin dabei… und darum, dass das Zimmer, in dem sich die beiden nun gerade vergnügen, für zwei Nächte gebucht sei. Und dass morgen ein anderer „das Vergnügen“ (mit ihr!) haben werde.

Nachdem der Fremde verschwunden ist, bleibt die schöne Chrissy völlig ver­wirrt, aber auch seltsam befriedigt zurück. Endlich, spürt sie, hat sie wieder Freude am Sex, und diese anonyme Befriedigung mit Männern, die sie nicht kennt, löst überwältigende Genugtuung aus. Keine Verpflichtungen mehr, keine emotionalen Dramen, einfach nur ab ins Bett und Action. Sehr bequem! Sie be­schließt deshalb, am nächsten Abend wieder herzukommen.

Als Chrissy das tut, stößt sie (wenig überraschend) auf die rätselhafte Clarissa, eine stolze, ihr optisch sehr ähnliche Frau, die ihr nicht mal Vorwürfe macht, dass sie mit Phil gevögelt hat. Ganz im Gegenteil! Im Verlauf der nächsten paar Minuten – bis der nächste Mann auftaucht, der sich eigentlich mit Clarissa ver­gnügen soll – erklärt die hinreißende Blondine, was eigentlich vorgeht.

Sie ist nämlich keineswegs eine Kurtisane, sondern sowohl sie als auch ihre Ri­valin Portia sind gelangweilte reiche Frauen, die sich in diesem Sommer einen Spaß daraus gemacht haben, eine Art von „Schatzsuche“ zu veranstalten. Der­gestalt, dass es eine „Schatzkarte“ gibt, auf der jede Frau ihre sexuellen Erobe­rungen zusammenstellt. Am Ende einer Woche wird zusammengerechnet. Die Verliererin bezahlt aus ihrem Vermögen einen hohen Betrag und spendet ihm einem wohltätigen Zweck.

Nun… nur hat Clarissa inzwischen einen Mann kennengelernt, der ihr mehr be­deutet als die Schatzsucheraktivität… und sie möchte eigentlich gerne eine Stellvertreterin ins Rennen schicken, um sich selbst an einen fernen, lauschigen Ort mit ihrem Lover zu begeben. Zufällig ist Chrissy zur Stelle gewesen und hat einige Bereitschaft gezeigt, mitzumachen.

Etwas überrumpelt erklärt sich Chrissy bereit, den Job zu übernehmen, darf da­für in Clarissas Haus wohnen und bekommt sogar – wie Portia auch – eine Art von „Makler“ gestellt, der die „Kontakte“ mit den Männern vermittelt.

Sie ahnt nicht, dass genau dies das Problem sein wird.

Ross Sinclair, der besagte „Makler“, ist ein Eisschrank von einem Mann, über­wältigend attraktiv auf alle Fälle, aber offenkundig für weibliche Reize nicht zu­gänglich. Das glauben wenigstens Portia ebenso wie Clarissa. Sie täuschen sich, und er selbst macht sich auch etwas vor. Das wird in dem Moment klar, als er Chrissy zum ersten Mal sieht und von einer unbezähmbaren Begierde gepackt wird. Die junge angehende Studentin fesselt seine Aufmerksamkeit dermaßen, dass es seine gesamten Handlungen durcheinanderbringt.

Auf der anderen Seite kann Chrissy nicht verleugnen, dass Ross sich auch in ihr Herz geschlichen hat. Aber zwischen beiden steht die Schatzsuche, die Ross ka­tegorisch ablehnt, die Chrissy aber als Mittel zum Zurückgewinnen ihrer weibli­chen Autonomie ansieht. Sie kommen deshalb nicht recht zueinander. So begin­nen rasch Missverständnisse aufzutreten und sich zwischen ihnen zu entladen…

Strukturell ist „Die Verwechslung“ schlicht und unscheinbar. Die Ideen, die dar­in zum Ausdruck kommen, sind bekannt und werden hier nur variiert. Insofern nichts Besonderes. Doch was den Roman wirklich über sonst eher stumpfsinni­ge erotische Romane heraushebt, ist die Art und Weise, in der die Autorin die emotionale Beziehung zwischen den beiden Hauptprotagonisten Chrissy und Ross gestaltet.

Wer die Romane von Diana Gabaldon liebt, wird unschwer erkennen, dass es hier Parallelen gibt. An einer Stelle des Buches kam mir sogar der Gedanke, dass die Autorin auf alle Fälle „Feuer und Stein“ gelesen haben muss. Sie ist zwar lan­ge nicht so talentiert wie die Gabaldon, das Buch ist vermutlich auch in halsbre­cherischer Geschwindigkeit geschrieben worden, doch die psychologischen Konfliktmomente, Missverständnisse und halsstarrigen Dialoge machen diese Geschichte wirklich lesenswert.

Mithin sollte man diesen Roman der Personen wegen lesen, der oben erwähn­ten Hauptpersonen wegen. Man hätte sich gewünscht, das Buch wäre etwas länger, denn der Schluss ist recht abgehackt und wirkt gekünstelt. Insgesamt also lässt das Buch den aufmerksamen Leser etwas gespalten zurück. Nennen wir dies hier eine „halbe“ Empfehlung…

© by Uwe Lammers, 2002

In der kommenden Woche machen wir einen Ausflug nach Frankreich. Genau­er: in ein Mehrfamilienhaus in Paris, in dem reichlich seltsame Bewohner le­ben, Rätseln nachspüren, über ihre Verhältnisse leben, Krieg führen, von Aliens entführt werden… wie bitte? Nein, nein, das habt ihr schon ganz richtig gele­sen. Es ist harter Stoff, aber äußerst surreal.

Welches Buch das ist? Na, ich schlage vor, ihr schaut in sieben Tagen rein und lest an dieser Stelle Näheres nach. Das lohnt sich ganz sicher.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

acht Wochen ist es nun her, dass wir den letzten Schritt in dieser Subartikelreihe meines Blogs getan haben. Wir verließen da in Eintrag Nr. 179 das ausklingende Jahr 2003, und wie versprochen starte ich heute ins Jahr 2004.

Dieses Jahr bildete eine sehr interessante Wende in meinem Arbeitsleben, und das schlug sich natürlich auch in meinen kreativen Werken nieder: während ich Anfang des neuen Jahrtausends noch in einem Bioladen gejobbt hatte, befand ich mich nun in trudelndem Fall zwischen gelegentlichen Werkverträgen und… ja, nothing, sagen wir es so. Da man aber von irgendwas leben muss, hing ich ökonomisch ziemlich durch und war in diesem Jahr leider recht ausdauernd auf Sozialhilfeniveau angelangt.

Na ja, und da ich bekanntlich nicht J. K. Rowling heiße, die es aus diesem Status zur mehrfachen Milliardärin geschafft hat, Harry Potter sei Dank, hatte ich ziemlich zu kämpfen.

Anfang des Jahres hielt der Rausch der neu begonnenen Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) noch unverdrossen an – bis Jahresende sollte ich hier bis Band 23 kommen… ja, inzwischen alle als E-Books erschienen. Doch wie stand es mit den Annalen der Ewigkeit?

Nicht wirklich gut.

Ende Januar verfasste ich mit „Konstanten und Knochenkrieger“ einen wich­tigen Hintergrundtext des Oki Stanwer Mythos, den ihr wahrscheinlich in abseh­barer Zeit zu lesen bekommen werdet. Am 23. Februar folgte mit „Der GRALSJÄGER-Krieg“ ein weiterer Hintergrundtext, diesmal so haarsträubend – und auf KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ (DSf) ausgerich­tet, dass ich ihn auf euch wirklich nicht loslassen kann. Ihr würdet da mangels Vorwissen nur Bahnhof verstehen.

Während ich munter weitere Episoden zu unterschiedlichen OSM-Serien schrieb, tauchte am 11. März mit „Das Plus-Oki-Problem“ ein weiterer Hinter­grundtext auf, gleichfalls (aber nicht nur) auf KONFLIKT 22 bezogen. Fünf Tage darauf wurde es unumgänglich, mit „Heiligtum der Shonta“ eine längere Annalen-Geschichte abzuschließen, die euch vermutlich vertraut ist, da sie be­reits im E-Book vorliegt. Über den Inhalt dieser zu KONFLIKT 2 gehörenden Geschichte muss ich darum keine Worte verlieren.

Es wurde der 13. Juni, ehe ich wieder einen unabhängigen Hintergrundtext zum OSM fertigstellen konnte – diesmal „TOTAMS Langzeitplan“. Darin geht es, bezogen auf den verworrenen KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leuci­enne“ (FvL), um die seltsamen Irrungen und Wirrungen und die Pläne, die die Macht des Bösen, TOTAM, vorhat. Ernstlich: an diesem 13. Juni 2004 warf ich einen jähen, ungeheuerlichen Blick auf die Schlusssequenz dieser Serie, an der ich seit dem 30. Januar 1988 schreibe… und das war ein wirklich ein ziemlicher Schocker. Ihr versteht sicherlich, dass ich euch diese Dinge noch nicht verraten darf – nicht, weil ihr bislang ja maximal die Geschichte „Heimweh“ kennt, die in diesem Universum spielt.

Ende Juni des Jahres 2004 kam es dann zu jener faszinierenden Veränderung meine beruflichen Situation – in der S-Bahn traf ich mit einem Mitkommilitonen von der Uni zusammen, und wir kamen ins Gespräch… er berichtete von seiner Ex-Chefin, die gerade dabei sei, für ein Projekt neue Mitarbeiter zu suchen… tja, und ehe ich mich dann versah, befand ich mich in Wolfenbüttel im Gespräch mit einer vermeintlich „nicht einfachen“ verhutzelten, weißhaarigen Frau, mit der ich dann die meiste Zeit der nächsten rund anderthalb Jahre ausgezeichnet aus­kommen sollte – Frau Professor Dr. Eva Engel-Holland, inzwischen schon eini­ge Jahre nicht mehr unter uns, eine liebenswerte, sehr gelehrte Person, der ich eine Menge verdanke und die ich in stetem Andenken halte.

Die Konsequenz meiner Mitarbeit am „Moses-Mendelssohn-Projekt“ war dann eine 3-Tage-Woche und das Kennenlernen von Glossararbeit… und ja, das hat sich von dort aus dann natürlich massiv in Richtung des Archipels und des OSM ausgewirkt. Die OSM-Wiki, die ihr auf meiner Homepage www.oki-stanwer.de vorfindet, hat direkt hier ihre Wurzeln. Die 3-Tage-Woche ließ mir genug freie Zeit, dass ich auch kreativ vorwärts kam. Und vielleicht machte mich das ein wenig… na ja, leichtsinnig.

Inwiefern?

Nun, ich entschloss mich, als Chefredakteur des Fanzines Baden-Württemberg Aktuell (BWA) wieder einzusteigen, was in den nächsten Monaten dann zahlrei­che sehr lange und thematische Editorials bedeutete, die von meiner sonst freien Schreibzeit natürlich einiges an Energie und Zeit abzweigten. Einerlei, ich machte das gern.

Bereits am 30. Juli fiel wie aus heiterem Himmel die tiefsinnige Archipel-Novel­le „Die Nebelfischer“, die ich mir für eine der nächsten Kurzgeschichten-E-Books vorgemerkt habe. Eine etwas gruselige Archipel-Legende, die auf der fer­nen Insel Tausiin spielt. Beizeiten sage ich sicherlich mehr dazu.

Im September 2004 entsprach ich dem Wunsch eines befreundeten Autoren, der mir die Möglichkeit gab, im Rahmen des BWA einen Überblick über den Oki Stanwer Mythos zu verfassen und zu veröffentlichen. Ich schrieb diesen Über­blick, der den Titel „Die Tiefen des inneren Universums“ trug und später eine Art von Neuauflage erlebte, am 11. September 2004 fertig.

Nachdem ich einen Monat später TI-Band 26 „Baumeister-Pläne“ vollendet hatte, überkam mich am 12. Oktober, kurz vor meinem 38. Geburtstag, der drin­gende Wunsch, einen Hintergrundtext zum KONFLIKT 2 zu verfassen, um hier ein wenig Klarheit für die zukünftige Entwicklung zu gewinnen. So entstand „Gedanken zu Ebene 2“, den ich euch auch leider so bald nicht zugänglich ma­chen kann… zu viel Spoiler-Alarm, um Prof. Dr. River Song aus „Doctor Who“ zu zitieren…

Und als wäre die Welt noch nicht kompliziert genug, rasselte ich dann am 28. November 2004 in eine weitere OSM-Welt hinein. Diesmal entdeckte ich KON­FLIKT 4, also die Serie „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ (IR), wo ich „Torke­ron, der Träumer“ und die INSEL Mysorstos kennenlernte… ein wenig von Mysorstos habt ihr ja schon in den E-Books „In der Hölle“ und „Jaleenas zweites Leben“ zu Gesicht bekommen, aber halt wirklich nur ein kleines Zipfel­chen.

Das Geld, das ich mit dem Mendelssohn-Projekt verdiente, erweckte eine weite­re alte Leidenschaft in mir zum Leben, die vorher völlig unfinanzierbar gewesen wäre: Ich entdeckte die Comics wieder… nicht jene, die ich einst in der Kindheit gekannt hatte, als ich noch in Wolfsburg lebte (also die Marvel- und DC-Comics um den „Eisernen“, „Doctor Strange“, die „Fantastischen Vier“, „Batman“, „Su­perman“ usw.). Nein, die neue Zeit hatte auch moderne Comicmärchen geschaf­fen, und das hier, auf das ich mich einließ, hatte ich im Bahnhofsbuchhandel ent­deckt. Es nannte sich CrossGen, ein ganzes Spektrum verschiedenster Serien, in unterschiedlichen Universen spielend, aber durch große Handlungslinien mit­einander verflochten. Das CrossGen-Abenteuer kostete mich viel Zeit, Geld und erzeugte einen bunten Strauß an prächtigen Comicrezensionen in den Folgejah­ren, zu denen ich eigentlich sonst nicht neige. Die Zeit fehlte dann auch für An­nalen-Werke, wie ihr euch denken könnt. Die ganzen CrossGen-Rezensionen sind dann sukzessive in BWA erschienen und können dort nachgelesen werden.

Im Dezember begann außerdem eine liebe Brieffreundin, mich mit Peter F. Ha­miltons „Armageddon-Zyklus“ zu beschenken (vgl. dazu meine diesbezüglichen Rezensions-Blogs, die allesamt schon längst erschienen sind). Das alles hielt mich sehr lange von den Annalen fern, das zu leugnen, wäre witzlos. Es entstan­den wahnsinnig viele kommentierte OSM-Episoden, Rezensionen, Comic-Re­zensionen und dergleichen, dazwischen viele Seiten des Archipel-Romans „Rhondas Reifejahre“, aber erst am 30. April 2005 kam dann mit „Eine Insel gegen das Chaos“ ein früher OSM-Hintergrundtext zum Vorschein, der sich – nahe liegend – mit KONFLIKT 4 befasste.

Wirklich wild wurde es schließlich am 15. Mai 2005. Warum? Weil da wieder ein Hintergrundtext des Oki Stanwer Mythos entstand – diesmal unter dem Titel „Pfadfinder in der Grenzzeit“. Der Untertitel lautet: „Die komplexe Struktur des KONFLIKTS 28 des Oki Stanwer Mythos“, und auf 18 Skriptseiten mit 64 Fußnoten (noch etwas, was ich im Mendelssohn-Projekt, das nach wie vor lief, schätzen gelernt hatte!) breitete ich atemberaubendes Wissen aus zahlreichen OSM-Universen aus und setzte es zueinander in Relation. Aber allein schon der erste Satz zog mir beinahe die Schuhe aus, und es geht euch vielleicht ähnlich, wenn ich ihn hier zitiere. Bitte festhalten:

Ich habe TOTAMS Leiche gesehen, und sie ist begehbar.“

Also wirklich, normal ist so etwas nicht. In diesem KONFLIKT am äußersten Perimeter des OSM, den ich bislang bereist habe, gibt es Normalität sowieso nicht mehr. Die Zeit fließt, wie sie will, Zeitreisen finden statt, die keine Zeitrei­sen sind, Welten werden besucht, die keine sind, Magie versagt, Totenköpfe lö­sen sich in ihre Bestandteile auf, in schwarze Quanten, so genannte TASSYJAA­RE…

Und einen Tag später, am 16. Mai 2005, hatte ich dann doch tatsächlich die kommentierte Abschrift der ersten OSM-Ebene „Oki Stanwer“ (1981-1984) ab­geschlossen. Hurra, dachte ich… und begann umgehend mit der kommentierten Abschrift der nächsten Serie, diesmal KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ (DadA).

Ja, ja, spottet nur und sagt, wer keine Arbeit habe, der mache sich welche… ich versichere euch, das war alles wirklich lange überfällig. Und die 3-Tage-Woche im Mendelssohn-Projekt machte es möglich, die Dinge anzugehen… es gibt nach wie vor viele Baustellen, auf denen ich arbeiten müsste, aber dafür ist aktuell wirklich keine Muße vorhanden.

Bis Ende Juni 2005 entstand kein weiteres Werk der Annalen der Ewigkeit, das sollte erst im Juli wieder passieren. Und wieder war KONFLIKT 2 dafür der Auslöser und ein Volk schwarzer Zwerge, das man Shonta nennt… davon berich­te ich euch ausführlicher im kommenden Teil dieser Serie.

Nächste Woche führe ich euch dann in der Reihe „Was ist eigentlich der OSM?“ ins Frühjahr 2010 – das ist eine spannende Zeit gewesen, glaubt es mir. Den Blog der nächsten Woche solltet ihr wirklich nicht versäumen.

Soviel für heute. Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 79: Der Todesflieger

Posted September 27th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, natürlich kennt ihr Clive Cussler aus meinem Blog schon. Neugierige können dazu die Blogbeiträge 8: „Das Gold von Sparta“, 11: „Das Erbe der Azteken“ und 14: „Das Geheimnis von Shangri-La“ – vergleichen, also die Fargo-Aben­teuer mit Grant Blackwood zusammen. Oder Blog 23, wo ich mich dem Roman „Das Alexandria-Komplott“ widmete bzw. Beitrag 34 („Cyclop“). Dann wurde es eine Weile still um Cussler in meinem Blog, ehe ich mit „Im Todesnebel“ (Blog 66) ein weiteres seiner Werke rezensierte.

Mit dem heute vorliegenden Buch beginnt aber jetzt eine Reihe von Rezensio­nen, die euch noch geraume Zeit beschäftigen wird. Inzwischen sind alle mir vorliegenden Cussler-Romane gelesen, und im Laufe von Monaten werde ich sie euch alle nach und nach vorstellen, mit ihren Stärken und ihren Schwächen.

Der vorliegende ist der erste, der im deutschen Sprachraum erschienen ist, aber ihr macht hier schon die Bekanntschaft mit Clive Cusslers „dynamischem Duo“ Dirk Pitt und Albert Giordino (die mir übrigens verdammt vertraut vorkamen, als ich mir jüngst den Piratenfilm „Der rote Korsar“ von 1952 anschaute; ich denke, Cussler hat davon einiges übernommen). Schraubt eure Erwartungen aber nicht zu hoch – Cussler fängt doch hier gerade erst an, warmzulaufen. Und das passiert auf folgende Weise:

Der Todesflieger

(OT: The Mediterranean Caper,

in England auch „May Day“)

Goldmann 63657

Ursprünglich 1978, hier 1988

256 Seiten, TB

Aus dem Amerikanischen von Tilman Göhler

ISBN 3-442-63657-4

Still und ruhig liegt der Luftwaffenstützpunkt Brady Field auf der griechischen Insel Thasos im Norden der Ägäischen See. Keine Flugzeuge werden erwartet, alles döst in der sommerlichen Hitze vor sich hin… als auf einmal wie aus dem Nichts ein Flugobjekt auftaucht, das den Stützpunkt ansteuert – und der Flug­lotse kommt sich auf einmal vor, als werde er mit einem Zeitreisenden konfron­tiert: was da auf den Flughafen zusteuert, ist doch tatsächlich ein knallgelb ge­strichener Doppeldecker, wie man ihm im Ersten Weltkrieg flog… und dann be­ginnt der Alptraum, als dieses Flugzeug einen mörderischen Luftangriff startet, den Tower mit Kugeln durchsiebt, parkende Flugzeuge in brennende Wracks verwandelt…

Das Schlimmste kann im allerletzten Moment durch ein regelrechtes Wunder verhindert werden – denn es ist außerplanmäßig noch ein zweites Flugzeug nach Thasos unterwegs, das im Dienst der zivilen National Underwater and Ma­rine Agency (NUMA) steht. Deren Schiff First Attempt ist derzeit in den Gewäs­sern vor Thasos auf der Suche nach einem seltenen Fisch, der gleich dem Quas­tenflosser hier überlebt haben soll.

Major Dirk Pitt und sein Freund Al Giordino von der NUMA können also in ei­nem waghalsigen Manöver dafür sorgen, dass der mysteriöse „Todesflieger“ in die Flucht geschlagen und das Schlimmste verhindert wird. Als die beiden Freunde dann das NUMA-Schiff erreichen, wohin sie wegen mysteriöser techni­scher Pannen beordert wurden, erkennt Pitt schnell, dass es sich dabei um raffi­nierte Sabotageakte handelt, die sich aber niemand recht erklären kann.

Während er parallel Recherchen über den geheimnisvollen Doppeldecker ein­zieht und so auf die Fährte des Fliegerasses Kurt Heibert aus dem Ersten Welt­krieg stößt, macht er überraschend bei einem Ausflug zum Strand die sehr in­tensive Bekanntschaft mit der schönen, jungen Teri, der Nichte des reichen Ree­ders Bruno von Till, der ein beeindruckendes Anwesen auf der Insel besitzt. Und da Pitt ein sehr hartnäckiger Bursche ist, der Rätsel nicht schätzt, die er nicht lö­sen kann, und überdies der hübschen Teri sichtlich zugetan ist, gerät er schnell in Teufels Küche – nämlich in ein finsteres Labyrinth, in dem er einer grässlichen Bestie gegenübersteht und um sein Leben kämpfen muss… doch dem eigentli­chen Geheimnis ist er damit erst einen kleinen Schritt näher gekommen, und die Abenteuer haben gerade erst angefangen…

Als Clive Cussler 1973 dieses erste Abenteuer um Major Dirk Pitt von der NUMA schrieb, war nicht absehbar, dass sich die Geschichten um ihn bald zu Bestsel­lern entwickeln würden. So kann es auch nicht verblüffen, wenn diese Ge­schichte noch deutliche Parallelen zu Ian Flemings James Bond-Novellen auf­weist, was sie indes durchaus nicht weniger lesbar macht. Ich las das Buch erst­mals im Mai 1988, und als ich es jetzt der Vollständigkeit halber im November 2015 noch einmal herauskramte und las, hatte ich den Inhalt nahezu vollständig vergessen. So kam die Wieder-Lektüre einer Neulektüre gleich und wusste durchaus zu gefallen.

Eine Information in dem Buch überraschte mich dann als Leser, der ich eigent­lich alle Cussler-Romane kenne – es gibt nämlich einen ziemlich klaren Hinweis auf ein Hawaii-Abenteuer, das Dirk Pitt kurz zuvor bestanden haben soll. Ich bin mir nicht völlig sicher, ob dies im Ursprungsroman so zu lesen war, doch wenn ja, spricht dies dafür, dass der Autor schon ein weiteres Dirk Pitt-Abenteuer fer­tig hatte und dieses hier, das im deutschen Raum seine Ersterscheinung dar­stellt, ist chronologisch nicht wirklich das allererste. Dies ist vielmehr, und das könnte für Leser von Interesse sein, die Major Pitts Abenteuer in der richtigen Reihenfolge lesen möchten, der Roman „Im Todesnebel“, wo man das, was im vorliegenden Buch als Hawaii-Abenteuer nur angedeutet wird, in voller Länge nachlesen kann. Und ohne dies vorwegzunehmen: das lohnt sich tatsächlich.

Doch noch kurz zurück zum „Todesflieger“: Natürlich ist die Handlungsstruktur dieses recht kurzen Abenteuers eher schlicht, die Storyline ziemlich geradlinig, doch auch hier schon haben wir den Cussler-typischen trockenen Humor seiner Protagonisten, die tolldreisten Aktionen des Duos Pitt und Giordino und die haarsträubenden Situationen, in die sie verwickelt werden. Wer das Duo also von Grund auf kennenlernen möchte, hat hier die Gelegenheit dazu.

Wohl bekomm’s!

© by Uwe Lammers, 2015

Wie gesagt, ich habe diesen Roman mehr oder minder der Vollständigkeit hal­ber gelesen, aber er hat schon interessante Stellen. Und es gibt ein paar goldige Verwechslungen in der Geschichte, die zusammen mit Dirk Pitts unverwüstli­chem Humor die Story wirklich gut auflockern.

Ach ja, apropos Verwechslungen… in der kommenden Woche geht es hier ebenfalls um eine solche, die aber von ganz anderer Natur ist. Mehr sei heute noch nicht verraten. Schaut einfach in einer Woche wieder herein, falls ihr neu­gierig seid, auf was für einen Roman ich dann wohl abhebe… und ich könnte fast wetten, dass ihr’s nicht erratet…

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Wochen-Blog 186: Work in Progress, Part 43 – Der OSM im Juni 2016

Posted September 25th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ihr das am Ende eines Monats gewohnt seid, gilt es heute, ein wenig zu do­kumentieren, was ich im zurückgelegten Monat an kreativen Werken zum Oki Stanwer Mythos (OSM) oder zum Archipel bearbeiten konnte. Da sich an der mir aktuell zur Verfügung stehenden Zeit nicht allzu viel geändert hat, fällt der Ertrag erwartungsgemäß eher mäßig aus. Und ohne viele Vorreden zu machen, steigen wir einfach mal ein. So verstrich der Monat Juni 2016:

(Glossar der Serie „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“)

Blogartikel 182: Work in Progress, Part 42

12Neu 34: Der Gegenschlag

(OSM-Wiki)

Blogartikel 193: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 39

(18Neu 75: Gespenst der Zeit)

(Die Zwillinge – Archipel-Story)

Erläuterung: Ihr seid skeptisch, was die Apostrophierung „Story“ in diesem Fall angeht? Mit einigem Recht. Viele Archipel-Stories sind in der Vergangenheit schon in mehrere hundert Seiten lange Romane ausgeufert. Allerdings halte ich das bei dieser hier für unwahrscheinlich. Ich schreibe daran seit dem Jahr 2000, und sie kommt nur sehr langsam vom Fleck. Langfristig, so meine Schätzung, kommt sie vielleicht auf siebzig bis hundert Seiten Umfang. Aber wann? Das steht in den Sternen…

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH (Abschrift))

(Lana II – Archipel-Story)

Blogartikel 184: Der OSM als Serienphänomen

Blogartikel 194: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XIV)

14Neu 33: Unter dem Bann eines Dämons

(Die magische Waffe – OSM-Story)

Blogartikel 200: OSM-Artikel 2 – Was wäre, wenn der OSM das Rätsel der „dunklen Materie“ lösen hülfe?

Erläuterung: Ja, ich habe eine Weile herumgetüftelt, was für ein Schmankerl ich euch für den 200. Blogartikel präsentieren könnte, und dies kam dabei heraus. Der zweite Teil der Artikelserie um OSM-Hintergrundartikel, die ich euch zumu­ten kann (wie ich zuversichtlich hoffe), behandelt gleich ein ziemlich schweres Thema der Kosmologie, an das ich, wohl verstanden, nicht so recht zu glauben vermag.

Dunkle Materie“ und „Dunkle Energie“ sind quasi in jedermanns Munde, ein bisschen wie Zahnfüllungen oder Kaugummi, aber sie scheinen keine Substanz zu besitzen. Und ob es sie überhaupt gibt, ist auch umstritten. Na bestens, dach­te ich mir, als ich vor vielen Jahren einen interessanten Artikel im NATIONAL GEOGRAPHIC zu dem Thema der „Dunklen Materie“ und „Dunklen Energie“ las. Da kann man ja auch gleich an den Weihnachtsmann glauben…

…auf der einen Seite. Aber auf der anderen… wenn man den OSM als Grund­lage für bare Münze nimmt, sinnierte ich weiter, dann gibt es vielleicht doch noch eine Möglichkeit, das anders aussehen zu lassen – und zwar sehr viel haar­sträubender, als sich das die Physiker ausdenken wollen. Mehr erfahrt ihr dann Anfang Januar 2017, wenn der Artikel veröffentlicht wird.

Ich wünsche angenehmes Gruseln…

(Kontrollverlust – OSM-Story)

Blogartikel 201: Der OSM in Gedichtform (1)

Erläuterung: Und das hier ist dann die nächste Rubrik, die „Der OSM im Bild“ er­setzen wird. Ich erwähnte schon verschiedentlich in den einzelnen Artikeln der Serie „Was ist eigentlich der OSM?“, dass ich auch in früheren Jahrzehnten di­verse OSM-Gedichte verfasst habe. Um die wird es hier sukzessive gehen, und ich denke, das ist ein interessanter kleiner Blick über den Tellerrand der TI-Serie, die doch bei aller Dramatik durchaus ein wenig bieder daherkommt. In den spä­teren OSM-Serien ist deutlich mehr los.

In diesem Gedicht bekommt ihr davon ein wenig zu Gesicht. Und in den Folgear­tikeln dann natürlich auch. Ich gedenke, sie in ebenso lockerer Form zu streuen wie etwa die Kosmologie-Lektionen oder die abgeschlossene Reihe „Der OSM im Bild“. Es kann also gut ein halbes oder dreiviertel Jahr vergehen, ehe sie alle publiziert sind. Der erste davon kommt, wie gesagt, im Januar 2017.

Nun, und mit diesem Titel bin ich dann leider auch schon wieder durch den Mo­nat Juni 2016 durch. Zwar habe ich 23 Werke geschrieben und vollendet, aber davon entfielen tatsächlich nur 8 auf den OSM im engeren Sinne. Und sechs davon waren Blogartikel… unbefriedigend? Nicht nur für euch, meine Freunde, erst recht für mich. Ich hätte mich so gern ein wenig kreativ ausgetobt, aber das ist nun wirklich nicht im Bereich des Möglichen.

Ich hoffe natürlich darauf, dass der Monat Juli ein wenig ruhiger wird, was mei­ne berufliche Beanspruchung angeht, so dass ich etwas mehr Kraft und Energie darauf verwenden kann, mich um mein E-Book-Programm zu kümmern (ihr habt das Fehlen von E-Book-Titeln zweifellos bemerkt, nicht wahr? Es wäre mü­ßig, das beschönigen zu wollen). Ansonsten kann es durchaus sein, dass sich die Sommerpause um ein paar Wochen verlängert.

In der kommenden Woche an dieser Stelle verfolge ich weiter die „Annalen der Ewigkeit“. Da könnt ihr gespannt sein, wie weit ich komme. Also besser nicht verpassen!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 78: Reis am Stiel

Posted September 20th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ich das auf meiner Autorenseite bei AmazonAutorCentral schon sagte: Au­toren schreiben nicht nur Bücher, sondern sie lesen selbige auch. Heute gehe ich sogar noch einen kleinen Schritt weiter – sie lesen auch Bücher von befreun­deten Autoren, und so ist es mir eine besondere Freude, euch heute an dieser Stelle ein Buch eines befreundeten Autors vorzustellen, den ich vor ein paar Jahren an seinem Stand auf dem SF-Convention Raum & Zeit Continuum III in Braunschweig kennen lernen durfte.

Alexander Knörr, in Phantastenkreisen bekannt als Verfasser der Präastronautik-Saga „Die Chroniken von Tilmun“, bekennender UFO-Forscher und vieles andere mehr, führt ein faszinierendes, an Erfahrungen reiches Leben, und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis er das Schatzkästchen seiner biografischen Erinne­rungen öffnen würde, um uns daran teilhaben zu lassen. Eine erste Frucht die­ser Erinnerungen ist die vorliegende kleine Schrift, die von seiner Liebe zur al­ten chinesischen Kultur durchtränkt ist. Ich habe sie mit Gewinn und Genuss ge­lesen und stelle sie euch heute gern vor:

Reis am Stiel

Begegnungen mit einer fremden Welt in China

von Alexander Knörr

Deutsche Erstausgabe

Galactic Bookstore Verlag

www.galactic-bookstore.com

Hirschhorn, Januar 2015

100 Seiten, TB

Verkaufspreis: 9,95

ISBN 978-3-9817051-1-9

China ist ein faszinierendes Land, ganz gleich, wie man zu seiner aktuellen politischen Führung ste­hen mag – eine Nation, deren historische Wurzeln über Tausende von Jahren zurückreichen. In die­ser monolithischen Massivität ist die Kontinuitätslinie vielleicht nur noch von den alten Ägyptern erreicht und über­troffen. Und zugleich ist diese gewaltige Wirtschaftsnation im fernen Osten ein Reich, das uns allen nach wie vor sehr fremd ist.

Natürlich, die Geschäfts-Chinesen sprechen inzwischen längst Englisch als inter­nationale Verkehrssprache, und ihre Unternehmen sind weltweit vernetzt. Aber wenn man einmal durch diesen Schleier der Internationalisierung hindurch­blickt, sieht man doch ein sehr fremdes Land – eine Nati­on, in der mit schier unbegreiflichen Schriftzeichen geschrieben wird, in der man üblicherweise mit Stäbchen isst und dergleichen mehr. Und vertraut Alexander Knörr und mir: es gibt noch sehr viel eigenartigere Dinge in China.

Während es der China-Literatur unübersehbar viel gibt, fehlt ein wenig der pri­vate Blick ins Innere dieses rätselhaften Reiches. Wie sieht „China hinter dem Schleier“ aus? Kann man jenseits der tou­ristischen Pfade China erleben? Und wenn ja, wie sieht es dort aus?

Alexander Knörr, Weltenbummler, Phantast und Autor der Präastronautik-Saga „Die Chroniken von Tilmun“, hat nun den Versuch gewagt, genau dies zu realisie­ren. Er ist seit langem von der uralten chinesischen Zivilisation und ihrer heuti­gen Gegenwart fasziniert, er bewundert die asiatische Kü­che, die Kultur und nicht zuletzt auch ihre Frauen. Da er mehrfach in China war und jahrelange Kon­takte dorthin besitzt, floss vieles von seinen Erfahrungen in Gespräche, Briefe und Geschichten ein. Und irgendwann wurde er dann dazu angeregt, doch all dies einmal niederzuschreiben.

Wir wissen ja: Erinnerung, und mag sie noch so stabil und einprägsam sein, ist und bleibt flüchtig, und mit dem eigenen Tod ist sie üblicherweise erloschen. Was jenseits des physischen Horizonts da­mit geschieht, können wir nicht er­messen. Also ist es stets besser, sie niederzuschreiben… zumal dann, wenn man auf diese Weise noch andere Menschen für die Faszination der chinesischen Kultur begeistern kann. So kam es also, dass Alexander Knörrs Erinnerungen an seine persönlichen Erfah­rungen mit der chinesischen Kultur in diesem kleinen Büchlein kondensierten.

Es kommt daher in einem wunderschön gestalteten, ganz in Rotgold gehaltenen Umschlag, das ein­fach einen gediegenen, edlen Eindruck macht, und dieser ers­te Eindruck nimmt die Schrift unwei­gerlich für sich ein. Ein wenig getrübt wird das dann durch den unerwartet „anrüchigen“ Anfang des Werkes – findet sich der Leser doch mit dem Verfasser in einer chinesischen Toilette wieder, die frei­lich schon auf die Exotik des fernen Landes vorbereitet. Denn ein schmutziges Loch im Boden assoziieren wir eigentlich nicht mit der chinesischen Hochkultur… aber das ist nur der Anfang. Es geht schnell weiter zu angenehme­ren Themen.

Da ist beispielsweise die Sprache und das komplizierte Phänomen der Betonun­gen… ein Feld von unbegrenzten Missverständnismöglichkeiten, das man mit Humor nehmen kann oder mit Frustrati­on. Alexander Knörr neigt eher zu erste­rem, und das ist auch gut so. Sein Pfälzer Humor durchzieht das locker lesbare, sehr unterhaltsame Buch wie ein roter Faden und nimmt den Leser unweiger­lich für den Verfasser ein.

Wir erfahren als neugierige Rezipienten des Werkes von Alexander Knörrs mehrfachen Reisen und bekommen schnell mit, was man so landläufig bei uns immer wieder hören kann: dass China-Restaurants in Europa sich dem hiesigen Lebensgefühl stark angeglichen haben, dass unser China-Bild in vielfacher Wei­se verzerrt ist und mit dem originären China, wie es „wirklich“ ist, nur be­dingt etwas zu tun hat. Selbst China-Reisende, die die touristischen Pfade nicht ver­lassen, bemerkt der Autor mit Recht, werden kaum jemals Gelegenheit haben, direkt „in touch“ mit dem eigentli­chen „spirit“ Chinas zu kommen. Ihr Bild bleibt deshalb notwendig schematisch.

Alexander Knörr hatte 2001 noch diesen touristischen Blick (wenngleich solche Ausnahmeerfah­rungen wie mit dem Peking-Ente-Restaurant auch damals schon möglich waren), aber wo andere China-Reisende sich zufrieden gaben, blieb er hartnäckig. Er wollte das „wahre China“ kennen ler­nen. Dies gelang erst deut­lich später, als er seine langjährige chinesische Korrespondenzpartnerin Li Yen aus Nanning – der auch mit Recht das Buch gewidmet ist – besuchen konnte, kam er wirklich in Kontakt mit dem „wirklichen“ China. Und das sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen… es ist genauso abenteuerlich und „anders“, wie es sich anhört.

Mit dem vorliegenden Buch hat Alexander Knörr einen sehr unterhaltsamen, faszinierenden Blick in seine bunte Lebensgeschichte einerseits und in die Sit­ten, Gebräuche und Eigenheiten eines für uns sehr fremden Landes anderer­seits ermöglicht, und es ist ihm hoch anzurechnen, dass er uns dar­an teilhaben lässt. Dass die chinesischen Erfahrungen, wie ich sie mal nennen möchte, nach wie vor in seinem Leben weitergehen, sei nur am Rande erwähnt. Es ist sehr zu hoffen, dass dieser autobio­grafischen Schrift noch mehr folgen wird. Jeder Le­ser dieses Büchleins hat eine Menge zum Stau­nen und Lachen vor sich – dieses „chinesische Abenteuer“ sollte man sich gönnen, ob nun in der Print- oder E-Book-Version, die es auch gibt. Aber ich gebe zu, die Printversion macht einfach mehr Spaß.

Eigentlich gibt es nur einen kleinen Wermutstropfen in diesem sonst rundum gelungenen und sehr unterhaltsamen Werk, aber er ist natürlich nicht unbe­hebbar – dem Büchlein wäre ein besseres Lek­torat sehr zu wünschen gewesen. Es weist doch noch relativ viele Druckfehler auf, die bei einer Nachauflage tun­lichst zu bereinigen wären, um das Lesevergnügen noch mehr zu erhöhen.

Ach ja… und was es mit dem titelgebenden „Reis am Stiel“ auf sich hat, nicht zu verwechseln mit „Eis am Stiel“, darüber schweige ich mich an dieser Stelle aus. Das sollte man wirklich selbst nach­schmökern.

Ansonsten jedoch bleibt nur eins zu sagen: Klare Leseempfehlung! Ein schönes Buch, das nicht al­lein für China-Freunde ein ideales Geschenk darstellt.

© by Uwe Lammers, 2016

Es kann sehr gut sein, dass in ich beizeiten wieder mal auf Werke befreundeter Autoren zu sprechen komme… doch ist das immer eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit. Hier wollen die Worte stets gut gewählt sein, da wir ja alle wis­sen, dass Autoren auch empfindliche Menschen sind… einerseits. Andererseits besteht bei solchen Rezensionen stets die Gefahr, dass man der Gefälligkeitsbe­sprechung bezichtigt werden könnte. Ich denke aber, diese Sorge ist beim obi­gen Werk ganz unberechtigt.

In der kommenden Woche beamen wir uns in die 70er Jahre zurück und landen, ganz im Gegensatz zu den heutigen Zeilen, in den sonnigen mediterranen Gefil­den. Warum dies? Und um was für einen Roman es dann wohl gehen mag? Das erfahrt ihr in einer Woche an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal was richtig Ungewöhnliches. Ihr wisst ja, dass an dieser Stelle primär über den Oki Stanwer Mythos und alles ringsherum gesprochen wird, üblicherweise aus eigenem Antrieb… dies hier wurde auf interessante und net­te Weise an mich herangetragen. Es handelt sich um eine Fragerunde, die ge­wissermaßen von Blogautor zu Blogautor weitergereicht wird… wie es unten in den einleitenden Moderationsworten steht, also in der Tat eine Art von „Ket­tenbrief“.

Unerwartet wurde meine gute Autorenkollegin Angelika dort mit einbezogen und stand Alexandra Trinley als „Vorgängerin“ (https://blaetterfluggedankenschnuppendotcom.wordpress.com/author/blaetterfluggedankenschnuppen/), sage ich mal wertneutral, Rede und Antwort. Und was tat Angelika? Da man, wenn man sich in die Fragerunde hineinziehen lässt, sinnvollerweise einen weiteren potentiellen Kandidaten be­nennen soll, be­nannte sie einfach – mich.

Ich war etwas perplex, sehr geschmeichelt, wusste aber zudem auch gleich, dass diese Geschichte ein wenig wackelig daherkam. Warum dies? Nun… es mag kurios klingen, und sicherlich habe ich das schon mal irgendwo geschrie­ben (nicht nur in meinem Gedicht „Bloggeritis“), dass ich mich im strengen Sinn nicht als Blogger verstehe. Das ist deshalb kurios, weil ich doch zweimal in der Woche Blogartikel hier hochlade und ich damit offenkundig die Kriterien des Bloggers erfülle.

Der zweite Grund, warum diese Einbeziehung in meinem Fall knifflig war, lag in der Tatsache, dass ich – was meine obigen Worte bestätigt – im Grunde aus Zeitgründen keine anderen Blogs kenne bzw. lese (den von Angelika ausgenom­men, aber auch das ist ein Spezialfall, weil ich ursächlich mit verantwortlich da­für bin, dass es ihn gibt).

Punkt 3 war dann schlussendlich die Tatsache, dass ich aktuell zu so gut wie gar nichts außer meiner Brotarbeit Zeit finde… wann um alles in der Welt soll ich kreativ sein, wenn ich z.T. auch die Wochenenden in die Brotarbeitssphäre ein­beziehe? Doch war gerade letzteres dann kein wirksames Argument – weil die gute Angelika freundlicherweise Fragen vorformulierte.

So war ich dann also am Zuge, und ich schob meine Bedenken beiseite („Hey, Leute, ich bin der Kerl mit dem Faible für die Langform! Ich bin der Schwafel­kerl… wollt ihr wirklich KURZE Antworten von mir? Reichlich verwegen…!“ Ja, natürlich wollten sie, und ihr vermutlich auch), und es ging an das Antworten.

Ihr ahnt, wie es weiterging, nicht wahr?

Einmal am Schreiben, an einem entspannten Sonntagvormittag, mit einer ange­nehm duftenden Kanne Tee dabei, ging mir das alles sehr flink von der Hand. Ehe ich allerdings dann den letzten Schliff anlegen konnte, vergingen noch mal fast zwei Wochen. So ist es also erst heute soweit. Hier kommen nun also nach einer kurzen, offenbar obligatorischen Einführung in die Natur des Projekts An­gelika Herzogs Fragen zum „Liebster Award“ an mich (kopiert von ihrer Website www.jottfuchs.de):

Einführung:

Dieses „Liebster Award“-Projekt ist eine Art Kettenbrief, der die Besitzer kleine­rer Blogs miteinander ins Gespräch bringen soll. Das ist eine ausgezeich­nete Idee, erklärt auf dem Blog von Ulf Run­ge https://ulfrunge.wordpress.com/2016/03/27/1-liebster-award/ und bei der allerliebsten Roe Rainrunner https://roerainrunner.wordpress.com/4-liebster-award/.

Nominierung:
Nominiert durch: www.jottfuchs.de
Nominiert am: 12.06.2016

Vielen Dank für die Nominierung, Angelika!

(Hm, merke gerade, die Formatierung oben spielt mir einen Streich, in meinem Ursprungsdokument sah das noch besser aus… sorry, Freunde. Besser kriege ich das jetzt nicht hin)

Gedanken zu „Liebster Award 2.0 – Uwe Lammers beantwortet hier die Fragen von Angelika Herzog”

  1. Was hat dich zum Autor bzw. zur Autorin geformt?

    Da gab es, schätze ich, unzählige Inspirationsquellen. Gelesen habe ich schon immer gern, anfangs Comics, Bücher aus der Bücherei und aus der elterlichen „Bücherei“ das eine oder andere… generell ist der Einfluss von Büchern auf mein Schreiben groß. Anfangs, und da reden wir von Mitte der 70er Jahre, war der Wunsch wohl, die Geschichten, die ich z. B. auch im Fernsehen sah oder eben gelesen hatte, in leicht variierter Form selbst erzählen zu wollen. Hinzu kam der intensive Einfluss der „Gedan­kenspiele“, die ich mit meinem Bruder Achim damals spielte und die den Grundstein für meinen heutigen Oki Stanwer Mythos (OSM) darstellen. Dazu sage ich hier und heute aus Raumgründen nicht sehr viel mehr, aber ich verweise gern auf meine Website www.oki-stanwer.de. Ach ja, da sind wir ja… verzeiht die Eigenwerbung…

    Das“ einschneidende Erweckungserlebnis kann ich leider für meine Kreativ-Biografie nicht nachweisen.

  2. Was ist dein Beruf im „echten Leben“?

    Lach. Hört sich an, als lebte ich – wie weiland James Bond/Sean Connery in meinem Lieblings-Bond „Man lebt nur zweimal“ zwei Leben… wiewohl das nicht völlig verkehrt ist. Mein Brotberuf ist der des Historikers, ob­gleich ich auch vor langer Zeit mal eine Lehre als Bürokaufmann abge­schlossen habe. Das liegt aber fast 30 Jahre zurück, und gearbeitet habe ich in dem Beruf nicht. Da sowohl meine Ausbildung zum Bürokaufmann als auch zum Historiker (an der TU Braunschweig, 1994-2002) nach mei­nen sehr intensiven Erfahrungen als Hobbyautor stattfanden, wird es kaum jemanden überraschen, wenn nach wie vor hierfür mein Herz schlägt. Aktuell bin ich ansonsten in einem historisch-philosophischen Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Das Projekt ist bis Herbst 2017 befristet, danach werde ich mich dann wieder nach An­schlussbeschäftigungen umsehen müssen… das übliche Los für Geistes­wissenschaftler in den heutigen Zeiten.

  3. Was zeichnet gute Freunde aus?

    Gute Freunde, das ist zumindest meine Definition von ihnen, sind das Ge­genteil von so genannten „Schönwetter-Freunden“. Diese sind in der Re­gel nur da, wenn es einem selbst gut geht und sie sich ausrechnen kön­nen, gewisse Vorteile aus der Freundschaft zu ziehen. Das betrachte ich als eine Verfälschung des Freundschaftsbegriffes. Gute Freunde sind die­jenigen, die zu dir halten, auch wenn das Schicksal dir nicht gewogen ist, die an deiner Seite stehen bleiben, wenn du auf ALG II-Niveau oder in die Sozialhilfe abrutscht (habe ich beides schon erlebt), und die an dich glau­ben und dir Mut machen, wenn du selbst nur Hoffnungslosigkeit siehst. Wahre Freundschaft kommt aus den Tiefen des Herzens, und gute Freun­de wissen das und versuchen dich zu verstehen, vielleicht gerade dann, wenn du dich selbst nicht recht verstehst… aber machen wir uns nichts vor – solche guten Freunde sind leider sehr rar gesät. Glücklicherweise kann ich ein paar davon zu meinem engsten Freundeskreis zählen. Sie sind mir oft eine starke seelische Stütze.

  4. Womit kann man dich zum Feind machen?

    Oje, du hast ja Fragen auf Lager… ich bin generell nicht die Person für starke, wütende Gefühle. Vielleicht hängt das mit meinem Sternzeichen und Naturell zusammen – als Waage bin ich stets ein ruhiger, ausglei­chender Charakter, und was ich grundsätzlich anstrebe, ist Harmonie und Ausgeglichenheit.

    Vor sehr langer Zeit habe ich mal geglaubt, ich könne langfristig sehr zor­nig sein, was dann ein wenig in die Richtung deiner Frage ginge. Damals waren mir eine Reihe von Geschichten nicht wieder zurückgeschickt wor­den, insbesondere ein 120 Seiten langes Romanmanuskript mit dem Titel „Der Sirenen-Stern“… ich vermisse es heute noch, nach fast 30 Jahren. Und wiewohl ich den Namen desjenigen, der es mir damals unter­schlagen hat, nach wie vor kenne, hege ich längst keine grollenden Ge­fühle mehr… Feindschaft halte ich generell für eine Emotion, die zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wer ernsthaft an Ausgleich interessiert ist, für den ist Feindschaft etwas, was denjenigen selbst vergiftet, der sie empfindet.

  5. Du hast den leeren Raum im Sinne von Weltraum vor dir, den du nach ei­genen Wünschen gestalten kannst, und ein Jahr Zeit. Was möchtest du darin erleben?

    Nun, das ist eine gefährliche Bemerkung für jemanden, der kreativ haupt­amtlich mit der Langform von Geschichten zu tun hat… das Jahr Zeit wäre in jedem Fall viel zu rasch verflogen, fürchte ich. Aber Langeweile würde mich nicht quälen, ganz im Gegenteil. Das hat mit der Art meines Schrei­bens zu tun. Eine kleine Spitze davon kann man in den 41 E-Books sehen, die ich seit 2013 veröffentlicht habe. Ich schreibe inzwischen seit knapp 40 Jahren, öffentlich jedoch „erst“ seit 1982 (hm, sind auch schon rund 35 Jahre, glaubt man gar nicht), und in dieser Zeit sind Tausende von Ge­schichten entstanden. Das ist keine Übertreibung. Im Fandom sind hier­von vielleicht dreihundert mehr oder minder bekannt geworden, eher würde ich vermuten, sind es weniger. Es existieren als ganze Regalreihen voll Ordner mit nicht veröffentlichtem Material – und insbesondere bei der Publikation des Oki Stanwer Mythos wünsche ich mir in naher Zu­kunft tatsächlich so etwas wie ein Jahr Zeit, um massiv auf dem Sektor der Kreativität voranzukommen.

    Mir schwebt für 2017 beispielsweise – flankierend zu der jährlichen Kurz­geschichtensammlung im E-Book und der Veröffentlichung der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) sowie gelegentlichen OSM-Roma­nen der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ vor, mit zwei weiteren Se­rien zu beginnen. Titelbilder für die jeweils erste Ausgabe liegen mir schon vor. Es handelt sich dabei um die Romane „Im Feuerglanz der Grü­nen Galaxis“, der die Episoden 1-3 der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (geschrieben von 1987-1993) enthalten wird, und „Vorbeben“, der einen erheblichen Teil der Vorgeschichte der Serie „Oki Stanwer Horror“ (geschrieben 1982-1985) beinhalten soll. Für diese Ar­beiten brauche ich jede Menge kreativen Freiraum, und den würde ich mir bei dem obigen Angebot gern herausnehmen und hier vorankom­men.

    Ebenfalls würde ich diese Zeit natürlich dafür nutzen, in den zahlreichen Serien, Kurzgeschichten und Archipel-Romanen vorwärts zu gelangen, faszinierende neue Geschichten in meinem Verstand aufblühen zu sehen oder Geschichtenkeime zu entwickeln, die z. T. schon seit Jahrzehnten in meinem Geist schlummern. Gestern etwa habe ich gerade eine Idee aus­zuarbeiten begonnen, die aus dem Januar 1988 stammt und den Titel „Rescaz“ trägt. Das ist ein Furcht erregender Protagonist des OSM, eine Dämonenwaffe von TOTAM, die im Universum des KONFLIKTS 12 – die obige Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ bildet die Hintergrund­folie für diese Story – ihr mörderisches Unwesen treibt. Leser der Serie werden recht bald über diese Person stolpern, weswegen diese Geschich­te eine Logiklücke der Serie schließen helfen wird. Mal schauen, wie rasch ich damit vorankomme.

    Generell ist zu sagen, dass mein Hauptproblem darin besteht, dass ich für die unzähligen Ideen, die in mir sprudeln und nach oben drängen, grund­sätzlich viel zu wenig Zeit habe… also ist es nicht übertrieben, zu sagen, dass mir gewiss nicht langweilig werden würde. Und speziell der Oki Stanwer Mythos, der zahlreiche Universen überspannt, von Hunderten intelligenter Völker und Tausenden von Galaxien handelt, ist ein schier unerschöpfliches Reservoir an Ideen, Geschichten, unglaublichen Perso­nen und abenteuerlichen Begebenheiten… glaube mir, den Raum wüsste ich schon zu füllen, die Zeit erst recht… hätt ich nur die Zeit…!

  6. Wenn du für einen Tag König der Welt sein könntest, was würdest du än­dern?

    Eine fatale Frage, die mich mit dem Macht-Problem konfrontiert. Ich fürchte, ich tauge nicht als König oder Gesetzgeber. Was ich mir aber in einer solchen surrealen Situation wünschen würde, wäre deutlich mehr Harmonie und Akzeptanz des Fremden und Unbekannten. Ich würde zu­mindest versuchen, Entwicklungen anzustoßen, die in Richtung auf Ver­söhnung verfeindeter gesellschaftlicher Gruppen (gleich, ob es sich dabei um politische oder religiöse handelt) zielen. Auf mehr allgemeines Ver­ständnis unserer Verantwortung als Spezies gegenüber der gesamten Schöpfung, die heutzutage leider nur zu häufig kurzsichtig mit Füßen ge­treten wird. Eine gerechte Verteilung des Wohlstandes täte not, auch wäre es essentiell, dafür zu sorgen, dass langfristige Entwicklungen ange­stoßen werden, die dazu führen, diese Welt insgesamt zu einem Ort zu entwickeln, an dem wir gerne leben und alt werden wollen.

    Schwierig sehe ich in diesem Kontext die Chance, aus einer Art 1-Tag-Re­gentschaft eine langfristige Entwicklung anzustoßen. Deshalb stehe ich der Frage grundsätzlich mit Skepsis gegenüber.

  1. Dein Lieblingsessen an einem heißen Sommertag? Dein Lieblingsessen an einem kalten Wintertag?

    Interessante Fragen… ich neige nicht dazu, meine Essvorlieben direkt nach den Tagestemperaturen zu orientieren. So etwas wie einen Stan­dard oder Automatismus gibt es da eher nicht. Aber es ist so, dass ich an sehr heißen Sommertagen grundsätzlich geringen Appetit habe und dann durchaus auch schon mal auf eine warme Mahlzeit verzichte. An kalten Wintertagen kann man eigentlich alles an warmen Speisen essen. Was ich gern selbst zubereite, sind Nudelaufläufe und Eintöpfe (jüngst etwa für mehrere Tage Ratatouille, da ich eine leckere Zucchini geschenkt be­kommen habe). Meist entstehen Gerichte einfach aus der Momentlaune heraus. Aktuell habe ich allerdings wegen meiner Arbeit nur wenig Gele­genheit dazu, selbst zu kochen, dann frequentiere ich eben im Semester gern auch die Mensa, alternativ zieht es mich zu türkischen Imbissen, ita­lienischen Restaurants oder zu Asiaten… wie man sieht, ist da für jeden Geschmack was dabei (ach, ich habe den superleckeren Inder in meiner Straße vergessen! Der ist natürlich auch noch da).

  2. Was sind deine Urlaubs-Vorlieben?

    Urlaub? Was ist Urlaub? Lach… nein, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Aber in der Tat sieht meine Vorliebe für Urlaub vermutlich seltsam aus: Ich neige dazu, zu sagen, dass ich mich im Urlaub am wohlsten an zwei Orten fühle – entweder hier daheim an meinem Schreibtisch, wo derzeit diese Zeilen entstehen, oder in Gesellschaft meiner engsten Freunde. Letzteres ist üblicherweise aber nur einmal im Monat der Fall, so dass ersteres klar überwiegt.

    Der Grund dafür, und damit greife ich a bisserl vor, wird verständlicher, wenn ich fortfahre: Schreiben ist für mich grundsätzlich Erholung. Ge­meint ist das Schreiben von Geschichten, Rezensionen, Editorials für un­ser Clubmagazin „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science-Fic­tion-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW, Website: www.sfcbw-online.de). Unterstützt von inspirierender Musik – zumeist Filmsoundtracks – hebe ich gewissermaßen ab in die Sphären der Inspiration und bin dann nicht mehr so ganz von dieser Welt. Ein schöner Zustand, der dem, was man gemeinhin „flow“ nennt, wenigstens sehr nahe kommt.

    Es ist also keine Kokettiererei, wenn ich verschiedentlich schon mal sagte, dass ich eher reiseunlustig bin, da ich sowieso ständig auf Reisen in frem­den Welten und unbekannten Galaxien und Universen bin. Da bin ich sehr zufrieden, mich in Ruhephasen einfach im Hier und Jetzt behaglich auszuruhen. Ein Reisemensch bin ich, offen gestanden, noch nie gewe­sen, und weiter als bis Holland und Österreich bin ich auch nicht gekom­men. Was meiner Ansicht nach kein Defizit bedeuten muss. Da ist jeder Mensch vom Naturell unterschiedlich, und mein Urlaubsleben ist eher langweilig (lach). Aber wenn man dann die Geschichten liest, die in dieser Zeit entstehen… das relativiert das Bild doch deutlich, möchte ich be­haupten.

  3. Wie sieht ein perfekter Tag für dich aus?

    Auch hier bin ich sehr anspruchslos. Perfekt wäre ein Tag, der nach einer ruhig durchgeschlafenen Nacht zeitig am Morgen beginnt – die ideale Zeit zum kreativen Arbeiten – , während eine Kanne Tee auf dem gläser­nen Stövchen für die nächsten Stunden munter glüht und duftet, nach­dem ich meine Pflanzen wie jeden Morgen solide gegossen habe. Dann ein wenig inspirierende Musik, sanft dahinströmende Kreativität, die sich in Briefen, Gedichten, Geschichten oder ähnlichem äußert. Mittags je nach Laune entweder ein Essen, das ich selbst zubereite oder aber, plau­sibler, ein Besuch in einem meiner favorisierten Lokale in der Umgebung, um mir etwas Schmackhaftes von der Speisekarte zu stibitzen (lach). Der­weil ein wenig Lektüre vor der Mahlzeit. Dann Heimkehr, um weiter zu schreiben, die Post zu schmökern und vielleicht die eine oder andere Mail zu beantworten. Abends würde ich dann nach getanem Tagewerk ganz gern noch einen Film schauen, vielleicht eine Episode der Serien „Doctor Who“ oder „Agents of S.H.I.E.L.D.“, an die ich mich in den letzten Jahren sehr gewöhnt habe. Oder ich greife einfach zu einem der zahlrei­chen Bücher, die hier noch meiner hungrigen Augen harren.

    Anspruchslos, sage ich ja. Jenseits meiner sprudelnden Phantasie bin ich, nach eigener Einschätzung, eher ein biederer, langweiliger Zeitgenosse. Aber bekanntlich sind ja die stillen Wasser tief, nicht wahr…?

  4. Welche Bücher willst du unbedingt noch lesen?

    Unendlich viele, fürchte ich. Es wäre wenig zielführend, hier jetzt irgend­welche aus dem gigantischen Stapel noch zu lesender Bücher favorisieren zu wollen, das würde zahllosen anderen ungerecht werden. Faktum ist, dass es allein hier Aberhunderte von ungelesenen Büchern gibt, und je­des Jahr kommen welche hinzu. Da für mich der Primat des Schreibens vor dem Lesen gilt – will heißen: wenn mich eine Geschichtenidee be­stürmt, habe ich keine ruhige Minute fürs Lesen, dann will ich schreiben! – , komme ich daheim auch leider eher wenig zum Lesen.

    Irgendwie habe ich das Gefühl, ich soll doch konkrete Titel nennen… also schön, für die nahe Zukunft stehen ein paar Bücher schon gewisserma­ßen in den Startlöchern. Die Reihenfolge entspricht jetzt nur der sponta­nen Laune, sie ist nicht als Wertung oder so zu verstehen: Was ich in ab­sehbarer Zeit gern mal lesen möchte, ist Felix J. Palmas Landkarten-Trilo­gie (den dritten Teil habe ich mir jetzt als Geburtstagsgeschenk ge­wünscht, und vorher fange ich das Lesen gewiss nicht an). Was ich unbe­dingt – mal wieder – lesen will, ist C. W. Cerams alter Klassiker „Götter, Gräber und Gelehrte“, mit dem meine Lesekarriere und Vernarrtheit in das alte Ägypten um 1975 herum seinen Anfang nahm. Bin sehr neugie­rig, wie ich es mit einem Abstand von 40 Lesejahren bewerte. Das muss nicht desaströs ausfallen. Außerdem sind da mehrere Bücher des verstor­benen Peter Scholl-Latour, die ich durchschmökern möchte, am innigsten sein wichtiges Buch über den Indochina-Konflikt, „Der Tod im Reisfeld“. Die restlichen Bücher der Artemis Fowl-Reihe von Eoin Colfer stehen noch in Habacht-Stellung, Romane von Diana Gabaldon, Iain Banks, Peter F. Hamilton… wirklich, Freunde, es gäbe hier unendlich viel aufzuzählen… erspart mir den Rest. Ihr merkt aber schon, dass meine Leseinteressen weit gestreut sind, und dabei sind solche Themenfelder wie Krimis, Kos­mologie, Comics usw. noch gar nicht einmal angeschnitten, von der eroti­schen Literatur schweigen wir ganz… tiefe Wasser, auch in punkto Lektü­re.

  5. Phantastische Bücher, die dringend noch geschrieben werden müssen?

    Da gibt es wirklich gar viele! Spontan fällt mir eines ein, das man drin­gend mal mit dem Fokus auf Verknüpfung der Science Fiction mit dem Thema des Lebens nach dem Tode schreiben müsste. Meistenteils wird so etwas ja unter dem Aspekt der Technik beschrieben – etwa bei Peter F. Hamilton mit seinen Memorycell-Inserts im „Commonwealth-Zyklus“. Oder in Form einer Speicherung der Gedächtnisinhalte innerhalb eines Supercomputers. Was ich aber eher meine, ist eine SF-Basierung eines Lebens nach dem Tode in Form einer harmonischen, natürlichen Ord­nung. Man stelle sich mal die Konsequenzen für die menschliche Gesell­schaft vor, wenn ein Kontakt mit einer solchen Seinssphäre möglich wäre.

    Dafür fehlt euch die Phantasie? Lasst euch mal auf die Sprünge helfen! Nehmen wir an, jemand ist Opfer eines Verbrechens geworden, und der oder die Mörder kommen aus Mangel an Beweisen straflos davon. Was, wenn der Verstorbene nun zurückkehrt und die ultimativen Beweise lie­fert? Würde mindestens das Strafprozesswesen revolutionieren und un­tergraben. Denn auf einmal wäre auch so etwas wie die Todesstrafe – die ich als sinnlos ablehne – fragwürdig und nutzlos. Immerhin ist es wenig konstruktiv, mit dem Tod zu strafen, wenn die Toten wieder zurückkehren können. Was soll man dann tun? Sie noch einmal hinrichten? Immer wie­der?

    Oder schauen wir die Konsequenzen auf die religiöse Sphäre an. Sowohl der materielle Nachweis eines Jenseits würde revolutionierend wirken als auch der gegenteilige Beweis. Fundamentalistische Attentäter, um mal ein Thema aus der Gegenwart zu bemühen, die man zu ihren Taten mit einer Verheißung des künftigen Paradieses der Märtyrer aufstachelt, wür­den ziemlich demotiviert werden, wenn die toten „Märtyrer“ zurückkehr­ten und womöglich sagten, dass es gar nicht so toll ist, tot zu sein.

    Ein solcher Roman wäre natürlich sozialer, wissenschaftlicher, religiöser und generell weltanschaulich-philosophischer Sprengstoff. Ich fürchte, für solche Visionen ist die Zeit noch nicht gekommen. Mein Fazit daraus ist, dass ich im Oki Stanwer Mythos über genau diese Dinge schreibe und hier eine entsprechende Theorie des Lebens und Nachlebens zu entwi­ckeln suche. Das war vielleicht damals auch ein wichtiger Anreiz für mich, mit dem Schreiben zu beginnen – um die Geschichten lesen zu können, die ich gern lesen wollte. Wenn es sie eben noch nicht gab, warum sie dann nicht selbst schreiben? Und so ist das bis heute. Mit einem wichti­gen Unterschied: heute kann ich durch mein E-Book-Programm alle Men­schen daran teilhaben lassen, die meine Geschichten entdecken. Und das ist eine tolle Sache.

    Darum hab vielen Dank für diese Möglichkeit, ein wenig Rede und Ant­wort zu stehen. Ich hoffe, ich habe nicht – wie so häufig – viel zu viele Worte gemacht. Aber wie ich oben schon andeutete… wenn man jeman­dem wortwörtlich „Auslauf“ gibt, der die literarische Langform als seine eigentliche Passions-Domäne ansieht, dann muss man sich nicht wun­dern, wenn unvermittelt ein paar tausend Worte zusammenkommen…

    Als nächsten Kandidaten für den „Liebster Award“ möchte ich gern Christian Weis nominieren, der einen interessanten Literaturblog be­treibt, auf dem ich faszinierende Film- und Buchrezensionen entdecken konnte (https://schreibkramundbuecherwelten.wordpress.com/). Viel­leicht möchtest du ja auch einige der obigen Fragen abwandeln, damit sie auf deinen Blog und deine Schwerpunkte besser passen?

Ich hoffe, ihr habt euch bei den Fragen und Antworten nicht gelangweilt. Für mich war das eine interessante Herausforderung und ein Vergnügen, mir Ge­danken zur Beantwortung zu machen.

In der kommenden Woche kehren wir zum „Standardprogramm“ zurück, wie ich mit einem Schmunzeln sagen möchte, nämlich zu der allmonatlichen Rubrik „Work in Progress“. Diesmal thematisiere ich den Monat Juni 2016.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 77: Todesjäger

Posted September 14th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute empfehle ich euch die Lektüre eines sehr dünnen Buches, gerade mal gut 200 Seiten stark, und alt ist es zudem… und dennoch bin ich der festen Über­zeugung – die ihr vielleicht teilt, wenn ihr diesen Rezensions-Blog ausgelesen habt – , dass es Buch, Autor und Thema sehr lohnenswert erscheinen lassen, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Das Thema ist sowieso unvergesslich, da es uns alle betrifft – der Tod, der grim­me Schnitter mit der Sense, wie er in zahllosen Karikaturen dargestellt wird, je­nes Wesen, das zu allerletzt lacht und jeden bekommt… nun, oder eben auch nicht. Es geht in dem vorliegenden Buch nicht nur um Geschichtsreflexion, Phi­losophie, Tod und Unsterblichkeit, sondern noch um sehr viel mehr. Und Ian Watson ist jemand, der sich diese Fragen durchaus nicht banal beantwortet, sondern tiefschürfend darin eindringt.

Ich schlage euch vor, es ihm gleichzutun. Wer neugierig ist, der folge mir in die­ses Buch:

Todesjäger

(OT: Deathhunter)

von Ian Watson

Heyne 4206, 1985

224 Seiten, TB

ISBN 3-453-31180-9

Aus dem Amerikanischen von Walter Brumm

Die Welt ist ein anderer Ort geworden nach dem sowjetisch-chinesischen Krieg. Eine Milliarde Opfer des nuklearen Holocaust bewirkten eine dramatische Wandlung der menschlichen Mentalität zum Besseren – Gewalt wurde generell geächtet, Kriege abgeschafft, Waffen sind verpönt und für die Generation von heute fast unbegreifliche Anachronismen.

Eine neue Ethik hat zeitgleich Einzug gehalten im Denken der Menschen. Die schockartige Erkenntnis des brutalen, sinnlosen und jähen Tötens intelligenter Wesen führte zu einem anderen, sensibleren Umgang mit dem Phänomen des Todes. Der Tod war, wie ein Redner im Buch treffend sagt, „etwas, das uns nicht betraf, nur die anderen. Wir machten sie zu Fremden, die nichts mit uns zu tun hatten. Wir verdrängten den Tod aus unserem Bewusstsein, über unsere per­sönliche Grenze hinaus in feindliches Territorium. Und als das geschehen war, sahen wir in Fremden, in Ausländern, nur den Tod. Wir phantasierten von einem Leben nach dem Tode, sogar von Wiederauferstehung, aber niemals dachten wir an unser eigenes Sterben, das diesem Leben ein Ende setzt…“

Ja, so war die Welt, bevor Todeshäuser wie in Egremont geschaffen wurden. Orte, an denen unheilbar Kranke oder Lebensverdrossene sowie sieche Alte ge­hen konnten und ihnen Verständnis und Betreuung gegeben wurde. Das – und der „gute Tod“. Durch einen verständnisvollen „Führer“ auf den Tod vorbereitet, dem sie zustimmten und sich durch ihren „Führer“ verabreichen ließen, wonach sie in Krematorien verbrannt wurden, parfümiert mit Sandelholzaroma.

Jim Todhunter, ein „Führer“ aus dem Todeshaus in Gracchus, wird ins Gebirge verbannt, ins Haus von Egremont, wobei zunächst unklar bleibt, warum das al­les geschieht. Todhunter kommt in jenem Moment in der friedlichen Gemeinde Egremont an, wo der weltberühmte Dichter Norman Harper seinen Abschied geben will, garniert mit zahlreichen Reden, und danach wird er sich, so ist es geplant, der Obhut seiner „Führerin“ Alice Huron anvertrauen und aus dieser Welt scheiden.

Leider hat das Schicksal anderes für ihn vorgesehen – Jim Todhunter wird bei der Ehrung Zeuge eines unbegreiflichen Verbrechens. Ein alter Mann springt auf und erschießt den Dichter, offensichtlich ohne Motiv. Danach lässt er sich ohne Widerstand verhaften und wegführen.

Nathan Weinberger, so der Name des Attentäters, ist ein todkranker, an Krebs leidender Insasse des Todeshauses von Egremont, und auf abenteuerliche Wei­se hat er offenkundig alle Bediensteten bisher über seine Wahnideen hinweg­getäuscht. Jim Todhunter macht mit ihnen zwangsläufig Bekanntschaft, als man ihn beauftragt, zum „Führer“ Weinbergers zu werden. Er soll den krebskranken Mann dazu bringen, seine Taten zu bereuen und öffentlich einzugestehen, da­mit er dann „in Seelenruhe“ aus dem Leben scheiden kann. Zur Not könne er dafür auch sogar Weinbergers Waffe bekommen, um die Sache „zu Ende zu bringen“.

Abenteuerlich? Oh ja, aber das ist nur ein kleiner Teil des Problems.

An eine reuevolle Rückführung des Attentäters ist auch aus anderen Gründen kaum zu denken. Weinberger frönt nämlich offenkundig einer Wahnidee, für die er seine Unterkunft, insbesondere sein Bett, in ein vergittertes, mit Spiegeln umgebenes Laboratorium verwandelt hat. Der Polizeichef von Egremont hält das für eine Art von sexistischem Spielzeug, gedacht als Menagerie für einen „virtuellen Harem“. Er versteht überhaupt nichts.

Als Todhunter und Weinberger sich etwas näher kommen, erklärt der Kranke auch diese Apparatur, und die dahinterstehende Theorie klingt völlig wahnsin­nig: Weinberger ist davon überzeugt, dass der Tod kein natürliches Phänomen, sondern vielmehr ein Wesen aus einer fremden Dimension ist. Wenn man es einfangen kann, und nichts Geringeres schwebt ihm vor, dann kann man den Tod entmachten, gleichsam unsterblich werden.

Dies ist eine absurde Idee in einer gänzlich säkularisierten Welt, in der man die Existenz einer Seele für irreal hält, eine Zwangsvorstellung, um die Angst vor dem Tod wirksam zu bekämpfen. Jeder andere „Führer“ würde sie instinktiv vollkommen ablehnen – aber nicht Jim Todhunter, der als Kind ertrank und wie­derbelebt wurde. Denn er hat das „strahlende Licht“ des Jenseits verheißungs­voll gesehen, und als er sich auf Weinbergers „Wahnidee“ einlässt, lernt er auch die Erscheinungsform des Todes und jene Welt kennen, in der er regiert… und das alles ist erst der Anfang.

Dieser Roman ist keine leichte Kost.

Als ich ihn mir 1997 antiquarisch kaufte, war mir das noch nicht bewusst, ich wollte einfach nur einen weiteren Watson-Roman besitzen, da ich den Autor schon damals schätzte.1 Mit dem Lesen musste ich dann bis 2007 warten. Man braucht nur wenige Seiten, um die Zumutungen zu begreifen, die Watson insbe­sondere deutschen Lesern zumutet: Eine Welt, in der Euthanasie (!) konstituti­ver Bestandteil der Welt ist, in der Menschen, die andere Menschen vom Leben „erlösen“, als „Führer“ (!) bezeichnet werden. Direkt angeschlossene Krematorien (!)…

Wer da als geschichtsbewußter deutscher Leser nicht automatisch gruselnd an die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, an Auschwitz-Birkenau und an die T4-Stelle am Berliner Tiergarten denkt, sollte diese Geschichtslücke besser rasch schließen. Dies ist allerdings, das soll ausdrücklich betont werden, KEIN Grund dafür, die Lektüre dieses Buches abzubrechen, ganz im Gegenteil. Es macht vielmehr sehr sensibel für das raffinierte, strukturierte Geflecht von Ian Watsons Werk. Er wagt sich mit voller Absicht in das Minenfeld von Sterbe­hilfe, Todesreflexion, Psychologie, Philosophie und Ethik hinein.

Wenn wir heutzutage über die Diskussionen nachdenken, die in den späten 90er Jahren und den frühen Jahren des dritten Jahrtausends nach Christi über die Hospizbewegung, Sterbehilfe, die Grenzen der medizinischen Eide und der­gleichen mehr geführt wurden (sie sind noch längst nicht ausgeräumt), so er­scheint uns der 1981 von Watson geschriebene Roman als ein Vorreiter dieser Diskussionen, als durchweg prophetischer Autor.

Sein Buch ist infolgedessen spannungsarm, aber äußerst intensiv mit Reflexio­nen und philosophisch-psychologischen Gedankengängen angereichert. Und es hat mehrere doppelte Böden. Es sei nur an wenigen Beispielen deutlich ge­macht. Der implizite Bezug auf die Nazis ist absolut beabsichtigt und erfüllt einen bestimmten Zweck, der aber erst sehr spät zu Tage tritt. Dann ist es inter­essant, mit ein wenig Hintergrundwissen Namen in diesem Buch zu analysieren. Man nehme etwa das Haus „Gracchus“, aus dem Todhunter, die Hauptperson, gekommen ist. Das Wort geht zurück auf das Adelsgeschlecht der Gracchen in der römischen Antike, speziell auf die beiden Quästoren Tiberius Sempronius Gracchus und seinen Bruder Gaius Sempronius Gracchus. Erst genannter trat im zweiten Jahrhundert vor Christus für eine Landreform ein und damit für energische gesellschaftliche Veränderungen. Er konnte sie aber nicht umsetzen, sondern fand einen gewaltsamen Tod. Sein Bruder trat die Nachfolge dieser Ideale an und wandte sich gleichsam ebenfalls gegen die herrschende Ordnung.

Und in der Tat: Jim Todhunter, der aus „Gracchus“ kommt, bringt erhebliche Un­ruhe in die Gesellschaft von Egremont, untergräbt bestehende Strukturen und gefährdet ihre Stabilität. Über das Ende dieser Geschichte soll hier nichts ausge­sagt werden, außer, dass sie zu überraschen versteht.

Heutzutage würde ein solcher Roman vermutlich die Lektorate der Verlage nicht mehr passieren. Denn obgleich heutzutage wohl mehr Gewalt und Tod täglich stattfindet, ist die Frage nach dem Tod, nach dem Jenseits und dem Um­gang mit Siechen, Todkranken und ihren Gebrechen etwas, was geflissentlich ausgeklammert und ignoriert wird. Folgerichtig ist das Werk zu provokant, zu direkt, zu „düster“, wie man gerne von unbequemen Büchern behauptet. Wie hieß es doch so passend? „Der Tod war etwas, das uns nicht betraf, nur die an­deren. Wir machten sie zu Fremden, die nichts mit uns zu tun hatten. Wir ver­drängten den Tod aus unserem Bewusstsein, über unsere persönliche Grenze hinaus…“

Ich denke, dieses Buch ist in mancherlei Hinsicht philosophisch gerade heute wieder aktuell. Diese Aktualität beweist seine Qualität mehr, als es jeder reiße­rische Text auf dem Umschlag könnte. Wer neugierig geworden ist, sollte es sich besorgen. Man kann davon lernen.

© by Uwe Lammers, 2007

Ja, selbstverständlich ist „Todjäger“ und „Todhunter“ ein Wortspiel, und ich wür­de sogar sagen, Ian Watson hat das Buch mit explizitem Blick zum deutschen Buchmarkt geschrieben. Die historischen Anleihen und der Name der Haupt­person deuten stark darauf hin. Leider musste er dennoch vier Jahre warten, ehe sich jemand daran machte, es zu übersetzen. Gleichwohl denke ich, war es dies wert.

In der kommenden Woche haben wir es dann mit einem Reisenden völlig anderer Art zu tun, das ist dann gewissermaßen das Kontrastprogramm zum heutigen Werk. Ein autobiografischer Text aus der Gegenwart und von einem befreundeten Autor, den ich vor ein paar Jahren persönlich kennen lernen konnte.

Wer das ist? Oh, ich würde sagen, lasst euch davon mal überraschen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Ich las von Watson bislang drei Werke: „Tschechows Reise“ (Januar 1988), „Zur anderen Seite des Mondes“ (März 1992) und „Die Fliegen der Erinnerung“ (Januar 1994). Letztge­nanntes Buch wurde im Fanzine New Worlds 25 im August 1995 rezensiert.

Liebe Freunde des Oki Stanwer Mythos,

nach einer kleinen Sommerpause geht es also weiter in der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI). Zuletzt verweilten wir bei den Angehörigen der GHANTUURON-Expedition, die letzten Endes wieder unter ungewöhnlichen Umständen, von deren Weiterungen demnächst die Rede sein wird, in die Hei­mat zurückkehren konnte.

Wie steht es derweil um die zweite Expedition, die unabhängig von der GHAN­TUURON an die Bebengrenze von Twennar entsandt wurde, um Kontakt mit dem Volk der schlangenarmigen Tassaier aufzunehmen? Von ihnen war lange nicht mehr die Rede, aber vergessen wurde die RHONSHAAR nicht.

Nach einer desaströs verlaufenen Vorerkundung durch die Piloten Yerranith und Yuuricor – die Weiterungen daraus lassen sich in den Shonta-Abenteuern ab Band 10 der Serie nachlesen (dies als Hinweis für Neueinsteiger) – erreicht nun die RHONSHAAR selbst das Xoor’con-System der Tassaier. Wie zu befürchten war, findet sich keine Spur mehr von den verschollenen Missionsangehörigen um Yuuricor… aber nun kann erstmals ein Sonnensystem besichtigt werden, in dem ein MINEUR der Troohns sein Vernichtungswerk verrichtet hat.

Zur Bestürzung der Forscher scheint dieses Werk aber nicht abgeschlossen zu sein, und es sind viele beunruhigende Fragen offen: welchem Zweck dienen die hinterlassenen Installationen der Zerstörer? Warum wurde die Arbeit einge­stellt? Gibt es noch überlebende Tassaier, irgendwo?

Und dann stoßen die Yantihni in den Trümmern der tassaiischen Zivilisation auf ein weiteres fremdes Wesen…

Mehr über die beunruhigenden Entdeckungen, die die Raumfahrer von Rilecohr und Shoylon im Xoor’con-System machen, ist im heute erschienenen Band 27 der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ nachzulesen, der unter dem Titel „Späherin der Cestai“ erscheint und den Auftakt zu einem neuen Vierteiler der Serie darstellt, der euch mit neuen Überraschungen in den Tiefen von Twennar vertraut machen wird… und seid gewiss, er sät einen dunklen Keim des Misstrauens in eure Herzen wie in die der Yantihni.

Das E-Book „Späherin der Cestai“ ist ab sofort im EPUB-Format auf Amazon-KDP zum üblichen Preis von 1,49 Euro erhältlich. Der einmalige Gratisdownload ist am 15. September 2016 möglich. Als Bonusgeschichte ist die Story „Magische Winkel“ in diesem E-Book enthalten.

Ich wünsche euch angenehmes Lesevergnügen.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Nota bene:

Die Erscheinungsfrequenz der E-Books in Folge wird etwas gestreckt werden müssen, das ist meiner aktuellen Zeitknappheit geschuldet. Da bitte ich um Ent­schuldigung, dass ihr auf die Fortführung des Handlungsganges etwas länger als üblich zu warten habt. Ähnliches betrifft die digitalen Nachdrucke auf www.beam-ebooks.de und www.xinxii.com. Nähe­res zu den neuen Erschei­nungsterminen erfahrt ihr auf meiner Autorenseite bei https://authorcentral.amazon.de.

Wochen-Blog 184: Der OSM als Serienphänomen

Posted September 11th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

reden wir heute mal über eine alte Leidenschaft von mir, die sich verselbstän­digt hat. Neulich habe ich darüber schon mal in einem Editorial im Fanzine „Ba­den-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science Fiction-Clubs Baden-Württem­berg (SFCBW) gesprochen.

Reden wir über Serien und das, was sie mit mir verbindet.

Als ich noch ein kleines Kind war, da befinden wir uns also in der Mitte der 70er Jahre, da gab es nicht wirklich viel Abwechslung im Fernsehen. Für Nachgebore­ne klingt das irreal, aber wenn wir von drei bis vier Fernsehkanälen sprechen, ist das die absolute Realität gewesen. Lange vor Zeiten des Privatfernsehens, erst recht vor den Zeiten von Netflix, Internet-Streaming oder AmazonPrime, in der Zeit vor der Erfindung der DVD-Player, da war die Fernsehlandschaft eher trostlos. Es gab nicht viel Abwechslung… aber ich halte mich da aus der Bewer­tung heraus, ob das eine schöne oder düstere Zeit gewesen sein mag. Sie hatte sowohl lichte als auch finstere Momente, wie alles im Leben.

In jener Zeit war man als junger Phantast doch stark auf das Medium Comic und Bücher fixiert, notwendig. Vieles, was wir heute leicht im Internet oder auf DVD finden können, war schlicht nicht zugänglich. Ein einfaches Beispiel dafür wäre die britische Kult-SF-Serie „Doctor Who“. Wie sollte man die etwa in Deutsch­land sehen können? Sie fand sowieso erst in der Neuversion ab 2005 den Weg nach Deutschland ins Fernsehen.

Damals also spross meine Kreativität, und sie nährte sich besonders von den wenigen angelsächsischen Serien, die übersetzt worden waren: Star Trek mit Captain Kirk und dem Vulkanier Spock, Mit Schirm, Charme und Melone (The Avengers) mit Emma Peel und John Steed… und diese Serien befeuerten zusam­men mit SF-Filmen und Comics meine Phantasie, bildeten den Nährboden, auf dem der Oki Stanwer Mythos (OSM) heranwachsen konnte.

Da ich nach dem weitgehenden Abnabeln von der frühen Comiclektüre mich im Bereich der SF-Heftromane „weiterbildete“, wie ich das mal ironisch nennen möchte, blieb ich automatisch dem Genre der Serien verhaftet, und so blieb das die kommenden gut 20 Jahre auch. Da ich parallel Hunderte von OSM-Epi­soden schrieb, war es irgendwie völlig normal, dass die Struktur, die ich beim Lesen favorisierte, also die serielle, auch im Schreiben ihren massiven Ausdruck fand.

Ich denke, es ist ein natürlicher Prozess gewesen, dass der OSM zu einem multi­seriellen Phänomen wurde. Das empfand ich als vollkommen normal. Und wenn ich von „multiseriell“ spreche, erinnert euch an den Blogartikel 100 dieser Serie (ha, da haben wir’s schon wieder!), wo ich davon sprach, dass der OSM letzten Endes ja mal in seiner idealen Verlaufsform rund 33 Serien umfassen soll, von denen ihr aktuell gerade mal eine zu sehen bekommt, nämlich „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) sowie einige wenige Blicke in andere, euch bislang noch weitgehend verschlossene Serienuniversen.

Diese Blicke lassen sich a) über die OSM-Wiki und die darin verzeichneten Epi­soden und Begriffe indirekt werfen, b) direkt über die Romane und Kurzge­schichten Aus den Annalen der Ewigkeit, die schon publiziert worden sind.

Als ich Anfang der 2000er Jahre im Grunde genommen damit aufhörte, Heftro­manserien zu lesen, weil sich meine Lesevorlieben allmählich geändert hatten und natürlich auch, weil eingeschränkte Zeitverfügbarkeit und sich gewandelte Leseschwerpunkte (mehr Sachbücher als früher) damit ausdrückten, da hatte das auch Auswirkungen auf mein Schreibwerk. Wer meine Blogartikel langfristig verfolgt hat, besonders die Reihe „Was ist eigentlich der Oki Stanwer Mythos (OSM)?“, der weiß, dass in diesen Jahren die unglaublich langen Archipel-Roma­ne entstanden, die man nicht wirklich als seriell bezeichnen kann.

Gleichwohl hatte der OSM natürlich sein serielles Antlitz nicht verloren, ganz im Gegenteil… und als ich 2012 die Möglichkeit bekam, meine Geschichten in Form von E-Books an euch Leser zu kommunizieren, da stand von Anfang an fest, dass der Weg der Einzelgeschichten der falsche sein würde.

Er war gewissermaßen unnatürlich für mich.

Ich wusste: wenn ich loslege, möchte ich mein Lebenswerk, eben den OSM, gern möglichst in der Form veröffentlichen, in der ich das alles auch geschrie­ben habe – als Serie.

Selbstverständlich wusste ich und weiß es bis heute, dass Serien ihre ganz eige­ne Dynamik haben. Das fängt mit serieller Cliff-hanger-Struktur an und hört mit regelmäßigem Erscheinen auf. Das sind schon gründliche Unterschiede zu je­mandem, der einmal im Jahr seine ganze Schaffenskraft auf einen einzigen Ro­man fokussieren kann. Das ist bei mir ausgeschlossen – und, ehrlich gestanden, auch gar nicht erwünscht.

Der Oki Stanwer Mythos ist eben nun einmal ein serielles Phänomen, und in ge­wisser Weise erfülle ich mir einen Wunschtraum, der mich seit Jahrzehnten ver­folgt – ich veröffentliche meine eigene Serie.

Dieser Traum ist wirklich schon sehr alt, vertraut meinen Worten, und er ist tat­sächlich schon älter als die frühesten OSM-Episoden. Zu einer Zeit, als ich mit meinem Bruder noch die „Gedankenspiele“ spielte und Comics las, erst recht, als ich dann mit der Heftromanserie Ren Dhark begann, also etwa im Jahr 1977, trug ich mich bereits mit dem Seriengedanken.

Daraus entstand zunächst der Roman „Der stählerne Tod“, dessen Abschrift aus dem Handskript ich bis heute noch nicht ganz geschafft habe… und in der Fort­setzung dieses Romans begann dann etwa 1979 die Serie „Die Abenteuer der Galax“, wovon ich schon mal erzählt habe.

Inhaltlich, würde ich sagen, war diese Serie ein ziemlich wildes Kauderwelsch, manche würden es als munteres Weiterspinnen von Media-Vorlagen in Quasi-Plagiatnatur bezeichnen, und ich würde ihnen darin sogleich zustimmen. Es gab Handlungspersonen, die aus Serien 1:1 entlehnt waren und dann auf einmal mit OSM-Charakteren interagierten. Es gab Situationen, die ich aus Serien ko­pierte, missverstandene Literaturvorlagen, die dann verzerrt hier wiederkehr­ten, vermischt mit individuellen Gedanken.

Die Textvorlage existiert heute (leider) nicht mehr, sie wäre psychologisch be­stimmt höchst interessant und würde einen phantastischen Blick in meinen bro­delnden Kopf der späten 70er und frühen 80er Jahre zulassen. Aber die Chance ist vertan. Wichtig ist für den Moment lediglich, dass ich damals schon den seri­ellen Gedanken in eine kleine Öffentlichkeit zu tragen bereit war.

Anfang 1983 wurde das deutlicher, als ich echt versuchte, den KONFLIKT 15 des Oki Stanwer Mythos, die Serie „Oki Stanwer“, in Kooperation mit einem Schul­kameraden und in kopierter Vorlage zu publizieren. Geringe Startauflage, wie eine Schülerzeitung etwa, aber es war durchaus monatliches Erscheinen angedacht.

Ging natürlich sofort wieder ein. Das lag auch an unserem familiären Umzug und der gründlichen Änderung der Struktur der Schulkameradenschaft. Aber der Plan war nicht vergessen, er änderte nur seine Verlaufsrichtung.

Inwiefern dies?

Nun, 1983 verstärkte ich meine Aktivitäten im bundesdeutschen Fandom und traf mit der Verbindung mit dem „Terranauten-Club Universum“ (DTCU) den nächsten Schritt. Da wollte ich im Rahmen dieses Clubs die OSM-Serie „Dro­hung aus dem All“ veröffentlichen. Ging auch schief.

Dann machte ich 1987 einen ähnlichen Schritt mit KONFLIKT 14 des OSM, also der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC). Auch das war eine kurzle­bige Erscheinung, aber sie führte immerhin zu 16 veröffentlichten Episoden in 4 Volumes.

Parallel dazu betrieb ich Serienveröffentlichungspläne im Phönix Fantastik-Ver­lag von Guido Latz, wo zwischen Dezember 1989 und Oktober 1991 Serienfrag­mente des KONFLIKTS 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS), KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ und KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) veröffentlicht wurden. Teilweise sollten auf dem antiquarischen Fandom-Markt Ausgaben davon noch zu finden sein.

Da all diese Versuche scheiterten, gab ich die Serienpublikation dann lange Zeit auf und schrieb einfach die Serien für mich weiter, verknüpfte sie immer wei­ter… aber es dauerte dann tatsächlich bis in die Gegenwart, ehe ich mit dem E-Book-Programm 2012/13 den Faden wieder aufnahm.

Und wie ich damals einleitend schrieb: Diesmal wollte ich, dass das Flickwerk aufhörte. Diesmal war es meine Intention, von Grund auf zu beginnen, damit ihr das Gesamtkonzept des OSM versteht, allmählich hineinwachst in diese ge­samte Struktur. Das zu konzipieren, war eine knifflige Sache. Es galt, eine mög­lichst voraussetzungslose OSM-Serie zu finden (was dann mit KONFLIKT 2 ge­schah), zugleich aber auch „Blicke über den Tellerrand“ in dosierter Form zuzu­lassen… und euch weiterhin Hintergrundinformationen zukommen zu lassen.

Ihr wisst heute, dass das dann mit dem Programm der „Annalen“ in Punkt 1 und mit den wöchentlichen Blogartikeln und der OSM-Wiki in Punkt 2 ermöglicht wurde. Ohne tatkräftige Unterstützung meiner Freunde vom Braunschweiger Förderverein Phantastika Raum & Zeit e.V. (www.sciencefiction.de), ohne Mit­hilfe meines alten Brieffreundes und Grafikdesigners Lars Vollbrecht und vielfäl­tige weitere Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen.

Damit bewahrheitet sich eigentlich ein weiteres Grundrezept der Serienerstel­lung: Serielles Schreiben ist kein Selbstläufer, das man als Einzelkämpfer umset­zen kann. Im Gegenteil – serielles Schreiben ist auf so viel Mithilfe von außen angewiesen, dass man das nur im Teamwork leisten kann. Ich habe aber jetzt jahrzehntelange Vorarbeit geleistet mit der Vorlage von Tausenden von Texten, dass es möglich sein sollte, bei einer Optimierung der Außeneinflüsse den alten Traum langfristig zu realisieren:

Die Publikation des Oki Stanwer Mythos in Serienform.

Die heutigen Rezeptionsgewohnheiten der Media-Fans und das furiose Revival von Serien in jedweder Form, sei es in Buchform, im Comic oder in Film und Fernsehen, sollten genau der richtige Nährboden sein, auf dem die Blüte des OSM in nie gekannter Stärke zur Entwicklung kommt.

Ich werde weiter daran arbeiten, Freunde – und da ihr Serienfans seid, hoffe ich auch weiterhin auf eure Unterstützung. Ihr werdet Welten jenseits eurer Vor­stellung kennen lernen, das kann ich euch jetzt schon versprechen… und Dinge, denen gegenüber alles, was ihr vom OSM schon kennt, blass und nichtig schei­nen wird.

Freut euch darauf. Ich tue es auch.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 76: Der ferne Spiegel

Posted September 7th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute möchte ich euch einmal mit einer guten Freundin bekanntmachen, einer Autorin von historischen Sachbüchern, die ich nach wie vor – wiewohl sie leider schon recht lange nicht mehr unter uns weilt – immer wieder gern lese. Eine kluge, scharfsinnige und ideologisch… ja, sagen wir mal, unvernagelte Person, die aus ihren bisweilen sehr unangenehmen politischen Gedanken und Verbin­dungslinien durch die Jahrhunderte keinen Hehl gemacht hat.

Ich stieß auf Barbara Tuchman schon bald nach dem Jahr 2000, als ich mich ver­stärkt für die Geschichte des Ersten Weltkriegs zu interessieren begann, in der Phase meiner Spezialisierung des Geschichtsstudiums. Und an ihrem Klassiker „August 1914“ kommt man meiner Ansicht nach selbst heute nicht vorbei, wo die Welt zu jedem „Jubiläum“ des Massenmordens mit neuen Publikationswo­gen überschwemmt wird. Aber dieses Buch war ja erst der Anfang.

Schnell stellte ich fest, insbesondere durch Besuche in Antiquariaten, dass Tuch­man noch viel mehr geschrieben hatte. Und je mehr ich von ihr las – beispiels­weise höchst faszinierende Aufsätze, die sich mit bisweilen wirklich absurd scheinenden historischen Themen befassten, von denen ich keinen blassen Schimmer hatte, die aber in jeder Weise unglaublich lesenswert waren – , da lenkte diese Autorin meine Interessen auf neue Felder der historischen Arbeit. Und sie machte das wirklich gut… was man erwarten kann von jemandem, der zweimal mit historischen Sachbüchern den Pulitzer-Preis gewonnen hat, nicht wahr?

Dennoch zögerte ich anfangs bei dem vorliegenden Buch ein wenig. Das Mittel­alter war mir immer als wilde, verworrene Zeit erschienen, und die großen Handlungslinien dieses „dunklen Zeitalters“ meinte ich doch relativ gut zu ken­nen. Gleichwohl fragte ich mich, was wohl im 14. Jahrhundert noch passiert war – abgesehen von Pest, religiösen Wirren und dem Einbruch asiatischer Horden nach Europa. Nun, wie ich entdecken sollte, sehr viel, und das meiste davon vermochte ich kaum zu fassen.

Das sollte aus dem Munde eines berufenen Phantasten nun wirklich was hei­ßen, Freunde. Mag „Der ferne Spiegel“ auf den ersten Blick auch als ein un­glaublicher Klotz Papier daherkommen, sehr dicht beschriftet noch dazu, so werdet ihr doch, wenn ihr euch auf dieses Leseabenteuer einlasst, und das ist es, binnen weniger Lesestunden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

Ich geleite euch darum mit ausdrücklicher Empfehlung in dieses Werk. Folgt mir, schlagt die Seiten auf und betretet wie durch eine Zeittür das „dramatische 14. Jahrhundert“:

Der ferne Spiegel

Das dramatische 14. Jahrhundert

(OT: A Distant Mirror – The Calamitous 14th Century)

von Barbara Tuchman

Claassen-Verlag, 1980

590 Seiten, geb.

Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich

Die heutige Fantasy-Literatur ist ein fader Abglanz der hohen mittelalterlichen Ideale von Ritterlichkeit, höfischem Glanz und dem vermeintlich einfachen bäu­erlichen Leben im Hochmittelalter. Rollenspiele und Mittelaltermärkte florieren, nicht nur auf den Spieltischen und im Internet, sondern sogar als folkloristi­sches Element im Stadtbild der heutigen Zeit, gerne an Plätzen inszeniert, wo alte, restaurierte Fachwerkgebäude dem Spiel einen „authentischen Anstrich“ verleihen. Doch wer nur diese harmonische, pittoresk zu nennende Version der Vergangenheit verklärt und für Stunden oder Tage in die „Rolle“ eines mittelal­terlichen Menschen schlüpft, vermag sich nicht wirklich vorzustellen, wie das damals war. Das Mittelalter ist uns Heutigen fern, doch wenn man genau hin­sieht, in diesen fernen Spiegel, dann erkennt man auf gespenstische Weise Züge unserer heutigen Zeit im Damals wieder.

Im Jahre 1978 legte die zweimalige Pulitzer-Preisträgerin Barbara Tuchman, die für ihre Bücher „August 1914“1 (Erster Weltkrieg) und „Sand gegen den Wind“2 (Eine Darstellung des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses im 20. Jahrhun­dert) geehrt worden war, ihr neues Werk vor, und die Fachwelt blinzelte irri­tiert.

Statt sich, wie es naheliegend sein mochte, wieder mit der aktuellen Zeitge­schichte zu befassen, schleuderte Tuchman ihre Leser nun über den schwer zu fassenden zeitlichen Abgrund von mehr als sechshundert Jahren zurück in das europäische Mittelalter. Und es wurde einmal mehr ein beeindruckender, wirk­lich unerwarteter Erfolg. Dies bedarf einer Erklärung, die uns den Inhalt des Bu­ches näherbringt:

Der ferne Spiegel“ ist die Geschichte des 14. Jahrhunderts, dargeboten an dem Lebensweg des Enguerrand VII. Coucy, eines französischen Adeligen, der auf höchst beeindruckende Weise seine Zeit, ihre Stärken und Schwächen re­präsentiert.

Die Autorin gerät an das Thema, weil es sie interessiert, wie der Schwarze Tod, also die Pest, in der Zeit zwischen 1348 und 1350 – man bedenke, es han­delt sich lediglich um drei Jahre! – „schätzungsweise ein Drittel der zwischen Ir­land und Indien lebenden Bevölkerung hinweggerafft hat“. Während sie auf den Spuren dieser Geißel durch die Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts schreitet, ent­deckt sie nicht nur die Hinterlassenschaften und Schrecken einer solchen Gei­ßel, sondern sie identifiziert schließlich deren sieben: „Seuche, Krieg, Steuern, Räuberei, Misswirtschaft, Aufruhr und Kirchenschisma.“

Jeder historisch auch nur halbwegs versierte Mensch beginnt an dieser Stelle zu begreifen, dass Tuchman für das Erfassen und Wechselspiel dieser vielen Fakto­ren auf unterschiedlichste Quellengattungen zurückgreifen muss, durch zahlrei­che Länder wandert und komplexe Sachverhalte wie beispielsweise die durch­weg verworrenen Adelsdynastien darstellen muss. Wie auch schon beim Er­gründen der Ursachen des Ersten Weltkriegs sieht sich die Autorin folgerichtig in einem regelrechten Dschungel aus unpräziser Zeitbeobachtung, Wissenslücken, Überlieferungsproblemen, Deutungsvariationen und Ideologie gefangen. Wie also nähert man sich diesem Knäuel an Schwierigkeiten?

Sie entscheidet sich für eine personale Perspektive und wählt ihren Träger mit Bedacht – Enguerrand VII. Coucy, Sire de Coucy, einer Burg direkt im Kräftefeld zwischen dem schwächelnden französischen Thron, der Normandie, Flandern und Lothringen gelegen (heute übrigens selbst als Ruine noch eine beeindru­ckende Erscheinung!). Er ist deshalb eine wichtige Person, weil er biografische Bezüge sowohl zum französischen Königshof als auch zum englischen Königshof besaß und in den Jahrzehnten nach dem Wüten des Schwarzen Todes eine höchst riskante Gratwanderung zwischen diesen Polen vollführte, ohne indes – wie viele andere Adelige seiner Zeit – durch unvorsichtige oder kurzsichtige Par­teinahme zerrieben zu werden.

Enguerrand gelingt das Meisterstück, aus den Zeitläuften, die seine Umwelt vielfach in Mord und Totschlag, Krieg, Intrigen, Korruption, Usurpation, Fanatis­mus und den sozialen Konsequenzen von Schichtenzerfall und Sittenverfall un­tergehen lassen, nicht nur zu überleben, sondern aufzusteigen, bis hinauf in höchste Kreise der Gesellschaft. Schließlich heiratet er sogar die Tochter des englischen Königs, Isabella von England. Doch bis das geschieht, vergehen in dem Buch fast zweihundert Seiten.

Tuchman muss, ganz wie in „August 1914“ zunächst dem Leser des 20. Jahrhun­derts (und des 21., denn es ist nach wie vor äußerst lesenswert und durchaus nicht veraltet!) die Zeit der Handlung nahebringen3, und damit geht sie teilwei­se bis vor die Kreuzzüge zurück. In manchmal atemberaubenden Schlaufen, die den Betrachter ungläubig zurücklassen, berichtet sie von der Familie der Coucy und ihren finanziellen und biografischen Verflechtungen, die Ursprünge ihres Reichtums, die Struktur ihrer Herrschaft und schließlich die dramatischen Um­stände von Enguerrands Kindheit und Jugend.

Diese Gelegenheit nutzt die Autorin, allgemeine Gedanken über Kindererzie­hung, Jugend und Sozialverhalten jener Zeit zu machen. Es folgen Gedanken über Rittertum und Kriegswesen, womit unweigerlich das gespannte Verhältnis zwischen England und Frankreich ins Zentrum rückt (aber nicht ausschließlich). Ein grässliches, unglaublich bedeutsames Erbe des 13. Jahrhunderts ist der 100jährige Krieg, der während Enguerrands Lebenszeit andauert und geradezu atemberaubende Schrecken und Verwüstungen anrichtet, von denen viele, das sei vorausgeschickt, Sinn und Verstand völlig vermissen lassen. Es ist dem ritterlichen Kodex der offenen Feldschlacht als „ehrbaren Kräftemessens“ zu verdanken, dass Frankreich schließlich regelrecht „enthauptet“ wird, ohne dass indes Vernunft in die Köpfe und Herzen der führenden Adeligen einzieht. Im Gegenteil, Redensarten wie „Die Fische tranken so viel französisches Blut (sagte man nach der Schlacht), dass sie französisch gesprochen hätten, wenn Gott ihnen die Gabe der Rede verliehen hätte“ legen beredtes Zeugnis von dem erbitterten Hass beider Völker ab, der alle Schranken der Vernunft überwand und zu den aberwitzigsten Abenteuern führte.

Der erste Gipfel der Verrücktheit ereignete sich dann am 26. August 1346, als in der Picardie die Schlacht von Crécy geschlagen wurde, was zu einer der verhee­rendsten Niederlagen der französischen Monarchie führte – am Ende des Ge­metzels waren über viertausend französische Adelige tot, und das Ziel, die Er­oberung der zu dieser Zeit englischen Stadt Calais, in weite Ferne gerückt.

Und dann kam der Schwarze Tod, die Pest.

Sie begann ihren Sturmlauf im Oktober 1347 in Genua und breitete sich wie ein Steppenbrand aus. Hinzu kam, als ob sich die Mächte des Himmels oder der Hölle gegen die Menschheit verschworen hätten, ein mächtiger Erdstoß im Ja­nuar 1348, der von Neapel bis Venedig Kirchtürme einstürzen ließ und ganze Dörfer dem Erdboden gleichmachte.

Unterschiedslos schien zugleich die Seuche zu wüten, und manche der Sympto­me, die auftraten, waren so grauenhaft, dass man selbst heute verstehen kann, warum die Zeitgenossen damals an eine Geißel göttlichen Ursprungs glaubten: „Der Chronist Henry Knighton, Stiftsherr der Abtei von Leicester, berichtet von fünftausend toten Schafen in einem einzigen Feld. ‚Ihre Körper von der Pest so verdorben, dass kein wildes Tier und kein Vogel sie anrührte‘, und sie verbreite­ten einen entsetzlichen Gestank. In den österreichischen Alpen kamen Wölfe zu Tal, um Schafe zu reißen, und ‚wandten sich, wie durch ein unsichtbares Zeichen gewarnt, um und flohen zurück in die Wildnis.“

Es nimmt wohl kaum Wunder, dass die Menschen jener Zeit meinten, Gott selbst strafe sie für sündigen Lebenswandel – was beispielsweise in Massenhys­terien und Geißlerbewegungen einmündete.

Die furchtbare Epidemie, deren Ursprung für die einfachen Menschen wie für die Gelehrten völlig schleierhaft blieb, verwandelte Städte in Leichenhäuser und Geistermetropolen. Folgenreicher war jedoch der daraus bald resultieren­de Arbeitskräftemangel: es gab zu wenige Menschen, die die Felder bestellen konnten, so dass zu den Todesfällen bald eine Hungersnot hinzukam.

Schlimmer noch: viele Menschen empfanden diese Geißel als Vorbote der End­zeit und, weil sie unterschiedlos in allen Schichten zu wüten schien, verfielen die Sitten. Besonders verheerend war jedoch, dass der erwartete „läuternde Ef­fekt“ ausblieb. Statt dass Gottes Geißel die Menschheit gebessert hatte, knüpf­ten Adel und Klerus bald an dieselben Missstände an, die vor der Seuche ge­herrscht hatten, und nichts schien sich zum Besseren gewandelt zu haben. Der Respekt vor der Obrigkeit ließ darum in weiten Teilen Europas nach, Räuber­banden breiteten sich epidemisch aus, Raub, Vergewaltigung und Mord waren bald, auch nach dem Abflauen der Pestepidemien, an der Tagesordnung.

Die Politik war zwar offensichtlich auch geschwächt von den Strapazen der zu­rückliegenden Jahre und dem Blutzoll der Pest, aber wie Tuchman nachweist, nicht eben klüger geworden: im September 1356 wandte sich König Johann von Frankreich gegen ein eindringendes englisches Heer und wandte dieselben unklugen Taktiken wie bei Crécy an – mit noch größerem Schaden. Er geriet am Ende der desaströsen Schlacht selbst in Gefangenschaft, Tausende Adelige fie­len, und im aus diesem Desaster folgenden Vertrag von Brétigny 1360 verlor Frankreich – man glaubt es kaum! – fast ein Drittel seines gesamten Staatsge­bietes an die englischen Eroberer. Und Calais, man braucht es kaum zu betonen, blieb englisch.

In diese chaotische Zeit hinein fällt nun der Aufstieg Enguerrand VII. Coucys, der zwischen der französischen Krone und dem britischen Königshaus die Interes­sen zu verteidigen hat. Derweil drohen von überall her neue Gefahren: Adelsin­trigen in England, Adelsintrigen in Frankreich. Aufstände in Flandern. Revolte des Bürgertums in Paris (sogenannte Jacquerie). Marodierende Räuberbanden, die von Städten Schutzzölle erpressen und ganze Grafschaften tyrannisieren. Die Türken überrennen Konstantinopel und bedrohen die südliche Flanke Euro­pas. Widrige Hochzeiten schmieden zwischen den deutschen Adelsstaaten, Spa­nien, Frankreich, Portugal, England, der Schweiz und diversen italienischen Kleinstaaten höchst verwirrende, zu neuen Kämpfen, Feldzügen und Scharmüt­zeln einladende Verhältnisse. Die Mongolen unter Dschingis Khan und seinen Nachfolgern fallen von Osten nach Europa ein und metzeln etwa in Österreich Ritterheere nieder. Der Schwarze Tod kehrt zurück…

Ganz zu schweigen davon, dass der Kampf zwischen dem französischen Hoch­adel und dem italienischen Hochadel dafür sorgt, dass auf einmal ZWEI Päpste – einer in Avignon (französisch), einer in Rom (italienisch) – Anspruch auf die Al­leinvertretung des christlichen Glaubens erheben. Das abendländische Schisma (zeitweise mit DREI Päpsten!) hat begonnen. Traurig und aberwitzig sind die Auswüchse, mit denen beide Päpste die Anhänger des jeweils anderen zu ex­kommunizieren suchen bzw. sogar Kreuzzüge gegen den jeweils anderen, „häre­tischen“ Papst beginnen. Die Verflechtungen zwischen Religion und Politik be­ginnen die Staatsstrukturen ganz Europas zu zerrütten. Auch Enguerrand de Coucy gerät in dieses Kräftefeld hinein…

Man kann das sich in diesem Buch ausbreitende Chaos eigentlich kaum zutref­fend schildern, und es möge dem Rezensenten nachgesehen werden, dass er nur einen sehr KLEINEN Teil des Inhalts verrät, der an vielen Stellen so derma­ßen aberwitzig – aber stets von Barbara Tuchman kundig, präzise und quellensi­cher dargelegt wird – scheint, dass man oftmals wirklich meint, man sei als Le­ser in einem Tollhaus gelandet.

Dennoch ist diese Welt nicht richtig „fern“, wie es der Titel etwas unpräzise sug­geriert. Sie ist, wie es ebenfalls im Titel steht, eher ein „Spiegel“. Sie zeigt der Gegenwart die dunkle Seite der Politik, jene finstere Ansicht, gleich einem Schattenriss, die Staaten anzunehmen imstande sind, wenn die Grundpfeiler ih­rer Fundamente zu erodieren beginnen. Wenn Irrationalität, Hass und Vorurtei­le zu den Leitmotiven der Gesellschaft werden, wenn Staatenlenker sich von kleinlichen Interessen leiten lassen und ihren fixen Ideen zu folgen beginnen, ohne Rücksicht auf die meist grauenvollen Konsequenzen zu nehmen, dann entwickeln sich Zeitläufte wie die des 14. Jahrhunderts, die Barbara Tuchman in aller Breite gleich einem mächtigen historischen Panoramabild entwirft.

Sie verweist selbst auf die verworrenen, teilweise einfach widersinnigen Allianz­bildungen des Ersten Weltkriegs und die z. T. bis heute andauernden Folgen, die aus diesen tragischen Fehlentscheidungen erwachsen sind. Tuchman parallelisiert dadurch in gewisser Weise die Mentalitäten der Jahre zwischen 1300 und 1400 mit denen um das Jahr 1914, und diese Parallelen sind leider sehr stichhaltig.

Doch man kann noch weiter gehen: In der Zeit des frühen 21. Jahrhunderts, in der eine Supermacht – die einzige aus dem Kalten Krieg hervorgegangene Su­permacht (die übrigens keineswegs gewonnen hat, wie immer gern erzählt wird – sie ist, gleich einem Dinosaurier, nur einfach übriggeblieben und schlägt nun weitgehend ziellos um sich) – aus den Lehren der Vergangenheit nichts gelernt hat und aufgrund von Lügen, der Machtgier ihres Präsidenten und der Irrationa­lität und den Vorurteilen eben jener Person Kriege anzettelt, in dieser Zeit kann sich der Leser von Tuchmans Buch durchaus in den Alptraum des 14. Jahrhun­derts zurückversetzt fühlen. Man kann hieran auf sehr beklemmende Weise ler­nen, dass, so sehr sich auch die Zeiten, die Technologie, die Wissenschaften und die Grundlagen des Kriegswesens im Laufe von sechs bis sieben Jahrhunderten ändern mögen, manche Konstanten stets gleich bleiben.

Eine solche Konstante ist die menschliche Mentalität, die Anfälligkeit für Kor­ruption, für mentale Trugschlüsse, für Vorurteile, Hass und Verblendung. Hier wie dort (14. Jahrhundert, Gegenwart) trifft man auf aberwitzige Allianzen, die dem gesunden Menschenverstand Hohn sprechen; hier wie dort findet man eine bestürzende Mischung aus Genialität und Wahnsinn wieder; hier wie dort wird gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen… und natürlich ist auch heutzutage ein George W. Bush jr. – und vielleicht sein Nachfolger gleicherma­ßen – der festen Überzeugung, das richtige Rezept zu haben und „natürlich“ den Sieg davontragen zu können. Im 14. Jahrhundert glaubte dies beispielswei­se der König von Frankreich (und sein Schicksal muss man sich wirklich einmal anschauen, es spottet jedes gesunden Menschenverstandes!). Im 21. Jahrhun­dert glaubt George Bush, er könne einen „Krieg gegen den Terrorismus“ gewin­nen.

Dies ist eine Täuschung. „Terrorismus“ ist kein substantieller Gegner, und ohne substantiellen Gegner verliert man den Krieg, so sehr man ihn auch intensiviert und mit massivstem Geld- und Waffeneinsatz führt. Vietnam und Afghanistan haben es schlagend bewiesen, gelernt wurde aus diesen Desastern kaum bis gar nicht.

Zum Schluss soll noch einmal Barbara Tuchman das Wort haben, um ein Fazit über ihr Buch zu sprechen und damit, vielleicht, auch die Neugierde auf den Alptraum des 14. Jahrhunderts zu wecken, aus dem sich für die heutige Zeit so viel Wichtiges lernen lässt, immer noch:

Wenn diese sechzig Jahre einigen wenigen an der Spitze der Gesellschaft voller Glanz und Abenteuer erschienen, so waren sie für die meisten eine Folge von unberechenbaren Gefahren: von den drei galoppierenden Übeln Plünderung, Pest und Steuern; von erbarmungslosen und tragischen Konflikten, bizarren Schicksalen, Hexerei, Betrug, Aufstand, Mord, Wahnsinn und dem Sturz von Fürsten; von zurückgehender Feldarbeit, von gerodetem Land, das wieder zur Wildnis wurde; und vom immer wiederkehrenden Schatten der Pestilenz, die ihre Botschaft von Sünde und Schuld und der Feindschaft Gottes unter die Men­schen trug.

Und die Menschheit wurde durch diese Botschaft nicht besser. Die Gewalttätig­keit warf alle Zügel ab. Es war eine Zeit der Verantwortungslosigkeit. Verhal­tensmaßregeln wurden kraftlos, Institutionen verfielen, die Ritterschaft schützte das Volk nicht mehr; die Kirche, weltlich geworden, führte nicht mehr zu Gott; die Städte, einst Träger des Fortschritts, waren in gegenseitige Fehden verwi­ckelt und im Inneren in Klassenkämpfen zerrissen; die Bevölkerung, reduziert durch den Schwarzen Tod, erholte sich nicht. Der Krieg zwischen England und Frankreich und das Brigantentum, das er gebar, enthüllten die Hohlheit der mili­tärischen Prätentionen des Rittertums und die Oberflächlichkeit seiner morali­schen Ansprüche. Das Schisma erschütterte die Grundlagen der zentralen mit­telalterlichen Institution und verbreitete ein tiefes und umfassendes Unbeha­gen. Die Menschen fühlten sich unkontrollierbaren Einflüssen unterworfen, wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung. Sie lebten in einer Epoche, die kämpfte und litt, ohne sichtbar voranzukommen. Sie sehn­ten sich nach Heilung, nach Erneuerung des Glaubens, nach einer Stabilität und Ordnung, die niemals kam…“

Lest das Buch, es lohnt sich!

© by Uwe Lammers, 2008

Natürlich merkt man gewissen Passagen dieser Rezension ihre klare Zeitgebun­denheit an. George W. Bush ist inzwischen nicht mehr Präsident (leider wurde er für seine Verbrechen und Lügen, die er zu verantworten hat, nicht vor Ge­richt gestellt und abgeurteilt, wie es notwendig gewesen wäre), sein Nachfolger Barack Obama hat zwar (meines Erachtens eher unverdient) den Friedensnobel­preis erhalten, ist sonst aber bedauernswert unvisionär geblieben, und es steht zu fürchten, dass ihm jemand ins Weiße Haus folgt, der noch viel doktrinärer ist als frühere Präsidenten… doch die Weisheiten im obigen Buch, insbesondere die überzeitlichen historisch-menschlichen Komponenten darin haben auch heute an Gültigkeit nicht verloren. Leider, möchte ich betonen.

Vergleicht man das 14. Jahrhundert mit der Gegenwart, dann kann man echt verzweifeln. Gleich Philip Kindred Dick hatte Barbara Tuchman ein ausgeprägtes Gespür dafür, was in der Geschichte wichtig war und wo die Keime visionärer Vorschau lagen.

In der kommenden Woche könnt ihr euch, was den Umfang der Rezension an­geht, wieder etwas entspannen. Inhaltlich eher nicht, denn dann geht es um eine packende, auch zeitlose Frage: Was ist, wenn der TOD nicht nur ein jeden Menschen betreffendes Phänomen ist, sondern eine PERSON? Eine Person, die man einfangen kann?

Neugierig geworden? Dann schaut in der kommenden Woche rein, welcher Au­tor sich wohl diese Frage gestellt und wie er sie gelöst hat.

Bis dann, mit Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. Barbara Tuchman: „August 1914“, Bern 1964. Die Rezension ist für den Rezensions-Blog in Vorbereitung.

2 Vgl. Barbara Tuchman: „Sand gegen den Wind“. Amerika und China 1911-1945“, Stuttgart 1973.

3 Ähnliches geschieht übrigens, darin auf eine noch verzwicktere, aber durchaus sehr mit Gewinn zu lesende Weise für die erheblich spätere Zeit in C. V. Wedgwoods Klassiker „Der 30-jährige Krieg“, München 1967.