Blogartikel 401: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 21

Posted November 7th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute beschäftigen wir uns mit dem Abschluss des KONFLIKTS 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“, d.h. mit den Episoden 101-105. Realchronologisch befinden wir uns dabei im Januar des Jahres 1988, als die Tage der finalen Kämpfe eskalieren. Und da das alles ein wenig chaotisch ist, fangen wir am besten gleich damit an.

Rückblick: Oki Stanwer konnte mit Hilfe eines Zeittransmitters der Baumeister die letzte Stufe des Zeituniversums überwinden und in die Realgegenwart der Galaxis Hun‘arc zurückkehren. Zu seiner arg dezimierten Schar von Gefährten gehören noch die Helfer des Lichts Doppelporter, UCHULON und Ureg-Ni, außer­dem die Cranyaa-Admiralin Then-Ad und ihre beiden Schiffe THINOOV und GHITAAR.

Kaum in der Gegenwart angelangt, müssen sie aber gewärti­gen, dass sich Hun‘arc in einen chaotischen Mahlstrom verwan­delt hat. Offenbar steht ein Galaxienkollaps unmittelbar bevor, und die Galaxis wimmelt von feindlichen Schiffen TOTAMS.

Oki Stanwer verfolgt, als er sich vom Zeittransmitter ZYNEEGHAR 9822 absetzt, einen eigensinnigen Plan, den er selbst vor seinen engsten Mitarbeitern geheim hält …

Episode 101: Ruf aus dem Halo

(21. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Oki Stanwer steuert nicht etwa – wie erwartet – den Planeten Kareton an, um den Cranyaa seine Aufwartung zu machen (dass Kareton eine tote Wüste ist, kann er nicht ahnen. Vielmehr zieht es ihn hin zum Wüstenplaneten Yurok (vgl. Bd. 1 der Serie), wo einst das Orakel Slek-Im residierte und wo er bei seinem letzten Zwischenstopp im Zeituniversum vor über 120.000 Jahren die Essenz einer Helferin des Lichts getroffen hat. Hier hat er, wie sich zeigt, eine Reihe von Lichtrobotern verborgen, die die Cranyaa nie entdeckt haben.

Während er sie birgt, empfangen seine Gefährten überraschend aus dem Halo der zerborstenen Galaxis Risalon einen Funkspruch – von niemand Geringerem als dem tot geglaubten sechsten Helfer des Lichts, Glusem. Er, der in der finalen Auseinandersetzung zwischen den Völkern der Plegg‘re und der Waaklors ausgelöscht schien (vgl. Bd. 83), hat auf rätselhafte Weise überlebt und ist auf der Welt der bizarren Queroon gestrandet, von der er nun um Hilfe ruft.

Oki Stanwer entschließt sich zu helfen.

Derweil erfolgt auf Tekonar ein Regierungsumsturz, angezettelt von Soffrol, Tronlekk und Soffrols tekranischem Parteigänger In­tran. Ihr Ziel: das belagerte Teka-System zu verlassen, um nach Kareton durchzubrechen. Langfristiges Ziel: Oki Stanwer in ihre Gewalt zu bekommen, um ein Druckmittel sowohl gegen TOTAM als auch gegen die intriganten Baumeister zu haben.

Dritter Handlungsschauplatz: Tohl-ankhor, die Vulkanwelt nahe dem Zentrum von Hun‘arc, wo die letzten DIGANTEN die überle­benden Calnarer unterjochen und den WÄCHTER und Yorrok ge­fangen halten. Hier unternimmt die calnarerische Untergrundor­ganisation Ruun-caay den Versuch, die beiden Lichtmachtbe­diensteten zu befreien. Doch dann wird Alarm ausgelöst …

Episode 102: Oki Stanwers Doppelspiel

(27. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Oki Stanwer erreicht den Planeten Vèshóan, die Heimat der Queroon, und er kann Glusem retten. Derweil jagte aber ein Ak­tivierungsimpuls hinter den beiden Cranyaa-Kreuzern her – ein Aktivierungsimpuls von TOTAM, um ein „Trojanisches Pferd“ in Oki Stanwers Gefolge zu wecken.

Während sie nach Hun‘arc zurückkehren, erklärt Glusem, was im Zeituniversum rings um ANTI-TOTAM und im Reich der Plegg‘re geschehen ist, was Oki und seine engsten Vertrauten natürlich nicht mitbekommen konnten, da sie wahlweise in der Galaxis Srakkonar oder bei den Blauen Galaxien unterwegs wa­ren.

Wieder in der Cranyaa-Galaxis angelangt, besteht Admiralin Then-Ad von den Neuen Cranyaa darauf, dass das Sonnensys­tem angesteuert wird, in dem der Zeittransmitter Theradyyl lag. Bekanntlich sind die letzten Cranyaa-Schiffe ihres Geschwaders nicht mehr durch den Zeittransmitter der Baumeister in die Ge­genwart gelangt.

Oki Stanwer gibt nach – und auf einem Mond Theradyyls finden sie die weitgehend zerfallenen Wracks der verschollenen Schif­fe. Irgendwer oder irgendetwas hat die Besatzungen ermordet. Then-Ad tippt, geradezu weißglühend vor Zorn, auf die Bau­meister.

Damit wird sie blind für eine sehr viel nähere Gefahr – auf ein­mal eröffnet nämlich ihr Schwesternschiff, die GHITAAR, auf dem sich Oki Stanwer, Doppelporter und Glusem befinden, das Feuer auf die THINOOV, die daraufhin auf dem Mond notlanden muss.

An Bord der GHITAAR enttarnt sich der Agent TOTAMS – Doppel­porter ist in Wahrheit kein Helfer des Lichts, sondern TOTAMS EXEKUTIVE, der Dämonenschlächter. Und sein Auftrag ist es, Oki Stanwer nach TOTAM zu bringen …

Episode 103: Stoßtrupp zur Welt des Bösen

(28. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Der Schock sitzt tief bei den Cranyaa an Bord der THINOOV, und die beiden Helfer UCHULON und Ureg-Ni, die sich hier befinden, sehen sich kritischen und vorwurfsvollen Fragen ausgesetzt, ob sie denn dieses „Zerwürfnis“ nicht hätten vorhersehen können. Doch ehe sie aus diesem Zwischenfall Folgerungen ableiten können, erscheint ein fremdes Raumschiff im System – ein rie­senhafter Kegelraumer, dessen Kommandant seltsamerweise das Calnarer-Idiom spricht. Es handelt sich um Entar-Nol, den leitenden DIGANTEN von Tohl-ankhor, der Hilfe sucht, da seine Heimatwelt von einer Rebellion erschüttert wird, die nach seiner Vorstellung von Schergen des Ewigen Reiches ausgelöst wurde.

Kurz zuvor gerät auf der Vulkanwelt Tohl-ankhor nämliche Auf­standsbewegung der Calnarer ins Stocken, da die Kegelwesen sich hinter undurchdringbaren Schutzschilden verbarrikadiert haben – und dann beginnen sie auch noch, die Schiffe der Calnarer zu­sammenzuschießen. Alles scheint verloren … bis ein Saboteur aus den Reihen der DIGANTEN dafür sorgt, dass das Blatt sich wendet.

Zusammen mit dem fatalistisch gestimmten DIGANTEN Varon-Net und den restlichen calnarerischen Schiffbrüchigen beman­nen der WÄCHTER und Yorrok das letzte Kegelschiff der DIGAN­TEN und folgen Entar-Nol ins System von Theradyyl.

Sie landen mitten in einer entbrannten Raumschlacht, denn ein Kreuzerverband TOTAMS hat das DIGANTEN-Schiff ausfindig ge­macht und attackiert es. Die THINOOV setzt sich schnellstens ab, wird aber vom Kegelraumer Varon-Nets eingeholt … so kom­men der WÄCHTER, Yorrok und die letzten Cranyaa-Loyalisten sowie UCHULON und Ureg-Ni zusammen.

Hier erfahren sie von Oki Stanwers offensichtlicher Desertion. Und das Flugziel ist klar: TOTAM. Der WÄCHTER bricht mit der THINOOV und ihrer Besatzung auf, um das Schlimmste zu ver­hindern. Aber er ist nicht der einzige.

Auch Soffrol hat inzwischen begriffen, was die Stunde geschla­gen hat – und sein Wahnsinnsplan sieht vor, mit den Inditref-Waffen der Tekras die Raumkrümmung um den Planeten TOTAM zum Einsturz zu bringen, um in diesem Chaos Oki Stanwer als Geisel zu nehmen.

Das Chaos eskaliert endgültig.

Episode 104: Oki Stanwers Rache

(29. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Die Frage, die eigentlich bislang nur hypothetisch ist, wird defi­nitiv geklärt, als Oki Stanwer mit dem Dämonenschlächter und Glusem den TOTAM-nahen Raum erreicht. Er ist in der Tat deser­tiert und plant, Rache am Matrixkoordinator, dem WÄCHTER, zu nehmen. Der Groll reicht fünf Milliarden Jahre zurück, bis in die Endtage des KONFLIKTS 13.

Doch nun ballt sich im entropiegesättigten und kosmophysika­lisch instabilen Raum um TOTAM alles an Kampfteilnehmern – sowohl die Baumeister schicken ihren ZYNEEGHAR in die Schlacht, als auch Varon-Net, der zunehmend todessehnsüchtig wird und den Wunsch hegt, TOTAM als Herz des Ewigen Reiches auszulöschen. Und dann ist da auch noch Soffrol mit seinen engsten Gefährten Tronlekk und Intran sowie der Ehrengarde Intrans. Außerdem folgen der WÄCHTER und Yorrok mit den an­deren Helfern des Lichts und den Cranyaa unter Admiralin Then-Ad nach TOTAM.

Oki Stanwer und die Tekra-Schiffe havarieren auf TOTAM, wobei Glusem den Tod findet. Aber auch der WÄCHTER und Yorrok er­reichen die Welt des Bösen, und ein Zweikampf zwischen Oki und dem Matrixkoordinator bahnt sich an.

Zugleich sieht sich Klivies Kleines, die Graue Eminenz, im TURM einer unerwarteten Gefahr gegenüber: die Soogrerin Loree hat offensichtlich den Verstand verloren und will ihn erschießen … stattdessen erschießt sie den unvermittelt im Thronsaal der Dä­monen auftauchenden Oki Stanwer!

Episode 105: Lichtschatten über dem Kosmos

(30. Januar 1988, digitalisiert 2020)

[Serienende]

Shocking, die Ereignisse überschlagen sich!

Loree hat Oki Stanwer erschossen? Wie soll das möglich sein, wo sich doch der Feldherr der Cranyaa zeitgleich im Duell mit dem WÄCHTER befindet?

Die Antwort liegt auf der Hand: es handelt sich um Doppelpor­ter, den sie attackiert hat – und er ist mitnichten tot, sondern rächt sich auf brutale Weise für den Angriff.

Auf der Oberfläche TOTAMS gehen derweil die Kämpfe der über­lebenden Helfer des Lichts und sonstigen Kombattanten weiter. Der Planet TOTAM hat sich derweil in ein gigantisches, raumschiffgleiches Beschleunigungsobjekt verwandelt und strebt einem Ort namens Aysoocan zu, einem Pulsar in der Nachbargalaxis von Hun‘arc – das ist der Standort des Universentransmitters, den das BUCH für TOTAM vorbereitet hat.

Während das geschieht, sterben reihenweise hochrangige Prot­agonisten auf TOTAMS Schlachtfeldern. Und am Ende entschei­det der WÄCHTER desillusioniert über den KONFLIKT und verei­telt Oki Stanwers Frontenwechsel. Buchstäblich in letzter Minute können Yorrok und er noch von der schwarzen Welt des Bösen entkommen.

Der KONFLIKT 14 ist damit auf grässliche Weise entschieden, und sowohl die Kräfte der positiven Seite wie der negativen Sei­te schicken sich nun an, in ein neues Universum aufzubrechen, wo der 15. KONFLIKT geschlagen werden wird.

Wo genau das sein wird und was die Teilnehmer – alte und neue – dort erwartet, davon berichte ich in Teil 22 der Close Up-Rei­he in ein paar Wochen. Dann reisen wir realchronologisch etwa sechs bis sieben Jahre zurück in die Jahre 1981/82 und buch­stäblich in die Grundfesten des OSM, denn mit der Serie „Oki Stanwer“, die dann alsbald der KONFLIKT 15 des OSM werden sollte, begann in der Tat alles.

Ich verrate euch aber heute schon ein Geheimnis: es geht in heimatliche Gefilde. Zentral sind als Handlungsorte die Galaxis Milchstraße und der Herrschaftsraum der irdischen Menschheit. Oder das, was der fast zwei Jahrtausende währende Voork-Krieg davon übrig gelassen hat. Von geordneten Verhältnissen kann keinerlei Rede sein, wie schnell zu entdecken ist. Und dann gibt es noch ein sehr pikantes Problem: Oki Stanwer will nicht mehr kämpfen.

Mehr dazu in der nächsten Folge dieser Reihe, in exakt vier Wo­chen.

Bis bald dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 293: Die Boten des Unheils (2)

Posted November 3rd, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

vor vier Wochen entführte ich euch erstmals in Peter F. Hamil­tons „Commonwealth“-Imperium, dessen erste zarte Ansätze in dem Roman „Der Dieb der Zeit“ (Rezensions-Blog 284) be­gonnen haben. Eigentlich gehört „Die Boten des Unheils“ in den Roman „Der Stern der Pandora“, nur war Bastei damals auf dem Trip, so voluminöse Romane in zwei Teile aufzuspalten. Das ist hier noch durchgängig der Fall, weshalb es sich also empfiehlt, „Stern der Pandora“ und diesen hier in einem Zug zu konsumieren. Dass das gelingt, weiß ich aus eigenem Erle­ben.

Es führt aber zugleich, diese Warnung sei ausgesprochen, zu dem wirklich fiesen Cliff-hanger am Ende dieses Romans, wo ich ungläubig auflachen musste, weil ich meinte, Hamilton könne so etwas doch wohl seinen Lesern nicht antun. Doch, konnte er. Und ich konnte Ozzies Fluch so gut verstehen, als er über den Rand der Welt kippte und in einen unauslotbaren Abgrund stürz­te … ah, aber ich verrate zu viel.

In diesem Roman gelangt also das irdische Expeditionsschiff Se­cond Chance an sein Reiseziel und entfesselt eine furchtbare Nemesis, die zur größten Krise des menschlichen Sternenreichs führt.

Vorhang auf also für den Auftritt der „Boten des Unheils“:

Die Boten des Unheils

Commonwealth-Zyklus Roman 1, Teil 2

(OT: Pandora’s Star, Part II)

von Peter F. Hamilton

Bastei 23293, April 2006

702 Seiten, TB; 8.95 Euro

Deutsch von Axel Merz

ISBN 978-3-404-23293-2

Aufgeschreckt durch die Entdeckung des Randwelt-Astronomen Dudley Bose, hat das menschliche Commonwealth, repräsen­tiert durch seine Familiendynastien, beschlossen, das Raum­schiff Second Chance zu bauen und unter dem Kommando von Wilson Kime, dem letzten Mars-Astronauten alten Schrot und Korns, zum fernen Sternpaar Dyson Alpha und Dyson Beta zu entsenden. Beide Sterne sind bekanntlich umhüllt worden von einer fremdartigen Barriere, die seit über tausend Jahren exis­tiert, aber offensichtlich von einem Moment zum nächsten ent­standen ist.

Als die Second Chance ihr Zielgebiet erreicht, stürzt jedoch die Barriere um Dyson Alpha in sich zusammen, kurz nach der Ent­deckung einer gigantischen, vollkommen fremdartigen Festung, die auf der Oberfläche dieser Barriere installiert worden zu sein schien. Vermutlich ist sie der Ausgangspunkt dieser Abschot­tung.

Hinter der Barriere enthüllt sich ein Sonnensystem, das von ei­ner hochtechnisierten und außerordentlich aggressiven Spezies bevölkert wird. Als es zum ersten Kontakt kommt, kann das irdi­sche Raumschiff nur knapp der Vernichtung entgehen. Zwei Be­satzungsmitglieder müssen allerdings bei der Flucht zurückge­lassen werden: der Astronom Dudley Bose und eine Raumfahre­rin namens Emmanuele Verbeke (der Übersetzer hatte mit dem Namen so seine Probleme, manchmal verwandelt er sie in einen Mann).

Zurück im Commonwealth gerät der Missionskommandant we­gen dieser Flucht unter Medienbeschuss. Man wirft ihm vor, er habe zu Früh das Weite gesucht. Kimes Prognose lautet, dass die aggressive Feindzivilisation versuchen dürfte, die menschli­che Einflusssphäre zu erreichen. Sie brauchen also nach seiner Ansicht ein Raumfahrtprogramm – auch wenn die Aliens offen­sichtlich weitreichende interstellare Antriebe noch nicht besit­zen, erst recht keine Wurmlöcher, auf deren Anwendung die menschliche Zivilisation beruht.

Niemand ahnt jedoch, um was für eine Spezies sich handelt. Die seit Jahrhunderten in ewigem Krieg miteinander liegende Rasse der Primes von Dyson Alpha hat sich aus einer Art Kollektivintel­ligenz entwickelt, und die am höchsten entwickelte davon ist MorningLightMountain, in dessen Hände auch die beiden Men­schen fallen. In Rekordzeit adaptiert er die Erkenntnisse der Ge­fangenen und lernt es, Wurmlöcher zu öffnen. Viel schneller als befürchtet, macht sich MorningLightMountain daran, seine Streitmacht auf den Weg zu schicken. Und sie zählt nach Tau­senden von Schiffen und Millionen von Fußsoldaten …

Derweil geht im Commonwealth die Entwicklung der anderen Handlungsstränge weiter: die Geschichte auf Oaktier, einer Pha­se-I-Welt, von der man eigentlich mit Ende des ersten Buches meinte, sie sei abgeschlossen. Hier wurde vom Chief Investiga­tor des Intersolar Serious Crimes Directorate (ISCD) Paula Myo der Mord an der Bürgerin Tara Jennifer Shaheef und ihrem Ge­liebten aufgeklärt.

Das Problem, das nach der Verhaftung des Täters übrig blieb, war seine jugendliche Geliebte Mellanie Rescorai, die in diesem Buch eine überraschende Karriere macht und schließlich, unter­stützt von der Datenpersönlichkeit der SI, die überall im Com­monwealth durch die Unisphäre zu erreichen ist (in ihr werden auf freiwilliger Basis die Gedächtnisinhalte von Bürgern gespei­chert, die nicht mehr durch die Rejuvenation physisch fortleben wollen), zur Starreporterin der Medienpersönlichkeit Alessandra Barron aufsteigt.

Was Mellanie, eine bildhübsche, blutjunge Firstliferin, dabei nicht weiß, lernt sie rasch – Alessandras „Assistentinnen“ sind nicht weniger als Huren, die von ihrer Chefin zwecks Wissenser­werb in die Betten informationsträchtiger Kunden geschickt werden. Weigerung führt zum unausweichlichen Karriereende. Niemand kann jedoch vorhersehen, dass Mellanies brennender Hass auf Paula Myo sie auf diese Weise schließlich auf die Fähr­te von Dudley Bose bringen wird – und so auf die Spuren des le­gendären Starflyers

Der zweite Handlungsstrang betrifft Paula Myo selbst: sie ist nach wie vor auf der Jagd nach dem Terroristen Bradley Johans­son, den Gründer der Guardians of Selfhood, dessen Operati­onsbasis sich auf dem fernen Randplaneten Far Away befindet. Johansson behauptet bekanntlich, die Regierung der Menschheit sei von einem feindseligen Alien namens Starflyer unterwan­dert, der auch den Einsturz der Barriere um Dyson Alpha be­wirkt habe (durch einen Agenten an Bord der Second Chance). Allgemein wird angenommen, dass dieses Alien nur ein Hirnge­spinst Johanssons ist, der einstmals auf Far Away im Auftrag der Halgarth-Dynastie ein gestrandetes Alien-Raumschiff untersuch­te.

Als Paula Myo Johanssons Waffenhändler Adam Elvin, einem einstmaligen radikalen Sozialisten, auf einer Wasserwelt so dicht auf den Fersen ist, dass sie ihn fast gefasst hat, taucht auf einmal ein Killer auf, der mit absoluter Brutalität die Operation von Johanssons Guardian of Selfhood unterbricht und Elvins Waffenlieferung zerstört. Der Killer entkommt unerkannt. Der Fehlschlag der Operation wird Paula Myo angelastet, und sie muss ihren Hut nehmen. Sie denkt allerdings nicht im Traum daran, ihre seit über einem Jahrhundert andauernde Verfolgung Johanssons aufzugeben. Sie wendet sich nun an einen Angehöri­gen der Burnelli-Dynastie, und damit beginnen die Probleme richtig …

Ebenfalls in die Burnelli-Dynastie gehört Justine Burnelli, die im ersten Roman als Abenteuertouristin auf Far Away in Erschei­nung trat und dort für wenige Tage zum „Engel“, heißblütigen Geliebten und großen Liebe des jungen Guardian Kazimir Mc­Foster aufstieg. Beide können einander nicht vergessen, und als Kazimir von Bradley Johansson selbst mit einer Mission auf der Erde betraut wird, setzt er alles daran, seinen Schwarm wieder­zusehen …

Der vierte Handlungsstrang kümmert sich um Ozzie Fernandez Isaac. Zusammen mit Nigel Sheldon – letzterer hat die Sheldon-Dynastie gegründet, während Ozzie es vorzog, sich lieber ein phantastisches Heimat-Refugium in einem ausgehöhlten Aste­roiden zu errichten, ohne familiären Anhang um sich zu scharen – hat er einst im 21. Jahrhundert die Wurmloch-Technologie er­funden. Ozzie ist der Auffassung, dass die rätselhafte Alienrasse der Silfen auf der Welt Silvergalde mehr über die Aliens von Dyson Alpha wissen könnte. Außerdem möchte er gerne mehr über die geheimnisvollen „Pfade“ der Silfen erfahren.

Nun, wenigstens letztgenannter Wunsch geht in Erfüllung, aber anders, als er sich das denkt: zusammen mit dem halbwüchsi­gen, elternlosen Jungen Orion folgt er den Silfen und landet auf einer Welt des ewigen Frostes, indes ohne realistische Chance, hier zu überleben. Im letzten Moment können gestrandete Men­schen die beiden in eine Eiszitadelle der Silfen retten, in der zahlreiche Alienrassen leben – beziehungsweise jene Unglücks­eligen, die sich auf die Pfade der Silfen verirrt haben und nie wieder zurückfanden. Eine Frau ist seit dem 21. Jahrhundert (!) hier, und inzwischen schreibt man das Jahr 2383.

Keine schönen Aussichten, findet Ozzie, und sinnt darauf, von dieser Welt zu flüchten. Dann, wenn die Silfen das nächste Mal erscheinen und die so genannten „Icewhales“ jagen. Ein einsa­mer Außerirdischer, den alle nur Tochee nennen, schließt sich den beiden bei dieser Flucht an. Allerdings geraten sie vom Re­gen in die Traufe – in eine nicht minder unheimliche Welt, die Ozzie allerdings bekannt ist. Er führte einstmals ein Gespräch mit einem Menschen, der behauptete, er sei auf dieser Welt in einem dichten stellaren Nebel schon einmal gewesen und von hier aus ins Commonwealth zurückgekehrt – ein Mann namens Bradley Johansson …

Im zweiten Teilband des Romans „Pandora’s Star“ beginnen sich die Handlungsstränge auf faszinierende Weise miteinander zu verknüpfen. Aber vieles ist und bleibt eben doch noch offen. Zwar erweist sich rasch, dass das Alien, das Johansson „Star­flyer“ nennt, äußerst real ist, aber wer nun in der irdischen High Society in seinem Auftrag arbeitet, bleibt unklar. Ebenso die ge­nauen Detailziele dieses Wesens. Der umtriebige und geheim­nisumwitterte Bradley Johansson wird immer rätselhafter, wäh­rend andere Personen des ausufernden Stabes der dramatis personae interessante Wandlungen durchmachen. Nicht die un­interessantesten betreffen Paula Myo und Mellanie Rescorai.

Der Angriff der „Boten des Unheils“, wie die Truppen der Prime-Zivilisation bezeichnet werden, schockiert mit kompromissloser Härte und macht schnell deutlich, dass die menschliche Zivilisa­tion zu dramatischen Gegenmaßnahmen gezwungen sein wird, wenn sie bestehen möchte. Und zugleich wird der Commonwe­alth von innen ausgehöhlt, die Intrigen und Hierarchiekämpfe gehen unverdrossen weiter und dokumentieren nachdrücklich zur „großen Politik“ durchaus auch die Individualschicksale, zu denen beispielsweise die von Hunderttausenden und bald dar­auf Millionen von Flüchtlingen gehören.

Hamilton, das wissen seine Leser, gehört allerdings eigentlich nicht zu den Autoren, die der Ansicht sind, mit Gewalt könne man alles lösen. Es gibt hier also im Roman einen moralischen Konflikt, der die Reformierung der Gesellschaft betrifft, und viel­leicht geht man nicht fehl, wenn man – unter anderem dann, wenn man solche Worte wie „Selbstmordattentate“ liest! – in dieser Handlung eine Art Widerhall auf die aktuelle amerikani­sche Politik seit Herbst 2001 sieht: Wie verhält sich eine Gesell­schaft, die nicht auf Krieg gefasst ist und auf einmal brüsk „überfallen“ wird? Wird sie sich so sehr ideologisieren lassen, dass die Friedensgesellschaft sich in eine militaristische verwan­delt? Was hat das für mentale Folgen? Was für Vereinfachungs­mechanismen setzen ein, wie tief geht die Strukturwandlung dieser Gesellschaft?

Mit solchen Fragen greift Hamilton tief in die Gegenwartspolitik ein, denn eben einer solchen Wandlung ist die amerikanische Gesellschaft und Politik seit Jahren unterworfen, mit durchweg katastrophalen Folgen. Auch sonst spart er Problemkomplexe nicht aus, die sich mit den neuen Technologien verbinden, die er als Grundlagen des Commonwealth etabliert: wie beeinflusst beispielsweise die Möglichkeit der regelmäßigen Rejuvenation, die jahrhundertelanges Leben möglich macht, die Struktur von Partnerschaften, ist es moralisch vertretbar, wenn sich ein Reli­fer im 200. Lebensjahr eine „Firstliferin“ angelt, die gerade mal neunzehn Jahre jung ist? Was ist mit Kindern aus verflossenen Ehen, die inzwischen teilweise selbst wieder Kinder haben? Wie endlich beeinflusst solche Technologie die Verteilung der Güter und Finanzen in einer Gesellschaft? Hat unter solchen Aspekten sozialistischer Idealismus überhaupt noch eine Existenzberechti­gung, oder ganz besonders jetzt? Und so weiter.

Jenseits des militärischen Konflikts, jenseits des hochspannen­den kriminalistischen Handlungsstranges und der äußerst kom­plexen, mehrheitlich dynastisch geprägten Interessenpolitik ent­wickelt sich diese Serie hintergrundbedingt ähnlich faszinierend tiefsinnig wie weiland der „Armageddon“-Zyklus. Und man kann als Leser gespannt sein, wie Hamilton die vielen Handlungs­stränge letztlich vereint. Besonders neugierig sein darf man weiterhin auf Bradley Johanssons Geschichte und die Entde­ckung des Starflyers. Und dann gilt es, die Menschheit zu ret­ten. Mehr dazu im kommenden Band.

© 2006 by Uwe Lammers

Nervenaufreibend und megaspannend? Wohl wahr, Freunde. Und damit ihr euch wieder ein wenig herunterkühlen könnt, be­suchen wir in der kommenden Woche mal einen französischen Krimiautor und analysieren ihn.

Mehr dazu in sieben Tagen an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

Blogartikel 400: Storyfiles: Ein Wunder in der Wüste

Posted Oktober 31st, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

geraume Zeit habe ich überlegt, was ich euch wohl zu diesem Jubiläumsanlass im Rahmen meines Wochen-Blogs präsentieren könnte, nach nunmehr annähernd siebeneinhalb Jahren, die ich euch schon Woche für Woche in die Details des Oki Stanwer My­thos (OSM) einführe. Anfangs dachte ich mir, ich könnte erneut einen Hintergrundartikel bringen … aber meine Durchsicht der­selben ergab, dass sie sämtlich an mehreren Problemen krank­ten:

Erstens waren die meisten viel zu lang (z. T. 40 einzeilige Text­seiten, und es ist offenkundig, dass das hier viel zu weit führen würde).

Zweitens waren die meisten ohne gründliche Nachbearbeitung gar nicht in der aktuellen Verfassung, überhaupt publiziert zu werden.

Drittens, und das gab dann eigentlich wirklich den Ausschlag, bezogen sich die meisten vorhandenen Hintergrundartikel so gründlich auf OSM-Interna, die für euch noch gar nicht zugäng­lich sind, dass die Veröffentlichung solcher Artikel für euch weni­ger ein Horizont erweiterndes Lesevergnügen gewesen wäre als vielmehr die Präsentation eines semantischen Labyrinths, das nur gut gewesen wäre für Verständnislosigkeit und gerunzelte Stirnen.

Das aber hätte meine Intention für diesen Beitrag völlig unter­graben. Er soll schließlich interessant sein und sich leicht und verständlich lesen lassen.

Ich verfiel dann also auf ein anderes Muster und dachte mir: Zeig doch deinen Lesern mal eine unveröffentlichte kurze OSM-Geschichte. Dazu ist natürlich einiges an Backgroundwissen er­forderlich, aber wenn ich das erst mal präsentiert habe, so mein Hintergedanke, dann werft ihr hier – wie in einem klassischen Annalen-E-Book – einen Blick in ein euch sonst noch unzugängli­ches OSM-Universum. In diesem Fall handelt es sich um den KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“. Ich arbeitete an dieser komplexen Serie, die mich am Schluss zu einem völlig neuen Grundlagenverständnis des Oki Stanwer Mythos brachte, von 1988 bis 1994 und erreichte hier mit Band 147 die höchste Episodenzahl pro Serie überhaupt.

KONFLIKT 23, und damit kommen wir zu den Serieninformatio­nen, die ich vorab geben kann, damit ihr die nachfolgende Ge­schichte richtig einzuordnen versteht, ist ein so genannter Mul­tiwelten-KONFLIKT. Das bedeutet, um eine Hauptrealitätswelt gruppiert sich eine ganze Schar von parallelen Welten, in denen unterschiedlichste Zeitepochen und Kulturstufen existieren.

Eine davon ist die so genannte Pharaonenwelt. Das pharaoni­sche Reich hat es geschafft, das 22. nachchristliche Jahrhundert zu erreichen. Immer noch regiert ein Pharao namens Amenophis XII. diese Welt, dessen Machtzentrum in Ägypten liegt. Hier sind Götter wie Horus, Anubis, Isis, Seth usw. absolute Realität, Magie offenkundig ebenfalls, und die Regentenfamilie, die we­sentlich aus dem Pharao selbst und seinem Sohn Ti besteht, der mit der Göttin Isis gezeugt worden sein soll (die Details, die zu­nächst nach reiner Fantasy klingen, erweisen sich später als schreckliches Täuschungsmanöver eines größenwahnsinnigen Baumeisters), diese Regentenfamilie wird von den Göttern auf eine sehr manifeste Weise geschützt.

Das bedeutet nicht, dass nicht Unglücksfälle vorkommen. So geschieht es, als der Pharaosohn Ti auf der Jagd ist. Er gerät da­bei in Gefangenschaft, und was folgt, ist dann dies:

Ein Wunder in der Wüste1

Eine OSM-Story von Uwe Lammers

AUS DEN ANNALEN DER EWIGKEIT

Die Peitsche fuhr mit einem zischenden Laut auf den Rücken des Man­nes nieder. Er bäumte sich etwas auf, stieß aber keinen Laut des Schmer­zes aus, das war unter seiner Würde. Seine Gewänder waren zerfetzt, und mit bloßem, dicht behaartem Oberkörper hing er zwischen den beiden Pal­men, an die man ihn angebunden hatte. Die sehnigen Beine standen noch immer fest auf dem Boden.

„Ägyptischer Hundesohn“, zischte der ledergekleidete Mann der Seevöl­ker hervor. Er hatte einen dichten, schwarzen Bart, der unter dem Kinn un­rasiert war, wie es bei diesen Barbaren Sitte war. „Stolz bis in das Mark! Khorram, gib ihm noch zehn Hiebe!“

Der Ägypter, dessen schwarzes Haar wie ein Helm glatt anlag und nun von Schweiß verklebt und verfilzt war, hob den Kopf und funkelte den Sprechenden an. „Mein Vater wird sich an euch rächen. Er und die Götter!“

„Ha!“, höhnte Khorram hinter ihm. „Eure Götter! Schlangen, Katzen und Krokodile, Nilpferde und Affen! Ihr kriecht den Tieren zu Füßen, wir aber wissen, wir sind Herrscher der Tiere und tun mit ihnen, was wir wollen!“

Verbissen schwieg der Ägypter und ließ die nächsten Peitschenhiebe über sich ergehen. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, diesen Gottlo­sen ihren Glauben auszureden. Es hatte überhaupt keinen Zweck.

Verzweifelt dachte er an den Moment, da ihn die Feinde entdeckt hat­ten.

Er hatte Fenneks, Wüstenfüchse, entlang der libyschen Wüste gejagt und dies zusammen mit fünf Streitwagen und zwanzig Mann Fußvolk. Die Angehörigen der Seevölker, die ihre Basen entlang der Inseln Korsika und Sardinien hatten, weil ihre Stützpunkte in Kanaan und Kleinasien von den Truppen des Pharaos Amenophis XII. ausgelöscht worden waren, hatten so­fort den Kampf begonnen. Ganz offensichtlich hatten sie nur zu gut ge­wusst, wo entlang er mit seiner Jagd kommen würde.

Sie hatten sich erbittert gewehrt, aber die Phönizier, wie sie selbst ge­nannt wurden, hatten mit Bogenschützen die Jagenden niedergemäht. Er selbst und drei seiner treuesten Soldaten hatten sich an einem Hügel ver­schanzt und sich bis zum letzten Pfeil gewehrt und danach zu den Schwer­tern gegriffen.

Doch es hatte nichts genutzt. Die Überzahl hatte sie niedergerungen.

Ti, der Sohn des großmächtigen Amenophis XII., des Herrschers über das Obere und Untere Reich, das Reich Hatti, Mesopotamien und den gan­zen Mittelmeerraum mit Ausnahme der Stützpunkte der Phönizier, war in Gefangenschaft geraten und in die Wüste verschleppt worden.

Er wusste nicht, ob er sterben oder ob er als Geisel gehalten werden sollte, damit sein Vater keine Kämpfe mehr gegen die Angehörigen der Seevölker führte, aber letzteres konnte er sich gut vorstellen.

Als sie ihn alleine ließen auf dem Platz in der Mitte der Oase, dicht bei dem Brunnen, dessen Wassergeruch Tis Beine fast schwach werden ließ, weil er so ausgedörrt war, da hatte er das Gefühl, seine Glieder würden bleischwer werden. Und vielleicht waren sie das ja auch. Wer mochte das wissen?

‚Oh Horus, du Licht der Sonne, du Born unseres Lebens, ich, Ti, Sohn des großmächtigen und allweisen Pharaos Amenophis XII., Sohn der Götter und Erstgeborener des Pharaos und der Göttin Isis, ich erflehe deine Hilfe um jeden Preis der Welt. Hilf mir, freizukommen aus der Gefangenschaft der Seevölker und strafe sie mit deinem göttlichen Zorn! Ich will es dir danken, so gut ich es kann!’

Dann verlor er vor Schwäche und Entkräftung das Bewusstsein.

*

Ti kam wieder zu sich, als ihm ein Tonbecher voll Wasser ins Gesicht ge­schleudert wurde.

Prustend öffnete er die Augen und starrte um sich. Es war Dämmerungs­zeit, und die Sonne verwandelte den Horizont, der von buckligen, weißgel­ben Dünen bedeckt wurde, in ein loderndes Flammenmeer.

Vor ihm stand ein phönizischer Soldat in seiner braunen Lederrüstung, in der er eigentlich stark schwitzen musste. Aber die Seevölker waren diese Hitze von ihren Fahrten und Reisen gewöhnt. Sie lebten auch, ihrem Na­men zum Trotz, nicht nur an den Küsten, sondern auch etwas im Inland. Und wiewohl sie in erster Linie vom Handel und vom Seekrieg lebten, von der Piraterie also, hatten sie in den vergangenen Jahrzehnten unter der Verfolgung durch Tis Vater und dessen Vater gezwungenermaßen den Ackerbau lernen und sich auf entlegene Inseln oder in entlegene Landstri­che der libyschen Wüste zurückziehen müssen.

„Ha, du ägyptischer Hurensohn“, fluchte der Phönizier lallend. Offenkun­dig hatte er dem Weizenbier zu stark zugesprochen, die Hitze tat ihr Übri­ges dazu, ihn unberechenbar zu machen. „Du … wirst bezahlen … für al­les! Für alles, sage ich …“

Ti starrte an ihm vorbei auf ein Dach einer Lehmhütte, dort bewegte sich ein heller Fleck. Obwohl der Sohn des Pharaos gleich wieder wegsah, bemerkte der Betrunkene den Blick und drehte sich taumelnd um.

„Was … issn das für einer?“, knurrte er in der gutturalen Sprache der Seevölker, die Ti nur deswegen verstand, weil er sie auf Geheiß seines Va­ters hatte lernen müssen. Ti beherrschte eine Vielzahl von Sprachen, was unabdingbar notwendig war, da er im diplomatischen Dienst eingesetzt werden sollte, bis sein Vater starb.

Der Posten griff nach einem der am Brunnen abgestellten Bögen und griff sich einen Pfeil.

Ti wusste, dass die Angehörigen der Seevölker in dem Ruf standen, auch in volltrunkenem Zustand ihr Ziel zu treffen. Sie waren vortreffliche Bogen­schützen geworden, was sie früher nicht gewesen waren.

„Nicht!“, sagte er mühsam und leise.

Der Phönizier drehte sich wieder zu ihm um, den Pfeil auf der Sehne.

„Du … bist still, Hurensohn!“, keuchte der Betrunkene. Seine Hände schwankten tatsächlich nicht. Ti fühlte den Hauch des Todes in seiner un­mittelbaren Nähe.

Und er war still.

Der Soldat drehte sich wieder um und visierte den hellen Punkt an, den Ti nun erkannte. Es war ein Vogel. Ein weißer Horus-Falke aus Edfu, da war er sich ganz sicher.

Ein Vogel der Götter!

„Dummer … Vogel …“, keuchte der Phönizier und spannte den Bogen.

Im nächsten Moment erhellte auf gespenstische Weise ein schwarzer Blitz, der nicht blendete, die Szenerie auf dem Platz der Oase. Aus den Au­gen des Falken und seinem kleinen Maul zuckten schwarze Blitze, die sich zu einem Blitzstrahl vereinigten und den Bogenschützen in die Brust tra­fen. Die Wucht dieser Blitze hob den Phönizier von den Beinen und schleu­derte ihn gegen einen Steinsockel, auf dem normalerweise die Eimer stan­den, wenn sie aus dem Brunnen geholt worden waren.

Lautlos sackte der Phönizier zusammen. Aus seiner Brust ringelte sich grauer Rauch, der Gestank verbrannten Fleisches hing in der Luft und reiz­te Ti zum Erbrechen, aber er bezwang diese Übelkeit.

„Der Zorn … des Horus“, flüsterte er heiser. „Ich … danke dir, großer Gott Horus …“

DU DANKST ZU FRÜH, TI, SOHN DER ISIS UND DES PHARAOS AMENO­PHIS XII.

Der Sohn des Pharaos hatte keine Gelegenheit, sich über die geisterhaf­te Stimme des Gottes zu wundern, denn schon verließen die Phönizier, die den Kampf um ihn überlebt hatten, immerhin noch zwölf an der Zahl, die niedrigen Lehmhütten, und sie erblickten den Leichnam.

„Was, bei Baal …?“, stieß einer der Soldaten erschüttert aus.

Ein schwarzer Blitz traf ihn in den Rücken und schleuderte ihn mit dem Gesicht in den Sand.

Die anderen flüchteten hinter Bäume und hinter den Brunnen.

Weitere Blitze gingen fehl. Einer der Phönizier, die ohnehin fast alle gleich aussahen, weil sie beinahe dieselbe Haarfarbe und beinahe alle Voll­bärte besaßen, die relativ wild wucherten, feuerte einen Pfeil auf das Dach ab.

Der Horus-Falke saß da, völlig gelassen, als wenn ihm nichts passieren könne.

Ti war zuversichtlich, aber seine Zuversicht erlebte gleich darauf einen gewaltigen Schock.

Der Falke wurde von einem der nächsten Pfeile voll getroffen und schien sich aufzulösen. Ein schwarzer Feuerball blähte sich dort auf, und eine hef­tige Explosion zertrümmerte das Dach des Hauses, schleuderte die Adobe-Ziegel nach außen, wirbelte die Phönizier zu Boden und peitschte die Palmwedel und Büsche wild.

Dann herrschte Stille.

Tis Augen waren geweitet.

Zwei der dreizehn Phönizier waren tot, aber die restlichen lebten noch, und sie würden jetzt gleich von ihm eine Antwort fordern. Sie würden ihn eventuell noch weiter misshandeln, nur um herauszubekommen, was hier eben geschehen war.

Der Anführer, ein Mann namens Hashemon, kam einen Moment später auch wirklich heran und stellte sich drohend vor ihm auf, während die an­deren die beiden Toten betrachteten.

„Du wirst uns jetzt erzählen, was das war!“, forderte der Phönizier ihn auf.

Doch bevor Ti antworten konnte, begann die Wüste zu leben. Ein mark­erschütterndes Heulen hob an.

Schakalheulen!

*

„Schakale!“

Der Ruf verbreitete sich blitzschnell unter den Phöniziern. Die Räuber der Steppen und Wüsten hatten die Leichen gewittert, die eben erst zu sol­chen geworden waren. Sie konnten manchmal Tote meilenweit wahrneh­men, genau wie die Geier.

Ti dachte an jemand anderen.

‚Anubis, schakalköpfiger Gott der Unterwelt, komm und stehe mir bei, wie schon mein hoher Herr, der Behüter des Nillandes, der falkenköpfige Gott Horus, mir beigestanden hat!’

Die Phönizier griffen nach ihren Waffen, vornehmlich nach den Bögen, einige aber auch nach den Schwertern, die aus einer Kupferlegierung mit speziellem Mischungsgrad bestanden. Sie garantierten optimale Härte. Auch Eisen war bekannt im 22. nachchristlichen Jahrhundert, aber es wur­de fast ausschließlich für Schmuckstücke und Beschläge verwendet, da es sich für die Waffenkunst nicht sonderlich eignete.

„Wir werden uns um dich kümmern, wenn wir mit den Schakalen fertig sind“, versprach Hashemon düster, und seine Augen funkelten böse vor Hass.

Das Heulen umringte das Lager. Die Angehörigen der Seevölker stellten sich in einem Kreis auf, Rücken an Rücken, um so den besten Schutz zu haben.

Ti wurde in diesen Kreis nicht einbezogen, ebenso wenig die beiden Lei­chen. Ti begriff, was der Sinn dieses Manövers war. Sie wollten damit die Jäger der Wüste anlocken und nacheinander abschlachten.

Aber Schakale waren gerissen und klug, wie er aus eigener Erfahrung wusste. Wenn sie nicht vor Blutdurst außer sich waren, wurden sie grauen­hafte, brandgefährliche Gegner.

Die Wüstenkälte hatte sich über die Oase gelegt, und außer einigen Fa­ckeln, die die Phönizier in aller Hast aufstellten, erleuchtete nichts die Sze­nerie. Selbst der Mond war mit den Sternen hinter dichten Wolkenvorhän­gen verschwunden. Normalerweise kündigte das einen Sandsturm an, aber nachts kamen sie nie. Ti wusste, dass das an den Temperaturgefällen lag, die Phönizier indes, von denen einige Wettergötter anbeteten, besaßen ein weniger fundiertes Wissen und führten das alles auf den Willen ihrer Wet­tergötter zurück.

Der Sohn des Pharaos lächelte. Niemand sah es.

Und dann waren die Schakale auf einmal am Rand des Lagers.

Bernsteingelbe, schweflige Augen glommen bestialisch und geschlitzt in der Finsternis, schimmerten fast golden im Flackern der zuckenden Flam­men. Die ersten Pfeile zischten ins Dunkel, aber keiner traf. Die Bestien blieben außer Reichweite.

Als Ti auf einmal an seinem linken Bein zottiges Fell fühlte und eine kal­te Schnauze, da brach ihm doch der Schweiß aus. Wer sagte ihm, dass dies ein Sendbote des Anubis war? Gab es nicht auch andere, freiere Schakale, die …

BIST DU IMMER SO KLEINGLÄUBIG, TI, SOHN DER ISIS UND DES AMENO­PHIS XII.? DAS SOLLTEST DU NICHT SEIN. WANN IMMER DIE GÖTTER FÜR EUCH DA SEIN SOLLEN, DA WERDEN SIE SEIN.

Scharfe Hauer nagten an seinen Fesseln. Es dauerte nur Augenblicke, bis einer der Phönizier zufällig wieder zu Ti hinsah und aufschrie. „Da! Ein Schakal! Bei Baal! Er … er befreit …“

Aus den Augen des Schakals zuckte ein schwarzer Blitz und traf den Kopf des Phöniziers. Einen Kopf, der danach nicht mehr vorhanden war. Der kopflose Torso prallte zu Boden und blieb noch zuckend liegen.

Die anderen waren extrem schockiert.

Und diesen Moment nutzten die anderen Schakale, um über die versam­melten Phönizier herzufallen.

Ti schloss die Augen vor dem grauenhaften Fauchen, Knurren, den gel­lenden und gurgelnden Schreien, dem Knirschen zermalmter Knochen und dem reißenden Geräusch, wenn die Tiere ihre Gebisse in die Körper ihrer Opfer schlugen.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann war der ungleiche Kampf beendet.

*

VERGISS NIE, WEM DU DEINE RETTUNG VERDANKST, TI, SOHN DER ISIS UND DES PHARAOS, DES HERRSCHERS DES OBEREN UND UNTEREN REI­CHES, hallte die Stimme des obersten Gottes des Nillandes, des Falkengot­tes Horus, in ihm nach, als er am nächsten Tag die Hauptstraße von Edfu hinabging, vom Horus-Tempel kommend. Er wusste nicht, wie er hierher gelangt war, aber das war auch nebensächlich.

Dies war die erste Verkündigung der Götter, und er wusste unterschwel­lig, dass noch viele solche Verkündigungen nachfolgen würden. Er nahm es als ein Wunder hin, das in der Wüste an ihm geschehen war. Und tiefe Dankbarkeit erfüllte sein Herz.

Solche Götter mussten es sein, die die Geschicke der Menschen lenkten. Grausam, aber gerecht und immer zur Stelle, wenn Unrecht geschah ge­gen die Würdenträger des Reiches, die dessen Bestes wollten.

Die Phönizier hatten nicht an die Macht der Götter geglaubt. Bis sie sie erlebten. Ein für allemal …

ENDE

© 1992, 2009 & 2020 by Uwe Lammers

Gifhorn, 29. Juli 1992

Abschrift: Braunschweig, den 17. Januar 2009

Korrekturfassung: 25. Mai 2020

Wie ihr seht, sind die Götter der Pharaonenwelt höchst real – und doch fußt ihre „Magie“ auf anderen OSM-physikalischen Prinzipien, als man das auf den ersten Blick glauben mag. Bei­zeiten, wenn ich euch dieses Universum genauer vorstelle, wer­det ihr sehen, dass das mit „Magie“ nicht viel zu tun hat, und dass auch die „Götter“ sehr viel realistischere Wurzeln besitzen, als es zunächst den Anschein hat.

Davon erzähle ich euch aber ein anderes Mal. Im Blogartikel der kommenden Woche führe ich euch im 21. Teil der Close Up-Arti­kel an den Schluss des KONFLIKTS 14, und vier Wochen später besuchen wir dann erstmals die Keimzelle des OSM, den KON­FLIKT 15, also die Serie „Oki Stanwer“.

Freut euch drauf, Freunde! Ich versichere euch – das ist ein vollständig anderes Abenteuer als das des KONFLIKTS 14.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Die Geschichte trägt den Vermerk OSM 883.

Rezensions-Blog 292: Codename Tartarus

Posted Oktober 28th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist ein Allgemeinposten, dass Autoren oder auch Autorenteams in ausgespro­chenen Schreibfabriken, die Jahr für Jahr Bestseller produzieren sollen, am bes­ten dann auch noch mit einem feststehenden Personal und einem nur bedingt zu variierenden Setting, quasi notwendig auch schwächere Werke vorlegen. Man ist halt als Verfasser nicht immer in Bestform, und ihr erinnert euch sicherlich, wenn ihr schon länger meinem Rezensions-Blog folgt, dass dieses Diktum na­türlich auch auf den kürzlich verstorbenen Clive Cussler und seine NUMA-Ro­mane zutrifft.

Umso mehr erfreut es mich immer wieder, wenn man dann nicht nur personale Coautoren-Kontinuität antrifft (wie etwa auch im Fall von Justin Scott, der sich nach wie vor um den Van Dorn-Ermittler Isaac Bell kümmert, inzwischen min­destens in 14 Romanen), sondern die Romane deutlich über tristes Durch­schnitts-Lesefutter hinausragen.

Graham Brown ist so ein Coautor, und bislang bin ich von keinem seiner Roma­ne enttäuscht worden. In diesem Fall fand ich das besonders beeindruckend, weil sich auch der Verlag deutliche Mühe gegeben hat, ein zum Buch sehr pas­sendes Cover zu besorgen (ihr wisst, das ist eher die Ausnahme).

Diesmal machen wir also einen Besuch in Australien und begleiten Kurt Austin und Joe Zavala von der NUMA zu einem unheimlichen Ort, den man den „Tar­tarus“ nennt, wo das Ende der Welt, wie wir sie kennen, vorbereitet wird.

Vorhang auf für dieses Buch:

Codename Tartarus

(OT: Zero Hour)

Von Clive Cussler & Graham Brown

Blanvalet 0143

Juli 2015, 8.99 Euro

512 Seiten, TB

Übersetzt von Michael Kubiak

ISBN 978-3-7341-0143-4

Am 18. April des Jahres 1906 strebt ein geheimes wissenschaftliches Experi­ment in den Vereinigten Staaten von Amerika dem Höhepunkt entgegen – ein Wissenschaftler namens Daniel Watterson hat eine Erfindung des genial-schrul­ligen Erfinders Nikola Tesla weiter perfektioniert und demonstriert sie an einem geheimen Ort dem amerikanischen Militär. Die Vorführung endet in einem bei­spiellosen Desaster.

Im Dezember 2009 schleppt die JAVA DAWN das wracke Kreuzfahrtschiff Paci­fic Voyager ab, mitten während eines zunehmenden Sturms. Der Seemann Pa­trick Devlin wird im Chaos der entfesselten Elemente Zeuge, wie das abge­schleppte Schiff Wasser aufnimmt und in den aufgewühlten Fluten versinkt, zu­sammen mit der Prisenmannschaft. Das Wrack wird nie gefunden.

Noch ein paar Jahre später, in der Gegenwart, gelingt es einem zwangsrekrutier­ten Arbeiter namens Sebastian Panos, von einem höllischen Ort zu flüchten, den er „Tartarus“ nennt und an dem er seit langer Zeit gefangen gehalten worden ist. Aber wo genau dieser Ort liegt, ist unbegreiflich – Panos gelingt zwar die Flucht, er fängt sich aber dabei eine Krankheit ein, die jeder Taucher nur zu gut kennt, die so genannte „Caisson-Krankheit“, die entsteht, wenn ein Taucher zu rasch aus großer Tiefe auftaucht und die Dekompressionszeiten nicht einhält. Dann lösen sich Stickstoffbläschen in seinem Blut, die zu Krämpfen, inneren Blutungen und bis zum Tod führen können. Wie das offensichtlich im Innern der australischen Wüste geschehen kann, ist anfangs völlig rätselhaft.

Kurt Austin von der NUMA weilt zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nur zu Ur­laubszwecken in Sydney und ist Gast eines (todlangweiligen) wissenschaftlichen Kongresses, dem er geschickt entfleucht. Dies geschieht gerade zum rechten Zeitpunkt, denn vor der Oper von Sydney, wo der Kongress stattfindet, trifft er auf die attraktive Australierin Hayley Anderson und wird wenig später Zeuge ei­nes brutalen Kampfes auf Leben und Tod, der nur dank seines Eingreifens nicht in einem Massaker endet (vgl. hierzu übrigens das fast völlig passende Cover des Buches!). Sebastian Panos, der hier verfolgt worden ist, findet jedoch den Tod, nachdem er seinen Namen und das Wort „Tartarus“ genannt hat.

Der Begriff Tartarus ist für den klassisch gebildeten Kurt Austin nichts Unbe­kanntes – in der griechischen Mythologie bildet der „Tartaros“, so im Original präzise, einen göttlichen Kerker in der Unterwelt. Aber was es in der Gegenwart damit auf sich haben soll, ist unklar.

Als die australischen Behörden den Fall übernehmen und sich herauskristalli­siert, dass die attraktive Hayley in die Angelegenheit auf rätselhafte Weise ver­strickt ist, entschließt sich Kurt Austin, der Angelegenheit selbst nachzugehen. Diese Absicht wird noch bestärkt, nachdem er von den australischen Behörden auf ausnehmend kleinkarierte Weise vernommen worden ist. Diesem blasierten Cecil Bradshaw von der Australian Security Intelligence Organization (ASIO) möchte er gern beweisen, dass er Recht hat und der ASIO-Chef im Dunkeln tappt. Dass er damit sein Gegenüber völlig falsch einschätzt, kristallisiert sich erst später heraus.

Es ist jedoch gut, dass er so vorgeht – bald darauf finden Austin und sein Freund Joe Zavala tatsächlich im australischen Outback jenen geheimnisvollen und töd­lichen Ort, an dem sich der Tote vorher aufgehalten hat … und jede Menge Lei­chen. Der unheimliche Gegner, der schon für den Terroranschlag in Sydney ver­antwortlich zeichnete, ist dabei, seine Spuren zu verwischen und die Station zu sprengen, in der vorher gearbeitet worden ist.

Dass die beiden NUMA-Mitarbeiter Bradshaw und Hayley Anderson das Leben retten, ist erst der Anfang eines turbulenten Abenteuers, das immer kurioser wird. Bradshaw beschließt nun, Austin einzuweihen: alles hat zu tun mit einem genialen Wissenschaftler namens Thero und seiner Entdeckung so genannter „Nullfeldenergie“, die dabei helfen soll, das Energieproblem der Welt zu lösen. Dieser im Grunde genommen phantastische Denkansatz kann aber auch zu ver­heerenderen Zwecken verwendet werden, nämlich als eine Waffe, die Nuklear­detonationen bei weitem in ihrer Wirkung übertrifft.

Thero ist von den modernen Nationen gekränkt und ignoriert worden, und nach­dem er die USA und Australien verlassen musste, errichtete er auf Japan ein La­bor, das vor Jahren auf rätselhafte Weise vollständig zerstört wurde. Seither gilt er als tot, aber das stimmt offensichtlich nicht. Seine Ziele haben sich inzwi­schen verändert, und er sinnt, offensichtlich wahnsinnig geworden, glühend auf Rache – und die Nullfeldenergie soll ihm dabei helfen, seinen Vergeltungsdrang zu erfüllen. Und mit seiner Rache plant er, ganze Kontinente zu zerspalten … es gibt nur eine Reihe von Problemen dabei: zum einen ist die Nullfeldenergie nach wie vor unkontrollierbar, und einmal angestoßen, kann dieser Prozess leicht die ganze Welt verwüsten. Und dann müssen Kurt Austin und seine Gefährten rasch entdecken, dass es eine weitere Fraktion gibt, die daran interessiert ist, Thero ausfindig zu machen und ihn entweder auszuschalten oder die Erfindung an sich zu bringen.

Ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit beginnt – und Theros „Zero Hour“, zu der er die Waffe aktivieren will, rückt unaufhaltsam näher, derweil er sich an ei­nem schier uneinnehmbaren Ort aufhält, den er „Tartarus“ nennt …

Der dritte Roman, der der Zusammenarbeit von Clive Cussler und Graham Brown entsprungen ist, besitzt dieselbe Rasanz wie die ersten beiden, und wenn man – wie es mir erging – dieses Buch auf einer Dienstreise liest, hat man wirk­lich eine Menge Zeit, in der man in Zügen nur wenig anderes machen kann als Schmökern … und wiewohl ich mir Zeit ließ, kostete mich dieses aufregende Werk dennoch nur drei Tage Lesezeit.

Ihr ahnt, was ich damit sagen möchte: dass es eine packende Geschichte ist. Ausgestattet mit einem nahezu vollständig passenden Cover, solide übersetzt und diesmal glücklicherweise nicht ständig mit den penetranten Cliff-hangern an den Kapitelenden ausgestattet (da hat Brown wohl jemand gesagt, dass er es bei „Höllensturm“ übertrieben hat, und das tut der Geschichte gut), liest sich das Buch ausgesprochen flüssig und geschwind. Vielleicht hätte der Plot strukturell ein kleines bisschen mehr verborgen sein können, aber das ist eine Marginalkri­tik.

Faszinierend war die Enthüllung, wer denn der geheime Informant in Theros Or­ganisation war, der so viele Informationen nach außen kommuniziert … selbst ich erkannte nur 50 % der Lösung, die so haarsträubend ist, dass man darauf wirklich kaum kommen kann. Gut in Szene gesetzt, muss ich konstatieren. Eine Lösung, möchte ich betonen, die wirklich noch in keinem Cussler-Roman, den ich kenne (und ich habe fast alle gelesen, die es auf Deutsch gibt), aufgetaucht ist.

Also eine solide und innovative Leistung.

Ob das auch für die im Roman zentrale Nullfeldenergie gilt, lasse ich mal dahin­gestellt sein. Ein interessantes Konzept ist es allemal. Die leichte Besessenheit von Nikola Tesla – auch schon beobachtet im Erstling von Graham Brown, dem Roman „Teufelstor“ – ist zwar auffallend, aber nicht nachteilig. Teslas Fähig­keiten werden in der Gegenwart sowieso erstaunlich unterschätzt, meist sieht man nur seinen erfolgreicheren Konkurrenten Edison.

Außerdem kann man, wenn man möchte, von diesem vorliegenden Roman einen Verbindungspfad herstellen zu dem Cussler-Roman „Höllenjagd“, der ebenfalls 1906 spielt und das Erdbeben von San Francisco thematisiert. Wer sich für die­ses Beben näher interessiert, das hier nur am Rande erwähnt wird, sollte sich auch mit Simon Winchesters beeindruckendem Sachbuch „Ein Riss durch die Welt“ (München 2006) beschäftigen.

Alles in allem – ein beeindruckendes, packendes Buch, das verständlich macht, warum Cussler die Zusammenarbeit mit Graham Brown fortgesetzt hat (etwas, was im Falle von Grant Blackwood leider nicht über drei Romane hinausführte).

Ein Buch, das man sich als Cussler-Fan bzw. auch als Leser unterhaltsamer Abenteuerromane nicht entgehen lassen sollte.

© 2016 by Uwe Lammers

Ja, das hatte es echt wieder in sich. Ihr merkt, aktuell stelle ich wirklich sehr sympathische und lesenswerte Bücher vor. Damit fahre ich auch in der kommen­den Woche fort, wenn wir erneut in Peter F. Hamiltons „Commonwealth“-Uni­versum eindringen und uns dem Verhängnis nähern, das das irdische Expediti­onsschiff „Second Chance“ unabsichtlich entfesselt. Oder steckt hinter dieser Katastrophe doch der Plan des monströsen „Starflyers“?

Das solltet ihr nicht versäumen herauszufinden. Einen Zipfel des Geheimnisses lüfte ich kommende Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

nach wie vor kann, global gesehen, keine Entwarnung gegeben werden oder von einer Rückkehr zur Normalität gar. Die Corona-Pandemie hält die Erde im Griff, die Infektionszahlen schnellen im internationalen Bereich inzwischen weit über 250.000 Neuin­fektionen täglich (!), und ein Ende der Spirale ist absolut noch nicht abzusehen.

Gut, in Europa haben wir die Lage halbwegs im Griff, mit ten­denziellen Ausschlägen nach oben, etwa wenn in bestimmten Branchen oder Landkreisen Ausbrüche zu verzeichnen sind, bzw. auch, wenn Urlauber infiziert wieder heimkehren. Aber ver­gleicht man unsere Lage mit der etwa in Indien oder den USA, wo z.T. täglich über tausend Todesfälle (!) zu verzeichnen sind, so kann man unsere Situation doch eher angespannt, aber rela­tiv kontrolliert nennen.

Was ebenfalls nicht wirklich normal ist, ist die Wetterlage. Der Monat Juli war diesbezüglich eine muntere Achterbahnfahrt, was für Menschen mit anfälligem Kreislauf reichlich strapaziös war. Ich für meinen Teil fand es mehrheitlich gut, dass der Monat nicht gar so glühend heiß war wie in den Vorjahren. Das hat sich denn auch deutlich auf meinen kreativen Output ausgewirkt. Drosselnd schränkte natürlich meine Brotarbeit diese positiven kreativen Ausschläge ein. Das solltet ihr bei der weiteren Lektü­re berücksichtigen.

Ein weiteres Positivum gibt es zu vermelden: endlich konnte ich in diesem Monat wieder einen E-Book-„Nachdruck“ bei XinXii. com hochladen, es betraf den Schlussband der Quin-Trilogie „Baumeister-Pläne“ (TI-Band 26). Weitere Veröffentlichungen sind in Arbeit.

Ansonsten habe ich mich sehr intensiv auf die OSM-Digitalisate konzentriert und kam hier gut voran. Folgendes ist für den Mo­nat Juli zu vermelden:

Blogartikel 395: Work in Progress, Part 91

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“)

12Neu 89: Rescaz‘ Vermächtnis

12Neu 90: Dämonenfalle Ghartaion-West

14Neu 96: Götze der Cranyaa

14Neu 97: Die Höllenwelt

14Neu 98: Kämpfer für TOTAM

14Neu 99: Sini-Ags Tod

(14Neu 104: Oki Stanwers Rache)

(14Neu 105: Lichtschatten über dem Kosmos)

Anmerkung: Das ist dann der Schlussband von KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“. Wie ihr sehen könnt, bin ich mit den Teilabschriften also bis zum Serienende gediehen. Im Grunde genommen gibt es nur noch relativ wenig Schreibar­beit in dem dreistufigen Digitalisierungsprozess zu erledigen, sodass ich davon ausgehe, im kommenden Monat August das Digitalisierungsprojekt von KONFLIKT 14, das ich am 6. Juli 2013 begonnen habe, final abschließen kann.

Wieso rede ich eigentlich von einem dreistufigen Digitalisie­rungsprozess? Naive Gemüter, die davon nichts wissen, mögen annehmen, es sei doch alles in einem Rutsch möglich … das ist ein Fehlschluss. Stufe 1 des Digitalisierungsprozesses besteht, insofern ist es richtig, in der reinen Textabschrift und der Korrek­tur der gefundenen Tipp- und Formulierungsfehler.

Stufe 2 beinhaltet dann die Verweisstruktur. Will heißen: Ich re­kurriere in den Episoden auf frühere Bände (oder auch auf an­dere Serien, wenn es größere kosmische Zusammenhänge an­geht), und diese Verweise erschließe und füge ich dann in der zweiten Stufe hinzu, sie werden in Stufe 1 nur rudimentär ange­legt.

Stufe 3 ist die textlich anspruchsvollste, die zwar am wenigsten Seitenmehrwert produziert, aber am meisten Zeit raubt: Ich gehe den Text Zeile für Zeile durch und kommentiere: krypti­sche Angaben. Inhaltslogische Fehler. Kosmologische Metainfor­mationen, die zum Zeitpunkt des Schreibens vielleicht keinen Sinn ergaben, heute aus dem modernen OSM-Konzept aber durchaus. Oder es ist das Gegenteil der Fall und damals durch­schimmernde Theorien lassen sich nicht mehr aufrechterhalten. In diesem Fall vermerke ich das für die spätere Überarbeitung. Wenn ich also in einigen Jahren daran gehen kann, die Digitali­sate in vernünftig lesbare, intelligente Texte umzuformen – wie das zurzeit mit der TI-Serie und den anderen E-Book-Texten ge­schieht – , dann werden diese in der dritten Stufe der Digitali­sierung ergänzten Metainformationen von unschätzbarem Wert sein.

Das ist also der Grund, warum die Digitalisierung so lange dau­ert und weshalb mir beispielsweise eine OCR-Software nur bedingt helfen könnte. Sie kann halt nicht nachdenken und kennt den OSM nicht. Sie wäre nur von Nutzen für Stufe 1, aber nicht für Stufe 2 oder 3.

14Neu 100: TOTAM

(12Neu 91: Der Dank der Baumeister)

(Lana II – Archipel-Story)

(12Neu 95: Austrittspunkt Bestcaan)

(14Neu 101: Ruf aus dem Halo)

(Juliana – Erotic Empire-Story)

(12Neu 92: Schleichweg nach Bytharg)

(OSM-Wiki)

(Brittanys Abenteuer – Erotic Empire-Novelle)

(12Neu 93: Die Geheimwaffe)

(12Neu 94: Der Berinnyer-Forscher)

(14Neu 102: Oki Stanwers Doppelspiel)

(14Neu 103: Stoßtrupp zur Welt des Bösen)

(Die Kolonie Saigon II – Erotic Empire-Roman)

(12Neu 96: Oki und die Yesvaa)

(Licht und Schatten auf Dawson – OSM-Roman)

Anmerkung: Ja, auch dieser lange Roman, der noch in der Ent­wicklung begriffen ist und mich noch Jahre an Arbeitszeit kosten wird (phantastische Arbeitszeit, weil das Schreiben verdammten Spaß macht, wie ich gegen Ende Juli wieder einmal feststellen konnte), beschäftigt mich natürlich. Diesmal habe ich das textli­che Reinvolumen auf mehr als 80 Textseiten ausgedehnt und konnte folgerichtig dann die nächsten Seiten am Glossar des Romans schreiben … und witzigerweise vermochte ich sogar, davon ausgehend, in dem Romanglossar des Vorgängers, „Eine scharf geschliffene Waffe“, ebenfalls Ergänzungen einzuar­beiten. Sehr schön.

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“)

(Glossar des Romans „Licht und Schatten auf Dawson“)

(Glossar des Romans „Eine scharf geschliffene Waffe“)

(Lonny – Erotic Empire-Story)

(12Neu 97: Spähtrupp nach Tyalcoor)

Anmerkung: Ohne zu viel verraten zu wollen – dies ist der vor­läufige Abschlussband der Yesvaa-Trilogie, in der Oki Stanwer in der Galaxis Bestcaan auf ein mörderisches Geheimnis trifft, das ihn schließlich befähigen wird, eine Strategie zu realisieren, mit der wirklich niemand rechnet und mit der er versuchen wird, grässliche Probleme im Umfeld von Bytharg und Pholyar zu lö­sen.

Dummerweise steckt hinter dieser schieren Möglichkeit ein nicht minder mörderischer Geheimplan, der dazu angetan ist, letzten Endes den gesamten KONFLIKT 12 scheitern zu lassen, und er wird einen hohen Blutzoll fordern.

Das ist natürlich alles in den Jahren 1990/1991 noch nicht ab­sehbar gewesen, als ich das schrieb. Aber es hat sehr wesent­lich zum hochdramatischen Ende der Serie im Jahr 1993 beige­tragen. Heute bin ich immer wieder am Staunen, wie raffiniert und heimtückisch ich damals doch schon argumentieren konn­te. Viele meiner damaligen Protagonisten tun mir inzwischen sehr leid, und ich möchte beim besten Willen nicht in ihrer Haut stecken.

Ihr bekommt das alles noch in den BdC-E-Books mit, Freunde. Aber das kann noch dauern. Ich hoffe, zumindest das zweite BdC-E-Book anno 2020 noch fertigstellen und veröffentlichen zu können, damit ihr ein weiteres Stück dieser dramatischen Ge­schichte zu Gesicht bekommt. Drückt mir die Daumen, vielleicht kann ich dazu im kommenden Monat schon mehr sagen.

Soviel für heute zum Kreativmonat Juli 2020.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 291: Ricardos ewige Liebe

Posted Oktober 20th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

das Thema der Seelenwanderung hat mich immer schon in den Bann gezogen, und es ist sehr stark anzunehmen, dass das nicht allein für mich gilt. Schon im Jahre 1984 verfasste ich bei­spielsweise mit der damals stilistisch noch sehr bescheidenen Fähigkeit (man bedenke: ich zählte damals gerade mal 17 Lenze und befand mich ganz am Anfang des Schreibens von autono­men Kurzgeschichten), die mir eignete, ein Werk, das genau in diesem Bereich handelte.

Mit „Ein Passagier der R.M.S. TITANIC“ (im Januar 2015 in einer vollständig überarbeiteten und sehr ausgedehnten Form zur Ti­telgeschichte meiner zweiten E-Book-Kurzgeschichtensammlung avanciert), da verfolgte ich genau eine derartige Spur zweier Menschen, die ein neues Dasein lebten und die zugleich von den Erinnerungen ihrer früheren Leben heimgesucht wurden.

Als ich im Dezember 2005 das Buch las, das ich heute vorstel­len möchte, war das ein wenig wie ein Blitzschlag – und in der Tat las ich es binnen von gerade einmal 2 Tagen rauschhaft aus. Allein das ist schon ein Indiz für die Qualität, und ebenso natür­lich, dass ich mich nach 15 Jahren so intensiv daran entsinne.

Dies ist ein Buch über Leben und Tod, aber eben auch über Schicksal und das, was nach dem Tode kommen mag – und es ist auf eine überaus reizvolle Weise mit meiner Lieblings-Kykla­deninsel Thera/Santorin verbunden, dass es unvermeidlich so kommen musste, wie es kam. Es ist eine spannende, leiden­schaftliche Geschichte über eine Liebe, die auf unglaubliche Weise den vermeintlichen finalen Cut, den Tod, überwindet.

Schaut es euch mal genauer an:

Ricardos ewige Liebe

(OT: Des jours et des nuits)

von Gilbert Sinoué

Droemer-Hardcover

324 Seiten, 2003

Aus dem Französischen von Ralf Stamm

ISBN 3-426-19600-X

Die Träume sind die Eingangstore zur Seele, nicht wahr? Die Psychologen wissen das spätestens seit Beginn des 20. Jahrhun­derts, seit jenen Tagen, in denen Sigmund Freud und Carl Gus­tav Jung sich mühsam in die Tiefen der menschlichen Kammern der Erinnerung vorantasteten und die Erinnerungsmuster und Archetypen ans Tageslicht beförderten. Doch kann es nicht auch sein, dass gelegentlich oder vielleicht sogar häufig in jenen Tie­fen Dinge zu finden sind, die eben nicht auf Erfahrungen zu­rückzuführen sind, die wir in unserer Kindheit gemacht haben … sondern früher? In einem Leben vor unserem Leben?

Wenn dem so sein sollte, was geschähe dann in einem solchen Fall, wenn man sich an solche Dinge zu erinnern beginnt, und wie geht man damit um, wenn es sich als unmöglich erweist, diese Erinnerungen zu ignorieren?

Ricardo Vacarezza wächst als einziger Sohn eines argentini­schen Großgrundbesitzers in Buenos Aires heran und hat ein­fach alles, was er benötigt – er ist der Erbe seines verstorbenen Vaters, reich und gut aussehend, er hat Erfolg bei Frauen, er hat eine Verlobte, Flora de Mendoza, die er demnächst heiraten möchte, was beide mit glühender Vorfreude erfüllt. Eine wun­derbare Zukunft steht ihnen offen, wie es scheint.

Man schreibt den Sommer des Jahres 1930. Das ist der Zeit­punkt, in dem Ricardo, auf die Vierzig zugehend, in eine Krise gerät, die er zunächst nicht als solche wahrnimmt. Es beginnt alles mit einem seltsamen Traum von einer wunderschönen Frau, deren Gesicht er nicht erkennen kann. Eine Frau, die ihn „Morgendämmerung meines Lebens“ nennt, sich ihm nackt zeigt und ekstatisch mit ihm vereinigt … doch dann erbebt die Erde, das Gebäude, in dem sie sich aufhalten, stürzt ein – und Ricardo erwacht.

Das allein scheint noch nicht das Problem zu sein, denn lebhafte Träume hat man durchaus öfter. Aber seine Verlobte Flora be­hauptet steif und fest, er habe im Schlaf gesprochen: in einer fremden Sprache und mit der Stimme eines anderen Mannes!

Das wird beiden unheimlich, doch es bedarf noch einiger weite­rer Träume, in denen Ricardo wiederholt jene Unbekannte sieht – zuletzt sogar das schwarz umrahmte Gesicht mit dem aparten Schönheitsfleck nahe der Nase – und einiger anderer Zufälle, wie es scheint, um ihm klar zu machen, dass es sich hierbei ver­mutlich nicht nur um Einbildung handeln kann. Ricardo kommt langsam zu der bestürzenden Überzeugung, dies alles ließe sich auch nicht nur mit Psychoanalyse erklären. Inzwischen hat er auf Anraten seiner Frau die Psychoanalytikerin Adelma Maizani zu Rate gezogen.

Als Ricardo im letzten Traum die Frau seiner Träume an einem Kaffeetisch sieht mit einer griechischen Zeitung vor sich, die erst vor neun Jahren gegründet worden und in Argentinien gar nicht erhältlich ist, da ist er vollends überzeugt, dass sich in die­sen Träumen etwas Übernatürliches ausdrückt – eine Liebe nämlich, die vor ungezählten Jahrtausenden irgendwo auf der Welt begonnen hat und auf tragische Weise endete, zugleich aber auch eine Liebe, die nun wieder möglich ist, weil sie beide ein neues Leben führen, in anderen Körpern, mit anderen Na­men, doch im Herzen und tief in der Seele mit dem Wissen um jene Vergangenheit, in der sie eins gewesen sind, unzertrennbar außer durch den Tod.

Er und sie, so sagt er, sind wiedergeboren worden, um einander von neuem zu finden und ihre alte, unsterbliche Liebe zu vollen­den: Ricardos ewige Liebe tritt ihre neue Blüte an.

So kommt es, dass sich Ricardo schließlich auf den Weg macht von Argentinien aus in die Ägäis, wo er scheinbar hoffnungslos jene „völlig runde Insel“ aus seinen Träumen sucht und jene ge­heimnisvolle Frau, die er „Sara“ genannt hat und von der er überzeugt ist, dass sie auch ihn kennen muss, von ihm träumen und nach ihm auf der Suche sein muss. Er weiß ganz sicher, nur mit ihr und an ihrer Seite wird er selig sein, und Ricardo ist er­füllt von der Gewissheit, dass es „Sara“ ganz genauso gehen wird.

Doch könnte es sein, dass er sich täuscht …?

Der Roman des französischen Bestsellerautors Gilbert Sinoué („Die Straße nach Isfahan“, „Der blaue Stein“) ist, so muss man fürchten, ein relativ unbekanntes Werk, das ein wirkliches klei­nes Juwel unter den Büchern der französischen Literatur der Ge­genwart darstellt. Nicht nur wird hier mit großer Liebe zum De­tail und zur Stimmung ein faszinierendes Panorama des Argenti­nien der frühen 30er Jahre entworfen, nicht nur bekommt man einen schönen, ungemein romantischen Hauch mit von der da­mals noch sehr provinziellen Kykladeninsel Thera (meine desi­gnierte griechische Lieblingsinsel, was nicht nur auf Platons Dia­log Timaios zurückzuführen ist, aber natürlich auch), sondern vor allen Dingen wird man als Leser von dem Sog einer aufrei­zenden, sehr lesbaren Geschichte gepackt und gleichsam wie in einen Strudel hinabgesogen. Ein wunderbares Gefühl für dieje­nigen, die solche Erfahrungen schon einmal gemacht haben.

Wenn man als Leser gewisse romantische Neigungen hat, dann geht es wohl jedem so wie mir, der ich für das Buch lediglich zwei Tage gebraucht habe. Ab einem bestimmten Punkt des Ro­mans, und er kommt recht schnell, ist man einfach außerstan­de, das Buch aus der Hand zu legen, weil man bei Ricardos Su­che so sehr unvermittelt mitfiebert und sich bangend und sehn­lich hoffend dabei ertappt, dass er doch Erfolg haben möge.

Und, natürlich, fragt man sich unwillkürlich, ob er wohl Recht hat oder ob es vielleicht doch noch den Hauch einer möglichen rationalen Erklärung gibt. Ist es denkbar, dass es sich eben NICHT um eine dreitausend Jahre währende, den Tod überdau­ernde Liebe handelt, sondern um eine ungeheuerliche Aneinan­derreihung von Zufällen?

Es gibt meines Erachtens nur zwei Wermutstropfen in der Ge­schichte, und sie kulminieren beide leider in der Unmöglichkeit des Autors, den alten Faden detailliert aufzudröseln. Man sehnt sich als Leser danach, auch die letzten Rätsel zu entschleiern, doch diesen Gefallen tut einem Sinoué nicht. Er gibt einige Auf­hellung, aber nicht genug, Sinoué, nicht genug! Ah, welch Tragik! Ah, welch schönes Buch, das noch ein bisschen besser hätte sein können, hätte es nur ein angenehmeres Ende und nicht diesen bitteren Nachgeschmack!

Doch bis dorthin ist der Kelch zu neigen und zu leeren, und wer einen leckeren Wein gerne mit einem guten Buch – oder umge­kehrt – vergleicht, der sei ausdrücklich auf das starke, süße Bu­kett dieses Werkes hingewiesen, das schnell zu Kopf steigt und die Phantasie sehr befeuert. Ebenso wie die Hoffnung auf ein Fortbestehen jenseits des dunklen Nichts des Todes.

Möge das Buch also viele Leser finden, es lohnt sich …

© 2005 by Uwe Lammers

Ihr merkt, ich war schwer beeindruckt, und genau genommen bin ich das heute immer noch. Das Buch hat nicht umsonst im­mer noch einen Ehrenplatz in meiner Bibliothek.

Kommende Woche werden wir wieder ein wenig diesseitiger, auch wenn der Autor – Clive Cussler – inzwischen in jenen fins­teren Abgrund hinabgestiegen ist, über den Sinoué oben schreibt. In das Tal des Todes. Seine Romane überdauern ihn.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

Kommunikation ist schwierig. Jeder, der mal mit einer Person, die nicht dieselbe Muttersprache spricht, diskutiert hat, sei es im Berufsleben oder im Urlaub, weiß bestens darüber Bescheid, dass man sehr schnell nicht nur aneinander vorbeireden, sondern sich im Extremfall überhaupt nicht miteinander ver­ständigen kann. Das fängt übrigens schon im eigenen Mutter­land bei uns Deutschen an, denn der lokalen Dialekte gibt es gar viele, und versuche man mal, tiefstes Bayrisch mit Platt­deutsch, schwäbischer Mundart oder Sächsisch zusammenzu­bringen, und man wird rasch sehen, wie sich die eigentümlichs­ten verbalen Störungen ausbreiten.

Das ist natürlich zwischen Deutschen und Menschen in anderen Ländern und Kulturkreisen nicht anders. Hier sind in der Regel intensive mehrmonatige Sprachkurse vonnöten, wenn man sich in anderen Ländern halbwegs vernünftig miteinander verständi­gen möchte, ob nun in Lateinamerika, in afrikanischen Provin­zen, im arabischen Raum oder in Fernost … und selbst bei guter semantischer Vorbereitung ist man vor Tücken, Missverständnis­sen und Schlimmerem nicht gefeit.

Das war einstmals auch in Europa nach Christi Geburt natürlich so. Und damals, als das römische Weltreich expandierte und weite Teile des heutigen Frankreich, Spanien, Italien, des deut­schen Raumes und des Balkangebietes sowie Nordafrikas kolo­nial erschloss und kulturell überformte, entwickelte sich hier eine Form der völkerverbindenden Sprache – Latein. Als das rö­mische Weltreich zerfiel, blieb Latein für viele vormals zum rö­mischen Imperium gehörenden Provinzen, die dann in Regional­staaten zerfielen, z. B. das Frankenreich, das weite Teile des heutigen Frankreich und Deutschland umfasste, die zentrale verbindende semantische Klammer. Seither spricht man von solchen Elementen als „lingua franca“. Gemeint ist damit eine einheitliche Sprachbasis mit geringen regionalen Ausprägun­gen, die Diplomatie, Handel und sonstige Kommunikationsfor­men ohne größere Reibungsverluste möglich macht. Später wurden dann Sprachen wie Französisch, Spanisch und Englisch zu modernen Ausprägungen der lingua franca.

Soweit herrscht wohl, denke ich, Konsens, dass das bei uns auf der Erde vergleichsweise gut funktioniert hat. Aber wie ist das, wenn wir in den Weltraum vorstoßen und auf fremde Kulturen treffen? Können wir im Rahmen der Science Fiction erwarten, dass es so etwas wie eine kosmische „lingua franca“ gibt?

Wenn wir so etwas voraussetzen, geraten wir relativ schnell in Schwierigkeiten, und zwar tun wir dies aus folgendem Grund: Die Grundvoraussetzung für eine kosmische „lingua franca“ ist ein einheitlicher kulturell-sozialer Kosmos der auf diese Weise miteinander verbundenen Völker und Kulturen. Von so etwas im Universum auszugehen, ist freilich relativ blauäugig. Man muss sich nur einmal die räumlichen Distanzen zwischen möglichen Zivilisationen anschauen, um hier doch gewisse Zweifel zu ent­wickeln.

Wenn wir andererseits davon ausgehen, dass es so etwas wie eine kosmische lingua franca nicht gibt, wird die Angelegenheit mit dem interstellaren Kontakt doch arg schwierig. Aber die Sci­ence Fiction-Autoren haben für solch ein Problem natürlich schon seit langem eine Lösung gefunden: man nennt sie Trans­latoren. Übersetzungsmaschinen, die auf phänomenale, fast schon magische Weise imstande sind, flugs von einer Sprache in die andere zu übersetzen. Grundsätzlich eine schöne Sache … wenn man sie denn konsequent beachten würde. Aber genau das passiert eben leider nicht.

Zwei Beispiele dafür sollen heute mal hinreichen. Eins aus der Populärkultur, eins aus meinem eigenen Oeuvre.

Beispiel 1: Star Trek (Classic Series)

Commander James Tiberius Kirk und seine mutige Crew der U.S.S. ENTERPRISE stoßen kühn in Räume vor, die kein Mensch je zuvor gesehen hat, wie es in der amerikanischen Fassung munter heißt (die deutsche Übersetzung (!) versagt schon hier und faselt bis heute absurd von „Galaxien“, in die die ENTERPRI­SE vorstoßen soll – was in realiter nie passiert, weil weder unse­re ENTERPRISE der klassischen Serie noch die späteren jemals unsere Heimatgalaxis verlassen. Die deutschen Texter der Früh­zeit haben offenbar zwischen „Sonnensystemen“ und „Galaxi­en“ nicht zu trennen gewusst, und peinlicherweise wird dieser Fehler notorisch bis heute durchgehalten … jeder Astronom ver­dreht da die Augen, und sehr mit Recht!).

Man horche also auf: Kontakte mit fremden Zivilisationen, die noch nie mit Menschen in Verbindung standen (oftmals jeden­falls, denn vielfach haben Kirk & Co. auch mit Menschen oder Kulturen zu tun, die natürlich schon mit Menschen Berührung hatten, etwa mit Romulanern, Klingonen usw.). Aber sehr häufig stoßen sie tatsächlich auf (meist absurd menschenähnliche) Ali­ens, die noch nie mit Terranern Kontakt hatten.

Semantisch heißt das: Vorstoß in ein vollkommen unbekanntes Neuland! Da muss man sofort erst mal die Translatoren heraus­holen und stundenlang Sprach-Basispaare programmieren, ehe man die erste halbwegs holprige gemeinsame Sprachbasis ge­funden hat.

Passiert das? Nein. Denn dann ist ja schon die Hälfte der Episo­de vorbei. Gene Roddenberry und seine Skriptschreiber ver­passten den Aliens einfach in munter-kolonialistischer Manier stillschweigend einen Englisch-Crashkurs als „lingua franca“, und alle verstehen Kirk, Spock & Co. sofort von Anfang an.

Das ist natürlich blanke Fantasy, das funktioniert nicht. In Bezug auf halbwegs realistischen Alien-Sprachkontakt ist die klassi­sche Star Trek-Serie ein echter Rohrkrepierer. Man schaue sich dann doch besser mal solche Filme wie „Independence Day“ an oder „Arrival“, um ein wenig realitätsnäher zu sehen, was es da wirklich für Probleme gibt.

Damit kommen wir zum Beispiel 2 von mir:

Im Oki Stanwer Mythos der altmodischen Art, etwa im KONFLIKT 14, also der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC) habe ich diesen semantischen Grundgedanken auch munter ignoriert, immer und immer wieder.

Da kommt beispielsweise eine Cranyaa-Expedition in ein Son­nensystem nahe dem galaktischen Zentrum der Heimatgalaxis Hun‘arc, und sie treffen mit den völlig fremdartigen Mogolkern zusammen. Kommunikationsprobleme? Nö. Sie haben die Kerle zwar noch nie zuvor gesehen oder gesprochen, aber miteinan­der auf Augenhöhe plaudern können sie mühelos.

Das ist natürlich Nonsens.

Oder schauen wir ins „Zeituniversum“ in derselben Serie, etwa zwei reale Jahre später: die Lichtfestung OREOC trifft mit den DIGANTEN zusammen, einer Zivilisation von Kegelwesen, die sich mit Brummtönen verständigen. Damit hätte unser Kehlkopf doch einige Schwierigkeiten. Haben Oki Stanwers Freunde an Bord der Lichtfestung damit Schwierigkeiten? Nein. Warum nicht? Wird nicht erklärt.

Ich schätzte einfach in den 80er Jahren während meines Schrei­bens solche Sprachinkompatibilitäten nicht – was zweifellos auch darin begründet liegt, dass ich mich selbst mit dem Spra­chenlernen schwer tue. Und Komplikationen beim Schreiben wa­ren damals auch nicht so wirklich mein Ding. Alles, was ich als störend oder spannungshemmend empfand – und dazu gehören Kommunikationsprobleme nun einmal, die den Vorwärtsdrang der Handlung mitunter völlig zum Stillstand bringen können – , alles das suchte ich nach Möglichkeit auszublenden.

Zum Teufel mit dem Realismus, könnte man meine damalige Hauptmaxime auch formulieren, entscheidend ist es, dass die Handlung spannend ist und es genug Action gibt …

Gottlob bin ich davon inzwischen kuriert.

Wenn man sich beispielsweise in der OSM-Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) anschaut, wie sich Erstkontakte entwickeln, dann bin ich von einer „lingua franca“ da wirklich sehr weit entfernt.

Als die Yantihni von der GHANTUURON-Expedition in Band 10 der Serie („Das Maschinenvolk“) Kontakt mit dem zwergenhaften Volk der Shonta bekommen, da haben sie glücklicherweise eine sehr patente Linguistin namens Vaniyaa an Bord, doch selbst sie muss anfangs vor den Glucks- und Schnalzlauten der Shon­ta-Sprache munter kapitulieren. Nur auf dem Umweg über einen gefundenen und schon auf Shonta-Sprachkommunikation ge­eichten Translator der Tassaier gelingt es, mit diesen Wesen in den Dialog zu treten.

Noch abenteuerlicher ist der Erstkontakt zwischen Yantihni und den insektoiden Zhoncor, die sich mehrheitlich im Ultraschall­frequenzbereich unterhalten. Da gibt es im Grunde gar keine gemeinsame Gesprächsbasis. Wenn nicht … ja, wenn nicht das „Ewige Gedächtnis“ auf dem Planeten Hushhin den paralysier­ten Yantihni-Forschern um Noshtoy einen Translatorkristall ins Hirn appliziert hätte, der die Vibrationsfrequenzen der Zhonc bzw. Zhoncor automatisch übersetzt.

Dennoch kommt es hier zu massiven Missverständnissen.

Am vielleicht innovativsten ist dann der Kontakt zwischen den Riesenameisen der Cestai und den Raumfahrern des Mutter­schiffs RHONSHAAR – sie verfügen über eine Art symbiontische Lebensform, die offenkundig auf telepathischer Basis eine Re­laisfunktion zwischen zwei Sprachebenen herstellt und so nach und nach eine Art Kommunikationsverbindung realisieren hilft.

Und seien wir ehrlich – wenn wir da draußen irgendwann einmal mit Aliens zusammentreffen sollten, dann können wir ein paar Dinge schon mal kategorisch ausschließen: erstens, dass es so etwas wie eine „lingua franca“ zwischen Menschen und Aliens gibt, da wir völlig unterschiedlichen Weltsystemen und somit auch Sprachsystemen entstammen. Sie mögen vielleicht ähn­lich sein, aber sicherlich nicht sehr. Zweitens: Missverständnisse sind unvermeidlich, und manche davon können durchaus in kriegerische Konflikte einmünden, wenn wir Pech haben. Und drittens: dass wir mal eben schnell einen funktionierenden Translator erschaffen und zum Einsatz bringen, klingt nicht wirk­lich realitätsnah.

Das „lingua franca“-Problem wird uns jedes einzelne Mal be­schäftigen, wenn wir irgendwie mit Aliens (oder sonst wie fremdsprachigen Wesen) zu tun bekommen. Ich dachte mir dar­um, dass es ein guter Anlass wäre, endlich mal wieder nach lan­ger Pause einen „OSM-Kosmologie“-Beitrag zu verfassen. Der letzte ist immerhin gut zwei Jahre alt (Blogartikel 289, 16. Sep­tember 2018).

Habe ich noch einen anderen Gedanken in dieser Hinsicht zu verfolgen? Ja, grundsätzlich schon. Denn es gibt im OSM natür­lich eine semantische Hintertür. Sie löst nicht alle Probleme, aber eine ganze Menge … vorausgesetzt natürlich, man weiß ein wenig von den kosmologischen Hintergründen. Das ist ja nicht selbstverständlich.

In KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ gibt es beispielsweise diese famosen kristallenen Translatoren des Volkes der Uuraner (sie kommen später auch in der Edward-Norden-Saga (ENS) im KONFLIKT 20 zum Tragen). Und auch auf dem Planeten TOTAM sind auf bizarre Weise alle Lebensformen imstande, sich anhand einer vereinheitlichenden „lingua franca“ miteinander zu reden. Dafür gibt es natürlich solide OSM-kosmologische Gründe, das ist keine Nachlässigkeit oder eine stumpfsinnige Anlehnung an die vereinfachenden „Star Trek“-Regeln.

Aber um das auszuführen, bräuchte ich doch mehr Raum, als er mir heute hier zur Verfügung steht. Darum möchte ich es heute mit der Sensibilisierung für diese Schwierigkeit bewenden las­sen und euch wieder verlassen. In der kommenden Woche prä­sentiere ich euch die Kreativschreibergebnisse des Monats Juli 2020.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 290: Der schnurrende Philosoph

Posted Oktober 14th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich bin Katzenfan, das zu leugnen, wäre völlig nutzlos. Ich bin das schon seit so vielen Jahren, dass ich eigentlich vergessen habe, wie lange ich den geschmeidigen, geheimnisvoll drein­schauenden Feliden schon fasziniert meine Aufmerksamkeit ge­widmet habe. Wann immer ich durch Zufall über interessante Katzenbücher stolpere – etwa über Insel der Kat­zen – Hydra oder jüngst „Die Katzen von Ephesos“ – , kann man re­lativ sicher meiner Aufmerksamkeit gewiss sein.

Nicht immer sind Bücher über Katzen so interessant und amüsant, dass ich sie rezensieren würde. Die Kzinti-Romane aus dem Ringwelt-Universum von Larry Niven etwa – die ja auch auf den raubkatzenartigen Kzin basieren – , haben mich irgendwie nie gereizt. Aber das hier, Leigh Rutledges Buch, in dem er in die Haut des Katers Hemingway schlüpft und aus dieser boden­ständigen und bodennahen Perspektive die Absonderlichkeiten der menschlichen „Dosenöffner“ ins Visier nimmt … doch, das musste ich sehr bald nach dem Fund des Buches auf dem Wühl­tisch goutieren.

Und lachen konnte ich dabei, du lieber Himmel! Das Buch ist wirklich ein einziges Vergnügen, und dabei zudem noch definitiv intelligent geschrieben. Des Amüsements gibt es hier also gar viel, und ich bitte um Entschuldigung, dass ich euch diesen Buchtipp erst nach 18 Realjahren in meinem Rezensions-Blog zugänglich mache.

Wie das übrigens für so alte Werke, die ich inzwischen ver­schenkt habe, leider normal ist, habe ich die ISBN nicht griffbe­reit. In meinen alten Rezensionen legte ich darauf keinen Wert (und zugegeben, manche alten Romane HABEN überhaupt kei­ne ISBN … Wie, das ist unmöglich, in Deutschland hat JEDES Buch eine ISBN? Tja, dann schaut euch beispielsweise mal alte Terra-Taschenbücher an und schüttelt ungläubig den Kopf. Die Buchwelt mag sich langsam verändern, aber sie verändert sich effektiv. Es gab auch Zeiten ohne Handys oder Internet, und die liegen noch nicht lange zurück). Heute ist das natürlich Stan­dard. Im Zweifelsfall googelt ihr einfach den Autor und den Titel, dann werdet ihr sicher fündig, wenn auch natürlich nur noch an­tiquarisch.

Für Katzenliebhaber ist das hier jedenfalls ein amüsantes Schmankerl und ein kleiner Leckerbissen, der die Lektüre lohnt. Schaut lieber selbst:

Der schnurrende Philosoph

(OT: True Confessions and Lifelong Observations of a Well-Adjusted House Cat)

Von Leigh W. Rutledge

Heyne-TB 10994

192 Seiten

2000, 14.90 DM

Übersetzt von Gabriel Stein

 

Wenn ein Buch schon im Deutschen den entschärften Untertitel „Tagebuch eines eigenwilligen Katers“ trägt (das Original ist da etwas länger. Für die Anglophilen zum Mitkichern: True Confes­sions and Lifelong Observations of a Well-Adjusted House Cat), sollte man sich besser auf Angriffe aufs Zwerchfell vorbereiten … und doch wird man sich vermutlich in die Ecke kringeln, wenn man liest, was hier so für Dinge passieren.

Eigentlich hat die gute alte Mrs. Vigil ja nur einen Kater, den sie Hemingway nennt (unser Protagonist). Er ist etwa drei Jahre alt und stromert durch die gesamte Umgebung, kennt jeden Nach­barn und deren Haustiere, die Gärten, Zäune und Garagen. Na­türlich. Wie das eben mit einem Kater so ist, man muss sich schließlich einen Überblick verschaffen über sein Revier, wenn man nicht gerade mit weltbewegenden Tätigkeiten beschäftigt ist. Als da wären?

Hm, Zeitung lesen etwa (was sich darin äußert, Mrs. Vigil unter die Zeitung zu kriechen und sie nachdrücklich aufzufordern, statt zu lesen eher zu streicheln). Oder Gardinenklettern. Auch schön ist es, zu Weihnachten beim Schmücken des Baumes zu helfen (natürlich entwickelt Hemingway GANZ ANDERE Vorstel­lungen davon, wie der Baum dekoriert werden soll. Logisch, hm?). Besonders nett ist es, Pakete einzupacken und sich im Te­safilm zu verheddern …

Auch eine intelligente Beobachtung des Katers ist es, den Nach­barn zuzuhören: der guten Mrs. Thornhill, die in Dauerfehde mit ihrer pubertierenden Tochter und deren Freund liegt. Der seltsa­men, alten Mrs. Mintucket zuzuschauen, die mit ihren Schuhen redet und sie wie lebendige Wesen behandelt (bis sie auf einmal verschwunden ist, nachdem sie sehr flinke rote Sportschuhe an­gezogen hat! Wer den Film Forrest Gump kennt, wird danach eine Szene deutlich wiedererkennen1).

Oder den Passanten zu lauschen, die sich nicht einig sind, ob Katzen überhaupt denken können – sich dann aber Gedanken darüber machen, wer wohl die Katzen füttert, wenn die Mensch­heit bei einem Nuklearkrieg ausgerottet werden sollte. Schließ­lich überleben DANN (angeblich) nur Katzen und Kakerlaken. Und da erstere letztere nicht unbedingt als Mahlzeit schätzen, wird konstatiert, dass die Katzen deshalb also selbst in den menschenleeren Supermärkten shoppen gehen werden. Klar, oder …?

Auch wenn es sich bei der Bühne des Geschehens „nur“ um ei­nen Straßenzug innerhalb einer Kleinstadt und zudem um ein einziges, aber recht ereignisreiches Jahr durchschnittlicher ame­rikanischer Familien handelt, lässt sich vieles philosophisch er­schließen, was da so passiert. Der ganz normale Wahnsinn der Nachbarschaft sozusagen. Inklusive Katastrophen …

Leigh W. Rutledge, ein Mann, der es wissen muss – er ist Besit­zer von 24 Katzen! – hat hiermit ein ausgesprochen humorvol­les, höchst ironisches Buch geschrieben, das die menschliche Rasse aus dem vierbeinig-kätzischen Blickwinkel kritisch beäugt und feststellt, dass die Menschen die Katzen vielleicht manch­mal nicht als denkende Wesen wahrnehmen, dass sie SELBST in den Augen der Katzen meist kaum besser wegkommen. Okay, in ihrer Funktion als „Dosenöffner“ sind sie natürlich unüber­troffen …

Wenn Mrs. Vigil einmal sagt, ob es nicht schwer sein müsse, im­mer „süß und lieb zu wirken“, so könnte man im Umkehrschluss sagen, dass Menschen offenkundig meist eine Art von angebo­renem Kuschelreflex besitzen müssen, weil sie sich im Ange­sicht von Katzen völlig verändern und ins Kindheitsstadium zu­rückfallen (man beobachte mal erwachsene Menschen im Ange­sicht von kleinen Katzen! Seht zu und staunt!) …

Wie, ihr meint, im Buch gäbe es eine Ausnahme? Miss Axe, die offenkundig allen Tieren den Kampf angesagt hat? Ja, natürlich. Aber ich will doch nicht alles verraten. Ich habe schließlich auch Bobbie Boop, Brigitte und Zacharias ausgelassen. Ganz zu schweigen von diesem Monster Wladimir …

Nein, alles verraten möchte ich nicht.

Dies ist dezidiert ein Buch für die Badewanne oder für den Schaukelstuhl, für sonnige Nachmittage, wenn man im Garten dösen möchte, ohne sich großartig anzustrengen. Am besten kommt das wohl, wenn man das Buch liest und eine Katze ne­ben – oder auf sich hat. Das kann dann freilich die Lektüre et­was dehnen. Auf seine Kosten kommt der Leser aber garantiert. Und vielleicht, ja, vielleicht versteht man hinterher etwas mehr davon, weshalb die Katzen die Welt regieren, wie wir immer schon geahnt, aber nie gewusst haben …

© 2002 by Uwe Lammers

Nach meinem Geburtstag reise ich dann in eine völlig andere Denksphäre, da geht es dann nicht mehr um philosophierende Katzentiere, sondern um Seelenwanderung. Auch ein spannen­des Thema, bei dem man gut über den Tellerrand schauen kann. Ihr werdet es sehen.

Nächste Woche erfahrt ihr dann mehr.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Außerdem sind die „red shoes“ natürlich eine Anspielung auf die sagenhaften roten Schuhe im „Wizard of Oz“ von L. Frank Baum, aber das nur am Rande bemerkt.

Liebe Freunde des OSM,

vor acht Wochen verließen wir im Rahmen dieser Artikelreihe mein Kreativjahr 2015. Ich hatte damals mit einem bescheiden­en 15-Stunden-Dienstauftrag wieder bei der TU Braunschweig zu arbeiten begonnen und ahnte nicht im Mindesten, was mir im darauf folgenden Jahr noch bevorstehen sollte. Es würde mein Leben ziemlich umkrempeln.

Im Januar 2016 war davon noch nicht viel zu sehen. Während meine Finanzverhältnisse nach wie vor recht marode waren, ar­beitete ich eifrig an diversen Projekten weiter. Zu den „Anna­len“ zählten in diesem Kontext „Ungleiche Freunde“, „Die magische Waffe“, der Hintergrundtext „Der Alptraumpfad der Ordnung“, die begonnene Überarbeitung des Romans „Odyssee in Arc“ (was, ehrlich gesagt, eine ziemliche Schnapsidee war, dazu gleich mehr), „Kämpfer gegen den Tod“, und letztlich auch das E-Book-Skript „Baumeister-Plä­ne“.

Nebenher schrieb ich auch noch die irgendwie verschollene Ar­chipel-Story „Janines Feuerprobe“ ab und feilte an der Story „Die goldene Verlockung“. Insgesamt kam ich in diesem Mo­nat auf 25 fertig gestellte Werke, man kann also nicht sagen, dass ich irgendwie säumig war, was meine Kreativität anging.

Aber ich wollte was zu „Odyssee in Arc“ sagen: Einen analo­gen Roman überarbeiten zu wollen, weil man merkt, dass er nach rund 30 Realjahren stilistisch völlig veraltet und zudem dramaturgisch einseitig ist, das ist im Grunde genommen ein in­telligenter Gedanke. Er entwertet sich aber völlig, wenn man zuvor das analoge Skript nicht in ein Digitalisat überträgt, um es dann als Bearbeitungsgrundlage für die Ausarbeitung zu nehmen. Und genau das habe ich ja erst anno 2020 (!) geleis­tet.

Ihr ahnt, was das zur Folge hatte: Natürlich blieb diese Überar­beitung ein klägliches Rudiment. Das ist eine Aufgabe für die Zukunft. Doch bevor ich das wirklich ernsthaft angehe, muss ich das Glossar des Romans fertig stellen und das Digitalisat von 2020 mit den neuen Passagen von 2016 verbinden. Erst dann kann ich an dieser Baustelle wirklich vorankommen.

Auch der Monat Februar sieht mit immer noch 21 Werken, die ich vollenden konnte, eigentlich ganz ordentlich aus. Aber das ist ein trügerischer Eindruck, und das hat einen Grund, der aus meinen handschriftlich geführten Storyheften nicht hervorgeht. Er liegt in meiner beruflichen Entwicklung. Weil die vor Ort be­findliche wissenschaftliche Mitarbeiterin des universitären Pro­jekts, in dem ich bislang auf 15-Stunden-Basis angestellt war, jählings absprang und das Projekt auf der Kippe stand, wurde mir das Angebot gemacht, auf ihre Stelle zu wechseln. So etwas lehnt man nicht ab, wenn man im ALG II-Bezug ist und sich öko­nomisch so gerade über Wasser halten kann!

Ich hatte also auf einmal nicht mehr 15 Monatsstunden, son­dern 38,5 WOCHENSTUNDEN arbeitstechnisch in meinem Leben zu leisten. Das verschob meinen Fokus dramatisch in Richtung Arbeit und weg von der Kreativität, für die ich bald meist zu er­schöpft sein sollte. Hinzu kamen Dienstreisen, Kongresse, wis­senschaftliche Aufsätze und jede Menge Überstunden … und das sollte massive Auswirkungen auf meine kreative Leistung im OSM zeitigen.

Anfangs war das noch nicht so klar zu erkennen. Deshalb konn­te ich im Monat Februar noch am E-Book „Die Kristalltränen und andere phantastische Geschichten“ arbeiten, dito am E-Book „Späherin der Cestai“ und an „Als Tiyaani noch ein Kind war…“. Ebenso fuhr ich mit dem E-Book-Glossar fort und mit der Daueraufgabe, das BUCH „DER CLOGGATH-KON­FLIKT“ zu digitalisieren.

Ja, und da verließen sie mich dann schon … ihr fragt euch, was denn die anderen Posten der beendeten Werke dieses Monats angeht? Nun, das waren mehrheitlich Blogartikel und Gedich­tabschriften. Die sollten auch in den Folgemonaten die Kreativ­bilanz ordentlich verzerren, aber keinen wirklich kreativen Mehr­wert liefern.

Im März 2016 kam ich zwar auf spektakuläre 46 fertige Werke, aber der Ertrag für die „Annalen“ blieb doch eher kläglich: Ich schrieb an „Die magische Waffe“ weiter, am „Tiyaani“-E-Book und dem E-Book-Glossar, außerdem fuhr ich ein wenig fort, an dem 2011er-Fragment „Die automatische Stadt“ weiterzuschreiben. Und dann war da noch das Arbeiten an der Archipel-Geschichte „Roxanne“.

Tja, und das war es dann in diesem Monat auch schon. Viele sehr kurze Digitalisate von Gedichten, Rezensionen, angefange­ne oder abgeschlossene OSM-Episodenabschriften … das war so ziemlich das Höchste der Gefühle. So langsam begann mich die Arbeit auszuhöhlen und das, was ich später als massives Un­gleichgewicht zwischen meinen inneren Polen Arbeit und Kreati­vität beschreiben und mich letztlich 2017 in gesundheitliche Probleme führen sollte, begann genau hier.

Damit ihr mich da jetzt nicht falsch versteht – das ist nicht ge­gen meine wissenschaftliche Arbeit, das Projekt oder die Lei­tung desselben gerichtet. Es war einfach so, dass ich offenbar im fortschreitenden Alter (und ich war ja nun mal keine 30 mehr und entsprechend nicht mehr ganz so belastbar) sehr viel emp­findlicher auf dieses innere Ungleichgewicht reagierte und nicht recht gegenzusteuern verstand. Das Problem lag also eindeutig bei meiner individuellen mentalen Situation.

Das änderte freilich nichts an der zunehmenden Erkenntnis, dass ich auf beiden Ebenen dieser Waage nur noch durch­schnittliche Ergebnisse produzierte. Das frustrierte nicht nur die Außenwelt, sondern auch mich selbst, mit der Konsequenz, dass sich das Ungleichgewicht in meine Seele natürlich intensivierte und die Schieflage weiter verstärkte – quasi ein sich selbst ver­stärkender Effekt.

Heute mit einigen Jahren Distanz ist das relativ deutlich zu er­kennen. Das ist auch ein Grund dafür, warum ich ganz froh bin, diese Artikelreihe mit solchen temporalen Abstand zu verfassen. Man darf nicht zu nahe an den Ereignissen selbst sein, wenn man sie einigermaßen analytisch durchdringen möchte.

Auch das ist ein Grund, warum die Digitalisierung von alten OSM-Skripten (die oft logische Katastrophen und Fehlerwüsten darstellen) heutzutage nicht allein unter dem Blickwinkel der Zeitverschwendung zu sehen sind (es gibt solche Stimmen, die ernsthaft sagen: „Schreib doch lieber was Neues, wenn du mit dem alten Schrottzeug nicht mehr zufrieden bist. Vergiss den al­ten Schrott!“ Die Leute, die so reden, könnten nicht falscher lie­gen!), sondern sie mir auch durchaus aufgrund der darin enthal­tenen Fehler Signale für die Gegenwart und Zukunft vermitteln.

Denn man darf ja eins nie aus dem Blick verlieren: Der OSM ist ein achronisch in beide Richtungen entlang der zeitlichen Achse wachsendes Unternehmen einer multikosmischen Saga. Und viele Vorfälle der tiefen Vergangenheit ergeben, aus der Fern­schau von heute betrachtet, einen völlig anderen Sinn als einst, als ich sie schrieb. Ich lerne also gewissermaßen von meinen al­ten Fehlern und optimiere und analysiere sie durch die Kom­mentierung der Digitalisate. Das wird zweifellos dereinst auch mit den Werken aus dem Frühjahr 2016 geschehen, von denen ich oben schrieb. Aber das ist heute noch Zukunftsmusik.

Für den Moment schließe ich wieder und freue mich, euch nächste Woche wieder hier begrüßen zu können.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 289: Der Stern der Pandora (1)

Posted Oktober 6th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich gebe ja zu, es ist ein wenig widersprüchlich, Peter F. Hamil­ton auf der einen Seite als einen meiner designierten SF-Lieb­lingsautoren der Gegenwart zu bezeichnen und ihn dann – im Rezensions-Blog wenigstens – glatte vier Jahre zu vernachlässi­gen. Bei der schieren Menge an Rezensionen und interessanten Büchern ist er tatsächlich lange Zeit stiefmütterlich behandelt worden, und als ich im Rezensions-Blog 71 zum letzten Mal von ihm sprach, hatte ich definitiv vor, bald danach seinen Com­monwealth-Zyklus zu besprechen.

Das war allerdings zu einer Zeit, da ich noch nicht ahnte, wie häufig er dorthin noch zurückkehren würde. Faktum ist, dass er erst mit dem zweiten Band seines „Fallers-Zyklus“ vor relativ kurzer Zeit dieses Universum verlassen hat, und die Bände habe ich noch nicht gelesen. Insofern wird mein Zögern, die äl­teren Rezensionen hier zu bringen, doch ein wenig verständli­cher.

Ich mache mit den ersten vier Bänden des Zyklus den Anfang, die weiteren folgen dann deutlich nach dem 300. Blogartikel. Vielleicht macht diese späte Publikation auch deshalb Sinn, weil dieser Zyklus nach dem Verlagswechsel von Bastei zu Piper nun neu aufgelegt wird und aktuell wieder in den Buchhandlungen zu finden ist. Ich beziehe mich hier allerdings noch auf die alten Bastei-Ausgaben, die mir optisch besser gefallen (aber hey, ich bin Historiker! Wundert euch also nicht).

Mit diesem Zyklus startete Hamilton jedenfalls ein absolut packendes Weltraumabenteuer, und als ich nach einer ziemli­chen Pause wieder damals mit der Lektüre begann, fühlte ich mich ein wenig inspiriert, auf frühere Leseerfahrungen mit die­sem Autor hinzuweisen. Freundlicherweise sind alle diese Re­zensionen im Rezensions-Blog bei mir nachzulesen, ich habe die Bezüge dazu in den Fußnoten für diese Publikation aktualisiert.

Wer Peter F. Hamilton und diesen Zyklus bislang noch nicht ken­nen sollte, dem empfehle ich von Herzen, einen Lektüreversuch zu wagen – aber vorab eine Warnung: Legt euch die Folgebände sicherheitshalber schon parat, ihr kommt aus der Geschichte nicht mehr raus.

Und worum geht es nun im Detail? Schaut weiter:

Der Stern der Pandora

Commonwealth-Zyklus Roman 1, Teil 1

(OT: Pandora’s Star, Part I)

von Peter F. Hamilton

Bastei 23290, Januar 2006

752 Seiten, TB; 8.95 Euro

Deutsch von Axel Merz

ISBN 3-404-23290-9

Gut Ding will Weile haben, sagt ein deutsches Sprichwort, und auch in der Schriftstellerei tut man gut daran, sich an dieses Wort zu halten, zumal dann, wenn man zuvor einen Bestseller-Zyklus abgeliefert hat und natürlich an diesem gemessen wer­den wird. So ist es mit Peter F. Hamilton.

Hamilton, zuvor eigentlich nur bekannt geworden durch den dreibändigen, man möchte fast sagen: bodenständigen SF-Krimi „Mindstar“1, erhielt die Chance, eine lose Sammlung von Ge­schichten2 zu einem Romanzyklus auszuarbeiten, und was er in den Jahren 1996 bis 1999 schuf, war nichts Geringeres als ein Epos, das im Deutschen als „Armageddon-Zyklus“ bekannt wur­de. Dieser voluminöse Zyklus, hierzulande aufgespalten in sechs dicke Taschenbücher3, begründete eigentlich den Ruf des erzählfreudigen Briten als wortgewaltiger Schriftsteller.

Danach, so möchte man meinen, nahm er sich ein wenig zurück und verlegte sich auf kürzere Geschichten. Soweit man das so nennen möchte. Seine Story „Den Bäumen beim Wachsen zuse­hen“ (2000) hat noch immer 130 Seiten und versetzt den Leser in eine interessante technologische Verlängerung des römi­schen Imperiums.4 Und schon sein nächster Streich, ein Jahr später, nämlich der sogenannte „Drachentempel“-Zyklus, der kein Zyklus war, sondern nur ein umfangreicher Einzelroman, der vom Verlag in Deutschland von neuem in zwei Teile zerlegt worden war5, demonstrierte nachdrücklich, dass kurze Werke ihm wirklich nicht lagen. Und dass die Zeit reif war für ein neues Werk von epochalen Ausmaßen.

Mit dem kurzweiligen und scheinbar völlig aus dem Rahmen fal­lenden Roman „Misspent Youth“ (2002)6, der mehr ein familiärer Problemroman zu sein schien, irritierte er seine Fange­meinde. Manch einer mochte wohl auch darüber spekulieren, ob Hamilton inzwischen „ausgebrannt“ sei, doch weit gefehlt. Das seltsame zweite Leben des Erfinders Jeff Baker, das der Autor in diesem Buch ausbreitete und sich geradezu irritierend verengt darstellte, entpuppte sich bei genauem Hinschauen und Verfol­gen der Pläne Hamiltons als Vorstudie. Die Welt, die er hier zu entwickeln begann, ist jene, in der sein neuer Zyklus spielt.

Der Stern der Pandora“, der erste von vier neuen Romanen (im Deutschen – im Original gibt es nur zwei voluminöse Bände, einmal „Pandora’s Star“, zum zweiten „Judas Unchained“), spielt im Jahre 2380 und hat sich damit vom Vorgänger-Einzel­band um rund 340 Jahre in die Zukunft entfernt. Die Menschheit hat, gestaffelt in drei Besiedelungsschalen, insgesamt 600 Ster­nensysteme kolonisiert, die unterschiedlich stark technisch durchstrukturiert und diversifiziert sind. Wie es zu erwarten ist, entwickeln sich diese Welten unterschiedlich stark und werden in Hamilton-Manier sehr variabel dargestellt. Da gibt es Plane­ten, die von einzelnen Familien bewohnt und beherrscht wer­den, andere, auf denen Konzerne eine genetische Diktatur in­stalliert haben, andere, die als Zielorte für New-Age-Versessene dienen, Industrieplaneten, Urlaubswelten und dergleichen mehr. Aber wie schon in „Armageddon“ bemüht sich der Autor, die je­weiligen Entwicklungen und Gesellschaften der unterschiedli­chen Planeten differenziert und glaubwürdig darzustellen.

Das irdische Commonwealth, das über keine eigene Armee mehr verfügt und in dem Krieg grundsätzlich geächtet ist, hat sich mittels einer Technologie gesteuerter überdimensionaler Wurmlöcher entwickelt, durch die der Personal- und Transport­verkehr über mehr als 400 Lichtjahre hinweg eigentlich rei­bungslos verläuft. Die menschliche Gesellschaft, die über zahllo­se Milliarden Bewohner verfügt, entwickelt sich allmählich, und sehr zur Beruhigung sozialer Probleme hat die Technologie der sogenannten Rejuvenation beigetragen sowie die Entwicklung der Memory Insert Module, mit deren Hilfe die Auslagerung von Erinnerungen sowie eine physisch-technische Wiedergeburt möglich wurde: man lädt seine Erinnerungen in externe Spei­cher, was routinemäßig gemacht wird, zudem werden in Klonie­rungskliniken genetische Muster der Individuen gehortet. Nach einem inzwischen sehr ausgefeilten Muster werden entweder Verjüngungen durchgeführt (wie bei Jeff Baker, nur viel perfektionierter) oder aber regelrechte Wiedergeburten, beispielswei­se bei tödlichen Unfällen oder auch in Mordfällen bzw. dann, wenn Personen spurlos verschwunden sind.

Der Leser ahnt bereits, dass diese Technologien auch ganz neue Formen des Verbrechens möglich machen, und er hat vollkom­men recht. Das ist ein Handlungsstrang dieses Romans: als der Polizeibehörde des Commonwealth (das Intersolar Serious Cri­mes Directorate) von einem Geschäftsmann gemeldet wird, dass an der Wiederbelebung seiner Ex-Ehefrau Tara Jennifer Shaheef und ihres Geliebten Wyobie Cotal irgendetwas unnor­mal sein soll, beginnt die Chefermittlerin Paula Myo, ihres Zei­chens eine Legende im Commonwealth, weil sie als absolut un­bestechlich gilt und angeblich noch nie versagt hat, sich mit dem Fall zu beschäftigen. So kommt ein Stein ins Rollen, dessen Größe momentan noch nicht abzuschätzen ist.

Die Einschätzung, dass sie noch nie versagt hat, ist übrigens falsch, und das ist ein zweiter Handlungsstrang: vor über hun­dert Jahren hat es einen furchtbaren terroristischen Anschlag gegeben, bei dem zahlreiche Kinder ums Leben kamen, also Menschen, die noch keine Erinnerungschips besaßen. Der end­gültige Mord an diesen Kindern ist ein todeswürdiges Verbre­chen, und der Mann, der dafür verantwortlich ist, Adam Elvin, ist ein sozialistischer Terrorist aus Überzeugung, der sich inzwi­schen einem anderen Extremisten angeschlossen hat – dem Sektierer Bradley Johansson.

Johansson, und damit kommen wir dem Zentrum dieses Buches wirklich nahe, ohne den Anfang bisher angesprochen zu haben (man verzeihe dem Rezensenten, dass er das Pferd gewisser­maßen von hinten aufzäumt, hier macht es durchaus Sinn), Jo­hansson war Wissenschaftler, der auf der Phase-III-Randwelt Far Away, also am äußeren Rand des Commonwealth, an der Unter­suchung eines Alien-Raumschiffwracks mitarbeitete, das den sinnigen Namen „Mary Celeste“ bekommen hat.7

Hier geriet er, sagt er später aus, unter die mentale Kontrolle des einzigen Besatzungsmitglieds dieses Wracks, eines Wesens, das er „Starflyer“ nennt und das die Fähigkeit besaß, Menschen geistig zu versklaven. Auf diese Weise entkam der „Starflyer“ von Far Away und drang ins menschliche Commonwealth ein, wo er – sagt Johansson – die menschliche Elite unterwanderte und seither danach strebt, das Reich zu vernichten.

Für das ISCD und insbesondere Paula Myo ist Johansson aber der Drahtzieher hinter Adam Elvin und damit nichts anderes als ein Terrorist, den es dingfest zu machen gilt. Doch ebenso wie Elvin ist Johansson irgendwo in den Tiefen des Commonwealth untergetaucht. Hinter ihm steht seine Sekte, die „Guardians of Selfhood“, die auf Far Away leben, und ihr Ziel besteht darin, die Menschheit vor dem „Starflyer“ zu retten – an den außer ih­nen und ihrem Anführer niemand glaubt.

Mehr als zwei Jahrhunderte ist die Lage mehr oder weniger sta­tisch. Dann macht ein alter Astronom auf einer weiteren Rand­welt des Commonwealth eine atemberaubende Entdeckung: viele hundert Lichtjahre jenseits des von Menschen besiedelten Raumes hüllt sich ein Sternenpaar ganz plötzlich in ein Energie­feld. Dieses Ereignis muss vor etwa tausendzweihundert Jahren eingetreten sein, aber allein die Berechnung, was für eine Tech­nologie für so einen Aufwand erforderlich ist, lässt die Forscher gruseln. Sie ist allem überlegen, was das Commonwealth aufzu­bieten hat.

Nachdem das erst einmal klar ist, sehen sich die Verantwortli­chen der Menschheit dazu gezwungen, herauszufinden, was dort draußen vor sich geht. Da kein Wurmloch so weit reichen wird und der Aufwand in keinem Verhältnis zum erwarteten Nut­zen steht, wird beschlossen, erstmals seit Jahrhunderten wieder ein Raumschiff zu bauen – die „Second Chance“. Diese Mission soll herausfinden, was genau dort bei „Dyson Alpha“ und „Dyson Beta“ vorgefallen ist und nach Möglichkeit Kontakt mit der fremden Rasse aufnehmen, wenn es sie noch gibt.

Doch indem dieses Schiff gebaut wird, werden die Konstrukteu­re und Raumfahrer damit automatisch zu Zielscheiben für Brad­ley Johansson. Denn dieser Fanatiker ist der festen Überzeu­gung, dass niemand Geringeres als der „Starflyer“ der Initiator dieser Reise ist – und das Ziel besteht in der Vernichtung der gesamten Menschheit …

Man muss wirklich sagen: das Warten hat sich gelohnt. Die Le­ser, die der Ansicht sein mögen, dass der „Armageddon-Zyklus“ vielleicht nicht mehr zu toppen wäre, dass Hamilton hier nur un­ablässig wieder von sich selbst abkupfern könne, sollen sich wirklich mal überraschen lassen von der Vielzahl interessanter Charaktere, verblüffender Motivationskonflikte, neuartiger Erfin­dungen wie interaktiver Tattoos, der Arrays, der CST-Portale und aller möglichen anderen Dinge.

Sicher, es ist für Leser, die „sofort Action“ wollen, ein wenig an­strengend, den Roman zu lesen. Er ist nicht langweilig, meiner Meinung nach an keiner Stelle, aber es ist eben erst das Entfal­ten des Tableaus, das Ausbreiten der Möglichkeiten und Hand­lungsschauplätze für den Rest des Zyklus, was wir hier sehen. Doch genau das macht die Sache interessant. Ich fühlte mich ein wenig an den ersten Roman von „Armageddon“ erinnert, der auch sehr langsam anfängt und dann richtig Fahrt aufnimmt. Das geschieht hier im Endeffekt, das sei verraten, im Kapitel 10. Danach kann man nicht mehr aufhören zu lesen.

Das Schönste an diesem Zyklus ist die Tatsache, dass Hamilton auf seiner Homepage schon angekündigt hat, in diesem Univer­sum weiter agieren zu wollen (das verdient es auch wahrhaftig! Zwei Romane können diesen Reichtum gar nicht ausschöpfen, er möchte folgerichtig auch drei weitere schreiben, das heißt: sechs weitere Bücher in der deutschen Übersetzung!). Darauf können wir uns wirklich freuen. Es gibt noch so viele Geheimnis­se, insbesondere um die zahlreichen Alienrassen, die uns allein schon in diesem Buch über den Weg laufen. Im nächsten wer­den es noch mehr, weitaus mehr …

Doch, die Lektüre lohnt sich wahrhaftig.

© 2006 by Uwe Lammers

Wow, im Vergleich zur Vorwoche eine echte Lobeshymne, hm? In der Tat – es gibt halt Romane, die mich zu beeindruckter kritischer Würdigung hinreißen und andere, die das nicht tun. Wenn man dann weiß, dass ich diesen Hamilton-Roman nach 2006 schon 2011 ein zweites Mal verschlungen habe (und so allmählich das Gefühl habe, es wäre mal wieder an der Zeit), dann sollte das deutlich machen, wie sehr ich ihn schätze.

Und nachdem wir uns dieses Mal bei kosmischen Intrigen, galaktischer Politik und dramatischen Entwicklungen aufgehalten haben, kehren wir in dem nächsten Blogartikel gewissermaßen in unseren häuslichen Vorgarten zurück und kümmern uns um einen kleinen Schelmenroman, den ich vor geraumer Zeit mit Amüsement gelesen habe.

Worum es genau geht? Das erfahrt ihr in der kommenden Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Peter F. Hamilton: „Mindstar I: Die Spinne im Netz“, „Mindstar II: Das Mord-Para­digma“ und „Mindstar III: Die Nano-Blume“. Vgl. dazu die Rezensions-Blogs 63, 67 und 71 vom 8. Juni, 6. Juli und 3. August 2016.

2 Später wurden sie in dem Buch „Zweite Chance auf Eden“ nachgedruckt. Vgl. dazu den Rezensions-Blog 36 vom 2. Dezember 2015.

3 Vgl. Peter F. Hamilton: „Die unbekannte Macht“, „Fehlfunktion“, „Seelengesänge“, „Der Neutronium-Alchimist“, „Die Besessenen“ und „Der nackte Gott“. Vgl. dazu die Rezensions-Blogs 18, 21, 24, 27, 30 und 33 vom 29. Juli, 19. August, 9. September, 30. September, 21. Oktober und 11. November 2015.

4 Die Story findet sich in der Storysammlung „Unendliche Grenzen“ (Hg. Peter Crow­ther). Vgl. dazu den Rezensions-Blog 85 vom 9. November 2016.

5 Vgl. Peter F. Hamilton: „Sternenträume“ und „Drachenfeuer“. Vgl. dazu den Rezensi­ons-Blog 15 vom 8. Juli 2015.

6 Vgl. Peter F. Hamilton: „Der Dieb der Zeit“. Vgl. dazu den Rezensions-Blog 284 vom 2. September 2020.

7 Die reale „Mary Celeste“ ist ein Geisterschiff aus dem 19. Jahrhundert gewesen, des­sen Rätsel der Schriftsteller Eigel Wiese wahrscheinlich in seinem Buch „Das Geister­schiff“ jüngst gelöst hat. Jedenfalls liest sich die Erklärung sehr plausibel.