Rezensions-Blog 368: …und morgen die Sterne

Posted September 7th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

in den Beständen meiner vor langer Zeit rezensierten Bücher finden sich nach wie vor immer wieder SF-Romane, die manch einer von euch vielleicht als angestaubt empfinden mag. Sei es, weil man sie nur noch antiquarisch bekommen kann, sei es, dass die ganzen Buchreihen eingestellt wurden, in denen sie einst erschienen oder weil die Autoren, die sie schrieben, heute quasi unbekannt sind.

Ich bin dennoch der Ansicht, dass zu einer guten qualitativ durchwachsenen Rezensionsbasis in diesem Blog auch durch­schnittliche oder seltsame alte Romane zählen. Diese Rezensi­on, die ich vor über 20 Jahren schrieb (und der Roman hatte da­mals schon mehr als 20 Jahre auf dem Buckel, sodass einige Le­ser meines Blogs von heute damals noch nicht mal geboren wa­ren!). Leider ist die Rezension damit schon wieder so alt – wir hatten das Problem beim „Zeitriss“ jüngst schon einmal – , dass ich damals die bibliografischen Daten wie die ISBN nicht mit re­gistrierte. Das Buch ist nicht mehr in meinem Besitz, darum kann ich das nicht eben schnell nachtragen.

Gleichwohl lasse ich diese Rezension einfach mal auf euch los. Sie handelt von dem Versuch der Menschheit, zu den Sternen vorzustoßen, um so das Überbevölkerungsproblem zu lösen (manche Dinge ändern sich interessanterweise auch in 40 Real­jahren nicht, wenngleich die hier skizzierte Lösung doch einiger­maßen simplifizierend wirkt). Und davon, wie die etablierten Ali­enmächte im erdnahen Weltraum genau dieses zu verhindern suchen.

Neugierig geworden? Dann schaut mal weiter:

…und morgen die Sterne

(OT: The World I left behind me)

von William Walling

Bastei 22030, 1981

240 Seiten, TB

Übersetzt von Harro Christensen

Es ist doch eine sowohl faszinierende wie abenteuerliche Unter­nehmung, der überbevölkerten Erde zu einer Möglichkeit zu ver­helfen, andere Sterne zu erreichen. Das ist nichts Geringeres als das Ziel des ehrgeizigen Projekts Demeter, das auf einer erdfer­nen Station auf dem Asteroiden Ceres betrieben wird. Unter größter Geheimhaltung, versteht sich, denn die Bevölkerungssi­tuation der Erde ist zum Zerreißen gespannt, die Drittweltstaa­ten stehen davor, den Industrienationen offen den Kampf anzu­sagen. Ein Projekt wie Demeter, dem die meisten keine Erfolgs­chancen voraussagen, wäre genau der Zündfunke, der dem schwelenden Konflikt von der Latenz zum Ausbruch verhälfe.

Geleitet von Dr. Alexis Lemmon, Tochter eines Nobelpreisträgers und Erbin eines respektablen Vermögens, gerät das Unterneh­men unversehens durch einen sehr seltsamen Zufall ans Licht des Tages. Doch dafür sind keine irdischen Geheimagenten ver­antwortlich, sondern Aliens.

Auf der Erde-Luna-Station und in dem benachbarten Astrono­miesatelliten Hubble bekommen nacheinander mehrere mitein­ander befreundete Wissenschaftler, darunter auch der Ich-Er­zähler der Geschichte, Roger Shore, Besuch von einem unheim­lichen Kerl, der sich „Smith“ nennt und sie auf eine unwider­stehliche Weise ausfragt. Zuletzt eben auch nach Plänen für ein überlichtschnelles Raumschiff. Shore weiß davon gar nichts, doch das ist bei seinem Vorgesetzten Paul Nobotts ganz anders.

Als sie zudem entdecken, dass niemand diesen Mr. „Smith“ fin­den und man nicht mal seine Stimme auf Tonbandaufzeichnun­gen hören kann, wird klar, dass sie offenbar einen extraterrestri­schen Kontakt gehabt haben. So kommt es dazu, dass Shore und sein Kollege Jeff, „der Maharadscha“ Mitglieder von Projekt Demeter werden und sich schließlich auf Ceres wiederfinden.

Damit beginnen die Schwierigkeiten aber erst richtig.

Während nämlich „Smith“ ein eher umgänglicher Genosse zu sein scheint, der sie in gewisser Hinsicht in ihren Bestrebungen unterstützt, taucht ein anderer Außerirdischer auf, der mit ähnli­chen Mitteln agiert, aber weitaus rabiater ist. Seine erste Aktion führt zum Zusammenbruch von Demeter, weil die Teilnehmer von offenkundigem Wahnsinn geplagt werden. Ceres muss in al­ler Hast geräumt werden, die Wissenschaftler wandern monate­lang in eine psychiatrische Anstalt, wo sie nur ein aberwitziger Zufall davor bewahrt, den Rest ihres Verstandes einzubüßen.

Aber sie haben nicht aufgegeben. Jetzt sind die kleinen Mensch­linge mehr denn je daran interessiert, es „Stinky“, wie sie den Bösling von den Sternen wegen seines Gewürzgeruches nen­nen, zu zeigen. Allerdings hat dieser eben sowenig aufgegeben, und seine Hartnäckigkeit stellt das ganze inzwischen abenteuer­liche Projekt und dessen Durchführbarkeit infrage und bringt alle Beteiligten an den Rand der Vernichtung …

…und morgen die Sterne“ ist ein sehr lesbares, geschickt ge­schriebenes Buch, das, wenn man es auf den Kern reduziert, ei­gentlich nicht viel Neues erbringt, aber dabei recht unterhalts­am vorgeht. Der Vorstoß der Menschheit zu den Sternen und der Versuch der etablierten, intelligenten Alien-Rassen, eben­dies zu verhindern, ist uralt. Die onkelgleiche Gönnerhaftigkeit der Aliens ist auch nicht neu, und der aufgestachelte Wider­standsgeist der Wissenschaftler ist sehr vorausberechenbar. Ebenso sieht es mit den Hindernissen aus, die ihnen menschli­cherseits in den Weg geworfen werden.

Was mich an dem Roman dennoch schmunzeln ließ, waren die zum Teil wirklich angenehm gezeichneten Gestalten (wobei Dr. Lemmon manchmal etwas arg klischeehaft reagiert). Die realis­tische Hartnäckigkeit der telepathisch begabten Aliens wirkte ausgesprochen menschlich, ihre moralisch bedingten „Vorwar­nungen“ begannen mich nach einer Weile jedoch zu nerven (hätte Walling das aber nicht getan, wäre der Roman auf Seite 84 zu Ende gewesen, und das war definitiv zu früh). Auch die meist sehr behutsame Lovestory half beim Lesen, keine Frage, ein wichtiges Handlungsmoment, das durchaus etwas akzentu­ierter hätte ausgeführt werden können.

Ich habe allerdings an dieser Geschichte, besonders im vorde­ren Drittel, deutlich gemerkt, dass der Autor, wenn er schon selbst vielleicht kein Astrophysiker ist, doch seine Hausaufga­ben ausgezeichnet gemacht hat. Vieles, was er dort über Astro­physik, Quantentheorie und dergleichen bringt, hat in jeder Hin­sicht Hand und Fuß. Man nimmt dem Ich-Erzähler Shore seinen Status ab, was in vielen Geschichten sonst eher nicht der Fall ist. Das ist wichtig für die Plausibilität des Romans.

Allerdings hört der Roman meiner Ansicht nach entschieden zu früh auf, und der englische Titel ist ebenso verquer wie der deutsche. „Projekt Demeter“ wäre zweifellos in beiderlei Hin­sicht der passendere gewesen. Insgesamt würde ich konstatie­ren, lässt sich der Roman auch nach über 20 Jahren immer noch recht angenehm als kurzweilige Unterhaltungslektüre lesen, wer aber wirklich was über Erstkontakte und Reisen zu anderen Sternen lesen möchte, sollte zu anderen Büchern greifen.

© 2002 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche nähern wir uns der Gegenwart wieder deutlich an … und dem Thema der kontrafaktischen Geschichte. Versprochen: das wird wirklich spannend!

Bis dann mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

heute geht es also einen weiteren Schritt vorwärts in der suk­zessiven Darstellung meiner kreativen Entwicklung bezüglich des Oki Stanwer Mythos und all dessen, was bis zur Gegenwart sonst so an kreativen Eigenleistungen auf weiteren Gebieten zu vermelden ist. Als da eben wären: Werke aus dem Archipel, aus dem Erotic Empire, gelegentliche Digitalisierungsprojekte wie „Horrorwelt“, „Erotische Abenteuer“ usw.

Thema sind die Monate Juli, August und September 2021, worin das Ende meiner Beschäftigung an der TU Braunschweig und der erneute Beginn meiner Beschäftigungslosigkeit unter Bezug von ALG I fallen.

Wie ich letztens – also vor acht Wochen – schon erklärte, war ich in einem Zustand der fast vollständigen Erschöpfung angelangt. Ausgelaugt von anderthalb Jahren Corona-Stress, isoliert im pri­vaten wie auch im beruflichen Umfeld (die Universität war bis zu meinem Dienstschluss quasi Sperrgebiet für Studierende, was die physische Präsenz anging), weitgehend abgeschnitten von meinen regelmäßigen kreativen Taktgebern (z.B. den Blog­artikeln und den E-Books), machte sich einfach vollständige Le­thargie zunehmend in mir breit. Ohne undankbar erscheinen zu wollen – ich war doch sehr erleichtert, am 23. August meinen letzten Arbeitstag zu haben und dann endlich relaxen zu kön­nen.

Doch ich sollte weiter vorne beginnen.

Der Monat Juli konnte von mir mit 22 vollendeten Werken abge­schlossen werden. Darunter befanden sich vier Blogartikel, drei Rezensionen und ansonsten im Grunde nur kommentierte Digi­talisate aus den Serien „Erotische Abenteuer“, „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) und „Oki Stanwer Horror“. Erfreuli­cherweise gelang es mir schon, in KONFLIKT 12 (BdC) zumindest in Ansätzen bereits Band 128, also das Serienende vorzuberei­ten. Das erfüllte mich mit nicht geringer Hoffnung, vielleicht im Monat August endlich das Ende dieses seit Februar 2007 (kein Witz!) laufenden Digitalisierungsprojekts zu erreichen. Darauf­hin, so der Plan, wollte ich mich verstärkt um KONFLIKT 13 und E-Books kümmern

Mir kam etwas in die Quere, was sich „Göttliche Erkenntnis­se“ nannte – ich tauchte nämlich, während ich mehrheitlich er­mattet Abschreibarbeit leistete, in den rätselhaften KONFLIKT 28 wieder ein, also die Serie „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ (DSj), die mich am äußersten temporalen Rand des OSM schon seit Jahren mir zunehmendem Unbehagen erfüllt. Und der genannte Band, der Schlussband der Trilogie um Oki Stanwer im Innern der Leiche TOTAMS, versprach heftige Enthüllungen. Aber ehe ich dafür bereit war, das wusste ich, musste ich erst mal wieder in den Gedankenkosmos eintauchen … in gewisser Weise war das eine sehr beruhigende Lese-Therapie.

Ein wenig lenkte ich mich ab mit der Erotic Empire-Story „Un­ter falscher Flagge“, aber dabei handelte es sich um eine sehr kurzzeitige Abirrung. Ebenso kurzzeitig war meine Ablen­kung in der Erotic Empire-Novelle „Gold“, im Roman „Die Ko­lonie Saigon II“ und im E-Book „BdC 2: Gestrandet in Bytharg“. In meiner von Erschöpfung befeuerten Orientie­rungslosigkeit irrte ich sogar hinüber zum Archipel und machte allen Ernstes Anstalten, am Roman „Rhondas Aufstieg“ und der Story „Roxanne“ weiterzuschreiben … witzlose Versuche.

Ehrlich, ich war froh, als der Monat um war. Ich war der Auffas­sung, dass es eigentlich nur besser werden könnte … wenn­gleich auch wohl eher in der zweiten Monatshälfte des August.

August 2021 schloss dann mit beeindruckenden 30 beendeten Werken, allerdings entfielen wieder mal neun davon auf Blogar­tikel … ja, ich weiß, die Blogartikel waren in ihrer Veröffentli­chung immer noch suspendiert zu diesem Zeitpunkt, aber das spielte keine Rolle. Rezensions-Blogs im Voraus zu schreiben, meist zwei am Tag, stellte eben kein Problem dar, da die Rezen­sionen alle schon vorlagen. Und die anderen Blogartikel? Es mag genügen, wenn ich andeute, dass sie in groben Zügen schon bis Folge 500 vorausgeplant sind. Danach ist alles noch nebelhaft und undeutlich, aber wir reden dann effektiv schon vom Jahr 2023 … das lassen wir mal entspannt herankommen.

Zu meiner großen Freude konnte ich am 24. August den Schlussstrich unter die Digitalisierung von KONFLIKT 12 ziehen, wie schon im Vormonat erhofft. Dafür begann ich was? Eine neue Baustelle bearbeiten.

In den „Work in Progress“-Blogs habe ich davon schon ausführli­cher erzählt, ich kann mich hier also kurz halten. Es handelte sich um die zwischen 1983 und 1990 in 14 Episoden entwickelte Proto-OSM-9-Ebene „Der Kaiser der Okis“, die ich in rascher Fol­ge zu digitalisieren trachtete. Und tatsächlich schaffte ich aus dem Stand in diesem Monat Abschrift und Kommentierung der ersten drei Folgen.

Außerdem wurden die letzten beiden Teile des OSM-Romans „Kämpfer gegen den Tod“ für BWA aufbereitet (inzwischen lange veröffentlicht) … und dann brach sich mit aller Macht der KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ Bahn. Ich wurde gegen Ende meiner Dienstzeit so von inneren Bildblenden über­rollt, dass ich wie im Rausch an dieser Episode „Göttliche Er­kenntnisse“ schrieb.

Gott, erstens einmal war es Band 2050 des OSM, sehr angemes­sen, wie ich fand, zum zweiten kam unglaublich viel Licht in die bisherigen Geschehnisse … auch wenn das für Oki Stanwer ein furchtbar traumatischer Erkenntnisprozess war und die Proble­me damit zwar – im Wesentlichen – angesprochen sind, aber noch lange nicht gelöst.

Sehr erleichternd fand ich hier jetzt aber, dass ich auf bisher un­fassliche Weise Klartext reden konnte. Und dass ein paar Grund­festen des OSM massiv erschüttert wurden, was bislang nur in den unter Verschluss stehenden Hintergrundtexten zum OSM möglich war (man möge mir die Geheimniskrämerei verzeihen – aktuell ist zu wenig vom OSM veröffentlicht, um diese Details offenzulegen, dafür muss erst mehr Grundlagenarbeit geleistet werden … ich gebe mir Mühe, dem mit weiteren Publikationen so rasch als möglich zu entsprechen).

Nach kurzen Stippvisiten in KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ und das Erotic Empire („Die Eigentums-Lö­sung“) sowie den Archipel („Brigitta“) war auch dieser Monat schon wieder Vergangenheit.

Nun befand ich mich zwar formal im Urlaub bis Monatsende und ab dann im ALG I-Bezug … aber ich war immer noch so neben der Spur, dass ich die zeitige Arbeitslosenmeldung verpeilte und mir dadurch eine einwöchige Sperrzeit Anfang September ein­handelte.

Da seht ihr mal, dass das ganze Gerede von Ermattung nicht einfach nur Larifari war, das hatte durchaus auch ökonomische Auswirkungen auf mich.

Der Monat September 2021 stand dann mehrheitlich im Zeichen meiner Erholung. Die Blogartikel wurden nun – endlich – wieder reaktiviert, und ich vertrieb mir erst mal die Zeit mit Glossarar­beiten, die bislang meist zu kurz gekommen waren. Sowohl die Glossare von KONFLIKT 12 wie von KONFLIKT 28 waren völlig veraltet. Ich schrieb, speziell zum KONFLIKT 28 reihenweise Le­xikonseiten und konnte die so erklärten Begriffe in das entspre­chende Glossar überführen.

Zu den insgesamt 31 fertigen Werken dieses Monats zählten – wie erwartet – 17 (!) Blogartikel, einige Abschriften von Non-OSM-Werken, einige Rezensionen und kommentierte Abschriften der Serien „Erotische Abenteuer“ und „Der Kaiser der Okis“. Ich schrieb – ein wenig versuchsweise – an der OSM-Story „Im Bann der schönen Fremden“ weiter, kam aber nicht allzu weit.

Ein weiterer Plan, den ich im Grunde genommen schon seit Ende 2018 hegte, war die Weiterarbeit an der Geschichte – zwi­schenzeitlich zur „Novelle“ geadelt, weil sie so umfangreich wurde – „Das Geheimnis von Church Island“. Aber dafür war es erkennbar noch zu zeitig, ich kam hier nicht sehr weit. Dasselbe galt auch für den OSM-Roman „Quisiins letzter Fall“ und die Story „Mutproben“.

Dafür kam ich – und ausschlaggebend war bestimmt die Tatsa­che, dass ich mit Blogartikel 449 die sechsteilige Darstellung der „Horrorwelt“-Serie beendet hatte – überraschend in dieser Serie voran. Mit den Bänden 175, 176 und 177 kam ich uner­wartet geschwind vom Fleck, der 178er – Abschlussband einer Trilogie – konnte erst mal nur entworfen werden.

Doch, ich muss sagen, mit dem kreativen Volumen dieses Mo­nats konnte ich mich schon sehr anfreunden. Was mich gegen Ende des Jahres noch erwartete, ahnte ich natürlich noch nicht. In dem nächsten und vorläufig abschließenden Teil dieser Arti­kelserie geht es dann um das Schlussquartal des Jahres 2021.

Ich denke, es ist erst wieder sinnvoll, diese Reihe fortzuführen, wenn weitere ein oder zwei Jahre verstrichen sind. In fünf Wo­chen folgt also dieser Schlussakkord.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 367: Awakenings – Zeit des Erwachens

Posted August 30th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist eine Binsenweisheit der Literatur: dass das Leben die bes­ten Geschichten schreibt, im positiven wie im negativen Sinne. Und manche davon sind so unfasslich, dass man sich an den Kopf greift und fragt, ob man womöglich gerade träumt oder – im aktuell vorliegenden Fall – der Verfasser auf irgendeinem wil­den Drogentrip gewesen ist, als er sein Werk schrieb.

Für das aktuelle Buch, das ich euch heute vorstellen und dessen Lektüre ich wärmstens all jenen ans Herz legen möchte, die es noch nicht kennen sollten (lasst euch nicht von der Verfilmung täuschen, sie konnte notwendig nur einen winzigen Teil dessen darstellen, was das Buch tatsächlich enthält!), für dieses Buch gilt das ausdrücklich nicht. Alles, was hierin dargestellt ist, ent­spricht tatsächlich der Realität. Oliver Sacks, dessen Leben sich durch die dramatischen Ereignisse in „Mount Carmel“ für immer veränderte, geht vielmehr sehr transparent mit allen positiven wie negativen Folgewirkungen seines hilfreich gedachten medi­zinischen Experiments um.

Und ja, er beschreibt erschütternd detailliert, wie er selbst von den Folgen dessen grundlegend überrumpelt wurde … wie er anschließend in der Medizinerzunft angefeindet wurde, weil er fundamentale, man könnte auch sagen „ideologische“ Überzeu­gungen mit gutem Grund infrage stellte. Es liegt ihm fern, von einem Allheilmittel zu reden, ebenso, sich selbst auf ein Podest zu heben, sei es als Heiler oder Märtyrer. Was er abbildet, ist vielmehr das wirre Durcheinander eines realen Forscherlebens, das durch die „trial-and-error“-Methode auf harte Weise lernen musste, dass die bisher bekannten medizinischen Theorien auf tönernen Füßen standen.

Und alles das fing 1969 in einem amerikanischen Krankenhaus an mit einer Versuchsreihe, die sich anfangs wie ein Märchen ausnahm und alsbald in einen unbegreiflichen Alptraum ent­gleiste und ungeahnte Konsequenzen zeitigte.

Wer neugierig geworden sein sollte, der lese weiter und achte nicht auf die Länge der Rezension – vertraut mir, die Seiten sind wirklich erforderlich, ihr werdet sehen, weshalb:

Awakenings – Zeit des Erwachens

(OT: Awakenings)

von Oliver Sacks

rororo-Sachbuch 8878

464 Seiten, TB

Reinbek bei Hamburg, Februar 1991

damals: 14.80 DM

Übersetzt von St. Schappo, W. Gutjahr, M. Lehmann, U. Hausmann, N. Rose, K.-H. Plottek sowie Martina Tichy und Klaus Henning

ISBN 3-499-18878-3

Dies ist eine wahre Geschichte.

Wer dies für einen unpassenden Anfang für eine Rezension über ein Sachbuch hält, wird möglicherweise am Ende anderer Auf­fassung sein, weil er an seinem Verstand ebenso zweifelt wie ich zeitweise, als ich dieses Werk las. Denn dies ist die Ge­schichte einer Gesellschaft von „Dornröschen“, die jahrzehnte­lang von der Welt verkannt wurden und selbst dann, als sie fä­hig waren, sich zu artikulieren, dies in einer Weise taten, die die wissenschaftliche Gesellschaft zutiefst erschütterte – und deren Realität man dann zu verdrängen versuchte, weil sie unbequem war. Dies ist zugleich die Geschichte jenes Mannes, der sich zum Sprecher dieser Verdammten machte, der um Verständnis bemüht war, wiewohl selbst von Angst und Verstörung ergriffen, von Zweifeln und Hilflosigkeit.

Wo also anfangen?

Gehen wir zurück in den Winter des Jahres 1916/17.

In diesen Wochen und Monaten trat auf einmal auf dem europäischen Kontinent, vornehmlich in Österreich-Ungarn, eine Krankheit in Erscheinung, die so mannigfache Auswirkungen und Erscheinungsformen besaß, dass man sie in viele verschie­dene Schubladen zu stopfen versuchte. Die Diagnosen lauteten auf „epidemisches Delirium, epidemische Schizophrenie, ende­mischer Parkinsonismus, epidemische und multiple Sklerose, atypische Tollwut, atypische Poliomyelitis“ (meist Polio abge­kürzt, also Kinderlähmung) und so weiter. Signifikanteste und erschreckendste Ausprägung stellte eine Veränderung des Schlafrhythmus dar: Entweder fielen die Betroffenen in einen so komatösen Schlaf, dass sie bisweilen wochen- und monatelang nicht mehr zu aufzuwecken waren – oder sie litten unter Zustän­den ausgeprägter Schlaflosigkeit, die man medizinisch nicht zu behandeln verstand. Patienten mit letztgenannten Symptomen starben binnen 10-14 Tagen an den Folgen dieser Krankheit, die häufig mit einem heftigen Bewegungsdrang, pausenloser Hy­peraktivität und Erregung zusammen auftrat.

Schlimmer noch: diese Krankheit trat zeitgleich auf mit der da­mals grassierenden sogenannten „Spanischen Grippe“, der weltweit mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen.1 Doch während diese Grippe sich bis heute tief ins Gedächtnis der Menschheit eingegraben hat, wurde diese andere bizarre, selt­same Krankheit, an der letzten Endes kurz- oder langfristig über fünf Millionen Menschen litten, wieder vergessen.

Die Krankheit, die zum Teil bis zu fünfhundert (!) verschiedene Ausprägungen erreichte und von dem berühmten Arzt Constan­tin von Economo damals untersucht wurde, verschwand etwa um das Jahr 1926/27 offenkundig spurlos, so gespenstisch, wie sie aufgetreten war. Aber der Alptraum war lange nicht zu Ende.

Economo identifizierte dieses Phänomen schließlich als „enze­phalitis lethargica“, die sogenannte europäische Schlafkrank­heit, die über Jahrhunderte – vielleicht Jahrtausende – hinweg in den Schriften europäischer Ärzte und Philosophen nachweisbar ist. Allerdings war eine Epidemie in diesem Ausmaße völlig un­bekannt. Genau wie ihr jähes Auftreten blieb das Verschwinden rätselhaft.

Im Jahre 1966 wurde der damals 33jährige Arzt Oliver Sacks an ein Hospital im Staate New York versetzt, das er im Buch „Mount Carmel“ nennt und das in Wahrheit einen anderen Na­men trägt. Mount Carmel war im Wesentlichen eine Verwahran­stalt für Menschen, die von der Medizinwissenschaft als unheil­bare Fälle aufgegeben worden waren – Personen etwa, die unter fortgeschrittenem Parkinsonismus litten, steif wie ein altes Stück Holz geworden waren und stunden- , ja, tagelang in einer zum Teil völlig unnatürlich verkrümmten Haltung vor sich hin­dämmerten, nicht oder nur sehr gering ansprechbar. Personen, die kaum reagierten, beklagenswerte, bedauerliche Gestalten. Strandgut der menschlichen Gesellschaft, die der eigene Körper vorzeitig in eine nahezu vegetative Form gezwungen hatte. Eine unheilbare Form. Wenigstens nahm das damals jeder behan­delnde Arzt an.

Oliver Sacks fand hier in Mount Carmel eine „Gemeinde“ von etwa achtzig Patienten vor, die auf geradezu grauenerregende Weise die unterste Stufe der Existenz erreicht hatten. Die meis­ten von ihnen dämmerten seit Jahren, manche bereits seit Jahr­zehnten (!) vor sich hin und waren dauerhafte Pflegefälle. Si­cher, man kannte ihre Namen, aber keiner der Pfleger und Ärzte rechnete ernsthaft damit, dass diese bedauernswerten Kreatu­ren sich ihrer Umgebung bewusst waren, noch, dass sie jemals wieder ihre Umwelt vernünftig wahrnehmen würden. Man würde sie eben pflegen müssen, bis sie starben. Und das konnte noch Jahrzehnte dauern.

Der junge, neu angekommene Arzt – also der spätere Autor Oli­ver Sacks – hatte bereits Parkinson-Kranke betreut, er wusste halbwegs, wie er mit ihnen umzugehen hatte, und doch war er betroffen von diesen schrecklich geschlagenen Menschen. Und tief in seinem Herzen dachte er, es müsse doch eine Möglichkeit geben, diesen Personen zu helfen, ihr Leiden zu lindern. Irgend­wie.

Als sich kurze Zeit nach Oliver Sacks´ Ankunft in Mount Carmel ein Medikament namens L-DOPA herumzusprechen begann, ein Stoff, der imstande war, Depressionen zu beheben und bei Par­kinson-Kranken eine Linderung ihrer Beschwerden herbeizufüh­ren, da wagte er es – mit starken Bedenken – , den seit vielen Jahrzehnten dahindämmernden Patienten in Mount Carmel die­ses Medikament zu verabreichen.

L-DOPA behebt, muss man dazu wissen, einen Mangel des neu­ronalen Botenstoffs Dopamin, der im menschlichen Gehirn unter anderem für Rauschzustände verantwortlich ist, Freude und Eu­phorie hervorzurufen versteht und auch sonst eine Reihe – da­mals noch unbekannter – Wechselwirkungen steuert.

Man wusste, dass der Dopaminspiegel von Parkinson-Kranken erschreckend niedrig war und nur etwa 20 % des Wertes eines gesunden Menschen erreichte. Bei den Patienten, die Sacks nun betreute und zu therapieren versuchte, lag der Dopaminspiegel teilweise allerdings nur auf 0,1 % des üblichen Wertes. Er war sich infolgedessen überhaupt nicht sicher, was die Medikamen­tengabe ausrichten würde. Oder ob sie überhaupt Wirkung zeiti­gen konnte.

Auf das, was er erlebte, waren weder noch seine Mitpfleger ein­gestellt.

Am besten ist ein Beispiel, um die Dramatik der Situation zu de­monstrieren.2 Nehmen wir die Patientin, die Oliver Sacks mit dem Aliasnamen „Rose R.“ bezeichnet hat:

Rose wird 1905 in New York als Tochter einer wohlhabenden Fa­milie geboren und wächst ohne ernsthafte Erkrankungen als fröhliches, intelligentes Mädchen auf, das zahlreiche Hobbys hat, begeistert sich für das Fliegen, Architektur und ein partyrei­ches Gesellschaftsleben in den frühen 20er Jahren.

Im Jahre 1926 kündigt sich durch eine Reihe Furcht erregender Träume eine Veränderung in ihrem Leben an: Rose sieht sich darin in einer Burg gefangen, die von der Gestalt her ihrem ei­genen Körper gleicht, sie sieht die Welt um sich herum erstarren und sich selbst in einen Traum fallen, aus dem sie niemand mehr erwecken kann. „Ferner träumte sie von einem Tode, der sich vom Tod unterschied“, schreibt Sacks mit beklemmender Verve.

Am nächsten Tag ist Rose kaum mehr wach zu bekommen, und als sie endlich halbwegs bei Sinnen ist und in den Spiegel schauen kann, sieht sie ihren Alptraum Realität gewinnen. Sie wird von den letzten Ausläufern der enzephalitis lethargica er­fasst und gleichsam niedergestreckt. Der hinzu gerufene Arzt konstatiert sehr vorschnell einen katatonischen Zustand, den er als Ausfluss einer unglücklichen Liebesgeschichte interpretiert. „Was erwarten Sie bei dem Leben, das sie führte? Einer dieser Taugenichtse hat ihr das Herz gebrochen. Halten Sie sie ruhig und geben Sie ihr zu essen – in einer Woche wird sie wieder obenauf sein.“

Ein klassisches ärztliches Fehlurteil: Rose R. erholt sich weder in einer Woche noch in einem Jahr, geschweige denn in den dar­auf folgenden 43 Jahren. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer.

Rose scheint zwar alles um sich herum wahrzunehmen, ist aber völlig außerstande, am Leben teilzunehmen. Es wirkt etwa so, so formuliert es der Autor, als befinde sie sich „in einem für an­dere nicht einfühlbaren Zustand, der sie absorbiere und mit dem sie sich vorrangig beschäftige“. Ein Zustand indes, den nie­mand außer ihr begreift und den sie selbst nicht mehr mitteilen kann. Während diese krankhafte Situation andauerte, wurde Rose immer starrer und entwickelte zeitweise Krisenzustände mit krankhaftem Augenkreisen (okulogyrische Krisen), ticartigen Zuckungen, Verkrampfungen und beängstigender Atemnot.

1935 waren die Angehörigen mit Roses Pflege eindeutig über­fordert und veranlassten die Einweisung in Mount Carmel, wo sie von da ab lebte. Es gab allerdings etwas Unheimliches an ihr: sie alterte nicht mehr. Eine alte Stationsschwester, die Rose R. seit ihrer Einlieferung kannte, sagte später zu Oliver Sacks: „Es ist unheimlich, aber diese Frau ist während der dreißig Jah­re, die ich sie kenne, nicht um einen Tag älter geworden. Wir alle werden älter – nur Rose ist geblieben, wie sie war.“ In der Tat sieht Rose R. mit 61 Jahren dreißig Jahre jünger aus: mit ra­benschwarzem Haar und einem faltenlosen Gesicht, in der Tat ein auf gespenstische Weise eingefrorener Mensch, der gewis­sermaßen jenseits der Zeit lebt. Und dann waren und blieben da ihre hellwachen, aber gleichsam nach innen gerichteten Augen …

Sacks begann am 18. Juni 1969 mit der L-DOPA-Behandlung und stellte schon nach wenigen Tagen Veränderungen fest: Die oku­logyrischen Krisen ließen nach, die Starresymptome ihrer Glied­maßen schwanden rasch dahin, und die Augen waren deutlich aufmerksamer geworden. Wenig später war Rose auch imstan­de, statt des sonst üblichen, sehr mühsamen Flüsterns nach Jahrzehnten endlich wieder normal zu sprechen und selbständig zu gehen. Sie nahm die Umwelt vollkommen wahr, wurde leb­haft und sprach mit anderen Menschen. Alles Dinge, die früher undenkbar erschienen wären. Und ihrem Arzt erklärte sie, war­um sie all die ganzen Jahrzehnte zuvor so sehr konzentriert ge­wirkt hatte. Ein typischer Dialog aus einer Fußnote ist es wert, auszugsweise zitiert zu werden:

Woran denken Sie, Rosie?“

An nichts, einfach an nichts.“

Aber wie ist es denn möglich, dass Sie an nichts denken?“

Es ist schrecklich einfach, wenn man einmal weiß, wie.“

Und wie denken Sie einfach an nichts?“

Eine Möglichkeit besteht darin, immer wieder und wieder an dieselbe Sache zu denken. Zum Beispiel 2 = 2 = 2 = 2 oder: Ich bin, was ich bin, was ich bin … Es ist genau dasselbe mit mei­nem Zustand. Er führt immer wieder zu sich selbst zurück. Egal, was ich mache oder denke, es führt tiefer und tiefer in sich selbst zurück … Und dann sind da die Pläne.“

Was meinen Sie mit ‚Pläne’?“

Pläne, Abbildungen … Alles, was ich tue, ist ein Plan von sich selbst, alles, was ich tue, ist ein Teil von sich selbst. Jeder Teil führt wieder zu sich selbst, stellt wieder sich selbst dar … Ich hole eine Vorstellung vor mein Bewusstsein, und plötzlich be­merke ich in dieser Vorstellung etwas wie einen Punkt am Hori­zont. Das Etwas kommt immer näher, und plötzlich sehe ich, was es ist – es ist dieselbe Vorstellung von eben. Und ich sehe wieder einen Punkt, und noch einen, und so weiter … Oder ich denke an einen Plan, dann an einen Plan von diesem Plan, dann an einen Plan von einem Plan dieses Planes. Und jeder dieser Pläne enthält alles, obwohl sie kleiner und kleiner werden. .. Welten innerhalb von Welten innerhalb von Welten innerhalb von Welten …3 Wenn das erst einmal anfängt, kann ich damit nicht mehr aufhören …“

Und gibt es noch andere Arten, an nichts zu denken, Rose?“

Aber ja doch! Pläne und Punkte sind doch nur die eine Seite, das positive Nichts; aber ich denke auch an das negative Nichts.“

Und wie muss man sich das vorstellen?“

Das soll hier nicht verraten werden, das kann der Neugierige nachlesen. Aber man erkennt: Diese äußerlich vollkommen hilf­losen, bemitleidenswerten Menschen sind nach innen auf eine entsetzliche, aber gleichsam phantastische Weise hellwach, sie sind nur nach außen stumpf gleich einer Druse, die im Innern ei­nen Wald von gewachsenen Juwelen enthält. Und Oliver Sacks´ L-DOPA war der Hammer, der die glanzlose Schale aufsprengte und die Kostbarkeiten des Innen freilegte.

Einige Wochen lang erfreute sich Rose R. einer erstaunlichen Verbesserung ihrer physischen Lage, dann aber veränderte sich ihre Reaktion auf das Medikament schlagartig: Stimmungs­schwankungen traten auf, Starrkrämpfe beeinträchtigten ihre Beweglichkeit und beeinflussten die Laune negativ. Schließlich führte die fortgesetzte Verabreichung von L-DOPA zu zwanghaf­ten Wortwiederholungen, die Rose nicht stoppen konnte. Auch die alten Schwierigkeiten traten in einer massiven Form neu in Erscheinung, dass Rose in nie vorher gekannter Art darunter zu leiden begann. Die Tics beispielsweise ihrer rechten Hand wur­den so schnell, dass sich mit einem Zeitlupenfilm nicht weniger als 300 Anschläge pro Minute nachweisen ließen.

Schließlich wurde die Verabreichung von L-DOPA wegen der „Nebenwirkungen“4 abgebrochen, die zu einer unannehmbaren Beeinträchtigung der Lebensqualität führten. Oliver Sacks kon­statiert am Schluss seines biografischen Kapitels über Rose R. ein wenig niedergeschlagen: „Immer noch sieht sie wesentlich jünger aus, als sie ist; und im Grunde genommen ist sie wesent­lich jünger. Aber sie ist wie ein schlafendes ‚Dornröschen’, für das das ‚Erwachen’ unerträglich war und das deshalb nie wie­der aufzuwecken sein wird.“ Für Rose R. herrscht im Kopf nach wie vor das Jahr 1926, obgleich sie durchaus weiß, dass man das Jahr 1969 schreibt. Es ist für sie mehr wie eine Art seltsa­mer Traum.

Aber so erschreckend auch diese Auswirkung war, so sehr hätte man damit womöglich noch umgehen können. Oliver Sacks musste jedoch noch eine ganz andere Erfahrung machen, die buchstäblich sein Weltbild zertrümmerte. Es gab viele Postenze­phalitiker in Mount Carmel, und er behandelte sehr viele von ih­nen mit L-DOPA, streng nach Plan und alle mit derselben vor­sichtigen Anfangsdosis.

Und jeder reagierte anders.

Jeder reagierte auf jede einzelne Dosierung anders.

Damit nicht genug. Der Prozess des „Erwachens“ aus der Starre war bei jedem der Postenzephalitiker mehr oder weniger plötz­lich oder explosiv, sie konnten auf einmal Dinge tun, die keiner der Pfleger jemals für möglich gehalten hatte. Sie bewegten sich, liefen die Korridore entlang, sprachen aufgeregt miteinan­der, nahmen die Umwelt wahr und berichteten über ihr Leben. Manche begannen mit handwerklichen Fertigkeiten (für Men­schen, die dreißig bis vierzig Jahre lang bewegungslos dahinve­getiert hatten, nahezu unvorstellbar), lasen mitunter in zwang­haftem Tempo Bücher oder redeten dermaßen schnell, dass kein Nachrichtensprecher dies hinbekommen hätte.

Und dann kam, für den einen früher, für den anderen später, wieder der Absturz ins Pathologische. Die Wirkung des Medika­ments schlug gleich einer unberechenbaren Keule zurück auf den Leib, auf die Seele, auf die Fähigkeiten der Patienten.

Und wieder reagierte jeder Patient anders.

Oliver Sacks und sein Team reduzierten die Medikamentendosis. Setzten sie ab. Die einen Patienten fielen sofort in komatöse Starre zurück. Andere „nur“ in ihren normalen Zustand. Wieder andere reagierten mit Tobsuchtsanfällen und sprachen dann nicht einmal mehr auf Beruhigungsmittel an.

Sacks musste begreifen, dass das, was er hier ausgelöst hatte, im Grunde genommen unkontrollierbar war, sich in kein Schema einpassen ließ. L-DOPA wirkte direkt auf das Gehirn der Men­schen ein, aber die bisherige Vorstellung der Wirkungsweise war offenkundig nicht zutreffend. Und ein Medikament, dessen Wir­kung ständig unkontrollierbar war, schien definitiv ungeeignet zu sein, als Allheilmittel angepriesen zu werden.

Während er noch die eskalierenden Zustände in Mount Carmel unter Kontrolle zu bekommen versuchte, schrieb er Artikel über seine Erlebnisse mit L-DOPA und erlebte nun eine Krise ganz an­derer Art: Manche medizinischen Journale weigerten sich kate­gorisch, seine Aufsätze zu nehmen, nachdem die ersten unter der Ärzteschaft einen furchtbaren Aufruhr hervorgerufen hatten. Arztkollegen warfen Sacks vor, er sei ein „Feind“ der L-DOPA-Therapie. Was natürlich gar nicht stimmte. Ihm wurde die fachli­che Kompetenz abgesprochen. Solche Reaktionen, wie Sacks sie beobachtet hatte, „träten einfach nicht auf“, sie seien „unmög­lich“.

Oliver Sacks war zunehmend verstört über dieses Feedback sei­ner Fachkollegen, insbesondere auch älterer Koryphäen der Psy­chologie und Neurologie. Er lud sie dazu ein, nach Mount Car­mel zu kommen, um sich die Wirkung selbst anzusehen. Doch keiner der Eingeladenen kam. Oliver Sacks wurde gewisserma­ßen zu einem Paria, zu einem Außenseiter, mit dem kaum mehr jemand etwas zu tun haben wollte.

Er hatte etwas entdeckt, was niemand wahrhaben wollte.

Erst viel später begann Sacks zu verstehen, was eigentlich pas­siert war: er hatte eine „Wunderdroge“ in Frage gestellt, DAS Medikament gegen den Parkinsonismus (denn, wie Sacks in Mount Carmel entdeckt hatte, half L-DOPA auch nicht flächende­ckend bei Parkinson-Patienten, sondern auch sie litten unter Ne­gativwirkungen des Medikaments. Diese wurden freilich bei an­deren Versuchen verschwiegen).

Wunderdrogen“ hatten in der Medizingeschichte eine lange Tra­dition: Sigmund Freud schwor auf Kokain (!), William James hielt Lachgas für ein Allheilmittel und Havelock Ellis setzte Anfang des 20. Jahrhunderts auf Meskalin. Der neueste „Schrei“ war ge­wissermaßen L-DOPA, und Kritik über die realen Auswirkungen war ausdrücklich unerwünscht.

Allerdings machten bald auch andere Mediziner dieselben Erfah­rungen wie Oliver Sacks, und von da ab bröckelte der Absolut­heitsanspruch von L-DOPA ebenso zusammen wie bei früheren „Wunderdrogen“.

Diese Desillusionierung stellte jedoch nur einen Effekt dieser Medikamentengabe dar. Der andere war bei Oliver Sacks selbst ein kompletter Wandel des Heilungsansatzes. Sacks musste auf­grund der Wirkungen, die sich einstellten, verstehen, dass jeder Patient ein Individuum war und auch individuell reagierte, und indem die Patienten während der vermeintlich kontrollierten Therapie in eine unkontrollierbare, ja, unvorhersehbare Krise gerieten, brach zugleich Sacks´ eigenes Denkbild zusammen. Er war allerdings jung und flexibel genug, um nicht die Augen vor der Realität zu verschließen, sondern kritische Nachfragen zu stellen, nach Gründen zu suchen, warum sich diese Menschen so verhielten, wie sie sich verhielten.

Er befragte die Patienten selbst und destillierte aus ihren inners­ten Befindlichkeiten und den Gehirnstrommessungen, später im Zusammenhang mit der aufkommenden technischen Revolution (Computertomographen) und der Chaostheorie sowie fraktalen Geometrien ein neues Bild des Gehirns, das in vielerlei Hinsicht revolutionär war.

Schlussendlich wurde dieses 1973 erstmals veröffentlichte Buch auch Gegenstand öffentlicher Darstellungen anderer Art. Wie Oliver Sacks es selbst treffend ausdrückt: „Das Zentralthema von Awakenings in Schlaf verfallen, versteinert werden, Jahr­zehnte später in einer Welt erwachen, die nicht mehr die eigene ist – spricht unmittelbar und mächtig die Phantasie jedes einzel­nen Menschen an. Aus diesem Stoff sind Träume, Alpträume und Märchen gemacht – und dennoch ist es tatsächlich gesche­hen.“

Diese Erlebnisse in Mount Carmel inspirierten Kurzgeschichten, Gedichte und Romane, es entstanden Theaterstücke, und schließlich wurde es unter dem Titel „Zeit des Erwachens“ in ei­ner sehr reduzierten Form verfilmt, in den Hauptrollen Robert de Niro und Robin Williams (letzterer verkörpert Oliver Sacks). Über all das ist in diesem Buch vieles zu erfahren, was man sonst nicht entdecken würde.

Neben zwanzig postenzephalitischen Fallgeschichten (die etwa 190 Seiten des Buches ausmachen und von denen man wirklich nur ein oder zwei am Tag verkraften kann) erfährt der Leser viel über die Parkinsonsche Krankheit und den Parkinsonismus (an dem etwa auch der einstige amerikanische Präsident Ronald Reagan und der Boxer Muhammed Ali litten). Man lernt die Bio­grafie von Oliver Sacks und sein neuroanthropologisches Welt­bild kennen, bekommt vieles über die Schlafkrankheit und ihre Folgen zu hören und schließlich, in einem Anhang, noch aller­hand über „Wunderdrogen“, bioelektrische Grundlagen des „Er­wachens“ und die Wahrnehmung von Raum und Zeit durch Par­kinson-Kranke sowie – unverzichtbar – vieles über die Adaption des Buchstoffes in den Medien bis zum Jahre 1990.

Dieses Buch ist natürlich harter Stoff, es ist eine Zumutung für zartbesaitete Leser. Es ist packend, ergreifend, zu Tränen rüh­rend. Erschütternd und fassungslos machend. Es nicht zu emp­fehlen, wäre eine Todsünde, meine ich. Doch wer immer sich auf dieses Abenteuer einlässt, die Leben und die Leiden der weni­gen Überlebenden der enzephalitis lethargica zu erkunden und kennenzulernen, wird aus dem Staunen und Erschrecken, aus ungläubigen Kichern und entsetzten Atemholen nicht mehr her­auskommen.

Dies ist ein Buch, das jeden unmittelbar berührt, der das Leben kennenlernen möchte. Und ich sagte ja eingangs: Dies ist eine wahre Geschichte.

Manch einer mag daran zweifeln, wenn er das Buch schließt.

© 2004/2005 by Uwe Lammers

Braunschweig, den 19.-31. März 2004/9. Februar 2005

Harter Stoff? Hatte ich euch prophezeit. Aber bleibt gelassen, Freunde, in der kommenden Woche wird es sehr viel weniger wortreich und viel ruhiger, versprochen. Dann reisen wir zu den Sternen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Eine beklemmende schriftstellerische Umsetzung dieser Epidemie ist die Story „Wenn ich sterbe, bevor ich aufwache“ von David Morrell, in: Douglas E. Winter: Offenbarun­gen, Bastei 14193, März 1999. Sehr lesenswert.

2 Und das Beispiel ist in diesem Fall ausdrücklich nicht repräsentativ – aus Gründen, die gleich offenbar werden.

3 Wer sich mit mathematischen Modellen auskennt, wird hier sogleich eine Parallelität zu fraktalen Geometrien sehen, die mit dem Namen von Benoit Mandelbrot verbunden sind. Aber ich erinnere daran, dass Rose R. diese Strukturen dachte und durchlebte, bevor der Begriff der fraktalen Geometrie auch nur ersonnen war. Oliver Sacks stellt viele Jahre nach diesen Ereignissen fest, wie hilfreich fraktale Strukturen zur Erklärung der postenzephalitischen Bewusstseinszustände sind.

4 Sacks spricht nur höchst widerwillig von „Nebenwirkungen“, denn eigentlich ist es et­was anderes. Aber das lässt sich in der gebotenen Kürze nicht vernünftig darstellen. Es hat etwas mit einer Gratwanderung des Bewusstseins zu tun. Auch hier sei Nachle­sen ausdrücklich empfohlen.

Liebe Freunde des OSM,

es ist ein aufregendes Gefühl, am ersten Tag des neuen Jahres 2022 die ersten Zeilen zu schreiben, und das ist exakt das, was ich gerade tue … und dabei kann ich gleich Rückschau auf den letzten Monat des verstrichenen Jahres tun und ein Gesamtresü­mee ziehen.

Das Jahr 2021 schloss gestern mit dem schönen Stand von 355 fertigen Werken – summa summarum ergibt das fast ein Werk pro Tag und damit ein Ergebnis, das mich wirklich glücklich macht. Natürlich wurde vieles nicht mehr geschafft, da wären etwa E-Books zu nennen, mehrere OSM-Episoden und andere Geschichten, die ich gern noch abgeschlossen hätte, was sich im Weihnachtsstress aber beim besten Willen nicht mehr reali­sieren ließ … aber insgesamt betrachtet war das das, was man modern eine „gute Performance“ nennen könnte. Doch, ich bin zufrieden, und ich schaue gespannt auf die neuen, nun wieder offenen Horizonte.

Da liegen so faszinierende Meilensteine vor mir wie der OSM-Band 2100, vielleicht der Abschluss der nächsten OSM-Serie, nämlich KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ (IR). Ganz sicher steht alsbald die Fertigstellung des Romans „Das Ge­heimnis von Church Island“ an, zahllose Blogartikel, Rezensionen für den Verein KreativRegion, Fanzineredaktionen für den Science Fiction-Club Baden-Württemberg (SFCBW) … also, ihr seht schon an dieser sehr unvollständigen Auflistung all dessen, was mir spontan durch den Sinn geht, dass Langeweile auch in diesem Jahr hier definitiv auf dem kreativen Feld nicht heimisch werden wird.

Heute soll es aber primär um die Rückschau auf den verflosse­nen Monat Dezember 2021 gehen. Schauen wir uns mal an, was da begonnen, weitergeschrieben oder abgeschlossen werden konnte. Insgesamt waren es 27 fertige Werke. Mit Bezug auf den OSM, den Archipel oder das Erotic Empire sah das dann im Detail so aus:

16Neu 3: Piratenchef Thor Gordenbeyl

Blogartikel 469: Work in Progress, Part 108

16Neu 2: Die Jünger der Macht

16Neu 4: Die Kegelwelt

Anmerkung: Mit den Kegelwelten schuf ich 1984 etwas, mit dem ich noch gar nicht umgehen konnte, und es sollte bis zu den frühen 1990er-Jahren dauern, ehe mir klar wurde, wohin das eigentlich führen würde. Ihr werdet das noch mitbekommen … eine spannende Sache von unerwarteter Tragweite, die hier beim ersten Auftauchen der ersten Kegelwelt nur die Kulisse für eine Piratenbasis bildet. Aber wie so oft im OSM steckt hinter dem ersten Anschein weitaus mehr …

(Irene – Erotic Empire-Story)

(OSM-Hauptglossar)

(Gold – Erotic Empire-Novelle)

(Glossar der Serie „Der Kaiser der Okis“)

Blogartikel 461: Close Up: Der OSM im Detail (33)

Blogartikel 463: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XLV)

(13Neu 20B: Im Bann des Rauchdämons)

Anmerkung: Warum „B“? Nun, das ist etwas seltsam. Ihr wisst, dass die A-Versionen üblicherweise (meist handschriftliche) Vor-fassungen der kanonischen Episoden sind. In diesem Fall war es dummerweise so, dass ich eine Ziffer – hier OSM 46 – dreimal vergeben hatte … für zwei verschiedene Episoden! Nämlich zweimal für „Der Knochenacker“ (A-Fassung und kanonische Fassung) und dann für diese Episode. Und dann verwendete ich kurzerhand „B“. Nicht toll, aber so steht das nun mal in der Liste. Sorry … jeder macht mal Fehler, ich natürlich auch.

(Glossar des Romans „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbe­ben“)

Anmerkung: Wieso jetzt ein Glossar zu diesem E-Book? Das gibt es doch schon im Anhang zum veröffentlichten E-Book anno 2018? Ja, aber … das ist leider nur die halbe Miete gewesen, und ich war auch einigermaßen konsterniert, als ich mit großer Verspätung diese unvollständige Datei entdeckte.

Tatsache ist Folgendes: Das Glossar im Anhang zum CK-1-E-Book anno 2018 ist nur eine Auswahl der relevanten Begriffe und Namen, nicht eine vollständige Zusammenstellung! Inso­fern wurde mir damals schon klar: Wenn ich seitengenau durch die Geschichte gehe, fallen mir noch sehr viel mehr Begriffe auf, die ins Gesamtglossar gehören.

Gesagt, getan: Ich entwickelte die obige Datei, ging noch mal genau durch den Roman und stellte diese Liste zusammen … und dann kam das Jahr 2019 und die Umstellung auf Linux, es kam der Datenverlust … und ich verlor die Datei aus dem Blick, ohne sie abgeschlossen zu haben. Deshalb ist das immer noch eine Baustelle, die ich dieses Jahr fertigzustellen gedenke!

Blogartikel 465: Close Up: Der OSM im Detail (34)

(Parasiten aus dem Kosmos – OSM-Story)

16Neu 5: Henry, der Agent

(Miriam Tvallachs Alptraum – Archipel-Story)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(Roxanne – Archipel-Story)

16Neu 6: Landung auf ELDORADO

Silvesterblog 2021

13Neu 17: Die Vampir-Familie

13Neu 16: Terror der Knochenmänner

(Der Orgasmus-Symbiont – OSM-Story)

Anmerkung: Ich war einigermaßen perplex, als ich in meinen OSM-Fragmentordnern auf diese Story stieß, an die ich mich deshalb erinnerte, weil sie in KONFLIKT 16 spielt, also im Kos­mos der Serie „16Neu“ alias „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“. Verdutzt stellte ich nämlich fest, als ich diese Geschich­te noch mal nachlas, dass darin echt ein leibhaftiger TUURIN­GER im KONFLIKT 16 eine zentrale Rolle spielt. Das hatte ich to­tal vergessen.

TUURINGER sind seltene Gäste in den Universen vor dem RAND im OSM (der bekanntlich im Monat Oktober 1999 in KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ die Erde erreicht und die Strukturen des OSM weitgehend einreißt), und sie sind unglaub­lich machtvolle Wesenheiten, deren Auftauchen immer Proble­me verheißt, Probleme von kosmologischen Ausmaßen.

Aber was macht ein solches Wesen auf einer Welt wie Mountain Grace in einem dortigen Bordell? Also wirklich, ich habe noch keine Ahnung, bin aber sehr gespannt, das herauszufinden. Ich halte euch auf dem Laufenden, sobald ich Näheres erfahre.

(16Neu 7: Schergen der Union)

Blogartikel 467: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XLVI)

(IR 27: Kettenreaktion)

(13Neu 24A: Die Rückkehr des Flammendämons)

(13Neu 50A: Der goldene Mann)

Anmerkung: Dies ist eine der so genannten Seitenpfadgeschich­ten des KONFLIKTS 13, die ich handschriftlich entwickelte, als ich noch davon ausging, dass ich diese Serie mit Coautoren schreiben würde. Da ging ich auch davon aus, dass es Bedarf für ein Wesen wie Midas geben würde, der buchstäblich alles, was er berührt, in Gold verwandelt … Oki Stanwer eingeschlos­sen! Aber dieser Handlungspfad führte buchstäblich ins Nichts und wurde von mir nicht weiter verfolgt … ah, FAST nicht …

(13Neu 52A: Der Fremde)

Anmerkung: Das hier ist ein Schreibmaschinenskript, das witzi­gerweise auf der eben erwähnten handschriftlichen Midas-Ge­schichte fußt. Oki Stanwer, der im – nie geschriebenen – Band 51 der OSH-Serie zu Gold geworden ist, weil er dummerweise von Midas berührt wurde, ist durchaus noch bei Sinnen und er­innert sich nun daran, wie er anno 2113 auf der Erde in dem Re­aktor bei Maidstone in Südengland auftauchte und hier mit Kreaturen TOTAMS konfrontiert wurde.

Ihr kennt diese Geschichte in ausführlicherer und besserer Ver­sion aus dem E-Book „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbe­ben“ (2018). Aber man sieht an dieser Geschichte aus dem Jahre 1984, die den ersten von einer ganzen Reihe so genann­ter „Remember-Bände“ darstellen sollte, dass die Grundidee schon sehr alt war, bis ich sie im E-Book dann ausformulieren konnte.

Da aus den nämlichen Gründen diese Geschichte inhaltlich völ­lig überholt ist, wurde sie auch nicht in den regulären OSM-Ka­non überführt.

Habe ich noch weitere „Remember-Bände“ damals geplant? Natürlich. Eine sollte sich mit der ersten Begegnung zwischen Klivies Kleines und Oki Stanwer befassen, eine andere drehte sich um Thor Gordenbeyl und Garos (beide sind im ersten CK-E-Book ausformuliert, ebenso das Attentat auf die britische Regentin). Ein weiterer sollte Pater Joseph Ghastor thematisieren (ihr lernt ihn im zweiten CK-E-Book kennen), und es waren noch einige mehr geplant. Das einzige Remember-Abenteuer, das letztlich Bestand hatte, war die Geschichte um die Schlacht um die Lichtfestung Scracklan … aber dazu kommen wir erst sehr viel später.

(Lynnes Vertrag – Erotic Empire-Story)

(16Neu 8: Der Lebensretter)

(Die Paradies-Falle – Erotic Empire-Story)

(16Neu 9: Treffpunkt Sternenwrack)

(16Neu 10: Der Fluch der KÄMPFER)

(13Neu 18A: Der Knochenacker)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer Horror“)

(Das Geheimnis von Church Island – OSM-Roman)

Anmerkung: Ich bin zwar im Laufe des Monats Dezember 2021 fast bis zum Schluss dieses Romans gekommen, der inzwischen mehr als 110 Seiten aufweist, aber der Endspurt fehlt noch. Bis ihr diesen Blogartikel zu lesen bekommt, ist die Geschichte aber zweifellos fertig … wo und wie ich sie publizieren werde, steht allerdings noch in den Sternen. Sicher ist nur eins: Direkt im An­schluss werde ich mich mit Elan auf das zweite CK-E-Book stür­zen.

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer Horror“)

Anmerkung: Diese Neugründung wird vielleicht auch überra­schen. Sie ist aber, genau besehen, absolut konsequent. Für na­hezu jede OSM-Serie existiert so etwas. Es ist weniger ein Kon­volut der dortigen Lexikonseiten – das ist in meinem Sprachge­brauch dann das Glossar der jeweiligen Serie – , sondern es handelt sich hierbei um eine Begriffsliste von A-Z, die außerdem in Klammern aufzeigt, wo die Begriffe erstmals genannt und wo sie dann erklärt wurden.

Im Fall der genannten Serie hatte ich 1987, also rund 2 Jahre nach Serienende, schon mal einen frühen Ansatz gemacht, die Serie OSH mit einem Lexikon zu versorgen … aber mit Band 18 erlahmte der Elan, und es blieb Stückwerk.

Als ich nun 2020 mit dem Digitalisat der Serie begann und sie bis Ende 2021 bis zum Band 18 fortgeführt hatte, begriff ich, dass es sehr nützlich sein würde, eine lexikalische Begriffsliste („Lexikon“) für die Serie zu erstellen. Dies geschah aus dem Grund, um nämlich ab Band 18 an weitere moderne Lexikonsei­ten anzufügen und so den Begriffshorizont der Serie endlich mal gescheit zu erfassen.

Das Serienglossar für OSH hat jetzt schon fast 50 Seiten, und das im Dezember entwickelte Lexikon auch schon 19 Seiten … und die weitaus meisten dort genannten Begriffe sind naturge­mäß bislang unerklärt … da wartet noch viel Arbeit auf mich im Jahr 2022!

(13Neu 20: Im Bann des Rauchdämons)

(13Neu 21: Mein Doppelgänger)

13Neu 18: Der Knochenacker

Alles in allem, würde ich sagen, war das doch eine recht beacht­liche Leistung, wenn man dazu einrechnet, dass es ja auch noch reichlich Weihnachtspost zu entwerfen galt, Weihnachtsge­schenke zu besorgen, Arzttermine usw.

Schauen wir mal, wie sich das im Monat Januar 2022 entwickeln wird. In einem Monat sind wir da alle schlauer.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 366: Hardlimit – vereint (4)

Posted August 24th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist immer interessant zu entdecken, wenn Autoren Teile ihrer eigenen Biografie in ihren Romanen verarbeiten. Ich selbst nei­ge dazu eher nicht … aber ich kenne durchaus Menschen, die das tun. Meredith Wild offenbart im vorliegenden vierten Band ihres „Hard“-Zyklus, dass die turbulente Geschichte um die Startup-Gründerin Erica Hathaway durchaus intensiv an die ei­gene Vita angelehnt ist.

Das ergab dann bei der Lektüre doch schon einen gewissen Blickwechsel, muss ich sagen, und vielleicht ist es ganz ge­schickt, im Rahmen des Rezensions-Blogs diese Erkenntnis vor­anzuschicken. Sie kann dabei helfen, würde ich vermuten, das Folgende ein bisschen anders zu gewichten, als wenn man es täte, wenn es sich um reine Fiktion handelte.

Indes, auch vier Jahre nach der Lektüre des heute vorzustellen­den Romans muss ich eingestehen, dass mein Fazit, dem Zyklus sei mit diesem Band ein wenig die Luft ausgegangen und er weise „Längen“ auf, aufrechterhalten werden muss. Wer aller­dings bislang die ersten Romane mit Vergnügen geschmökert hat und neugierig darauf ist, wie sich die stürmische Liebesge­schichte zwischen Erica und Blake weiter entwickelt, der schaue einfach nach unten und werde schlauer:

Hardlimit – vereint

Teil 4 des Hard-Zyklus

(OT: Hardlimit)

Von Meredith Wild

Lyx (keine Verlagsnummer!), 2017

320 Seiten, TB

ISBN 978-3-7363-0130-6

Aus dem Amerikanischen von Freya Gehrke

Nach den Turbulenzen im Band 3 des Zyklus scheinen für Blake Landon und seine Geliebte Erica Hathaway bessere Zeiten an­zubrechen. Ericas Startup Clozpin floriert und weckt allmählich die Neugierde von Investoren, was sie sehr glücklich macht. Ihr leiblicher Vater Daniel Fitzgerald, den sie nach 21 Jahren erst­mals wieder getroffen hat und inzwischen sowohl fürchtet als auch für einen schrecklichen Menschen hält (aber er ist halt im­mer noch ihr Vater, so dass sie ihn durch Lügen deckt), geht auf Abstand zu ihr – primär wegen seiner in die heiße Phase gekom­menen Gouverneurswahl. Blake hat Erica einen Heiratsantrag gemacht und will sein Leben für immer mit ihr teilen. Alles sieht wunderbar aus, der Sex ist wie immer phantastisch, und die Dinge könnten sich zum Guten wenden.

Leider ist das nur bedingt der Fall.

Zuerst tritt von neuem die intrigante Exfreundin Sophie Devereaux aus Blakes Vergangenheit in ihr Leben und provoziert sie, indem sie einen rätselhaften Club ins Gespräch bringt und ihr anschließend noch ein erniedrigendes Geschenk zur anstehen­den Hochzeit macht. Das führt zu einer Reihe unschöner Enthül­lungen aus der Vergangenheit ihres Geliebten, die Blake unter allen Umständen unter Verschluss halten wollte.

Dann überrumpelt der Investor Alex Hutchinson Erica mit einer Offerte – er will Clozpin kaufen. Sie soll aber samt ihrem Team weiterhin wie üblich im Boot bleiben, er selbst bleibe im Hinter­grund, aber sie sei anschließend um sieben Millionen Dollar rei­cher. Da bleibt ihr erst einmal die Spucke weg. Und auch wenn der Deal ungewöhnlich schnell über die Bühne geht, schöpft die junge Unternehmerin, die gerade mal 22 Jahre alt geworden ist, nicht wirklich Verdacht. Alex ist schließlich ein sympathischer Kerl, und selbst Blake hat gegen ihn nichts einzuwenden. Alex ist definitiv nicht Max Pope, der ja finstere Absichten mit seiner Annäherung an Erica verfolgte – was dann dazu führte, dass er sie unter Drogen setzte und beinahe erfolgreich vergewaltigte.

Zu dumm ist indes, dass der Vertrag mit Alex eine fatale Hinter­tür besitzt, und die erweist sich als so katastrophal und demüti­gend, dass Erica bald nach dem Verkauf Hals über Kopf die Fir­ma verlässt und in Depressionen versinkt. Sie ist nun am Boden zerstört und weiß nichts Rechtes mehr mit sich anzufangen.

Und um das Maß der Dinge voll zu machen, ist da immer noch ihr leiblicher Vater Daniel, der nun von neuem in ihr Leben ein­dringt und insistiert, er wolle wissen, wer ausgerechnet in der fi­nalen Phase seines Gouverneurs-Wahlkampfes vertrauliche In­formationen darüber, dass sie seine uneheliche Tochter sei, an die Öffentlichkeit gebracht hat. Sie habe ihm doch Vertraulich­keit versprochen. Ob Blake eventuell derjenige welcher sei, das ist sein notorischer Argwohn. Ist er natürlich nicht, da ist sich Erica ganz und gar sicher. Aber um Ruhe in die Angelegenheit zu bringen und Blake in Sicherheit zu wissen, forscht sie selbst weiter. Erica hat einen Verdacht und konfrontiert die entspre­chende Person damit … doch dann fallen Schüsse, und sie wird getroffen und verliert das Bewusstsein …

Wahrhaftig, man kann nicht behaupten, dass es bei Meredith Wild langweilig wird. Auch wenn man als versierter Leser lang­sam spürt, dass sie Szenen mitunter recht ausgiebig ausdehnt, um auf die halbwegs entsprechende Seitenzahl im Buch zu kommen, gibt es doch immer wieder ein paar interessante und bisweilen recht dramatische Wendungen in der Geschichte, die das Leserinteresse wach halten. Nach wie vor fallen ihr ab­wechslungsreiche Liebesintermezzi ein, die zu gefallen wissen, und natürlich sind die Personen weiterhin äußerst sympathisch. Manche der Wendungen erweisen sich gleichwohl als recht durchsichtig. Und nach wie vor sind ein paar Krisenpunkte der verschmolzenen Biografien undurchsichtig. Sie werden wohl für den Schlussband des fünfbändigen Zyklus aufgespart.

Ein wenig schade fand ich schon, zu entdecken, dass hier so langsam merklich die Luft aus der Geschichte entweicht. Aber dass das erst nach gut dreieinhalb Romanen der Fall ist, beweist doch Wilds Talent zum Entwickeln lang gesponnener Handlungs­bögen, wie ich das schon einmal erwähnte.

Besonders interessant fand ich in diesem Buch auch das Nach­wort, in dem nämlich unmissverständlich klar wird, dass sie selbst Startup-Gründerin war und – wohl kurz vor oder während Abfassung dieses Buches – ihre eigene Firma verkauft hat. Auch macht sie durch die Blume deutlich, dass zahlreiche Personen, die in den Romanen verarbeitet wurden, im Guten wie im Schlechten, andersnamige Vorbilder im realen Leben haben, mit denen sie persönlich zu tun hatte. Das gibt natürlich dem gan­zen Romanzyklus ein deutlich anderes Gesicht, als wenn es sich um freie Fiktion handelt.

Ich bin nun erst recht gespannt auf den Schlussband und kann den vorliegenden mit den erwähnten Einschränkungen sehr be­reitwillig zur gefälligen Lektüre empfehlen.

© 2018 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche lernt ihr wieder ein Kapitel aus der Realität kennen, das nachdrücklich bestärkt, dass Phantasie und fiktionale Geschichten zwar packend und mitreißend sein kön­nen, dass aber ebenso viel an dem Wort ist, dass das Leben die spannendsten und unfasslichsten Geschichten schreibt. In die­sem Fall bleiben wir in den USA, reisen aber ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit zu einer Gruppe ganz besonderer Patien­ten.

Staunen garantiert, Freunde, wenn ihr dieses Werk noch nicht kennen solltet!

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 472: Krisenherd Church Island

Posted August 21st, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

der Oki Stanwer Mythos ist nun wahrhaftig nicht arm an Krisen­herden – wer meinen Werken schon länger folgt, ist darüber durchaus im Bilde. Brennpunkte des kosmischen Geschehens, die sich regelmäßig zu Krisenherden entwickeln, sind überall zu erkennen: die Galaxis Bytharg, das Xoor‘con-System, Tuwihry, die Zentralwelt, die Galaxis Arc, die INSEL, die Hohlwelt Hyo­ronghilaar … ich könnte unzählige weitere Orte aufzählen und käme doch wohl kaum so rasch an ein Ende.

Nun, auf der Skala der Krisenherde ist jetzt ein weiterer aufge­taucht, den ich zwar einerseits schon sehr lange kannte (etwa seit 1987), der aber in seiner aktuellen Ausprägung recht jun­gen Datums ist.

Die Rede ist von der fiktiven Insel Church Island.

Church Island hat eine recht lange Vorgeschichte, wie eben an­gedeutet. Da euch die entsprechenden Geschichten bislang noch nicht zugänglich sind – sie entstammen dem KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (Schreibzeit: 1984-1989), sollte ich als Präludium etwas dazu sagen und dann, inwiefern und warum sich diese Insel in ihrer Darstellung in KONFLIKT 13 des OSM („DER CLOGGATH-KONFLIKT“) davon doch etwas unterscheidet.

Man schreibt den 10. November 2035 (einer revidierten Zeitli­nie, was ich hier jetzt aber nicht näher ausführen will), als in der Bucht The Wash an der Ostküste Englands ein toter Fischer an­gespült wird. In seiner einen Hand hält er einen abgetrennten Tentakel, in der anderen einen Glaszylinder, dessen Inhalt nur Oki Stanwer aktivieren und lesen kann. Der Zylinder zerfällt an­schließend zu Asche.

Die Botschaft fordert ihn auf, zur Insel Church Island in der Bucht von The Wash zu kommen. Sie liegt direkt gegenüber der (ebenfalls fiktiven) Küstenstadt Westcott. Und als Oki mit seinen Gefährten übersetzt, findet er im Innern einer zerfallenen Abtei auf der Insel ein Dimensionstor, das ihn geradewegs auf die Sie­gelwelt führt und mit einem monströsen Außerirdischen zusam­menbringt, den er schon lange kennt – Soffrol …

Schon im Oktober 1987 waren also die wesentlichen Zutaten bekannt: Church Island, Westcott, die zerfallene Abtei, sogar der notorische Nebel in der Bucht wurde schon vorausgesehen.

Am 29. Juli 2016 schloss ich das Digitalisat dieser Episode des 18. KONFLIKTS, in dem diese Fakten grundgelegt wurden, ab. Aber es dauerte noch über zwei Jahre, bis in mir Church Island zu neuem Leben erwachte, und das kam so:

Ihr wisst aus meinen Blogartikeln, dass ich in den vergangenen Jahren verstärkt daran arbeitete, die maschinenschriftliche Aus­arbeitung des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ (in Form des BUCHES „DER CLOGGATH-KONFLIKT“) vollständig zu digitali­sieren. Dies ist inzwischen Geschichte. Dann fing ich, vielleicht etwas leichtsinnig, 2018 damit an, dieses Werk in E-Book-Form zu gießen. Ende 2018 konnte damit das erste E-Book dieser neuen Reihe unter dem Titel „Vorbeben“ erscheinen.

Dabei fiel mir auf, dass es zwischen Band 1 und dem geplanten zweiten Band „Monstererwachen“ eine logische Handlungslü­cke gab. Oki Stanwer, so sieht es die Planung vor, muss sich im Frühjahr 2117 dringend erholen und reist zu Urlaubszwecken nach Nordfrankreich … aber warum, zur Hölle, war er so erho­lungsbedürftig?

Da kam mir der Gedanke an eine extrem stressige Mission, die er mit seinem Team im Frühjahr 2117 in England ausgeführt hatte. Die musste ich nun natürlich beschreiben … und nein, das Vampir-Massaker in Leicester reichte dafür nicht aus, es be­durfte eines weiteren Zwischenfalls.

Da kam mir die Digitalisierung des obigen BUCHES sehr zupass, denn darin war ein Handlungsfaden offen geblieben, der mich immer stärker faszinierte.

Es ging um eine geheimnisvolle Gestalt in seltsam altmodischer Kleidung, die dort eine wesentliche Rolle spielte und die noch nicht genügend biografisch verankert war. Das holte ich in der noch als Story im Herbst 2018 apostrophierten Geschichte „Das Geheimnis von Church Island“ dann nach.

Die Figur des Assimilari-Ghouls Shuroshh entstand. Am besten stelle ich ihn euch mal mit einem kurzen Auszug vor:

Der „Klient“, Mr. Anthony Smith – oder wie immer er nun konkret heißen moch­te – saß ruhig und entspannt auf einem der beiden Besucherstühle, als Melissa Hamilton eintrat. Und sobald sie ihn sah, spürte sie selbst eine eigenartige Emoti­on, ganz so, wie es Anita angedeutet hatte.

Es lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Das war wirklich unerwartet.

Dabei war der Mann an sich gar nicht so ungewöhnlich … nur seltsam altmo­disch gekleidet.

Es handelte sich bei dem Besucher um einen schlanken, beinahe gerten­schlank zu nennenden Mann undefinierbaren Alters – irgendwo jenseits der 40, schätzte Melissa, aber er konnte auch gut und gern zehn Jahre älter sein und sich gut gehalten haben. Er trug einen schwarzen, zweireihigen Anzug, der vor sicher­lich zwanzig Jahren in Mode gewesen war. Fast sah es aus, als habe er sich für den Besuch hier verkleidet … aber das machte nun wirklich keinen Sinn.

Seine Hautfarbe schimmerte sehr blass, sie wirkte fast so fahl wie die eines Al­binos. Das konnte er jedoch nicht sein, da ihm die rötlichen Augen und das blei­che Haar dafür fehlten. Stattdessen war das schüttere Haar ungewöhnlich dunkel, möglicherweise gefärbt. Der Kontrast machte die fahle Haut nur noch auffälliger. Die Augen erwiesen sich als fast unangenehm hellblau und wässrig zugleich, und als er sein Gesicht ruhig zu ihr umwandte, hatte Melissa das beunruhigende Ge­fühl, eine bizarre Art von menschlicher Schlange würde sie fixieren.

Dann registrierte sie, dass er an die Wand einen schwarzen Stockschirm ge­lehnt hatte, und auf dem Tisch lag allen Ernstes ein runder schwarzer Hut … wie hatte ihre Tante das immer genannt? Eine Melone? Vielleicht auch ein Bowler … sie kannte sich mit Hüten nicht so sehr aus, weil sie selbst nie welche trug. Direkt daneben lag eine lederne Dokumententasche, die man sich wie in alten Filmen si­cherlich unter den Arm klemmen konnte.

Der seltsame Mr. Smith wirkte, als sei er einem solch alten Film aus dem 20. Jahrhundert entsprungen.

Eigenwillig …

„Guten Morgen, Mr. Smith“, begrüßte sie ihn. „Mein Name ist Melissa Hamilton, New Scotland Yard. Mir wurde mitgeteilt, Sie hätten eine Aussage zu machen, die für die Polizei vor Ort von Relevanz ist …?“

„Das ist richtig, Miss Hamilton“, sagte der bleichgesichtige Besucher mit einer unangenehm monotonen, leisen Stimme. „Setzen Sie sich!“

Melissa kam der Aufforderung schlagartig nach und wunderte sich ein wenig über sich selbst. Sie befanden sich hier schließlich auf dem Revier, also eigentlich hatte er hier gar nichts zu kommandieren. Und dennoch … dennoch gehorchte sie automatisch. Als läge in dieser seltsamen, monotonen Stimme eine Art von be­zwingendem Zauber …

„Wir haben wenig Zeit“, fuhr Mr. Smith fort, ehe sie wieder den Mund öffnen konnte. „Ich werde mich also kurz fassen, und Sie werden schweigen und mir zu­hören. Sie brauchen gar nichts zu sagen, sondern werden lediglich das aufschrei­ben, was ich Ihnen diktiere. Das werden Sie allein schon deshalb tun, weil Ihnen Ihr Leben und das Ihrer Anbefohlenen lieb und teuer ist. Wenn Sie nicht schnell handeln, findet hier in Westcott ein Blutbad statt, das Sie sich in seinen Ausma­ßen nicht vorstellen können. Ich bin hier, um das nach Möglichkeit zu verhin­dern.“

„Aber …“, rutschte es Melissa erschrocken heraus.

„Schweigen Sie!“, zischte der Besucher und fixierte sie mit seinen unheimli­chen, wässrigen Augen. „Zeit und eigener Wille sind jetzt für Sie vollkommen be­deutungslos. Erinnerung ist bedeutungslos. Sie werden genau das tun, was ich sage. Und glauben Sie mir – ich tue das nicht aus Nächstenliebe oder derglei­chen. Ich diene einem höheren Ziel, als Sie sich das vorstellen können.“

Er fixierte die Yard-Beamtin, die aus unbegreiflichen Gründen wie festgenagelt auf ihrem Stuhl saß und kein Glied zu regen verstand. Es schien tatsächlich so, als habe er sie qua seiner Rede oder vielleicht auch mit Hilfe seiner so fahlen Au­gen gleichsam magnetisiert oder hypnotisiert.1

Beunruhigend? Freunde, ich versichere euch, das ist erst der zarte Anfang von etwas sehr viel Grässlicherem. Die Yard-Poli­zistin Melissa Hamilton, übrigens die weibliche Hauptperson der Geschichte, wird gezwungen, das Stanwer-Team nach Westcott zu holen, um ein monströses Verhängnis aufzuhalten. Einen Massenmord an den Bewohnern der Küstenstadt.

Der Ursprung dieser Bedrohung ist tatsächlich die kleine, un­scheinbare Insel Church Island. Und das Stanwer-Team wird hier zielstrebig instrumentalisiert, um etwas wieder ins Gleichge­wicht zu bringen, das gründlich destabilisiert ist.

Um das alles verständlich zu machen, war ich zudem genötigt, die Spezies der Assimilari-Ghouls zu etablieren … ich habe davon schon vor längerer Zeit in meinen Blogartikeln etwas mehr ausgeführt. Neugierige können das im Blogartikel 313 „OSM-Kosmologie, Lektion 14: Die Assimilari und andere unterir­dische Kreaturen“ (veröffentlicht am 3. März 2019) noch mal en detail nachlesen.

Die kannibalischen, fanatischen Ghouls, mit denen das Stanwer-Team hier wesentlich hautnähere Bekanntschaft macht, als ih­nen allen lieb ist, lernen sie tatsächlich erst hier kennen. Und ich muss euch vorab schon in beiden Fällen enttäuschen: Zwar wird die Gefahr von Church Island letzten Endes entschärft, aber sowohl die Kannibalen als auch die Assimilari (und jene dritte Gruppe, die ich hier jetzt nicht erwähnt habe, die die Le­ser dann überraschen wird), spielen im weiteren Verlauf des CLOGGATH-KONFLIKTS wesentliche Rollen.

Ich fand es jedenfalls äußerst faszinierend zu erleben, wie sich Church Island, diese so unscheinbare Insel, auf der ich das erste Mal vor 35 realen Jahren eine längere Stippvisite machte, wie­der mal bemerkbar machte.

Der vorliegende, insgesamt 90. Roman, den ich seit 1984 ge­schrieben habe, ist jedenfalls solide 170 Seiten lang geworden. Wo und wie schnell ich ihn veröffentlichen kann, ist noch nicht klar. Ein Titelbild dafür fehlt zurzeit … aber kommt Zeit, kommt Titelbild (hoffe ich) … und dann sicherlich auch Veröffentlichung im E-Book-Format.

Apropos E-Book-Format: Ich erwähnte ja weiter oben, dass ich diese Geschichte als eine Form von Scharnier zwischen dem E-Book „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ und dem zweiten Band „Monstererwachen“ geplant habe. Da das Scharnier nun fertig ausgeführt ist, könnt ihr davon ausgehen, dass mein bislang gedrosselter Schreibelan an dem Folge-E-Book entsprechend groß ist. Und in der Tat, es juckt mich schon in den Fingern, daran endlich weiterzuschreiben.

Ihr sollt doch eure Lesebegegnung mit dem Vampirjäger Pater Joseph Ghastor, dem Korsen Hyde Romain und schließlich dem grässlichen Geschehen, das die Iren später als „den Tag“ be­zeichnen lernen werden, nicht endlos weit hinauszögern. Ge­wiss, gerade über letzteres zu schreiben, kräuselt mir die Na­ckenhaare, weil es so entsetzlich ist – Analoges kenne ich vom Untergangsszenario der INSEL in KONFLIKT 4, da zaudere ich auch seit Jahren, das zu schreiben, wiewohl es unvermeidlich ist. Aber das alles muss eben einfach sein.

Man muss so etwas nicht lieben, aber was sein muss, muss ein­fach geschrieben werden, so sehr es mir auch an die Substanz geht.

In der nächsten Woche wird es erholsamer, versprochen, dann berichte ich euch, wie viel ich ungeachtet des Weihnachtsstres­ses noch kreativ im Dezember 2021 auf die Reihe bekam.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1  Vgl. dazu beizeiten den Roman „Das Geheimnis von Church Island“, 2022.

Rezensions-Blog 365: Märchen von Zaubersteinen

Posted August 16th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manche der Rezensionen, die ich aus meinem Rezensionsfun­dus ausgrabe – der noch lange nicht alle enthält, die ich je ge­schrieben habe, weil die frühen samt und sonders nur als analo­ge Fassungen existieren, mitunter auch nur noch in Fanzine-Be­legexemplaren, aus denen ich sie mühsam extrahieren muss1 – sind so alt und beziehen sich nicht selten auf Werke, die sich nicht mehr in meinem Besitz befinden, dass ich sie inzwischen nicht mehr vollständig bibliografisch mit den Angaben angeben kann. Das heute vorzustellende Buch fällt in diese Kategorie.

2002, vor also nunmehr 20 Jahren, las ich mich durch dieses kleine Büchlein, das sich als Sammlung von Märchen entpuppt, die der Herausgeber aus aller Welt zusammengesammelt hat und die sich allesamt um die verschiedensten Formen von Zau­bersteinen und deren Wirkungen ranken.

Ich glaube, ich schicke euch einfach mal kurzerhand auf die Weltreise – die Neugierde kommt, denke ich, dann ganz von selbst:

Märchen von Zaubersteinen

Herausgegeben von Felix Karlinger

Insel Taschenbuch 2265

112 Seiten, TB

1998; 12.80 DM2

Es ist schon eine rechte Last mit Steinen. Die Bauern wissen davon klagvolle Lieder zu singen, wenn sie ihre Äcker pflügen und manchmal Stein um Stein aus dem Erdreich klauben, der ihnen die Saat erschwert und damit letztlich Gewinne schmä­lert.

Doch es gibt auch andere Steine, deren Besitz oder Benutzung keineswegs so profan ist und die stattdessen zu ungeahntem Wohlstand und Glück führen können. Man nennt so etwas Zau­bersteine, und der Herausgeber Felix Karlinger hat in diesem Band eine Vielzahl von solchen Märchen, die sich um derartig wundertätige Steine ranken, versammelt, die sich sehr leicht und angenehm lesen lassen.

Die Reise beginnt in Brasilien mit der Speisung der Alten (die freilich, christlich stark angehaucht, in der Nähe von Betlehem spielt). Hier machen sich in einer Hungerzeit einige alte Leute auf die Wanderschaft, weil sie gehört haben, in Betlehem solle es etwas zu essen geben. Auf dem Weg dorthin jedoch rasten sie bei den Ruinen eines Klosters, und um den Hunger verges­sen zu machen, soll einer von ihnen eine Geschichte vorlesen. Das tut er, aber … „…da erhob sich plötzlich ein heftiger Sturm, der die Türe aufstieß, so dass sie an die Wand flog. Und durch die Türe kam ein rötlicher, leuchtender Stein geflogen und blieb über dem langen Tisch … in der Luft stehen. Der rote Stein strahlte ein solches Licht aus, dass alle Alten geblendet waren … Als sie endlich merkten, dass es nicht mehr so hell war …, sah ein jeder einen Teller mit gutem Essen und einen Becher mit Wein vor sich stehen. Der Stein aber blieb verschwunden …“

Essen und Trinken können also solche Steine manchmal spen­den. Weitere Geschichten aus Portugal, Rumänien, Korsika und Spanien ergänzen das zum Teil auf abenteuerliche Weise. Die unglaublich süße Geschichte der „steinernen Suppe“ beispiels­weise will ich hier nicht erzählen, die muss man nachlesen.

Doch Zaubersteine vermögen nicht nur Nahrung oder Völlege­fühl zu vermitteln, sie verbergen auch verfolgte Menschen (und halten sie unter Umständen dauerhaft gefangen) oder enthalten geheime Schätze, die die Pfiffigen an sich zu bringen verstehen. Die Geschichte „Tu dich auf, goldnes Haus!“ (Haiti) ist dabei eine Parabel auf die Gier reicher Menschen, die diese zugrunde richtet, während der, der Maß hält, von den Zaubersteinen zu profitieren versteht. Und ob sich diese Räuberbande, die eines Tages aus den Monte Sibillini (Norditalien) verschwindet und sich im Schutze einer magisch mit Zauberstein versiegelten Höhle verbergen soll, jemals wieder zeigt, weiß Gott allein. Sie trieben im letzten Jahrhundert ihr Unwesen, aber möglicherwei­se verläuft ja in den zauberischen Höhlen die Zeit anders oder steht ganz still …?

Auch zu heilen und zu helfen verstehen Zaubersteine vortreff­lich, manchmal sogar, wie im Falle des „Bechers aus Jaspis“ (Guatemala), Tote wieder aufzuwecken. Und die Geschichte des „Zauberdiamanten“ aus Ligurien ist so köstlich, dass ich herz­haft gelacht habe. Auch sie möchte ich nicht verraten.

Manchmal hagelt es sogar Steine, ganz kleine, zauberkräftige, als Körnchen verborgen in heftigem Hagelschauer. Natürlich sind nicht in ALLEN Hagelkörnern welche, aber wenn man denn mal welche findet, nun, das bringt dann Glück, Gesundheit und langes Leben. Man sollte danach Ausschau halten. Also, wenn es hagelt … ihr wisst, was zu tun ist!

Außerdem, und damit kommen wir zur letzten hier dokumentier­ten Form von Funktionen der Zaubersteine, können sie sich be­wegen und Menschen tragen. Im Extremfall bis zu Gebieten, die man sonst nicht erreichen kann – beispielsweise ins Jenseits (Ein Stein trägt ins Jenseits – Brasilien) oder zum Mond (Ein Stein fliegt zum Mond – Italien). Warnende Steine gibt es auch noch, und die sollte man sehr ernst nehmen, denn „manchmal gibt es dann Krieg“.

Die sehr kurzweilige und lesbare Sammlung von Volksmärchen ist zwar äußerst schlicht, aber man kann nicht sagen, dass sie einfallslos oder humorlos sei. Kritisieren sollte man jedoch, dass über den Herausgeber Felix Karlinger nichts zu erfahren ist und er sich manchmal bei der Übersetzung Wendungen befleißigt, die mit Märchen rein gar nichts zu tun haben. Insbesondere fiel es mir bei der Verwendung des Wortes „Krepieren“ auf, das für mich Militärjargon ist und die Vermutung weckte, Karlinger sei Soldat im Zweiten Weltkrieg gewesen. Es gibt weiß Gott genug geeignetere Worte, die die Stimmung der Geschichten nicht zer­stören. Er verwendet dieses Wort aber mit Vorliebe (fünfmal ins­gesamt, wie sich zählen ließ).

Für den Preis von 12.80 DM ist der schmale Band indes ein we­nig zu teuer. Mir fiel er hingegen für 1.95 Euro in die Finger. Ins­besondere Fantasy-Autoren können sich hier sicher noch die eine oder andere Wendung und Begebenheit für ihre Geschich­ten „abgucken“.

© 2002 by Uwe Lammers

Wahrhaftig, ein kurzweiliges und den Horizont schön erweitern­des Büchlein, das man nach der Lektüre so rasch nicht mehr vergessen kann. Gilt das auch von dem Buch der kommenden Woche, wo ich über den vierten Teil von Meredith Wilds „Hard“-Romanzyklus spreche? Das müsst ihr dann in der kommenden Woche selbst entscheiden.

Bis dahin sage ich Adieu, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Zuletzt geschah das aus gegebenem Anlass mit zwei steinalten Rezensionen zu Wer­ken von Stanislaw Lem, die ich im NEUEN STERN FÜR STANISLAW LEM (laufende Num­mer: 73) anno 2001 abschrieb und in einen umfassenden Text zu Lem als „Schleifstein für meine Kreativität“ integrierte. Zahllose andere der Frühzeit, zweifelsohne bibliogra­fisch auch nur karg erfasst, sind noch eine Aufgabe für die Zukunft.

2 Es war kein Europreis angegeben, vermutlich würde er heute bei etwa 6.50 Euro lie­gen.

Blogartikel 471: OSM-Kosmologie, Lektion 14: Geister im OSM

Posted August 13th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

kennt ihr diese Rubrik überhaupt noch? Ich könnte es euch nicht verdenken, wenn ihr sie längst vergessen hättet. Schließlich kam die letzte „Lektion“ im Blogartikel 398, veröffentlicht am 18. Oktober 2020, also vor rund 2 Jahren. Damals sprach ich über das „lingua franca-Problem“. Heute geht es aus aktuellem Anlass um etwas völlig anderes.

Reden wir von Geistern.

Ja, natürlich könnten wir uns da in die Niederungen des Spiritis­mus verirren und von „Spukhäusern“ flüstern und uns im Dun­keln in verlassenen Städten gruseln … aber bleiben wir mal im Rahmen des Oki Stanwer Mythos und verknüpfen hier ein paar Tatsachen  der OSM-Physik miteinander. Ihr werdet vielleicht verblüfft bemerken, dass Geister alles andere als ein diffuser Windhauch sind, die jeder Bedeutung entbehren. Die OSM-Phy­sik lässt „Geister“ durchaus zu, und manchmal kann das ziem­lich dramatische Konsequenzen zeitigen. Es gibt ein paar Stel­len, an denen ich das zeigen oder wenigstens andeuten kann. Konkret möchte ich auf diese KONFLIKTE abzielen:

KONFLIKT 15 „Oki Stanwer“

KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“

KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“

KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“

und aus aktuellem Anlass auch noch auf

KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“

Allein schon an der Tatsache, dass wir hier über fünf verschiede­ne Universen und einen Zeithorizont von rund 100 Milliarden Handlungsjahren sprechen, ist klar zu erkennen, dass es sich hierbei nicht um ein beiläufiges, temporäres Phänomen handelt, das man gewissermaßen eingrenzen und dem man anschlie­ßend ausweichen kann.

Es ist ein Fundamentalkriterium des OSM, dass hier Geister in verschiedener Form möglich sind.

Wenn ihr euch an die früheren Einträge der „Kosmologie-Lektio­nen“ entsinnt, werdet ihr vermutlich noch wissen, dass ich mich da klar als Dualist geoutet habe, also als jemand, der – ohne physikalische Belege – an die Existenz einer feinstofflichen See­le glaubt und daran, dass mit dem Tod eben nicht alles vorbei ist, wie es krasse Materialisten sich sonst vorstellen. Ich halte diese Sichtweise (wiewohl sie natürlich der Wahrheit entspre­chen könnte) für düster und wenig hoffnungsvoll.

Nun, die im OSM wirkungsmächtigste Spezies, die Baumeister, outen sich ihrerseits schon sehr früh als krasse Materialisten. Ihr Standpunkt ist dogmatisch: Wir haben alles geschaffen, was es gibt. Die Seele haben wir nicht geschaffen, folglich gibt es sie nicht, sie stellt nur ein metaphysisches Konstrukt für all jene dar, die sich mit der unabweislichen Tatsache des Todes nicht abfinden wollen oder können. Aber physikalische Realität hat die Seele nicht.

Geister? Für die Baumeister ein klarer Fall von „Humbug“, um mit Charles Dickens zu reden.

Dummerweise ist das nicht mal eine einheitliche, durchgehende Meinung im Volk der Baumeister. Denn auch die bestehen be­kanntlich aus Individuen. Ich erinnere in dem Zusammenhang nur am Rande an den Baumeister Quin, der in KONFLIKT 2 den Glauben an die Seele und die „Seelenarche“ beim Volk der Yan­tihni ins Leben rief.1

Quin glaubte noch an die Existenz einer feinstofflichen Seele, und selbst wenn seine daraus resultierenden Pläne letztlich kri­minell und völkermörderisch zu nennen sind, befand er sich doch auf obskure Weise durchaus auf dem richtigen Weg.

Denn ja, es GIBT eine feinstoffliche Seele. Sie entsteht aus ei­nem Fadenmatrixkern primärenergetischer Natur und ist über die konstante Fadenmatrixbindung mit der kosmischen Matrix selbst vernetzt. Sobald ein Individuum stirbt, so dachten sich die meisten Baumeister, hörte auch ihre Individualität auf.

Krass materialistisch gedacht: Lebewesen tot, Ende im Gelände.

Leider war die Sache so einfach nicht.

Die Baumeister bekamen es rasch mit so unheimlichen Phäno­menen wie den Matrixfehlern zu tun, die sie sich schließlich nicht mehr anders zu erklären wussten als mit dem infamen An­griff TOTAMS. Dass die meisten Matrixfehler keinerlei aggressi­ves Potenzial besaßen, wurde dabei schlicht ignoriert.

Die göttergleichen Beauftragten der Sieben Lichtmächte konn­ten schon nicht mehr konsequent nachdenken. Hätten sie das getan, wäre folgender Gedanke wohl unvermeidlich gewesen: Welcher Feldherr erschafft ein friedfertiges Volk von Bauern und Künstlern, um einen gnadenlosen Krieg zu führen? Noch dazu ein Volk bzw. deren viele, die an dem Trauma ihres vormaligen Todes schwer zu knabbern haben und sich ihre neue Existenz nicht im Mindesten erklären können?2

Aber wie erwähnt: spätestens ab KONFLIKT 4 konnten die Bau­meister nicht mehr gescheit nachdenken.

KONFLIKT 4 erwies sich für diejenigen, die tiefer nachforschen wollten, wie etwa den Baumeister Naam, sowieso als Alptraum, schon vor dem Untergang der INSEL. Da gab es Technos wie Torkeron, die eine Art Geistreise durchführen konnten und direkt auf TOTAM landeten … und was entdeckte er hier?

Geister!

Die grässlichen, klagenden und feinstofflichen Geister jener Technos, die aus dem INSEL-Imperium von TOTAM auf die schwarze Welt entführt worden waren und augenscheinlich auch nach ihrem Tod noch „herumgeisterten“.3

Der Tod, wurde da allmählich beklemmend deutlich, war offen­sichtlich nicht das Ende der Existenz, es gab noch mehr jenseits davon … und so, wie es aussah, war dieses „Jenseits“ allein TO­TAMS Domäne!

Schon relativ früh während meiner Schreibzeit am OSM wurde mir das vage deutlich. Als ich 1983/1984 an der ersten fertig gestellten OSM-Serie „Oki Stanwer“ (später: KONFLIKT 15) schrieb, tauchte neben den unheimlichen Totenköpfen, TOTAMS Skelettarmee, der LEGION, wie sie nachher heißen sollte4, auch etwas auf, was „Seelen-Armee“ genannt wurde.

Während mir schon klar war, dass es einen Konnex zwischen TOTAM, TOTAM-Kristall, den Totenköpfen und den Knochenstra­ßen TOTAMS gab, irritierten mich die „Seelen“ der Seelen-Ar­mee gründlich. Ich weiß natürlich, dass die ursprüngliche Anre­gung von den „Banshees“ aus der Terranauten-Serie kam. Aber im OSM wollte ich mich ja nicht von „Untoten“, „Magie“ und Mystizismus leiten lassen, sondern nach Möglichkeit von wissen­schaftlich erklärbaren „hard facts“. Es dauerte dennoch Jahre, ehe ich einen plausiblen Erklärungsansatz für die „Seelen-Ar­mee“ gefunden hatte.

Er lag in der Abschottungswirkung der entropischen Instabili­tätszone, in der die Welten existierten, auf denen die Seelen-Ar­mee wirken konnte.

Das brachte mich einem Verständnis der Geister dann doch deutlich näher. Wenn man, so begriff ich, das Universum in energetisch differenzierte Zonen unterteilt, kann es durchaus sein, dass es dort Wesenheiten gibt, die über ihren Tod hinaus weiter existieren und NICHT zwangsweise auf TOTAMS Knochen­straßen landen.

Das erklärte auf einmal auch, warum ich in KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ auf eine bizarre kosmische Ge­stalt wie den PROPHETEN stoßen konnte. Ein Wesen, das von sich behauptete, „überall, wo die Matrix ist, bin auch ich“.

Gut, selbst wenn sich das letztlich als Form von Propaganda er­wies und eher Angst einflößen sollte, war es doch nicht vollstän­dig aus der Luft gegriffen.

Das erlebten Rebellen aus der zerborstenen Galaxis Daarcor, die im KONFLIKT 22 des OSM, also in der Serie „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ im Auftrag des SYNDIKATS an einer universa­len Bruchzone ein so genanntes TVESTHIL erforschen und Reste des untergegangenen Reiches von Veskoy entdecken sollten.

Stattdessen stießen sie dort in den Schöpfungsabgründen auf den PROPHETEN … und er schleuderte sie geradewegs in die Matrix selbst, wobei ihre Körper verbrannten.

Waren sie daraufhin tot? Ja. Waren sie vernichtet? Nein!

Wie schon bei Dämonen und Dämonenwaffen von TOTAM hatte sich bei ihnen eine bizarre Form von Nachexistenz eingestellt – sie waren zu Matrixgeistern geworden … mit dem schrecklichen Schicksal, dass sie nun zwar offenbar unsterblich zu sein schie­nen, aber zugleich auch rein gar nichts mehr bewegen konnten. Das erlebten sie höchst drastisch, als der Prophet sie Jahrtau­sende in der Zeit zurückschleuderte und sie im Reich der Ves­koy ankamen, unmittelbar vor dessen Vernichtung.

Und da sie Geister waren, überstanden sie auch dies.

Auch im KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ mach­te ich während des Kampfes um das entartete EXIL HANKSTEYN die Entdeckung, dass der Tod der physischen Wissenschaftler des Wissenschaftstrosses zu einer Art metaphysischer Nach­existenz führte. Aber die armen Kerle waren ebenso einflusslos wie diejenigen, die zehn Milliarden Jahre zuvor schon in Daarcor gestorben waren.

Mir wurde immer deutlicher klar, ganz besonders in KONFLIKT 24, wo sich die Bediensteten des Lichts unter dem AUREUS end­lich mit dem Problem der Nachexistenz nach Eintritt des Todes auseinanderzusetzen begannen, dass es ganz bestimmte Krite­rien für die Form dieser Nachexistenz gab.

Ohne jetzt schon konkret ein klar konturiertes Modell zu besit­zen, kann zurzeit schon gesagt werden, dass ein paar Fakten ziemlich offensichtlich zu sein scheinen:

– Um ein Untoter in TOTAMS LEGION zu werden, bedarf es der Knochenstraßen.

– Um ein Matrixgeist zu werden, muss man Direktkontakt mit der Matrix erhalten.

– Die Matrixfehler sind strukturell etwas vollkommen anderes und gehören nicht in diesen Kontext.

– Enklaven, in denen die universale Matrix nicht oder nur bedingt wirkt (etwa instabile Raumzonen) machen geisterhafte Nachexistenz möglich.

Damit ließ sich doch schon etwas anfangen. Damit konnte ich die bisherigen Phänomene gut und solide einhegen … aber dann kam anno 2006 Hyoronghilaar. Und mir war überhaupt nicht klar, und zwar fünfzehn reale Jahre lang nicht, was für ein ungeheuerliches Pulverfass diese Welt darstellte.

Ehrlich, Freunde, das begriff ich erst, als der tossanische Dom-Portar Humshinn (im März 2022!) vom Lemaar-Krieg erzählte.

Ohne zu viel vorwegzunehmen, sei dies angedeutet: Vor 1288 Jahren entwickelte das technisch hoch zivilisierte Volk der Fürs­ten von Lemaar in der Südhemisphäre von Hyoronghilaar Ambi­tionen, die gesamte Hohlwelt kontrollieren zu wollen. Diese Aspirationen führten zu einer schrecklichen Katastrophe, die quasi im Handumdrehen das gesamte Reich von Lemaar aus­löschte. Millionen Wesen sind damals umgekommen.

Millionen Tote.

Mein Gedankenfluss stockte, als mir das klar wurde und noch mehr: Ich wies oben schon auf den Konnex zwischen TOTAMS Knochenstraßen und den Totenköpfen hin. Sie entstehen ja in normierter Form, wenn die Seelen von Gestorbenen über die Knochenstraßen nach TOTAM gesogen werden und dort als Teile der LEGION reinkarnieren.5

Die Baumeister, die sich inzwischen vor der „Monsterarmee“ der Totenköpfe zu fürchten gelernt hatten, konstruierten die Hohl­welt Hyoronghilaar mit Absicht so, dass die Totenköpfe keine Chance haben würden, in sie einzudringen: Sie wurde mit einem massiven Panzer aus primärenergetisch aufgeladenem Goldkris­tall armiert und umgeben.

In gewisser Weise kann man davon sprechen, dass Hyoronghilaar sozusagen ein planetengroßer Faradayscher Käfig war. Also wirkten die Knochenstraßen nicht! Aber was die Wirkung an­geht, wehrte Kristallpanzer nicht nur Einflüsse von außen ab.

Er spiegelte auch alles nach innen, was sich drinnen abspielte.

Als das Reich von Lemaar also unterging, und laut Humshinn beging die Bevölkerung des Reiches angesichts der Katastrophe kollektiv Selbstmord, wurden mithin einige Millionen Seelen frei. Wohin waren sie entschwunden?

Hyoronghilaar verlassen konnten sie ja nicht.

Beklommen begann ich im März 2022 zu begreifen, dass die Hohlwelt offensichtlich eine Art von bizarrer „Geisterbahn“ dar­stellte. Und damit erhielten die im Volkstum lebendigen Vorstel­lungen von „Geistern“, „Kristallgeistern“ und den „Stimmen der Toten“, die man sehen bzw. hören könne, wenn man nur sensitiv genug sei, mit einem Mal eine völlig neue Konnotation.

Selbst wenn auch der kluge Tossaner Humshinn die Geisterge­schichten als Tinnef kurzerhand in Bausch und Bogen verwarf, wurde mir unbehaglicherweise sehr rasch klar, dass er sich täuschte.

Die Geister von Hyoronghilaar waren äußerst real.

Ja, sie vermochten keine Macht auszuüben, in dieser Beziehung war der Plan der Herrscher von Lemaar damals klar fehlgeschla­gen! Denn, das wurde mir beim Schreiben des Hintergrundarti­kels zu Hyoronghilaar im März 2022 immer klarer, sie hatten diese Gefahr gekannt. Und sie waren Dualisten wie ich – also fest von der Existenz einer Seele überzeugt. Folgerichtig hatten die Regenten des Reichs von Lemaar Vorkehrungen getroffen, um auch und gerade jenseits des Todes machtvoll wirken zu können.

Dummerweise hatten sie sich bei aller Intelligenz verkalkuliert. Der Plan ging nicht auf, etwas sehr viel Schrecklicheres ge­schah.

Aber dann tauchten die ersten Dämonen von TOTAM auf, und sie materialisierten ausgerechnet im versunkenen Reich von Le­maar, inmitten des Blutdschungels des Südens. Und als die Dä­monen erst einmal begriffen hatten, wieso SIE existierten und dann von den Geistergeschichten von Lemaar hörten, da trafen sie Anstalten, einen grässlichen Prozess zu aktivieren.

Und so kehrte das untergegangene Reich von Lemaar zurück, und die Legionen des Verderbens begannen, den KONFLIKT 7 zu verwüsten … doch aktuell ist das alles noch ferne Zukunftsmu­sik, noch nicht geschrieben.

Ihr merkt hieran aber immer deutlicher, wie in diesem Fall die OSM-Kosmophysik und das Entwickeln neuer KONFLIKT-Ge­schichten auf beste Weise ineinandergreifen. Ich mag ja manch­mal wirklich viele Jahre gründlich auf dem Schlauch stehen. Aber wenn dann erst mal der blockierende Damm geborsten ist, dann überflutet der Schwall phantastischer Ideen, die sich ir­gendwie völlig folgerichtig aus dem ergeben, was ich schon vom OSM kenne, meinen Verstand und gebärt abenteu­erliche Geschichten.

Demnächst kann ich sicherlich mehr von der „Baustelle“ des KONFLIKTS 7 erzählen. Denn soviel steht fest – im Jahr 2022 werde ich noch eine ganze Reihe Episoden dieser Serie schrei­ben. Und ich bin jetzt schon sehr gespannt darauf, was ich da noch alles entdecken mag.

Der OSM erweist sich auch nach 2100 Bänden (aktuell ist Nr. 2104 fertig geworden) als ein konstanter Quell faszinierender Entdeckungen, ein nicht enden wollendes Abenteuer. Und ihr könnt dabei sein …

Soviel für heute, meine Freunde.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu jetzt schon und in naher Zukunft die E-Books der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“, begonnen 2013.

2 Vgl. dazu beispielhaft das E-Book „Jaleenas zweites Leben“, 2016.

3 Zur Entführung vgl. das E-Book „In der Hölle“, 2013. Der Fortgang der Geschichte wird in den Torkeron-Episoden der Serie „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ erzählt.

4 Vgl. dazu das E-Book „Mein Freund, der Totenkopf“, 2017.

5 Vgl. dazu die Story „Heimweh“, 2003, veröffentlicht im E-Book „Als Tiyaani noch ein Kind war …“, 2016, bzw. bei XinXii, 2022.

Rezensions-Blog 364: Hohlwelt

Posted August 10th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Phantastik ist etwas Wunderbares – sie ist ein außerordentlich reichhaltiges, vielgestaltiges Genre und bietet uferlose Möglich­keiten für die verrücktesten Genremischungen. Ob sich dabei Reales und Fiktives mischt, ob diverse erdachte Welten oder Protagonisten verschiedener Autoren miteinander unvermittelt interagieren oder die Genregrenzen zwischen Science Fiction, Fantasy und Horror durchlässig werden: immer kann man unver­mittelt auf unerwartete Überraschungen stoßen.

Natürlich ist es hier wie in jedem Genre: auf ein paar erlesene Perlen kommen zahlreiche Möchtegern-Versuche, die mitunter so schief gehen, dass man sich als Fan mit Grausen abwendet. Und auch das Einflechten historischer Personen kann manches Mal zur problematischen Gratwanderung werden. Das hier ist so ein Beispiel, wo eine solche Gratwanderung versucht wird.

Die Geschichte startet im Jahre 1836, und eine der Hauptperso­nen heißt Edgar Allan Poe. Dass sich dahinein dann auch noch massive Anspielungen auf den literarischen Kosmos von Howard Phillips Lovecraft hineinmischen (der ja erst 100 Jahre später lebte) und sich das alles mit der bizarren Hohlwelttheorie mixt, erzeugt ein Leseabenteuer der ganz besonderen Art. Und ich versichere euch, die Hauptperson, der unbedarfte Mason Rey­nolds erlebt auf diese Weise das Abenteuer seines Lebens.1

Ob er es auch überlebt? Das sei hier nicht verraten. Aber worum es im Detail geht, das lest ihr hier:

Hohlwelt

(OT: The Hollow Earth)

von Rudy Rucker

Heyne 5887, September 1997

384 Seiten, TB

Übersetzt von Kurt Bracharz

ISBN 3-453-12663-7

Eigentlich soll der junge Mason Reynolds, der von der väterli­chen Farm in Hardware/Virginia aufbricht, um in Lynchburg ei­nen Handel für seinen Vater zu tätigen, nicht hinaus in die Welt. Er ist noch nicht reif dafür. Doch als er mit seinen Whiskyfässern und dem Schwarzen Otah in Lynchburg ankommt, geht alles so gründlich schief, wie es nur schiefgehen kann: erst wird Mason unter Preis bezahlt. Dann verliert er bei einer Dirne sein Geld, das man ihm gegen Schrauben austauscht. Das Mädchen, auf das Mason sonst ein Auge geworfen hat, entpuppt sich als schon von einem schneidigen Offizier „entehrt“ – und beim Zu­rückholen des Geldes kommt es überdies zu einem Feuerge­fecht, bei dem Mason einen Stallburschen erschießt.

Nun herrschen in Virginia im Jahre 1836 rauhe Sitten, und wenn man sich mit den Herrschenden angelegt hat und zudem noch Mörder ist, winkt rasch der Strick

Mason befindet sich also unvermittelt auf der Flucht, zusammen mit dem Sklaven Otah und ihrem Hund Wuff, und mitten in ei­nem Abenteuer, wie es von Mark Twain hätte erdacht sein kön­nen. Jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt.

In Richmond trifft Mason seinen vergötterten Literaten Edgar Allan Poe, lernt dessen frisch angetraute junge Braut Virginia kennen – und Poes wirre Träume von einer hohlen Erde. Ehe sich der Sechzehnjährige versieht, befindet er sich im nächsten Abenteuer, das ihn über den Südpol bis ins Innere der hohlen Erde führen soll, zu drachenartigen Ungetümen, schwebenden Wasserkugeln, dem Blumenvolk und den dort existierenden Göt­tern, die man die Großen Alten nennt …

Rudy Rucker, eigentlich designierter SF-Autor, hat diesmal eine wilde Crossover-Geschichte geschrieben. Zwar ist es nicht die Welt, die auf dem Titelbild zu sehen ist, die Szene ist völlig frei imaginiert, und es ist auch nicht eine Welt mit „Dampfschiffen statt Raumschiffen“, wie der Klappentext suggeriert (dann schon eher mit Luftschiffen statt Raumschiffen), und das Buch hat definitiv mehr von Fantasy an sich als von SF, aber … es ist eine sehr interessante Geschichte, die er hier erzählt.

Die Anleihen an Poe sind sehr intensiv, desselben die an Jules Verne. Die nächstliegenden Anleihen an die Hohlwelt-Theorie, der – den Legenden zufolge – auch Adolf Hitler anhing (Zweifel sind angebracht), machen dieses Werk im Verein mit dem histo­rischen Background, der verdammt an Tom Sawyer und Huckle­berry Finn erinnert, zu einem sehr lesenswerten Vergnügen. Was die Terminologie angeht, so entgleist Rucker spätestens, als er in der Hohlwelt selbst ankommt und führt damit seine Fik­tion, dies sei ein „authentischer Text“ aus dem Jahre 1850, den er nur entdeckt und in einen Verlag geschickt habe, ad absur­dum. Aber das spielt keine Rolle.

Eine einzige Warnung gilt es auszusprechen: obgleich einer der Hauptprotagonisten Edgar Allan Poe ist (und zwar, streng ge­nommen, in doppelter Ausführung), würde ich keinem Poe-Fan raten, dieses Buch zu lesen. Rucker geht arg respektlos mit ihm um und macht Poe zum durchaus nekrophilen, perversen Mör­der. Das muss man sich als Poe-Freund nicht antun.

Wer hingegen Vergnügen an wilden Ideen findet und diese Qua­si-Historizität schätzt, der mag das Buch mit Genuss lesen. Sti­listisch ist es jedenfalls sehr flüssig gelesen und saugt den Leser in den Roman hinein, was ich persönlich für ein Qualitätsmerk­mal halte.

Und da ich ja selbst in meiner 19. OSM-Ebene eine Hohlwelt als Handlungsschauplatz habe2, kann ich von diesem Buch noch ei­niges lernen …

© 2004 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche schweife ich mal wieder ganz woanders hin ab und erzähle euch etwas über ein Märchenbuch … doch, kein Witz, Freunde. Aber Details lest ihr erst in sieben Tagen an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Falls wider Erwarten Rucker die Wahrheit im Nachwort gesprochen hätte, dass nämlich der zentrale Teil des Buches ein authentischer Reisebericht von Mason Reynolds sei, den er 1985 in einer Bibliothek entdeckt habe, mag man es mir verzeihen, wenn ich in der Rezension und in diesem Rezensions-Blog gleichwohl von Rucker als Autor ausge­he … aber die Lovecraft-Tradition kennt ja eine Menge strukturell analoger „authenti­scher“ Expeditionsberichte, die allesamt Lovecrafts eigener Phantasie entsprangen. Es handelt sich darum meiner Meinung nach auch in diesem Fall um eine Art von künstle­risch eingezogener Meta-Ebene.

2 Erläuterung für die Veröffentlichung im Rezensions-Blog anno 2022: Die Rede ist von der Hohlwelt QUANGOOR-8810 alias „Bearsons Creek“, die ich schon in der Blogarti­kelreihe „Legendäre Schauplätze“ thematisiert habe. Heutzutage könnte man an die­ser Stelle übrigens zu den prominenten Hohlwelten auch noch Hyoronghilaar rechnen, den Handlungsort von KONFLIKT 7 des Oki Stanwer Mythos (OSM) in der Serie „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“, die ich erst 2 Jahre nach Abfassung der obigen Rezensi­on entdeckt habe.

Blogartikel 470: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 35

Posted August 7th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

gehen wir gleich mal wieder in die Vollen, weil soviel in den vor­liegenden fünf Episoden passiert. Zunächst ein winziger Rück­blick:

Oki Stanwer ist wieder am Leben, dank der Klonbank der Eis­gruft auf OKISTAN. Er konnte den nächsten Helfer des Lichts, den Voork Rilon Vleh, der als Seele im Paraschild von OKISTAN gefangen war, als neuen Gefährten gewinnen und im Anschluss sowohl den Dämon Mor ausschalten wie den Planeten Terra ret­ten.

Dann erhält er einen Funkspruch von seinem Bündnispartner, dem Verräter-Dämon Zomar, der behauptet, dass „TOTAM schweigt“ und er den Grund dafür herausfinden will.

In der Tat ist der Dämonenplanet abgeriegelt, nichts kann ihn erreichen oder verlassen. Und die dort gefangenen Dämonen machen sich in den Tiefen der kristallinen Hohlwelt auf die Su­che nach den Ursachen … derweil eine mörderische Entität ih­nen auf den Fersen ist, der Dämonenschlächter …

Episode 66: Dämonentöter

(1983, digitalisiert 2004)

Die Expedition der eingeschlossenen Dämonen führt in der Tiefe TOTAMS durch ein mysteriöses Knochentor namens CLOGGATH in einen Bereich, der ihnen bislang verschlossen blieb – so fin­den sie die Knochendimension.1 Doch sie werden von dem Voll­strecker TOTAMS verfolgt, der einen nach dem anderen von ih­nen niederstreckt und auflöst.

Angeblich, so sagt er, sollen nur die 13 aktivsten Dämonen am Leben bleiben, um im Dienste TOTAMS im Nebelsektor gegen Oki Stanwers Streitmacht anzutreten.

Dienen zu diesem Zweck auch die Millionen von Totenköpfen, die sich hier auf riesigen Heeresfeldern sammeln und zum An­griff bereit machen …?

Episode 67: TOTAM WIRD BESETZT!

(1983, digitalisiert 2004)

Der Schluss der so genannten „Dämonen-Trilogie“. Zehn Dämo­nen sind unter den gnadenlosen Hieben des Dämonenschläch­ters gefallen, nur drei Dämonen konnten ihm bislang entrinnen.

Die Überlebenden erreichen eine Nebelgrenze innerhalb der Knochendimension, und als sie sie überwinden, werden sie Zeu­ge einer Vision – sie entdecken einen riesenhaften Aufmarsch von gigantischen Kriegsschiffen … offenbar schon im Nebelsek­tor. Sie beginnen zu begreifen, dass es sich um TOTAMS legen­däre Kriegsflotte handelt und dass die Totenkopfheere, die sie sahen, hier als Besatzungen mobilisiert werden sollen. Der Kampf soll im Januar 7477 stattfinden.

Während der Dämonenschlächter seine Aufgabe vollendet, be­ginnt im weiteren Umkreis der Galaxis Milchstraße allmählich Bedeutsames: Im Sol-System erscheint ein energetisches Phä­nomen, eine blaue, schillernde Fläche, die die entropische Bal­lung, in der der Dämon Mor aufgegangen ist, verschlingt. Es handelt sich bei dem Phänomen um ein Entropie-Schillertor, ein Portal in weit entfernte Regionen des Kosmos oder auch in Par­alleluniversen.

Unter dem schwarzen Samt des Kosmos pulsieren derweil düs­terrote Ballungen, die darauf drängen, in den Weltraum durch­zubrechen – ein weiteres vernichtendes entropisches Phäno­men, die Parasitwelten.

Und im Spiralarm III sammeln die Zartans ihre pflanzlichen Bündnistruppen unter dem Banner der PSI-Intelligenzen und des Neuen Bundes, um Oki Stanwer beim Entscheidungskampf im Nebelsektor beizustehen …

Episode 68: Unverhofftes Wiedersehen

(1983, digitalisiert 2004)

Blende zur Zentralwelt: Wer immer dachte, mit Band 59 sei die Geschichte um den Ersten Dämon von TOTAM, Morosk, und den glücklosen Jesuiten und Helfer des Lichts, Pater Joseph Ghastor, auserzählt, nachdem sie im Universum der Voorks strandeten, irrte. In diesem Band gehen ihre Abenteuer weiter.

Während Morosks körperloser Leib nach wie vor in Ghastors glä­sernem Körper gefangen ist, stranden sie, angezogen von einer entropischen Ballung, auf einer überraschend idyllisch wirken­den Welt. Hier werden sie unerwartet voneinander getrennt und wieder autonom handlungsfähig … aber die Umgebung zehrt sie aus.

Doch ehe das geschieht, taucht ein weiteres Wesen auf – wie ein Springteufel ist unvermittelt der glühende Schädel, die wahnsinnige Dämonenwaffe GOLEM wieder in die Existenz zu­rückgekehrt. Und sie ist erfüllt von wahnsinnigem Hass auf Mo­rosk, verständlicherweise.

Als GOLEM Morosk, der hier nun in seiner geschwächten Form sterblich ist, attackiert und tötet, erwacht die unter der Oberflä­che der Zentralwelt schlummernde Parasitwelt gnadenlos zum Leben und frisst Ghastor.

Es ist Ironie des Schicksals, dass das knöcherne „Orakel von TO­TAM“ ausgerechnet einen Moment zu spät von diesen Ereignis­sen Kenntnis erhält und in dem Bestreben, Ghastor retten zu wollen, stattdessen … GOLEM rettet! Im letzten Moment kann das Orakel GOLEM ebenfalls liquidieren.

Und dann entschließt es sich, Oki Stanwer zu warnen, da inzwi­schen immer mehr unberechenbare entropische Phänomene auftauchen.

In einer Schlussblende sieht man Oki Stanwer an Bord des Oki-Schlachtschiffs KÄMPFER im Halo der Milchstraße. Ihm wird ein „blaues Leuchten“ gemeldet, und er lässt Kurs darauf nehmen …

Episode 69: Sammelpunkt Halo

(1983, digitalisiert 2004)

Fortführung des Schlussabsatzes von Band 68, Blende zu Oki Stanwer: Man schreibt den Oktober des Jahres 7476. Der Anführer der positiven Streitkräfte der Galaxis ist seit einigen Wochen im Halo auf der Suche nach den dort angeblich existenten Flottenverbänden der Okis. Doch alle zehn Sammelpunktpositionen erweisen sich als vollkommen verlassen – wüsste er, dass es sich hierbei lediglich um informelle Matrixfehler handelte, dann wäre er gewiss weniger überrascht gewesen.

Doch statt an der letzten Position auf Oki-Kampfschiffe zu sto­ßen, entdeckt er TOTAM-Kreuzer, die nach kurzem Gefecht ver­nichtet werden … und dann ein blaues Leuchten, das er für ein Funkfeuer oder einen Transmitter hält. Ehe sie begreifen, dass es sich dabei um ein Entropie-Schillertor handelt, werden sie davon aufgesogen und in ein Paralleluniversum verschlagen.

Dorthin hat es zwischenzeitlich auch den WÄCHTER gerissen … und er ist nun an Bord eines wracken terranischen Schiffes, auf dem man den 3. Juni 7479 schreibt. Die THESEUS unter Kapitän John Halloon befindet sich in einem alptraumhaften Kosmos, in dem zahllose entropische Phänomene das Universum ins Chaos stürzen. Und hier ist nun auch Oki Stanwer mit seinen beiden einzigen Schlachtschiffen gefangen, derweil TOTAM seine Trup­pen zusammenruft …

Episode 70: TOTAMS Kriegsflotte

(1983, digitalisiert 2004)

Blende in den Halo der Galaxis Milchstraße, aber weit entfernt von Oki Stanwers Aufenthaltsort im Band zuvor. Auch TOTAM sammelt hier seine Flotten. Durch eine Rückblende erfährt man, dass in der Kleingalaxis Zoran, wohin – gemäß dem Serienan­fang – vor fast 2000 Jahren menschliche Streitkräfte geflüchtet waren, um die zoranische Menschheit neu zu gründen, der Dä­mon Beseler gewütet hat. Er hat weite Teile der Oki-Stanwer-An­droiden, die dort erschaffen wurden, in Zombies umgewandelt und eine mächtige Flottenstreitmacht gebildet, mit der er nun TOTAMS Flottenstützpunkt im Milchstraßen-Halo erscheint.

Er hat allerdings zwei Probleme, von denen er nichts weiß: Zum einen steht er auf der Abschussliste des Dämonenschlächters, der argwöhnt, dass Beseler mit seiner Streitmacht TOTAMS Vor­herrschaft untergraben will.

Zum anderen erscheint eine gewaltige, 30.000 Kampfschiffe umfassende TOTAM-Streitmacht quasi aus dem Nichts – die le­gendäre KRIEGSFLOTTE TOTAMS, die unter dem Kommando des unheimlichen Rächers von Breeth-Fgahn steht, unter Soffrols Kommando. Und als Soffrol von Beselers Gegenwart erfährt, den er aus Oki Stanwers 13. Leben noch unter dem Namen Beselen kannte2, erwacht ein uralter Groll in ihm, und er geht auf Kon­frontationskurs mit Beselers Flotte …

Ihr seht, es geht dramatisch und bisweilen verwirrend weiter. Die Lage spitzt sich zunehmend zu, je näher der Kampftermin im Januar 7477 rückt.

Nächstes Mal seht ihr mehr davon. Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Nach der heutigen OSM-Kosmologie lässt sich das so nicht mehr halten. Man merkt hieran, dass ich damals über die physikalischen Grundlagen TOTAMS noch nicht hinrei­chend im Bild war.

2 Vgl. dazu beizeiten die E-Book-Romanreihe „DER CLOGGATH-KONFLIKT“.