Rezensions-Blog 132: Das Mandala des Dalai Lama

Posted Oktober 4th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ihr wisst natürlich längst alle, dass ich der Faszination des Phänomens Sherlock Holmes seit geraumer Zeit erlegen bin, alle Werke des „Kanons“ verschlungen habe, die Sir Arthur Conan Doyle zu dem legendären Detektiv verfasst hat. Und ebenso selbstverständlich ist die Geschichte damit nicht beendet worden. Sher­lock Holmes ist Kult, wie ich an anderer Stelle einmal sagte, und Kult zieht gera­dezu magisch Epigonen an.

So ist auch Sherlock Holmes´ begrenzte Lebensspanne von Nachfolgeautoren mit immer neuen Fällen, Details und Schrullen angefüllt worden, und der jüngs­te Hype um Guy Ritchies bislang zwei Sherlock Holmes-Filme bzw. die BBC-Serie „Sherlock“ oder die amerikanische Reihe „Elementary“, die Holmes´ Aktivität ins frühe 21. Jahrhundert nach New York verlagert, geben davon eindrucksvolle Kenntnis.

Aber auch das Leben des Detektivs selbst weist Lücken und weiße Flecken auf. Der wohl legendärste ist jener Zeitraum von zwei Jahren nach dem Jahre 1891, als Holmes nach der Konfrontation mit dem „Napoleon des Verbrechens“, Pro­fessor James Moriarty vermeintlich in den Reichenbachfällen in der Schweiz den Tod gefunden hatte.

Was hat er in dieser Zeit erlebt? Nach seinem Wiederauftauchen deutet er eher vage an, er sei in Indien unterwegs gewesen. Aber was das wirklich bedeutet und was schriftstellerische Phantasie daraus zu entwickeln vermag, das zeigt euch das heute vorzustellende Buch, das ich euch wärmstens ans Herz legen möchte.

Vorhang auf für Jamyang Norbu und sein alter Ego, Hurree Chunder Mookerjee. Möge das Spiel beginnen:

Das Mandala des Dalai Lama

Die Abenteuer des Großen Detektivs in Indien und Tibet

Ein Roman von Jamyang Norbu

Basierend auf den Erinnerungen von

Hurree Chunder Mookerjee

C.I.E., F.R.G.S., Rai Bahadur

(Sherlock Holmes – The Missing Years: The Adventures of the

Great Detective in India and Tibet)

Bastei 15128, April 2004

336 Seiten, 7.90 Euro

Übersetzt von Stefan Bauer

Der 24. April des Jahres 1891 brennt sich dem britischen Arzt Dr. John Watson unvergesslich in seine Seele ein, denn es ist jener Tag, an dem der lange und unerwartete Abschied von seinem Freund Sherlock Holmes beginnt: An diesem Tag sucht ihn Holmes in seiner Praxis auf und verhält sich bereits höchst eigen­tümlich. Er sieht sehr erschöpft aus, verschließt sorgsam die Läden des Zimmers, als ob er feindliche Beobachter fürchte, und beginnt Watson eine Ge­schichte zu erzählen, die dieser kaum zu glauben vermag: die Geschichte eines verbrecherischen Genies, gleichsam eines „Napoleons des Verbrechens“, eines Mannes zudem, der fast unbekannt ist und in London, etwa mit einer giftigen Spinne vergleichbar, in einem gewaltigen Netz sitzt und die Fäden in der Unter­welt zieht. Der Name des Mannes ist James Moriarty, Professor James Moriarty.

Holmes ist gewiss, diesen größten Verbrecher, gegen den er jemals gekämpft hat, in die Enge getrieben zu haben, er braucht nur noch ein paar Tage Zeit, und dafür muss er aus London fort. Zusammen mit Watson begibt er sich auf den Kontinent, bis hinauf in die Gebirgsregionen der Schweiz. Und hier, in der Schlucht der Reichenbachfälle, wird Watson durch eine List von seinem Freund fortgelockt. Als er jählings erkennen muss, was der Grund dafür ist, stürzt John Watson verzweifelt zurück zur Schlucht… und kommt zu spät. Alles, was er noch vorfindet, sind Sherlock Holmes´ Spazierstock, eine kleine metallene Tabakdose mit einigen Notizen seines Freundes und schließlich, am Ende des Pfades, zer­wühlte Erde. Der Rest ist schwindelerregender, dröhnender Abgrund. Wer hier hinabstürzt, den kann keine Macht der Welt mehr retten.

Nach Sherlock Holmes´ eigenen Worten ist dies der Moment gewesen, in dem er mit Professor Moriarty abrechnete. Eine Abrechnung, die er, wie es scheint, mit dem eigenen Leben bezahlt hat. Man schreibt den Sommer des Jahres 1891, und allein die Zeitungen berichten vom tragischen „Unfalltod“ des großen Detektivs. John Watson hingegen ist wie betäubt, und erst zwei Jahre später wird er aus der Reserve gelockt, als Moriartys Bruder die Geschehnisse bei den Reichenbachfällen verfälschen will, um seinen verbrecherischen Bruder reinzu­waschen.1

Doch wer vermag das ungläubige Staunen und die atemlose Freude zu be­schreiben, als im Frühling des Jahres 1894 sich ein seltsamer weißhaariger Bü­chernarr in Watsons Praxis buchstäblich im Handumdrehen in niemand Ge­ringeren verwandelt als in den lange totgeglaubten Sherlock Holmes, der offen­sichtlich blass und abgemagert, aber doch bei bester Gesundheit ist? Watson jedenfalls fällt prompt in Ohnmacht, wie er bekennt, wohl das erste und einzige Mal in seinem ganzen Leben.2

Vergleichsweise lakonisch macht Holmes seinem alten Freund klar, dass es für ihn an der Zeit gewesen sei, unterzutauchen. Aber wo um alles in der Welt er denn gesteckt habe? Wie das alles möglich gewesen sei? Dem guten Watson liegen zweifellos tausend Fragen auf der Zunge, indes, sein Freund beantwortet nur wenige davon. Dies ist es im wesentlichen, was er erklärt:

…Ich reiste zwei Jahre durch Tibet, besuchte Lhasa und verbrachte ein paar Tage mit dem Groß-Lama. Vielleicht, mein lieber Watson, haben Sie von der be­merkenswerten Forschungsreise eines Norwegers namens Sigerson gelesen, aber Sie haben sicher nie vermutet, dass es sich dabei um Neuigkeiten von ei­nem Freund handelt…“

Wie sollte er auch darauf kommen?

Obwohl John Watson noch zahlreiche der Aberhunderte Fälle des Sherlock Hol­mes niederschreibt, kommt er nie wieder explizit auf diese zwei fehlenden Jah­re im Leben seines Freundes zu sprechen, wiewohl er zweifellos einiges mehr gewusst haben muss, als er den Lesern des Strand Magazine später Glauben machen wollte. Die Leser mussten auf den unwahrscheinlichen Zufall warten, irgendwann einmal durch irgendwen auf Informationen gestoßen zu werden, was wohl in jener Zeit genau geschehen war.

Der Zufall kam, als der Tibeter Jamyang Norbu im Oktober 1988 sein Manu­skript zu diesem Buch in Dharamsala/Nordindien vorlegte.

Schon 1944 geboren, gehörte Norbu zu jener Generation von Indern, die früh mit den Eltern, wohlhabenden Händlern, nach der chinesischen Besetzung Ti­bet verließen. Er wuchs in Nordindien auf, ging hier zur Schule und lernte unter anderem einen Schatz kennen, von dem er vorher keine Ahnung gehabt hatte: die englische Sprache, die ihm die Werke eines Arthur Conan Doyle und, vor al­len Dingen, eines Rudyard Kipling erschloss. Und so erfuhr er auf Umwegen von einem rätselhaften norwegischen Reisenden namens Sigerson, der zu einer Zeit in Tibet gewesen sein sollte, als dort der chinesische Einfluss sehr stark war und jeder Ausländer Kopf und Kragen riskierte. Lhasa selbst galt vollends als verbo­tene Stadt, in der seit Jahrzehnten niemand aus dem Ausland mehr willkom­men gewesen war. Tibet war so abgeschieden von der Welt, als gehöre es gar nicht mehr dazu.

Und im Jahre 1892 sollte ein norwegischer Reisender dort gewesen sein?

Schwer glaublich. Doch die Mönche in Dharamsala, die 1959 mit dem Dalai Lama ins Exil geflüchtet waren… ihnen war von einer solchen Reise etwas be­kannt, wenngleich auch nicht mehr viel. Es schien keine Unterlagen zu geben, jedenfalls keine zugänglichen. Allerdings entsann sich ein Mönch, in den Archi­ven des Dreizehnten Dalai Lama auf eine kurze Notiz gestoßen zu sein, die davon sprach, es seien in der fraglichen Zeit Reisepapiere für zwei Ausländer ausgestellt worden. Nur an den zweiten erinnerte er sich: er trug den Namen „Hari Chanda“.

Norbu war wie vor den Kopf geschlagen, denn dieser Name war ihm beim bes­ten Willen nicht unbekannt – der britische Journalist Rudyard Kipling hatte die­sem Mann in dem Roman „Kim“ ein fragwürdiges Denkmal gesetzt: einem Inder in britischen Kolonialdiensten, der im wesentlichen ein recht gemütlicher Spion war, sehr beleibt und etwas tollpatschig im Umgang mit Schusswaffen. In engli­scher Schreibweise lautete sein voller Name Hurree Chunder Mookerjee, der später Gelehrter wurde und 1928 in Darjeeling in seinem Haus, der Villa Lhasa, starb.

Der Zufall wollte es weiterhin, dass bald darauf ein Erdbeben eine Wand jenes Gebäudes beschädigte und darin eine rostige Metallbüchse zum Vorschein kam, in der sich jener Bericht befand, den Norbu nun in diesem Buch der Öffentlich­keit, mit wenigen Anmerkungen versehen, präsentiert. Jener Bericht, den der gute Hurree beim besten Willen nicht zurückhalten, aber aufgrund der Ereignis­se in Tibet, an denen er teil hatte, auch nicht veröffentlichen konnte. Er hatte schließlich Sherlock Holmes sein Ehrenwort gegeben, zeit seines Lebens dar­über Stillschweigen zu bewahren.

Nun, dies hielt er auch ein.

Es war an Norbu, uns Lesern dieses Werk – ergänzt um Karten und ein reiches Glossar indischer und tibetischer Begriffe sowie ausführlicher Literaturangaben zu Doyle und Kipling – zugänglich zu machen. Und dies ist das, was Hurree Chunder Mookerjee einst an der Seite des berühmten Detektivs erlebte:

Rudyard Kiplings Artikel im Pioneer vom 15. Juni 1891 über das „Große Spiel“ brachte unvorsichtigerweise eine ganze Abteilung des indischen Geheimdiens­tes zu Fall. Die Konsequenz bestand unter anderem darin, dass Hurree Chunder Mookerjee von seinem Vorgesetzten „auf Sicherheitsurlaub“ geschickt wurde – bis man ihn zurückbeordert, damit er in Bombay einen Ausländer unter die Lupe nimmt, der sich höchst verdächtig verhält – er reist nicht, wie sonstige weiße Sahibs, mit großem Gepäck, er ignoriert die Dienste Einheimischer und… der hagere, Pfeife rauchende Norweger Sigerson, der über geradezu gespensti­sche, hellseherische Fähigkeiten zu verfügen scheint (zweifellos ist er mit Geis­tern im Bunde, das sieht man ja sofort, es KANN keine andere Erklärung geben!), wird seinerseits verfolgt!

Ist dieser Sigerson also ein Spion? Aber für wen? Oder was um alles in der Welt macht er in Indien? Zumal mit nicht viel mehr als einem Kasten, der verdächtig nach einem Geigenkasten aussieht? Warum auch trifft er sich heimlich mit Cap­tain E. Strickland, Esq.? Und schließlich: weshalb sollte der Empfangschef eines Hotels versuchen, auf grauenhafte Weise einen Mann umzubringen, den er niemals zuvor gesehen hat – eben jenen Norweger Sigerson?

All das geschieht, und jählings wird Hurree in ein Geheimnis hineingezogen, das es eigentlich gar nicht geben kann. Es dreht sich um den angesehenen Colonel Sebastian Moran, um eine tödliche, nahezu lautlose Waffe, um den Roten Tod, der die Opfer zu einem dramatischen, unaufhaltsamen Sterben verdammt, und dann ist da schließlich noch der dringende Wunsch Sherlock Holmes´, das ver­botene Land Tibet aufzusuchen.

Sowohl Strickland als auch Hurree versuchen ihn davon abzubringen, und eine Zeitlang scheint das auch wirklich zu glücken. Schließlich ist Tibet absolut verbo­tenes Gebiet, niemand, der kein Tibeter ist, kann dort hinein. Selbst Inder ha­ben – wie Hurree unangenehm am eigenen Leibe erleben musste – erhebliche Probleme!

Aber die Mörder sind und bleiben weiter auf Holmes´ Fersen, und Sherlock Hol­mes ist niemand, der sich von seinen Zielen ablenken lässt. Als schließlich auch noch eine förmliche Einladung an den großen Detektiv und seinen Begleiter und Bewacher Hurree Chunder Mookerjee ergeht, dem Dalai Lama Beistand zu leis­ten, kann Holmes nichts mehr zurückhalten: weder reißende Flüsse, Stein­schlag, meuchelmordende Thugs, Attentäter oder chinesische Soldaten können ihn davor zurückschrecken lassen, Tibet aufzusuchen.

Hier aber geraten die Gefährten erst recht ins Räderwerk der großen Politik und der zum Teil wirklich übernatürlichen Intrigen. Es geht um das Rätsel des Man­dalas des Dalai Lama, um einen abtrünnigen Lama, der in den Diensten Beijings steht… und schließlich führt die Fährte bis zu jenem rätselumwobenen Eispa­last von Shambala, dessen Tor sich nur einmal in fünfzig Jahren öffnet…

Für die Leser, die vertraut sind mit den Abenteuern des berühmtesten Detektivs der viktorianischen Zeit, ist dieses Buch gleichsam eine Offenbarung. Der sehr in feine und wunderbare Details gehende Autor Jamyang Norbu erweckt die Welt des viktorianischen Indien mit einer Intensität wieder zu neuem Leben, dass man meint, die Menschen zu sehen, durch die prächtigen Gänge der Ho­tels zu streifen und mit Holmes und Hurree zusammen über die eisigen, felsigen Pässe des Himalaya zu reiten. Wer weiß schon, dass die Bahnabteile in Indien damals keine Zentralgänge besaßen (zum Schutz gegen Diebstahl), sondern je­des Abteil über eine Tür verfügte, die nach draußen ging? Wer weiß schon um die anatomischen Wunderlichkeiten des Hirudinea himalayaca giganticus? Und so weiter und so fort…

Als Tibeter bringt Norbu außerdem eine feinsinnige, tiefe Kenntnis der indi­schen und tibetischen Mythologie mit, die sich in vielerlei Weise bemerkbar macht, zudem noch ein ausgezeichnetes Wissen über seine Heimat und die Hauptstadt Lhasa (inklusive eines schön gestalteten Stadtplanes von Lhasa aus dem Jahre 1892). Wüsste man es nicht besser, könnte man sich als Leser und als Historiker durchaus täuschen lassen, so geschickt ist das Garn von Trug und Realität gewoben worden.

Natürlich macht Norbu Anleihen, das ist unumgänglich.

Einige Anspielungen gehen offen auf den Tibetreisenden Sven Hedin zurück. Vieles weitere hat er wahrscheinlich von Rudyard Kipling entlehnt (den ich selbst bisher nicht gelesen habe), einiges ist erkennbar aus Doyles Werken selbst genommen und hier geschickt eingefügt. Dennoch – die immer wieder beeindruckenden, auf reiner Beobachtung und logischem Schließen beruhen­den Beweise des Sherlock Holmes entfalten auch hier ihre geradezu hypno­tische Wirkung und machen einen Gutteil des Romans aus. Weiteres Vergnügen kann man aus dem Verhalten und der Innenreflexion des Ich-Erzählers Mooker­jee ziehen.

So erhält man als Käufer des Buches ein Werk, das sich so flüssig und gefällig le­sen lässt, dass man sich zwingen muss, es mal ein paar Stunden ruhen zu las­sen. Der Strom der Erzählung ist zwar durchaus ein gelassener, aber doch deut­lich dramatischer als in den ursprünglichen Stories des „Kanons“, den Norbu mit deutlicher Ironie als „Heilige Schriften“ bezeichnet, also jene 56 Geschichten, die Sir Arthur Conan Doyle um Sherlock Holmes schrieb.

Und so ist auch jener kleine Fauxpas relativ zu Beginn, der nur einem aufmerk­samen Leser auffallen wird, zu verschmerzen, wiewohl er Puristen säuerlich dreinschauen lassen wird. Um was für einen Fauxpas handelt es sich? Nun, es ist ein zeitliches Problem. Es sagt nämlich Strickland im dritten Kapitel: „Wir wurden von London über den Professor [Moriarty] und seine Bande informiert. Außerdem habe ich eine recht eindrucksvolle Geschichte über die ganze Affäre im Strand Magazine gelesen.“ Da aber dort zu diesem Zeitpunkt lediglich die Berichte von John Watson über Sherlock Holmes´ Abenteuer gedruckt werden, kann sich diese Bemerkung nur auf die Geschichte „Sein letzter Fall“ beziehen. Doch schreibt Watson dort selbst: „Ich hatte mir… vorgenommen, es dabei be­wenden zu lassen und den Vorfall, der vor zwei Jahren eine Lücke in mein Leben gerissen hat, welche ich heute noch in fast ungeschwächtem Maße empfinde, nicht in den Kreis meiner Darstellung zu ziehen…“

Aus diesen Worten geht klar hervor, dass Watson diesen Fall erst im Laufe des Jahres 1893 an die Öffentlichkeit dringen lässt. Es ist mithin unmöglich, dass die Kenntnis dieser Zusammenhänge bereits zwei Jahre zuvor nach Indien gedrun­gen ist. Natürlich könnte man wieder Mycroft Holmes bemühen, Sherlocks nicht minder genialen und einflussreichen Bruder… aber ich denke, das wäre unstatt­haft. Man kann ihn nicht für alles verantwortlich machen.

Sieht man von diesem kleinen Schnitzer ab und der vielleicht etwas zu stark im letzten Fünftel des Buches bemühten metaphysischen Intervention, dann lässt sich von Norbus Werk sagen, dass es einfach ein Hochgenuss ist und zweifelsoh­ne zu den faszinierendsten und liebenswürdigsten Sherlockiana gehört, die ich kenne. Und wer weiß, vielleicht kommt dereinst noch einmal jemand aus dem Orient oder aus Afrika, um über Sherlock Holmes´ weitere Abenteuer zu schrei­ben. Über welche? Ach, lassen wir doch den Meister noch einmal selbst zu Worte kommen. Denn als er aus Tibet zurückkommt, geht Holmes nicht so­gleich nach London zurück, wahrhaftig nicht. Vielmehr „wanderte ich durch Per­sien, machte einen Abstecher nach Mekka und stattete in Khartum dem Kalifen einen kurzen, aber interessanten Besuch ab, dessen Ergebnisse ich im Foreign Office veröffentlicht habe…“3 Von seinem Aufenthalt in Frankreich und seinen chemischen Experimenten dort schweige ich an dieser Stelle.

Es gibt nichts mehr über Sherlock Holmes zu berichten? Freunde, die ihr das glaubt, ihr habt nur die Geschichten nicht richtig gelesen – dort gilt es auch weiterhin, zwischen den Zeilen zu suchen und die Aberhunderte von Fällen und Fakten herauszulesen, die von Watson nur angedeutet wurden. Oder – in Un­kenntnis ihrer Existenz – nicht mal das.

Sherlock Holmes´ Leben bleibt also spannend. Es lohnt eine Wiederentdeckung.

© 2006 by Uwe Lammers

Ihr merkt natürlich meine schwärmerische Begeisterung, die das Werk vor über zehn Jahren bei mir auslöste… und wenn ich etwas dazu sagen darf: ich finde die Rezension wie das Buch auch nach all der verflossenen Zeit immer noch ge­lungen. Das ist wirklich ein echtes Schmankerl, das man sich nicht allein als Sherlock-Fan einverleiben sollte. Den Holmsianern erschließen sich freilich die zahllosen Anspielungen deutlich besser als jemandem, der nur die Verfilmun­gen kennt.

In der kommenden Woche starten wir mal wieder richtig durch zu den Sternen. Es geht um Aliens, um rätselhafte Geheimnisse und um einen Findling, der sei­nen Ursprung sucht. Mehr zum Thema lest ihr am kommenden Mittwoch an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. Sir Arthur Conan Doyle: „Sein letzter Fall“ (The Final Problem), zuerst publiziert in The Strand, Oktober 1893.

2 Vgl. Sir Arthur Conan Doyle: „Das leere Haus“ (The Adventures of the Empty House), zu­erst publiziert in Collier’s, 26. September 1903. Es handelt sich um den Fall des Adair-Mordes und des Colonels Moran. Nach der Lektüre dieses Buches wird man jene Ge­schichte mit anderen Augen lesen…

3 Vgl. Fußnote 2.

Wochen-Blog 239: Legendäre Schauplätze 5 – Erde

Posted Oktober 1st, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist ein unscheinbar wirkender blauer Planet am Ende eines Spiralarms einer durchschnittlichen Standardgalaxis, wie es Millionen davon im Universum gibt. Wie sollte man auf die Idee kommen, diese Welt namens Erde, Terra, Sol 3 oder wie immer man sie auch sonst nennen mag, sei etwas Unikates, etwas Singulä­res? Leiten wir das allein aus der Tatsache ab, dass es die einzige Welt ist, die wir persönlich schon mehr oder weniger weit bereist haben? Ist es egozentri­scher Stolz unserer Spezies homo sapiens auf ihre Heimaterde?

Vermutlich ein bisschen von alledem.

Die meisten phantastischen Romane und Serien erweisen sich als außerstande, sich von den Sicherungsseilen des Planeten Erde freizumachen, manche Au­toren lassen sogar ihre Protagonisten – wenn solche Trennung gelingt – ihr Le­ben lang nach der Muttererde suchen. So geschieht es beispielsweise E. C. Tubbs Held Earl Dumarest in der gleichnamigen Romanserie, die es schon seit Jahrzehnten gibt (es ist zweifelhaft, ob er jemals ans Ziel kommen wird, da ist mehr der Weg das Ziel). Und wenn solche Reisenden denn an ihr Ziel gelangen, sind sie nicht selten ziemlich enttäuscht von dem, was sie dort finden. Ich ver­weise da nur mal auf Keith Laumers und Rosel George Browns Zusammenarbeit „Blut der Erde“.1

Im Oki Stanwer Mythos (OSM), der seinerseits weite Teile des Universums im Blick hat, sollte man annehmen, dass die Erde auch eher stiefmütterlich behan­delt wird, und in manchen Ebenen des OSM ist das tatsächlich auch umgesetzt, da sind diese Welt und seine Bevölkerung nicht mal bekannt. In anderen Ebenen hingegen schon… und da fängt es an, interessant und kompliziert zu werden. Nähern wir uns dem Problem dieses legendären Schauplatzes behutsam.

In einigen Monaten wird im Fanzine „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) der Teil 13 des OSM-Romans „Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee“ erscheinen, auf den ich aus gegebenem Anlass heute vorgreifen möchte. Dort werden die Erleb­nisse des Totenkopfs Shylviin beschrieben, der in einem humanoiden Körper in einer versunkenen Welt, der Shopping-Mall von Tushwannet (untergegangen in KONFLIKT 4, der Roman selbst spielt in KONFLIKT 21, also fast 100 Milliarden Realjahre später), gefangen sitzt. Ebenfalls in dieser Mall macht er die Bekannt­schaft von weiteren Totenkopf-Seelen, wie ich das mal vereinfachend nennen möchte. Viele von ihnen stammen von einer Welt namens Erde oder Terra… und das ist Grund für endlosen Streit.

Wieso das jetzt? Nun, lauscht mal selbst:

Shylviin machte die Bekanntschaft von Terranern, wobei diese höchst verwirrend von unter­schiedlichen Welten stammten, die gleichwohl alle Terra hießen und ziemlich eindeutig ein und denselben Planeten darstellten. Dessen ungeachtet musste man auf diesen „Terras“ oder wie man das bezeichnen sollte, aber ganz unterschiedliche Zeiten und Technologielevel un­terscheiden.

Letzteres stellte Shylviin dann wirklich vor ein ordentliches Rätsel und ließ sich überhaupt nur sehr bedingt klären, was daran lag, dass diese Totenköpfe einander gern der Lüge bezich­tigten, der Phantasterei oder Aufschneiderei… viele redeten inzwischen überhaupt nicht mehr miteinander. Nun, es wirkte auch sehr eigenartig: einige von ihnen blieben steif und fest dabei, dass ihre Rasse bis zum Jahre 2124 lokaler Zeitrechnung – und sie bezogen sich alle definitiv auf genau dieselbe Zeitrechnung, das ließ sich durch Nachfragen schnell klären – das solare Heimatsystem niemals verlassen habe.2

Dann hingegen gab es welche, die fest und unbeirrt sagten: Nein, Terra habe doch bis zum Jahre 2092, in dem es dann durch TOTAMS Generalangriff unterging, schon mehr als ein Dut­zend Kolonialwelten gehabt!3 Woraufhin die ersteren widersprachen und meinten: Nein, die Erde sei erst 2124 durch TOTAMS Intervention untergegangen, und das Knochentor CLOG­GATH habe dabei ebenfalls eine zentrale und durchweg zerstörerische Rolle gespielt.

Ja, und dann gab es die Terra-Totenköpfe, die steif und fest behaupteten, nein, nein, das würde alles Unfug sein, sie sollten nicht solches nutzloses Wunschdenken zur Schau stellen, denn jeder, der das erlebt habe, wisse doch genau, wie es tatsächlich gewesen wäre: es sei doch gar nicht CLOGGATH oder TOTAM gewesen, sondern nichts Geringeres als die SIEBEN SIEGEL VON TOTAM selbst hätten die Erde verwüstet und vernichtet, und zwar im Jahre 2061!4

Im Nu war der schönste Streit im Gange, es gab schrecklich viel undiszipliniertes Geschrei, manchmal sogar Prügeleien, und niemand konnte sich dabei einigen.

Gewiss, Shylviin erfuhr auf diese Weise enorm viel Neues, aber aus diesen Disparitäten wurde er wirklich so gar nicht schlau. Und noch schlimmer war es, wenn er dann auf Wesen aus dem „Zweiten Weltkrieg“ der Erde stieß, den es auf der einen Welt gegeben haben sollte, auf der anderen Erde aber eben NICHT. War es wohl möglich, dass es mehrere Welten na­mens Erde gegeben hatte? Alle bevölkert von Terranern sehr verwandter Kultur- und Techno­logiestufen?

Das lehnten natürlich die entsprechenden Totenköpfe generell ab. Nein, es gab nur EINE Erde, und zwar die ihre, und alle anderen erzählten irgendwelchen durchgeknallten Quatsch, aus welchem Grund auch immer (das Argument, sie seien „wahnsinnig“, das funktionierte bei Totenköpfen ja leider nicht…).

Ah, ich spüre, ihr merkt langsam, dass es hier knifflig wird. Wird es in der Tat. Und wenn ihr jetzt sagt: Okay, das ist wie in den DC-Streaming-Serien, wo wir es mit Parallelwelten zu tun haben… dann ist das zwar ein netter Ansatz, aber der funktioniert im OSM auch nur bedingt und hat, das versichere ich euch hier und jetzt eindringlich, mit dem obigen Problem wirklich nichts zu tun. Das ist mehr noch ein Spezialfall davon.

Die wahren Probleme liegen deutlich tiefer.

Denn ja: es gibt und gab verschiedene Erden in verschiedenen KONFLIKTEN des Oki Stanwer Mythos. Und wiewohl ich über den Anfang dieses ganzen Kuddel­muddelfadens bislang nur gewisse Ideen habe, noch keine ausgeformte Ge­schichte, die ich dazu erzählen könnte – das wäre dann Aufgabe des noch zu verfassenden KONFLIKTS 8, der bislang noch nicht mal einen Serientitel besitzt – , kann ich euch hier und heute eine ganze Menge über diesen legendären Schauplatz namens Erde erzählen.

Begonnen hat alles – wie sollte es auch anders sein? – mit der Invasion der Erde. Wann und wo das genau war, ist ein wenig kniffliger zu sagen. Lassen wir mal die Geschichte selbst sprechen:

Im März 1970 wurde ein UFO gesehen.

80 Jahre später, im Jahre 2050(,) hatte sich die Welt entscheidend verändert… Die Menschen hatten eine 120 Millionen Flotte [sic!] von Raumschiffen. Sie wa­ren auf der Venus, der Erde und auf dem Mars stationiert. Die Bumerangflotte lag 10 Millionen Kilometer außerhalb des Sonnensystems. Heute stand die Erde auf ihrer Abschussliste…“5

Das Volk, das hier noch nach der sichelförmigen Gestalt der Raumschiffe „Bu­merangs“ genannt wird, erhält später im OSM die Bezeichnung „All-Hüter“. In dieser durchaus synkretistischen Welt, in der sich zahllose Leseerinnerungen aus Heftromanen der 60er und 70er Jahre eingeschlichen haben, was die Ge­schichte an sich völlig entwertet, wird die Erde für mehrere hundert Jahre un­terjocht, ehe sich die Menschen schließlich in einer heroischen Anstrengung zur Wehr setzen und die Invasoren vertreiben können. Dabei geht allerdings die Erde unter, die Menschheit siedelt auf den siebten Trabanten im Sternbild Altair um.

Als ich bald nach Abschluss dieses Romans, in dem auch bekannte OSM-Ele­mente und -Protagonisten auftauchen (beispielsweise Oki Stanwer, Klivies Klei­nes, die Totenköpfe, TOTAM und das Volk der Baumeister), damit begann, die Handlungsspuren Oki Stanwers zu verfolgen und die Serie „Oki Stanwer“ zu schreiben, da landete ich wo? In der Galaxis Milchstraße… allerdings verdammt weitab von Schuss, nämlich im 75. Jahrhundert irdischer Zeitrechnung. In einer Welt, in der sich die Menschheit über weite Teile der Galaxis kolonistisch ver­streut hatte. Die Erde selbst galt als verloren. Es bedurfte dann Oki Stanwers heroischer Anstrengung, sie wieder zu entdecken und vor der geplanten Zerstö­rung zu retten.

Gleichwohl spielte Terra in dieser Serie keine zentrale Rolle.

Das war ganz anders in einer zweiten OSM-Serie, die zu jener Zeit aufblühte, nämlich „Oki Stanwer Horror“. Hier schrieb man das Jahr 2113, als Oki Stanwer aus dem Nichts auftauchte mit der Aufgabe, die Menschheit gegen die drohen­de Gefahr namens TOTAM zu sensibilisieren und sie zu einer schlagkräftigen Streitmacht zu formen.

Ihr werdet in Bälde mehr aus dieser Welt erfahren, denn ich erwähnte schon vor Monaten, dass ich diese Serie, den KONFLIKT 13 des OSM, in Form des Fort­setzungsromans „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ (CK) als E-Book veröffentlichen werde. Durch die Verzögerungen meines E-Book-Programms wird das allerdings wohl Herbst 2018 werden, ehe das klappt.

Wie dem auch sei: In dieser Welt hat die Menschheit die Raumfahrt vorzeitig beendet und sich stattdessen der ökologischen Sanierung des blauen Planeten gewidmet. Natürlich dachte ich damals noch dasselbe wie ihr: wie, bitte schön, kann man diese beiden Zeitlinien der beiden Serien in Deckung bringen? Ant­wort: gar nicht. Offensichtlich gibt es zwei grundverschiedene Erden mit indivi­duellen Zeitabläufen und Zukünften. Nicht das, was man von einer klassischen Parallelwelt erwarten würde.

Die Sache wurde noch schleierhafter durch eine dritte Serie des OSM, die nun ab 1983 ebenfalls heranwuchs. Auch hier ging alles auf der Erde los… aber hier schrieb man das Jahr 2092, und es gab bereits ein vorhandenes kleines Sternen­reich. Die Serie, KONFLIKT 17 des OSM, war „Drohung aus dem All“, und auch sie besaß logisch keine gescheite zeitlinientechnische Schnittmenge mit den beiden anderen Serien.

Erst als mir das komplexe Konzept des OSM klarer wurde und mir bewusst war, dass ich es mit unterschiedlichen, zeitlich aufeinander folgenden Universen zu tun hatte, konnte ich damit leichter umgehen. Es war überhaupt nicht nötig, irgendwelche Zeiten der Finsternis oder Zeitmanipulationen, Wirklichkeitserd­rutsche oder dergleichen zu inszenieren, um die drei Serien in Deckung zu bringen.

Das war doch sehr erleichternd.

Natürlich freute ich mich zu früh. Denn die Angelegenheit an sich blieb unheim­lich genug. Oberflächlich betrachtet konnte ich mich mit dem Konzept der „Ma­trixfehler“ herausreden, wenn es etwa Differenzen im Handlungsstrom gab oder in den Erinnerungen der Protagonisten. Lange Zeit glaubte ich ernsthaft, damit würde ich alle Schwierigkeiten zur vollsten Zufriedenheit geklärt haben – Wunschdenken, selbstverständlich. Aber das ahnte ich damals noch nicht.

Während der OSM wuchs und gedieh, schloss ich den KONFLIKT 15 „Oki Stan­wer“ ebenso ab wie OSH, also KONFLIKT 13, und 1986 folgte KONFLIKT 17 „Dro­hung aus dem All“.

Während ich mich mit anderen, neuen OSM-Serien in fernen Regionen anderer Universen herumtrieb (davon irgendwann später mehr, darum geht es hier nicht, sonst hört dieser Beitrag gar nicht mehr auf), griff ich Gedanken auf, die ich in OSH nicht mehr hatte realisieren können – die SIEBEN SIEGEL VON TO­TAM, über die ich nur wenig wusste. Zeit, darüber ausführlicher zu schreiben. Und das ging natürlich am besten in einem bekannten Setting.

Was heißt das?

Ich landete in KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) wieder auf der Erde… einer Erde, sollte ich gleich dazu sagen, denn sie besaß erneut einen anderen Handlungshintergrund und eine andere An­fangszeit. Diesmal landete ich im Jahre 2034. Eine nicht-kosmische Erde, ganz auf das Diesseits fokussiert. Zugleich eine seltsame Welt, in der der Zweite Weltkrieg zwar stattgefunden, aber die Sowjetunion ebenso wie der Kalte Krieg nach wie vor Bestand hatten. Das erzeugte seine ganz eigenen Komplikationen, die schließlich in einem nuklearen Vernichtungskrieg gipfelten, den die Dämo­nenwaffe GOLEM angezettelt hatte.

Brachte das Oki Stanwer um? Nein.

Er hatte nämlich ganz andere Schwierigkeiten: durch ein Zeitportal zurück­gereist ins 2. Jahrtausend vor Christus, machte er dort die Bekanntschaft mit dem Dämonenschmied von Babylon, niemand Geringerem als dem WESEN TO­TAM selbst… und dann löste er bei der Heimreise ins kleinasiatische Reich der Hethiter ein Zeitparadoxon aus und schnitt sich den Rückweg ab.

Jedenfalls fast.

Er kam in der Gegenwart wieder an, aber sie hatte mit der, die er kannte, kei­nerlei Ähnlichkeit mehr – es handelte sich nun um GOLEMS Wunschwelt, be­herrscht von einem diktatorischen Großreich von Hatti, während GOLEMS Trup­pen einen surrealen Krieg gegen TOTAM führten.

Ein haarsträubendes Abenteuer, von dem ich euch beizeiten mehr berichten werde. Kommen wir wieder zur Erde, diesem legendären Ort, zurück. Ich hatte zwischendrin nämlich schon wieder eine Serie in Bearbeitung, die auch in der Galaxis Milchstraße spielte – KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ (DMadN). Erneut ein kosmisches Sternenreich der Terraner, diesmal im 39. Jahrhundert nach Christus angesiedelt.

Und dann gab es noch, als ich mit KGTDUS 1989 endete, auch hierzu eine Folge­serie, die wirklich phantastisch-bizarre KONFLIKT-Ebene 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“, die mich an transtemporale Zeitreisen, das Tahuantinsuyu der Inkas, den wahnsinnigen Baumeister HORUS und die schwarze Matrix TOTAMS heranführen sollte, von den TASSYJAAREN, den schwarzen Quanten TOTAMS, die ich hier en passant ebenfalls entdeckte, mal ganz zu schweigen.

Bei all diesem „Erden-Chaos“ übersah ich bei der letzten OSM-Serie, die sich primär um die Erde drehte, KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ (DSj), dass es sich hierbei um eine höchst unheimliche Welt handelte, der ich anfangs auch viele Jahre nur stiefmütterlich Aufmerksamkeit schenkte. Zu mehr kam ich wirklich erst, als eine Reihe der früheren Serien abgeschlossen werden konnten.

Eigentlich hatte ich angenommen, die planetaren KONFLIKTE, also alle jene, die primär auf der Erde spielten, seien gewissermaßen im Sinne der Hegelschen Dialektik stets höhere Level der Erkenntnis. Anfangs sah das ja auch so aus: in KONFLIKT 13 bekam es Oki Stanwer mit Dämonentoren und Dämonenwaffen zu tun. In KONFLIKT 18 kamen die SIEGEL hinzu. In KONFLIKT 23 folgten dann unter anderem die Reiter der Apokalypse und die GRALSJÄGER… aber spätestens, als ich in den 90er Jahren verstärkt in KONFLIKT 28 eindrang, wurde mir klar, dass die Dinge dort grundlegend anders liefen.

Grundlegend anders.

Ich habe schon des Öfteren über diesen „unheimlichen“ KONFLIKT kursorisch berichtet, und ich kann versichern, er ist wirklich ein sehr, sehr gefährlicher Ort, über den ich nur bedingt abschließende Erkenntnisse gewonnen habe. Der überrascht mich ständig von neuem und ist aktuell aus gutem Grund von der Schreibfront suspendiert. Es gilt, vorher einige ältere Werke abzuschließen, ehe ich meine Energie darein verstärken kann.

Während der Arbeiten an KONFLIKT 23, also bis 1994, waren mir immer stärke­re Zweifel gekommen, ob ich tatsächlich mit dem Matrixfehler-Konzept alle Ab­sonderlichkeiten des Matrixfehlers Erde würde klären können. Und ob das alte Matrixfehler-Konzept überhaupt an sich stimmte. Es fühlte sich zunehmend falsch an… und das sollte euch zeigen, dass der OSM kein monolithisch festge­fügtes Gebilde ist, sondern durchaus – in gewissen Grenzen – im Fluss befind­lich. Manchmal fließen die logischen Hintergrundstrukturen aber in sehr seltsa­me Richtung.

So erging es mir, als ich mich ab 2013 allmählich im Zuge der Schreibarbeiten am KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ (DKdO) dem Problem der ersten Erde näherte.

Die erste Erde, sollte ich dazu jetzt erwähnen, hatte ich schon vor Jahren irgendwo zwischen KONFLIKT 7 und KONFLIKT 9 verortet. Nachdem mir klar wurde, dass KONFLIKT 7 in der Hohlwelt Hyoronghilaar spielen würde und die Menschen nicht vorkommen konnten, blieb nur KONFLIKT 8. Und als ich hier eine Erinnerungsblende in DKdO niederschrieb und über ein von den Dämonen von TOTAM verursachtes Zeitparadoxon auf der Erde des KONFLIKTS 8 schrieb, kam mir schlagartig zu Bewusstsein, was ich so unheimlich gefunden hatte.

Es war die Ähnlichkeit. Und nein, das Matrixfehlerkonzept war nicht hinrei­chend dafür, auch das noch zu erklären. Nicht zuletzt deshalb, weil ich ja inzwi­schen wusste, wie Matrixfehler wirklich zustande kamen.

Das Ähnlichkeitsproblem kannte ich schon seit sehr langer Zeit. Es lässt sich vielleicht am besten am Beispiel des Schädelfriedhofs von Oban verdeutlichen. Oki Stanwer findet diesen Friedhof, einen Rückzugsort der Dämonenwaffe GO­LEM, in KONFLIKT 13. In KONFLIKT 18, also nicht weniger als 25 Milliarden Jahre später, ist er dort wieder zu Gast… und nichts hat sich verändert, rein gar nichts! Nicht mal die Grashalme scheinen seither höher gewachsen zu sein!

Und auch in KONFLIKT 28, satte 50 Milliarden Jahre nach KONFLIKT 18, ist der Schädelfriedhof von Oban absolut identisch existent.

Wie ein niemals endender Alptraum kehrte dieses Ding immer wieder in die Existenz zurück… und nicht nur das. Dasselbe betraf, mit nur wenigen Abwand­lungen auch alle Staaten der Erde, alle Völker, Sprachen, Städte, Flussläufe, Ge­birge und deren Benennung…

Wäre es, um das mal als tabula rasa zu nehmen, so gewesen, dass nur der Pla­net Erde selbst den Matrixfehler dargestellt hätte, so wäre doch zweifellos die Geologie noch ähnlich bis identisch gewesen. Aber hätte dann jede Mensch­heit, unabhängig voneinander, ihre Städte an exakt denselben Plätzen gebaut, sie mit exakt denselben Sehenswürdigkeiten versehen und bis in feinste Nuancierungen dieselben Sprachen entwickelt, bis hin zu den Geldmitteln und politischen Systemen?

Nein, dachte ich, wenn man da genauer drüber nachdenkt und zugleich eine di­rekte Verbindung in Form von Parallelwelten kategorisch ausschließt, dann ha­ben wir es hier mit einem verdammt unheimlichen Phänomen zu tun. Normal geht ganz und gar anders.

Es mag ein schwacher Trost sein, dass unsereins natürlich solche Dinge wie Großbritannien und London aus unserer Welt vertraut sind und wir damit leich­ter umgehen können, als wenn da auf einmal völlig fremd klingende Nationen, Städte und Sprachen existierten. Aber erklärungsbedürftig bleibt das nach wie vor… und das ist, neben der Tatsache, dass vielfältige „Erden“ im OSM Hand­lungsschauplätze für die Abenteuer Oki Stanwers und seiner Freunde sind, ein ganz zentraler Grund, warum ich die Erde als „legendären Schauplatz“ benannt habe.

Ihr mögt am Anfang vielleicht die Stirne gerunzelt haben, warum ich einen so vermeintlich unspektakulären und bekannten Schauplatz „legendär“ nannte. Nun seid ihr im Bilde.

Über den nächsten legendären Schauplatz verrate ich hier und heute noch nichts, der Blogartikel liegt ja noch Wochen in der Zukunft. Aber wohin wir in der nächsten Woche reisen, das flüstere ich gern schon mal: es geht wieder um eine der seltenen Kosmologie-Lektionen des OSM.

Viel Vorfreude darauf! Bis bald dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 133, der am 11. Oktober 2017 erscheinen und dieses Buch besprechen wird.

2 Dabei handelt es sich um Menschen aus der 13. OSM-Ebene „Oki Stanwer Horror“ (1982-1985).

3 Diese Totenköpfe stammen von der Erde der 17. OSM-Ebene „Drohung aus dem All“ (1982-1986).

4 Diese Totenköpfe entstammen der Erde der 18. OSM-Ebene „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Scher­gen“ (1984-1989).

5 Zitat aus dem Prä-OSM-Roman „Der stählerne Tod“, ca. 1979, bislang nur handschriftlich, digital partiell er­fasst.

Rezensions-Blog 131: Brennendes Wasser

Posted September 26th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

da sind wir also wieder bei Clive Cussler gelandet… genauer gesagt bei einem seiner erfolgreichen Tandempartner, nämlich Paul Kemprecos, der noch eine ganze Reihe Werke zum NUMA-Kosmos beigesteuert hat. Das hier ist der zweite Band der so genannten „NUMA-Files“, und wie erwartet, geht es wieder richtig zur Sache. Dass meine Rezension dennoch nicht so überzeugend ausfiel wie die zu seinem Erstling neulich („Das Todeswrack“), liegt vermutlich in zweierlei Ur­sachen verborgen: erstens einmal bin ich nun mal, was Cussler angeht und his­torische Zusammenhänge dazu, ein recht kritischer Leser. Und zweitens ist dem Buch anzumerken, dass es deutlich zügiger als der Erstling geschrieben wurde. Mit der unschönen Konsequenz, dass da einige Sachen hinten runterfallen bzw. zu kurz dargestellt werden. Das Buch hätte sicherlich hundert Seiten mehr In­halt gebrauchen können und ein solides wissenschaftlich-historisches Korrefe­rat.

Nun, man kann den Roman natürlich auch so lesen, wie ich unten schreibe. Amüsant ist er allemal, und wenn man selbst historisch nicht sattelfest ist, ent­gehen einem vermutlich die ganzen Wischiwaschi-Details dieses Buches. Aber um euch davon selbst ein Bild zu machen, lasse ich mal die Rezension selbst sprechen:

Brennendes Wasser

(OT: Blue Gold)

Von Clive Cussler & Paul Kemprecos

Blanvalet 35683, 2002

480 Seiten, TB

ISBN 3-442-35683-0

Aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild

Da ist er also, der zweite Roman mit Cusslers „neuen Helden“, dem hünenhaf­ten, weißblonden Kurt Austin und seinem kleineren, kompakteren Kompagnon mit mexikanischen Wurzeln, Joe Zavala. Der Leser entsinnt sich, die beiden Hel­den in ihrem Erstling „Das Todeswrack“ kennen gelernt zu haben, wo sie im Mittelmeer einer Meeresarchäologin das Leben retteten und so auf die Spur ei­nes bruderschaftlichen Geheimbundes kamen, der strikt alle Indizien vernich­ten wollte, die darauf hindeuteten, dass es jemals zwischen der Alten und der Neuen Welt kulturelle Kontakte gegeben hatte, und zwar vor Christoph Kolum­bus. Witzig genug – dies führte letzten Endes zur Entdeckung von Kolumbus´ verschollenem Grab in der Unterwelt von Guatemala. Wie ich schon jüngst an­lässlich des Romans sagte: solch ein Auftakt macht natürlich neugierig auf weitere Bände der Serie der so genannten „Numa Files“. Dies hier ist der zweite.

Die Geschichte beginnt mit einem Cussler-typischen Vorspann, diesmal im Jahre 1991. Die schöne, junge Professorin Francesca Cabral ist von ihrer Heimat Brasi­lien aus unterwegs mit dem Flugzeug zu einem Umweltkongress in Kairo, wo sie ein revolutionäres neues Verfahren vorstellen will, das ein drängendes Mensch­heitsproblem lösen wird – bedauerlicherweise erweist sich, dass die neuen Pilo­ten der Crew Handlanger einer kriminellen Organisation sind, deren Ziel in Fran­cescas Kidnapping besteht. In der Konsequenz des sich im Flugzeug entspan­nenden Kampfes führt diese Veränderung der Situation allerdings dazu, dass ihr Flugzeug mit allen Insassen mitten im venezolanischen Urwald abstürzt und nie­mand mehr wieder von ihr hört.

Im Jahre 2001 erleben wir dann den Beginn der Haupthandlung und sogleich den rasanten Auftritt von Kurt Austin und Joe Zavala, die ein neues experimen­telles Rennboot bei einem Bootsrennen vor San Diego testen. Kurz vor dem Ende rast die Rennbootphalanx allerdings in eine Herde von toten Walen und löst ein einziges Chaos aus, in dem allein Austins Wagemut eine noch größere Katastrophe verhindert.

Anschließend ist er jedoch neugierig, was es mit den toten Tieren auf sich hat und entdeckt, dass sie offensichtlich an den Folgen extremer Erhitzung gestor­ben sind, was ihm einigermaßen rätselhaft vorkommt – und das ist alles erst der Anfang. Die Fährte führt nämlich nach Mexiko in eine Tortilla-Fabrik (kein Witz!), wo sie zudem ein geheimes Forschungslabor entdecken, das gerade während ihrer Entdeckung buchstäblich in die Luft fliegt und sie beinahe umbringt. Ein Wrackteil der Station entpuppt sich sodann, und damit wird die Sache noch um einiges rätselhafter, als Bauteil eines so genannten Deltaflüglers der US Air Force aus den frühen 50er Jahren… allerdings eines Deltaflüglers, der offiziell nie gebaut wurde.

Der Leser knobelt an dem Problem herum und fragt sich, wo das wohl alles hin­führen mag. Zu dem Zeitpunkt noch ganz ergebnislos, und das macht die Sache wirklich interessant. Zudem wird man dann auch noch von einem Kapitel stets zum nächsten von der Kurt Austin-Handlungsebene in den venezolanischen Ur­wald verschlagen (die Handlungsebenen alternieren anfangs fast von Kapitel zu Kapitel, nachher bekommt die Austin-Handlung deutliches Übergewicht, und da sind jetzt Seiten und nicht Kalorien gemeint!), wo wir weitere alte Bekannte aus dem ersten Roman treffen: Gamay Morgan-Trout und ihren Mann Paul Trout, ebenfalls beide bei der NUMA angestellt. Sie sind von einem hiesigen Wissen­schaftler namens Dr. Ramirez gebeten worden, sich die Bedingungen der Wasserqualität eines inländischen Flusslaufes in Venezuela anzusehen, um ab­schätzen zu können, ob für die Population der Flussdelphine eine Gefahr be­steht.

Das ist offenkundig nicht der Fall – aber während sie noch bei Dr. Ramirez sind, wird ein Einbaum mit einem toten Eingeborenen angetrieben, der eine seltsam blauweiße Körperzeichnung trägt. Ein so genannter „Chulo“, ein Angehöriger ei­nes sehr zivilisationsfeindlichen Indiostammes, den man auch „Geisterindianer“ nennt. Angeblich wird der Stamm von einer weißen Göttin regiert, was einiger­maßen unglaubwürdig scheint. Aber der Tote, der erst gefoltert worden zu sein scheint, um anschließend durch einen Schuss getötet zu werden, hat ein paar sehr beeindruckende technische Hilfsmittel dabei, unter anderem einen Bogen aus Aluminium. So etwas macht Gamay und Paul natürlich schon neugierig… aber ihr folgender Besuch bei den Chulo ist mehr ein Unfall, der einiges zu tun hat mit Biopiraterie, skrupellosen Pharmakonzernen und Mord und Totschlag.

Derweil verfolgen Kurt Austin und sein Gefährte Joe Zavala die Fährte in Mexiko weiter und landen bei einem Liebhaber alter Duellpistolen (ganz wie Kurt) – dummerweise ist der Mann namens Enrico Pedralez nicht nur Besitzer einer Tortilla-Fabrik, sondern auch Banden- und Drogenboss im Grenzgebiet zu New Mexiko, und er steht im Ruf, jeden, der ihm seltsam kommt, kurzerhand umzu­bringen, auch einen Gringo.

Und Pedralez ist immer noch nicht die Spitze des Eisbergs, sondern nur ein weiterer Mosaikstein, der letztlich zu einem Moloch führt, der sich „Gokstad“ nennt und von einer skrupellosen Persönlichkeit beherrscht wird, die für ihre Pläne letztlich über Leichen geht, wenn nötig, auch über die Leichen ganzer Na­tionen…

Im Vergleich zu manch anderem Cussler-Buch ist dieses hier eher schmal gera­ten, die Konsequenz besteht dann in lediglich vier Lesetagen. Auch diesmal ist zu konstatieren, dass das Lesen einfach Spaß bereitet, und zwar außerordentli­chen. Es gibt nur wenige Wermutstropfen. Einer ist der Titel. „Brennendes Wasser“ ist wirklich selten dämlich, darum geht es nicht in Wahrheit.1 Es GEHT zwar um Wasser, aber das brennt eigentlich nicht. „Blaues Gold“ wäre also in je­derlei Hinsicht die bessere Übersetzung gewesen (klang dem Verlag aber viel­leicht nicht spannend genug). Auch das Titelbild ist ausnehmend einfallslos.

Dann gewinnt man ein bisschen das Gefühl, der Verfasser habe zu viele Filme gesehen, etwa „Der Smaragdwald“, und zudem ist er zweifelsohne eifriger NA­TIONAL GEOGRAPHIC-Leser. Ich erkannte jedenfalls die im Gamay-Handlungs­strang beschriebene Kunststoffkonstruktion zur Erforschung der Gipfelregion der tropischen Regenwälder recht deutlich wieder – sie fanden sich in Artikeln sowohl im NATIONAL GEOGRAPHIC als auch im deutschen GEO Ende der 80er Jahre. Ähnlich verhielt es sich mit den gigantischen Tafelbergen und dem spek­takulären Wasserfall. Dabei (dieselben Anregungsquellen können angegeben werden) handelt es sich fraglos um den Abglanz der venezolanischen „Zeugen­berge“, der Tepui, zu denen es ein höchst beeindruckendes Buch von Uwe Geor­ge gibt.2 Das ist nicht unbedingt negativ zu verstehen, aber in der Umsetzung war es mir dann doch ein bisschen zu wenig, was die Autoren daraus machen, das hätte definitiv Stoff für schönere Beschreibungen hergegeben.

Und dann kommen wir zu „Gokstad“, jenem verbrecherischen Superkonzern mit seinem sinnigerweise „Walhalla“ genannten Stammsitz und den noch viel ver­rückteren Plänen (mit „Walhalla“ und den nordischen Geschichten hat Cussler es irgendwie. Man erinnere sich an diverse seiner früheren Romane). Die Hauptperson und ihr biografischer Background bleiben letztlich bedauernswert ungenügend. „Nur“ böse, größenwahnsinnig und machtgierig, das ist ein biss­chen wenig, um letztlich überzeugend zu sein. Und was die Kulisse angeht, so ist auch das ein wenig lieblos ausgefallen. Das gilt übrigens allseitig – der Kon­zern benennt sich nach dem legendären Gokstad-Schiff der Wikinger, von dem auch ein 1:1-Nachbau in der Konzernzentrale ausgestellt ist3, und das bekom­men die NUMA-Mitarbeiter schließlich auch heraus. Doch dort, wo sonst Cuss­ler sein Präzisionswissen einbringt, regiert hier ein wenig Halbheit. Da heißt es dann, das Gokstad-Schiff sei „irgendwann im 19. Jahrhundert“ in Norwegen ge­funden worden. Das kann man doch genauer herauskriegen, dachte ich und schlug nach:

Gokstad ist eine südnorwegische Stadt an der Mündung des Oslofjordes und bekannt geworden durch den Fund eben des Gokstad-Schiffes, einer Schiffsbe­stattung aus der Wikingerzeit. Das Schiff selbst ist 23,8 Meter lang und 5 Meter breit mit einem Tiefgang von 1,1 Metern. Es wurde in einem Grabhügel bei Gokstad samt dem Toten im Jahre 1880 ausgegraben und ist heute im Museum von Bygdöy bei Oslo. Was im Roman ebenfalls richtig (aber nur vage) erwähnt wurde, ist die Tatsache, dass ein Nachbau dieses Schiffes von Norwegen nach Amerika segelte und damit die transatlantische Seetüchtigkeit nachdrücklich unter Beweis stellte. Das fand im Jahre 1893 statt und brachte damals eine nor­wegische Delegation zur Weltausstellung von Chicago.4

Ich meine, wenn ICH solche Daten schon herauskriegen kann, dann muss man doch konstatieren, dass entweder Verlag, Übersetzer oder aber die Verfasser hier ganz schön geschlafen haben, ganz zu schweigen von dem vielen inter­essanten Detailwissen, was solche Romane (nicht zuletzt den Erstling!) erst so faszinierend machte.

Auch dem Zufall wird an manchen Stellen doch erheblich nachgeholfen, manch­mal auf interessante, fast tapsige Weise (etwa bei dem Handlungsstrang, in dem es dann um den alten Piloten des Deltaflüglers geht), etwas plumper bei den beiden serbokroatischen Killern, die sich im Bosnienkrieg als skrupellose Mörder und Folterer einen Namen gemacht haben und sadistisch ihre Opfer liquidieren.

Man kann aber dem Roman auf der anderen Seite dann auch zugute halten, dass er durchaus ernste Probleme anspricht. Da ist beispielsweise das Thema der Biopiraterie im südamerikanischen Urwald, das nicht nur anno 2002 ein Problem war, sondern auch heute noch ist. Da ist das Thema des globalen Wassermangels, verbunden mit der damals schon hellsichtig scheinenden Kritik, was für Gefahren eine leichtfertige, allein aus kurzfristigem monetärem Blickwinkel zuwege gebrachte Privatisierung etwa der Wasserversorgung in sich birgt. Das ist meines Erachtens heute mehr denn je ein ernstes Problem, und es scheint durchaus möglich, dass es in weiteren Romanen dieser Reihe noch in dieser Richtung entsprechende Weiterungen geben wird.

Ansonsten konstatiere ich, dass der „Zweitling“ an den Erstling definitiv nicht herankommt… aber der wirklich trockene Wortwitz ist schon die Lektüre defini­tiv wert (goldig die Szene, als eine Hauptperson fassungslos Kurt Austin fragt, wo er wohl herkomme, und er lakonisch bemerkt: „Mit dem Bus.“ Wobei man dazu sagen sollte, dass diese Begegnung in einem Unterwasserlabor stattfindet – dennoch sind seine Worte die reine Wahrheit). Doch, es gibt eine Menge zum Lachen in dem Werk, unstrittig. Und wer sich nicht um die historischen oder sachlichen Fakten so sehr schert, wird hier zweifelsohne gut unterhalten.

Kann man lesen, macht durchaus Spaß.

© 2012 by Uwe Lammers

Ein Cussler-Roman zum Abgewöhnen? Nein, würde ich so jetzt nicht sagen wol­len. Der hier ist durchaus lesenswert. Die üblen Romane kommen ja erst noch.

Auch den Roman, den ich in der kommenden Woche an dieser Stelle präsentie­ren möchte, kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen. Und wer – im Gegen­satz zu mir – Rudyard Kiplings Werk gut kennt, wird sicherlich eine ganze Reihe Aha-Effekte erleben. Doch auch sonst ist dieses Werk, das in den 1890er-Jahren in Indien und Tibet spielt, eine famose Sache, die mir großen Spaß bei der Lektüre bereitet hat.

Neugierig geworden? Gut so. Und ich mache euch den Mund noch wässriger mit einem berühmten Namen: Sherlock Holmes.

So, damit aber genug verraten für den Moment. In der kommenden Woche seid ihr schlauer. Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen…

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich muss dabei an griechisches Feuer denken. Das kommt im Roman zwar AUCH kurz vor, aber für die Haupthandlung spielt es eigentlich keine Rolle. Als Titel taugt es gar nicht.

2 Vgl. Uwe George: Inseln in der Zeit, Hamburg 1993 (4. Auflage).

3 Unsympathisch fiel mir auf, dass „Gokstad“ durchgängig als „Gogstad“ falsch geschrieben wird. Ich denke, das ist ein Lektoratsfehler. Aber soviel Präzision hätte doch wirklich schon sein können.

4 Vgl. Glyn Daniel: Enzyklopädie der Archäologie, Bergisch-Gladbach 1996, S. 177. Hier wird freilich der Ort ebenfalls falsch geschrieben, diesmal als „Gokstadt“. Aber das Buch wimmelt leider sowieso von Druckfeh­lern. Die Fakten selbst sind indes präzise.

Wochen-Blog 238: Work in Progress, Part 55 – Der OSM im Juni 2017

Posted September 24th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

tja, die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man ja landläufig, und da stimme ich gern zu. Indes, so allmählich macht mir die „Durststrecke“ der Kreativität, die durch anderweitige zeitraubende Verpflichtungen sozusagen aufgezwungene, doch sehr zu schaffen. Und ich weiß auf der anderen Seite natürlich sehr gut, dass ihr als meine Leserschaft nach meinen nächsten E-Books hungert… glaubt mir, wir ziehen da sehr am gleichen Strang.

Der Monat Juni hat sich also, wie ihr euch nach dieser wenig optimistischen Vorrede wohl schon denken könnt, nicht wirklich so entwickelt, wie ich das ge­plant hatte. Der Juli bietet da mehr Potenzial, da eine Reihe von Urlaubstagen mich in die Lage versetzen sollte, kreativ etwas aufzuholen. Ihr erfahrt Näheres dazu dann im Blogartikel 243, versprochen. Heute also die übliche Rückschau auf den Monat Juno:

Blogartikel 234: Work in Progress, Part 54

Blogartikel 241: Der OSM in Gedichtform (4): Bitter Sun

(Raubgut – Archipel-Story)

(Gashoyys Geschichte – Archipel-Story)

(14Neu 43: Das Synox-Komplott)

(OSM-Wiki)

Kämpfer gegen den Tod – OSM-Roman (Abschrift)

Erläuterung: An der Abschrift dieses Romans von 1997 arbeitete ich schon seit 2015, aber ich schob die Fertigstellung und den Neuausdruck dieses Werkes im­mer wieder vor mir her. Am 11. Juni, buchstäblich dem letzten Tag meines Ur­laubs, bekam ich die Abschrift noch hin.

Der Roman selbst spielt im euch noch nicht zugänglichen KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ (NK) und nimmt einen Handlungsfaden um die Totenkopf-Nation und das rätselhafte interdimensionale Habitat Hohlringland auf, das ich 1995 bald nach Beginn der Serie entdeckte. Da gibt es noch soviel zu erzählen… ich wünschte, ich könnte daran weiterarbeiten. Aber solange mich in dieser Serie der Mammutkomplex um das Baumeister-EXIL HANKSTEYN blockiert, ist das ausgeschlossen. Es kann also noch geraume Zeit dauern, ehe dieser Roman als E-Book vorliegt. Die Abschrift hat mir sehr viele Schwachstellen aufgezeigt, die erst behoben werden müssen, vom strukturell-logischen Anschluss an das, was euch vom OSM bislang bekannt ist, mal ganz zu schweigen. Dies ist also noch ein Langzeit-Projekt in der Warteschleife.

(Tengoor und Malisia – Archipel-Story)

(Wandlungen – Archipel-Story)

(Schatzsucher – Archipel-Story)

(Die Suyenka – Archipel-Roman)

(Die Weghaus-Sklavin – Archipel-Story)

(Lebensweg zweier Teilzeitdirnen – Archipel-Story)

Erläuterung: Diese beiden Titel sind euch noch unbekannt. Sie sind gleichwohl keine neuen Werke. In meinen zahlreichen Kreativkladden hielt ich in früheren Jahren, als ich noch nicht so sehr auf den Computer fixiert war, zahlreiche Ideen fest, davon gehören einige auch in den Archipel. Während meines Urlaubs in der ersten Junihälfte fand ich Gelegenheit, hier auch Abschriften zu leisten, und diese beiden Fragmente gehören dazu.

Es ist aufgrund der Tatsache, dass wesentliche Elemente dieser beiden Frag­mente in anderen Archipel-Werken wiedergekehrt sind, unwahrscheinlich, dass ich sie langfristig vollständig ausarbeite… aber man weiß natürlich nie so recht, vielleicht ändert sich das auch. Jedenfalls liegen hier nun auch digitale Dateien vor, das ist mittelfristig vermutlich nützlich. Ähnlich werden sicherlich in den kommenden Monaten noch so ein paar „Exoten“ aus meinen Kreativkladden auftauchen. Das ist nur eine Frage der Zeit.

(Sarittas Hilflosigkeit – Archipel-Story)

Die magische Waffe – OSM-Novelle (Abschrift)

Erläuterung: Das hier ist ein ausgesprochener Alptraum. Während ich für Serien und Kinofilme rund um Zombies wirklich nicht viel übrig habe, sah das litera­risch gegen Mitte der 80er Jahre noch etwas anders aus. Im KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ (OSH, 1982-1985) beschrieb ich damals etwas, was ich als „magischen Weltuntergang“ charakterisierte, und genau das war es auch.

Der CLOGGATH-KONFLIKT brach über die Erde im frühen 22. Jahrhundert herein und zermalmte die menschliche Zivilisation zwischen zwei magischen Super­mächten: TOTAM einerseits und CLOGGATH andererseits. Und Oki Stanwer un­ternahm den wirklich wahnwitzigen Versuch, beide gegeneinander auszu­spielen… mit katastrophalen Folgen.

Im Vorfeld dieser Auseinandersetzung, bevor der eigentliche reguläre KONFLIKT im Jahre 2123 begann, ereignete sich etwas, was nachher nur noch als „DER TAG“ bezeichnet wurde: die Vernichtung der Grünen Insel Irland. Binnen eines Tages wütete ein ungeheuerliches, quasi-sturmgleiches Phänomen über der In­sel und kostete wirklich jedes Lebewesen auf der Insel das Leben. Zurück blieb eine Höllenlandschaft, die nun von grässlichen Kreaturen bevölkert wurde. Vampirwesen, kannibalistische Weißflora, Säureflüsse, lebende Skelette und alle möglichen anderen Unarten von rätselhaften und mörderischen Kreaturen.

Dieser Roman ist ein Ausflug in die Hölle Irlands nach „DEM TAG“. Zugleich aber auch die Suche nach einem dort verborgenen Schatz, der mit mörderischen Mit­teln ausfindig gemacht werden muss und eine schreckliche Reihe von Überra­schungen in sich birgt. Nichts für Leser mit schwachen Nerven, kann ich ver­sichern, und mir ging schon während der Abschrift der Magen auf Grundeis… ich habe keine Ahnung, wie schnell ich die Überarbeitung in Angriff nehmen werde, aber das ist eher ein mittelfristiges Projekt, da ja die Publikation des CLOGGATH-KONFLIKTS in E-Book-Form ebenfalls schon in der engeren Planung ist (das Cover für Band 1 ist sogar schon fertig montiert).

Also, da kommt was Alptraumhaftes auf euch zu… in den nächsten zwei oder drei Jahren, würde ich schätzen. Hängt von meinem Zeitkontingent ab und von meinen Nerven…

Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee, Teil 12

Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee, Teil 13

Erläuterung: Ja, das ist die abschnittsweise Publikation dieses Romans für das Fanzine „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW). Damit ist schon das gesamte Jahr 2017 abgedeckt. Es geht 2018 aber noch munter weiter. Der Roman ist halt etwas länger. Ihr werdet solche Einträge also noch öfter zu sehen bekommen.

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH (Abschrift))

Erläuterung: Auch hierfür fand ich wieder etwas Zeit. Allerdings nicht wirklich viel. Inzwischen stecke ich mit der Abschrift in Kapitel 6, aber wenn ihr bedenkt, dass ich bei der Reinschrift bereits in Kapitel 37 (von 50) gekommen war, seht ihr, dass noch jede Menge Abschreibzeit investiert werden muss. Der CK ist eben ein verdammt langes Werk. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass ich im Juli ebenfalls hieran weiter abschreiben werde. Von selbst geht das bekanntlich nicht…

Blogartikel 233: 75 Fragmente… und was die Folge war

Blogartikel 235: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XVIII)

(Der Herr der Schwarzen Berge – OSM-Story (Abschrift))

Erläuterung: Das war ein sehr guter Spontanentschluss zum Ende des Monats hin. Auch diese Geschichte, 1993 abgeschlossen und einmal in einem inzwi­schen eingegangenen Fanzine in dieser Fassung publiziert, lag schon eine Weile hier in einer Mappe „auf Halde“ als eines der älteren Annalen-Werke, das ich abschreiben und so in eine digitale Fassung überführen wollte. Jetzt ging ich es an, bekam aber bis zum gestrigen Tag nur die Abschrift selbst fertig, nicht die anspruchsvolle Kommentierung.

Warum ich eine Abschrift kommentiere? Nun, das hat verschiedene Gründe. Ei­ner ist darin zu sehen, dass ich meine eigenen Schreibfehler dokumentiere, wie ich das aus diversen historischen Quellenpublikationen seit vielen Jahren gewohnt bin. Manchmal lerne ich dabei auch etwas über meine eigenen Schreibschwächen, die ich natürlich besitze. Solche bizarren Worte wie „aufok­troyieren“, „terretorial“ tauchen da auf und treiben mir die Schamröte ins Ge­sicht. Das kann so natürlich nicht bleiben.

Ich stehe mit derlei Aussetzern nicht allein da. Andere Autoren verstehen es bei­spielsweise nicht, dass es „je mehr, desto“ heißt (sondern schreiben unverblümt und vielfach „je mehr, umso“) oder sie bringen „niedere“ und „niedrige“ regelmäßig durcheinander. Solche Dinge stelle ich in der Kommentierung meiner Werke dann entsprechend heraus und korrigiere sie.

Außerdem aber, und das ist noch sehr viel wichtiger, entschlüssele ich mit den Anmerkungen kryptische Andeutungen in den Geschichten, die nur ich selbst de­chiffrieren kann. Man muss ja nicht einfach hilflos und wenig erfolgreich rätsel­raten, wenn – in der obigen Geschichte – jemand falsch als „Gonx“ bezeichnet wird. Das ist ein Eigenname, der dort in der langen historischen Überlieferung abgeschliffen wurde. Die Person, die damit gemeint ist, ist der Soogrer Goonex, ein einstmaliger Helfer des Lichts in KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schatten­fürst“ (DSf). Wer außer mir sollte das schon wissen?

Und für die Überarbeitung mache ich da ebenfalls entsprechende Anmerkun­gen, wo ich präzise nachzubessern habe, wo Logiklücken bestehen und dringen­der Beschreibungsbedarf. Das ist in der obigen Story in massiver Form an vielen Stellen der Fall.

Die Geschichte selbst ist ansonsten für euch sicherlich interessant, nicht zuletzt wegen der im Titel genannten Person. Der „Herr der Schwarzen Berge“, nach dessen Grab der Toccer Cotaar in dieser Geschichte sucht, erweist sich als ein le­gendärer KONFLIKT-Krieger – als TK 40112, der mythische Totenkopf-Prophet! Und er ist zwar ein Untoter, aber alles andere als tot, wie der Toccer sehr hand­greiflich erleben muss.

Diese Geschichte zu überarbeiten, das wird mir Vergnügen bereiten. Aber auch in diesem Fall kann ich euch leider noch nicht sagen, wann exakt das sein wird. Zwei Dinge stehen aber schon ziemlich sicher fest: die Geschichte wird deutlich länger werden als bisher, möglicherweise doppelt so lang wie bislang, so dass sie wohl Novellen-Format bekommen dürfte. Und zum anderen ist sie damit sicherlich zu lang für eine meiner Storysammlungen und wird folgerichtig einst als ein separater Band in der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ als E-Book erscheinen. Ob das vor 2019 der Fall sein wird, kann ich noch nicht versprechen. Aber interessant wird das für euch auf alle Fälle, versprochen!

Blogartikel 237: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 47

Nun, und mit diesem buchstäblich in letzter Minute geschriebenen Blogartikel war dann der Monat Juni auch schon Vergangenheit. Zwar habe ich in diesem Monat insgesamt 22 Werke fertig gestellt, aber davon waren, lasst mich kurz kontrollieren, sieben Blogartikel und weitere 9 Rezensionen. Wie ihr seht, bleibt da nicht wirklich viel übrig.

Deshalb – nein, der Monat Juni war, Urlaub hin oder her, nicht wirklich ein höchst erfolgreicher Monat, sondern allenfalls einmal Durchschnitt. Bedauer­lich, ja, aber so sehen meine Monate eben aktuell aus. Ich hoffe sehr darauf, dass sich im September 2017 der Wind dreht, aber das hängt selbstverständlich davon ab, wie sich meine berufliche Situation weiter entwickelt.

In der kommenden Woche blättere ich mit der Rubrik „Legendäre Schauplätze“ wieder einen Ereignisraum des OSM auf, der euch interessieren dürfte, zumal er sehr vertraut ist… wenigstens auf den ersten Blick. Heißt er doch ganz lapidar „Erde“. Aber die Erde in verschiedenen Universen hat sehr verschiedene Gesich­ter… ihr werdet das erleben. Freut euch darauf, das wird ein echtes Abenteuer, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 130: Illuminatus! Band 1: Das Auge in der Pyramide

Posted September 20th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es gibt verschiedene Bücher, die ich mehrmals zu lesen begann, sie aber im er­sten Anlauf nicht zu bewältigen verstand. Leseabenteuer… das kann einem mit jedem x-beliebigen Buch so gehen. Aber üblicherweise beiße ich mich durch die Lektüre durch. Das ist ja auch bei wissenschaftlichen Werken so, die mir unge­achtet meiner Ausbildung bisweilen arges Stehvermögen abnötigen.

Dann wieder gibt es Werke, bei denen ich das stete Gefühl habe, dass sie mich reizen und reizen und reizen… und mit denen ich gleichwohl nicht sofort warm werde. Ein solches Buch ist, auf den ersten Blick wenigstens, die Illuminatus!-Trilogie. Als ich durch einen schönen antiquarischen Zufall die Trilogie in einem dicken Wälzer preiswert in die Finger bekam, mehr als tausend Seiten stark und sehr schön aufgemacht, da entschied ich: Jetzt ist es an der Zeit, einen zweiten Anlauf zu wagen.

Ja, denn einen ersten hatte es mehr als zwanzig Jahre zuvor schon mal gegeben, als ich noch in Wolfsburg lebte und einen ziemlich kläglich-engen Lesehorizont besaß. Inzwischen war ich deutlich weiter und dachte mir, sowohl mit einem abgeschlossenen Geschichtsstudium in der Tasche als auch weit gefächerten Le­seinteressen, ganz zu schweigen von Tausenden von Büchern, die ich zwischen­zeitlich gelesen hatte: Nu isses Zeit. Nu wollen wir uns mal dem harten Brocken stellen.

Um es kurz zu machen: Es war auch diesmal eine Anfechtung, aber ich wage zu prognostizieren, dass, wer immer sich bis Seite 100 des Romans durchgebissen hat, mit der Lektüre wohl kaum mehr wieder aufhören kann. Und ihr kennt mich, ich stufe so etwas als klares Qualitätskriterium von Büchern ein.

Es wird aber auch wirklich ein bizarrer Mix aus historischen Fakten, munterer Erfindung, wahnhaften Verstrickungen und Manipulationen erzählt, die schlussendlich fast in den Dritten Weltkrieg abdriften. Ich glaube, wenn Wilson & Shea heutzutage noch solche Romane schreiben würden, dürften die Comics und Co­micverfilmungen als Ingredienz nicht fehlen, das würde alles noch schriller ge­stalten. Aber es ist auch so schon abenteuerlich genug.

Bereit für ein extraordinäres Leseabenteuer? Na, Freunde, dann schnallt euch mal an, und ab geht die Post mit dem yellow submarine (wobei durchaus nicht nur die Beatles grüßen lassen, aber die natürlich ganz besonders):

Illuminatus!

Band 1: Das Auge in der Pyramide

(Illuminatus! – The Eye in the Pyramid)

von Robert Anton Wilson & Robert Shea

Kailash, Hugendubel 2002

336 Seiten

Erstausgabe: 1978

Übersetzt von Udo Berger

Seid ihr bereit für den totalen Trip? könnte man in einer ironischen Abwandlung eines Zitates von Joseph Goebbels sagen, für eine extraordinäre Erfahrung im Sinne eines Buches, das vorgibt, die Weltformel gefunden zu haben und die Er­klärung für so rätselhafte Dinge wie da etwa sind: der Mord an John F. Kennedy, die Regierungskrise auf dem Eiland Fernando Poo vor der afrikanischen West­küste, Adolf Hitlers triumphalen Aufstieg zur Macht, das Pyramidensymbol auf der amerikanischen Dollarnote, sprechende Delphine, ein yellow submarine, den wahren Grund für den Tod des Gangsters Dillinger, die tieferen Wahrheiten hinter den Freimaurern, H. P. Lovecrafts frühen Tod, die Funktion der UNO, die Tempelritter und ihre Widersacher um den Alten vom Berge usw. usf… seid ihr dafür bereit? Dann auf ins Abenteuer:

Irgendwann (man schreibt etwa das Jahr 1975, Watergate ist schon gewesen, aber noch nicht so richtig vorbei – aber auch die Gründung und Zerschlagung des Illuminaten-Ordens im Jahre 1776 bzw. 1785 ist hier noch nicht vorbei, warum nicht, das wird gleich erklärt – und Jimmy Carter bereits an der Regie­rung) explodiert in den Büroräumen der linksgerichteten Zeitschrift Confronta­tion in New York City eine Bombe. Sie richtet nur Sachschaden an, denn die Re­daktionsräume sind leer. Chefredakteur Joseph Malik und sein Chefkorrespon­dent George Dorn sind verschwunden. Die ermittelnden Beamten der New Yor­ker Polizei, Barney Muldoon und sein steinalter Gefährte Saul Goodman entde­cken stattdessen eine ganze Reihe von Memoranden, die Malik offensichtlich über kryptische Zusammenhänge mit einem uralten Geheimbund informieren sollten.

Der Geheimbund, um den es geht, sind die Bayrischen Illuminaten, gegründet von Adam Weishaupt im Jahre 1776, verboten 1785. So steht es in der Encyclo­pedia Britannica. Aber vielleicht, so legen andere Memoranden nahe, ist das auch nicht die ganze Wahrheit und alles geht ein paar Jahrhunderte weiter zu­rück auf Hassan i Sabbah, den Alten vom Berge, der die Sekte der Assassinen gründete. Doch wie passen die UNO, die Chinesen, Adolf Hitler, Außerirdische von der Venus, Atlantis, ein geheimes Königreich in einer gigantischen unterirdi­schen Höhlenwelt unter dem Himalaja und George Washingtons Hanfplantage in diese Geschichte hinein (dies ist übrigens eine höchst unvollkommene Auflis­tung! Warnung! Ich habe stark vereinfacht)?

Je mehr sich die beiden Polizisten mit den anfangs sehr wirren Dingen beschäf­tigen, desto klarer wird ihnen, dass nur Joe Malik hier Sinn hineinbringen kann. Aber Malik ist spurlos verschwunden. Und dann verschwinden auch noch die beiden Polizisten und werden via Drogen einer Art von Gehirnwäsche unterzo­gen.

Derweil erhält der stellvertretende Redakteur des Confrontation, der in einem Ausweichquartier die Stellung hält (aber auch nicht Bescheid weiß) einen Anruf von George Dorn. Befragt, wo er sich gerade aufhalte, erklärt Dorn, er sei von freimaurerischen Sturmtruppen aus dem Gefängnis von Mad Dog, Texas, befreit worden, wo er den Mörder von John F. Kennedy getroffen habe. Inzwischen be­findet sich Dorn aber an Bord der LEIF ERICKSON, einem gigantischen gelben Unterseeboot des einstigen Rechtsanwalts und jetzigen Piraten und Esoterikers Hagbard Celine (ein Norweger, der eigentlich mehr wie ein Sizilianer aussieht und dies unter anderem auf seine genetischen Stammbäume zurückführt, die bis in die Zeit des alten Atlantis vor 10.000 Jahren zurückreichen) auf dem Grunde des Atlantiks, auf dem Weg zu dem legendären, untergegangenen Kon­tinent, wo sich eine goldene Pyramide mit einem Auge darin befindet, die gera­de von Tieftauchrobotern der Illuminaten geplündert werden soll.

Denn, so vertraut Hagbard George an, die Illuminaten sind nach wie vor aktiv, keineswegs ausgerottet oder dergleichen. Sie haben, angefangen mit der Fran­zösischen Revolution und endend mit der Errichtung des amerikanischen Penta­gon, immer noch ein und dasselbe Ziel: die Beherrschung der Menschheit durch ihre Strohmänner, ob die nun Ku-Klux-Klan, Tempelritter, UNO, Kommunisten, Kapitalisten oder Verbrechersyndikate sind oder vermittels religiöser Sekten wie der des Aga Khan oder über den des chinesischen sozialistischen Sonderweges zustande komme, ist vergleichsweise egal. Die Illuminaten sitzen überall.

Hagbard Celine jedoch ist dabei, die inzwischen seit 59 Jahrhunderten aktiven Langzeitpläne der Illuminaten zu durchkreuzen, die dummerweise auf den Dritten Weltkrieg hinzielen. Und das hängt wiederum mit einem kleinen Eiland namens Fernando Poo zusammen und auch einem britischen, paranoiden Geheimagenten mit der Kennziffer 00005…

Wer da eben ein wenig den Anschluss oder den Überblick verloren haben soll­te, lasse sich beruhigen: es ging dem Rezensenten nicht anders, und es ist schon fast zu bedauern, dass er DOD1 ist oder besser DDA.2 Manch einer mag be­haupten, dieses Buch sei ohne eine ordentliche Dosis Hasch nicht zu verstehen, und möglicherweise hat er nicht ganz unrecht.

Ich neige indes dazu, Bücher mit klarem Verstand zu lesen, um die Fakten von dem zu scheiden, was an Phantastereien darin steckt. In dieser Beziehung gab mir das vorliegende Buch allerdings gehörige Probleme auf. Es ist eine Melange, bei der man einfach kaum entscheiden kann, wo die Phantasie beginnt und wo sie aufhört.

Überdies ist der zeithistorische Kontext gestört. Das bedeutet, dass viele, viele Anspielungen auf Personen gemacht werden, die um 1975 politisch oder wirt­schaftlich von Bedeutung waren, häufig gibt es Vergleiche von Handlungsperso­nen mit damals lebenden Menschen (was mir spontan einfällt, war etwa der optische Vergleich eines Protagonisten mit dem damals amtierenden Papst Paul VI. Nun ist der gestorben, als ich noch ein relativ kleines Kind war, ich könnte also nicht sagen, wie er aussah. Infolgedessen sagt mir diese Beschrei­bung wenig).

Weiter erschwert wird die Sache durch die Sprünge. Das bedeutet, wenn man hier auf normale Kapitelblenden fixiert ist, erleidet man so kläglich Schiffbruch, wie ich einst etwa 1982 Schiffbruch erlitt, als ich das Buch zum ersten Mal zu le­sen versuchte. Es erschien mir damals schlicht UNLESBAR, und wenn man nicht eine Menge Grips, Informationen und Geduld besitzt, mag es das tatsächlich sein. Es gibt kein Personenverzeichnis, und selbst wenn alle Handlungspersonen (die bisher bekannt sind, es kommen laufend welche dazu, und bisher sind nur höchst wenige verstorben) endlich aufgetaucht sind, wird die Geschichte nicht einfacher, denn… nun…, sagen wir es mal so: sie verwandeln sich. So kommt es etwa vor, dass sich George Dorn auf einmal im Kopf von Saul Goodman wieder­findet bzw. dieser Bewusstseinstransfer für einen Transfer der Perspektiven ge­nutzt wird. Erklärt wird er in den seltensten Fällen. Manchmal murmeln die Au­toren hier etwas von Telepathie.

Dann sind da die chronologischen Sprünge.

George Dorn erinnert sich beispielsweise, während er im Gefängnis sitzt oder im U-Boot unterwegs ist, an seine anarchistische Kindheit (bedingt durch die anarchistischen Eltern, was einen Exkurs in den Trotzkismus erforderlich macht), an seine studentischen Unruhezeiten, an die Bekanntschaft mit Joseph Malik. Von da kann aber die Handlung aus, sagen wir, 1968, ganz jählings ins Jahr 1932 umschlagen und sich mit dem Verbrecher John Dillinger beschäftigen. Oder mit H. P. Lovecraft und der Miscatonic University. Oder mit einem afrikani­schen Medizinmann, der Nadeln in die Körper des Präsidenten der USA und der Staatsratsvorsitzenden der UdSSR und Chinas sticht, worauf diese an Voodoo-Schmerzen zu leiden beginnen (etwa 1975, vor der Fernando-Poo-Geschichte). Manchmal findet sich der Leser auch übergangslos im Jahr 1776 wieder. Oder im Jahre 1943, während die Krematorien der Nazis rauchten. Oder in der Ge­meinschaft mit einem singenden, hochintelligenten Delphin namens Howard, der mit Hagbard Celine gegen die Illuminaten zusammenarbeitet…

Das Muster ist kein Muster, es ist nicht vorhersagbar, was wann wo eingeblen­det wird, wo man sich auf der nächsten Seite befinden wird und was für Entde­ckungen die handelnden Personen und der Leser machen werden. Das ist für einen Leser, der einen konstanten Handlungsfluss erwartet, eine enorme An­fechtung und Beanspruchung. Ich schweige mal davon, dass man eigentlich alle möglichen Nachschlagewerke zu Rate ziehen sollte (inklusive solchen über Kabbalistik, Schwarze Magie, Zahlenmystik und Schöpfungskulte, Biowaffen, internationale Politik der 70er Jahre, die Prohibitionszeit und das Gangsterunwesen in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts… und die Freimaurerei), um einen Großteil der erwähnten Details zu erschließen. Das muss man sich wohl für das zweite und dritte Lesen aufsparen.

Ich empfehle den interessierten Lesern – und jeder, der für intelligente Phantas­tik schwärmt und sie sucht, sollte Illuminatus! mal gelesen haben, es ist ein wunderbares Training für die Lachmuskulatur! – , vielleicht als „Trockenübung“ vorweg Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco zu lesen, das eine ähnliche Geschichte erzählt. Doch während Eco bierernst eine weltweite Verschwörungs­geschichte zu erzählen sucht und dabei unvermittelt seine Protagonisten auf eine WIRKLICHE Verschwörung stoßen lässt, was eine Katastrophe auslöst, ist Il­luminatus! einfach nur köstlich. Nicht genug damit, dass die Autoren die Welt­geschichte, die Geheimbünde und vieles andere mehr auf die Schippe nehmen, nein, sie verschonen auch sich SELBST nicht!

Auf Seite 265 findet der geneigte Leser den Ansatz einer Selbstrezension des Buches, die folgendermaßen vom fiktiven Rezensenten namens Wildeblood be­gonnen wird: „Es ist einfach ein grässliches Monster von einem Buch… Die bei­den Autoren halte ich für völlig inkompetent – nicht eine Spur von Stilgefühl oder für Gliederung. Es fängt als Kriminalroman an, springt dann über zu Science Fiction, gleitet anschließend ab ins Übernatürliche und ist überladen mit den ausführlichsten Informationen über Dutzende von entsetzlich langweiligen Themen. Zudem ist der Zeitablauf völlig durcheinander, was ich als eine anma­ßende Imitation von Faulkner und Joyce werte. Am allerschlimmsten aber ist, es hat die obszönsten Sexszenen, die du dir vorstellen kannst. Ich bin sicher, dass es nur deshalb verkauft wird…“ Das geht noch ein bisschen so weiter, aber ich schweige hier. Ich habe jedenfalls vor Lachen schier am Boden gelegen.

Die Autoren sind unheimlich selbstironisch, und manchmal, wenn die Sache gar zu heftig wird, fragt man sich wirklich, ob nicht nur Adam Weishaupt „stoned“ sein musste, um den Illuminaten-Orden 1776 zu erfinden, sondern auch die Er­schaffer dieser völlig bizarren Welt. Sie macht jedoch einfach nur Spaß und ist unglaublich unterhaltsam. Selten ein so köstliches Buch gelesen. Ich freue mich schon auf die beiden Folgebände.

© 2003 by Uwe Lammers

Na, habt ihr den Kopf wieder ordentlich durchgelüftet, Freunde? Das war not­wendig, glaube ich. Und es tut gut, in der nächsten Woche einfach in einen gu­ten, soliden Abenteuerroman der jüngeren Vergangenheit abzutauchen. Es geht wieder hinüber zu Clive Cussler. Lasst euch mal überraschen, welches Buch ich euch da diesmal vorstellen werde.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe

 

1 „Dauerhaft ohne Dope“

2 „Dauer-Drogen-Abstinent“

Liebe Freunde des OSM,

also, wenn ich mir das so anschaue, wie der Monat März 2012 aussieht, in den ich euch heute entführe, dann muss ich doch immer wieder seufzend sagen, dass 2012 ebenso wie 2011 ein tolles Jahr war, bezogen auf meine sprudelnde Kreativität im Rahmen des Oki Stanwer Mythos.

Noch immer kämpfte ich mich durch schier endlose Listen kommunaler Amts­träger in meinem Büro im Staatsarchiv Wolfenbüttel und suchte die unkartierte Vergangenheit der lokalen Hierarchiegeschichte zu durchdringen. Doch das tat ich nur drei Tage in der Woche, die restlichen vier Tage tobte hier das kreative Schriftstellerleben – und es gab zwei ganz wesentliche „Ablenkungen“ noch nicht: mein E-Book-Programm, das erst 2013 wirklich starten sollte, und die Möglichkeit, von daheim via Internet-Streaming Filme und Serien anzuschauen. Das begrenzte doch die Ablenkungen ganz massiv. Entsprechend vielseitig ging es zur Sache.

Im März 2012 arbeitete ich unter anderem an einem Glossar des KONFLIKTS 17 „Drohung aus dem All“ (1983-1986), das ich noch nicht fertigstellen konnte. Ich intensivierte die Arbeit an dem langen OSM-Roman „Eine scharf geschliffene Waffe“ und schrieb an dem dazu gehörigen Glossar weiter. Auch im Glossar des KONFLIKTS 2 „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (begonnen 2003) kam ich etwas voran. Und dann war da noch das Glossar für KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (1984-1989).

Eine Stippvisite erfolgte in der Archipel-Geschichte „Waldmenschen“, die ich damals – wenig überraschend – noch als „Story“ klassifizierte. Inzwischen hat allein das Fragment schon mehr als 100 Seiten… da kann von Story natürlich keine Rede mehr sein.

Ich jettete kurz durch KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ (begon­nen 1989), ohne hier allzu weit zu kommen. Deutlich weiter gelangte ich bei KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ (begonnen 2006), wo ich die Epi­sode 3 „Reise am Rand der Welt“ vollenden und Band 4 („Schmelztiegel Shal­lakhon“) beginnen konnte, übrigens ebenso Band 5 („Am Großen Strom“). Da­nach aber riss es mich, wie schon im letzten Teil dieser Artikelserie angedeutet, hinüber zu den Rettungsabschriften der rein analogen Episoden des KONFLIKTS 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (begonnen 1988), wo ich teils ab­schrieb, teils neu formatierte und ausdruckte. Ergänzt wurde das, fast unver­meidlich, durch das entsprechende Serienglossar.

Im April desselben Jahres ging das munter in dieser Reihung weiter: Glossarar­beiten für laufende Serien, namentlich KONFLIKT 21, Neuformatierungsarbeiten derselben OSM-Ebene, aber auch neue Episoden für FvL entstanden, insbeson­dere der Band 38 „Schlechte Nachrichten“ und 41 „Aufstand der Totenköpfe“.

Dass ich wirklich eine Menge Zeit hatte, merkt man auch daran, dass ich neben­bei noch die Abschrift meines ersten Archipel-Romans in Angriff nahm: „Die drei Strandpiratinnen“. Viel Zeit brauchte ich dafür in der Tat, waren es doch immerhin rund 300 anderthalbzeilige Textseiten. Nichts, was man eben so aus dem Ärmel schüttelt, da stimmt ihr mir sicherlich zu.

Tja, und wegen der Fixierung, die wesentlich auf KONFLIKT 21 und damit die Galaxien Leucienne und Bytharg fokussierte, war dann der Monat flugs auch schon wieder vorüber. Ich konnte es selbst kaum fassen, und das Endergebnis des Monats – 21 fertig gestellte Werke! – liest sich für heutige Verhältnisse fast utopisch. Heute bin ich mit der Hälfte schon zufrieden… und das sind dann oft­mals nur Rezensionen. Seufz.

Ihr versteht, warum ich dieses Jahr 2012 so toll fand, nicht wahr?

Der Mai wurde noch heftiger. Endergebnis? 32 fertige Werke! Nicht nur, dass ich am 23. Mai „Die drei Strandpiratinnen“ abgeschrieben hatte und zwei Tage später das Glossar dazu vorlag, ich entdeckte fernerhin nun andere Fronten, an denen ich eifrig zu arbeiten begann. Wie sah das genau aus? So:

Auch in KONFLIKT 2 „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ hatten sich alte For­matierungen sedimentiert. Also schritt ich auch hier zur Neuformatierung. Das­selbe galt für den geheimnisvollen KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ (begonnen 1989), wo ich zunächst die 30er-Bände in Angriff nahm und mich – allerdings im gleichen Monat – dann um die Abschriften der frühen Bände zu kümmern anfing.

Es kann kaum verwundern, dass ich an beiden „Fronten“ gute Erfolge erzielte. Üblicherweise begann mein Tag damit, ein paar Seiten abzuschreiben, dann ar­beitete ich in Wolfenbüttel, kehrte heim, hörte Musik und machte quasi nahtlos dort weiter, sofern nicht Einkäufe oder ähnliches eine Abweichung vom Tages­plan notwendig machten.

Mit der Archipel-Story „Die goldene Verlockung“ machte ich am 11. Mai 2012 eine beginnende Stippvisite in der abenteuerlichen Zeit nach dem „Verräter­sommer“, über den ich im dritten Rhonda-Roman schreiben werde. In gewisser ironischer Weise ist das also „science fiction“ im Archipel, aber sehr bodenstän­dig einerseits und sehr erotisch andererseits… wie das bei allen Archipel-Ge­schichten der Fall ist. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte: es sollte just an diesem Tag der vorletzte Geburtstag sein, den mein Vater in sei­nem Leben erleben würde. Das ließ sich nicht abse­hen, auch wenn es ihm gesundheitlich nicht wirklich gut ging.

Im Anschluss versuchte ich – wenig erfolgreich – , zurück in den KONFLIKT 21 zu gelangen, strandete stattdessen aber bei den Abschriften aus KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“. Es war eindeutig nicht die Zeit für Leucienne, nicht in diesem Monat.

Der Slalomkurs führte stattdessen wieder in den Archipel zurück, wo ich an dem damals schon voluminösen Roman „Die neue Strafe“ weiterarbeitete. Wenig später schlitterte ich in die Archipel-Geschichte „Shayas Bestimmung“ und in den weiteren Archipel-Roman „Vivica auf Abwegen“, an dem ich schon seit Fe­bruar 2010 schrieb… hier bezeichnete ich die Geschichte noch vorsichtig als „Archipel-Fragment“… inzwischen ist unübersehbar, dass es sich um einen recht umfangreichen Roman handeln wird.

Tja, und gegen Ende des Monats riss ich mich dann gewissermaßen wieder et­was am Riemen und kehrte in KONFLIKT 28 zurück, um endlich an dem legen­dären Band 50 „MATRIXPEST“ zu arbeiten und noch eine Stippvisite etwas weiter in der Zukunft zu machen, nämlich in Band 56 derselben Serie, mit der Episode „Die Mauern der Offenbarung“.

Inwiefern war Band 50 der Serie „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ nun legendär? Das kann ich ganz schlicht begründen, und wer schon etwas mehr von der OSM-Kosmologie weiß oder eben den Roman „Mein Freund, der Totenkopf“ gelesen haben sollte, dem lässt folgende Bemerkung vielleicht auch ein paar Eisstücke den Rücken herunterrieseln: am 4. Oktober 1999 soll die Welt untergehen, jedenfalls in KONFLIKT 28, und zwar deshalb, weil ein Phänomen kommt, das man den RAND nennt.

Nun, DSj 50 spielt genau am 4. Oktober 1999.

Der RAND erreicht die Erde, und was dann passiert, ist einfach nur atemberau­bend und unglaublich grässlich… aber die Dinge verhalten sich nicht ganz so, wie es in den Annalen der Ewigkeit geschrieben steht. Das bekommt der Helfer des Lichts Klivies Kleines mit, als er buchstäblich am nächsten Tag aus den über­fluteten Katakomben von Venedig auftaucht, in einer Welt ohne Menschen… ich sage euch, das ist ein Alptraum ganz besonderer Schärfe, und in diesem Mo­nat fing das alles an.

Wie sich diese kreative Flutwelle im Juni 2012 fortsetzte, erzähle ich euch bei der nächsten Etappe der Artikelserie, bald in diesem Kino…

In der kommenden Woche berichte ich dann aus der Gegenwart und stelle das, was im Juni 2017 geschrieben werden konnte, dem diesmaligen Erfolgsbericht gegenüber.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 129: Die Welten der Science Fiction

Posted September 13th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manche Rezensionen von Büchern sind strikt zeitgebunden oder wenigstens mehrheitlich zeitgebunden. Das gilt immer dann, wenn es sich um Rezensionen handelt, in denen damals noch lebende Personen, die zwischenzeitlich verstor­ben sein können, erwähnt werden. So ähnlich ist das auch mit dem unten vor­gestellten Buch. Das ist nicht das einzige Problem mit dieser 2005 geschriebe­nen Rezension.

Ein weiteres Problem gerade mit diesem Werk ist die Tatsache, dass ich einst­mals den Verfasser persönlich kannte, wir im gleichen Science Fiction-Club Mit­glieder waren (dem Science Fiction-Club Baden-Württemberg, SFCBW), und ich ihn grundsätzlich sehr gut leiden konnte. Solch eine Vertrautheit mit dem Ver­fasser trübt fast immer die Objektivität eines Rezensenten. Und es können dann zwei antagonistische Konsequenzen daraus entstehen: entweder neigt man jo­vial dazu, offensichtliche Fehler des Werkes zu bagatellisieren – was dazu führt, dass der Leser der Rezension ein geschöntes Urteil zu lesen bekommt und, nach Lektüre des Werkes selbst womöglich am Urteilsvermögen und Wert des Rezen­senten zu zweifeln beginnt.

Die zweite mögliche Konsequenz liegt gewissermaßen auf dem gegensätzlichen Ufer: Weil man als Rezensent den Verfasser kennt, maßt man sich unter Um­ständen an, mehr Urteilsvermögen als der Autor zu besitzen und ihm kleinlich Detailfehler anzulasten, die womöglich von diesem gar nicht selbst verschuldet sind. Das kann dann dazu führen, dass der Autor einigermaßen angefressen auf die Publikation der Rezension reagiert.

Mir ist zwar die zweite Konsequenz durchaus zur Last zu legen, wie ihr unten gegen Ende der Rezension merken werdet. Negatives Feedback nach der Publi­kation der Rezi im Clubmagazin Baden-Württemberg Aktuell (BWA) erinnere ich gleichwohl nicht. Heute fühle ich etwas Scham und Verlegenheit angesichts der Kleinlichkeit, mit der ich da unten offensichtlich dem Lektorat anzulastende Un­sauberkeiten in den Kontext der inhaltlichen Schwierigkeiten des Buches ein­reihte. Man könnte meinen, ich sei krittelnd gewesen ob der Krittelei allein.

Das ist so nicht korrekt.

Das Buch selbst, und dafür spricht schon sehr, dass ich die Rezension nach über 10 Jahren dadurch adele, indem ich sie ungeachtet der Fehler in Buch wie auch in der Wertung in der Rezension hier auf dem Blog einmal mehr veröffentliche, das Buch ist in sich strukturell und vom Wissensreichtum eine wertvolle, ver­dienstvolle Arbeit. Dazu stehe ich nach wie vor, und das Buch hat auch weiter­hin einen privilegierten Platz in meiner Büchersammlung. Ich sehe den Tag nicht, da ich es aussortieren werde (wie das mit zahlreichen anderen Werken schon längst geschehen ist).

Nein, Albrecht Fritzsches Sachbuch über die Welten der Science Fiction mag zwar vom Titel und Untertitel her ein wenig in die Irre führen, es mag wichtige Felder der Science Fiction ausblenden (das gilt heute noch in viel stärkerem Maße als vor knapp 20 Jahren, als es erstmals veröffentlicht wurde). Es ist ein Buch, das ich gern und mit Gewinn gelesen habe. Heutzutage, davon bin ich gleichwohl überzeugt, würde Albrecht sicherlich die Sache anders aufziehen, Schauspieler, Regisseure, Verleger und dergleichen in seine Interviews einbezie­hen (aber vermutlich war auf dem WorldCon 1996 einfach die personelle Aus­wahl eingeschränkt). Sicherlich würde auch der Corian-Verlag heute anders vor­gehen und gewiss ein sorgfältigeres Lektorat gewährleisten.

Einerlei – falls euch dieses Buch antiquarisch über den Weg laufen sollte, so empfehle ich euch, zuzugreifen. Es lohnt sich.

Steigen wir ein:

Die Welten der Science Fiction

15 Annäherungen an das erfolgreichste Genre unserer Zeit

von Albrecht Fritzsche

Corian-Verlag, 1998

168 Seiten, TB

ISBN 3-89048-313-5

Wie mag das sein, sich sowohl als Fan wie auch als akademisch Gebildeter, also als Wissenschaftler, einem Genre wie der Science Fiction zu nähern, das zwar mit seinen Wurzeln zurückreicht bis ins ausgehende 18. Jahrhundert (Horace Walpoles „Castle Otranto“ wäre hier zu nennen), in seiner spezifisch techni­schen Ausrichtung aber eigentlich erst seit Mary Wollstonecraft Shelleys „Fran­kenstein oder Der neue Prometheus“ oder den Erzählungen eines Jules Verne als festgelegt gilt. Dieses Buch nun unternimmt den Versuch, sich auf verschiedens­ten Ebenen, nämlich denen der Professionellen, also der Autoren, wie auch auf denen der Fans anzunähern.

Albrecht Fritzsche, den SFCBWlern als Clubmitglied lange Jahre bekannt, hat dabei den Versuch unternommen, auf dem WorldCon 1996 in Anaheim/Los An­geles mittels Interviews, denen kurze erläuternde Texte zu den einzelnen Au­toren und Fans vorangestellt sind, verschiedene Aspekte auszuleuchten und das Genre und seine Wechselwirkung zwischen Mainstream-Literatur, phantas­tischen Spielarten, Filmen, Verlagen und Autoren, Übersetzern, Agenten und eben auch den Fans zu analysieren. Herausgekommen ist ein sehr heterogenes Buch, das allerdings insbesondere für jemanden, der gerne Interviews liest und biografische Fakten über die Schriftsteller nicht so parat hat, bemerkenswerte Vignetten und Ansichten parat hält.

Der Autor gliedert das Buch klassisch in drei Abschnitte. Nach einer arg zu kurz geratenen Einleitung allgemeiner Natur präsentiert er im ersten Bereich „Kunst oder Kommerz“ Interviews mit den Autoren Frederik Pohl, Greg Bear, Joe Hal­deman, Robert Silverberg und John Maddox Roberts, wobei letzteres ein we­nig entgleist – das geschieht deswegen, weil Roberts inzwischen hauptsächlich als Erfolgsautor der im antiken Rom spielenden SPQR-Krimi-Reihe bekannt ist. Folgerichtig redet er auch fast ausschließlich über historische Romane, Krimis und die SPQR-Werke, weitaus weniger über die SF und Phantastik im allgemei­nen, was im Grunde genommen angebracht gewesen wäre.

Ansonsten erfährt der geneigte Leser einiges über den etwas chaotischen, sich im Grunde genommen von einem Kapitel zum nächsten selbst generierenden Schreibstil von Frederik Pohl, etwas über komplexe Plots und Near-Future-Sze­narien bei Greg Bear und Joe Haldemans Ansichten über Krieg (insbesondere den Vietnamkrieg, den er mitgemacht hat) und dessen Interferenz mit der Science Fiction. Sehr schön in diesem Abschnitt ist das Credo Robert Silverber­gs, der trocken zum Schluss des Interviews die Sache auf den Punkt bringt und sagt: „Ich gehe gern zu Conventions, aber ich bin auch froh, dass heute alles zu Ende geht und ich zurück nach Hause fahren kann, zu dem, was ich für mein wahres Leben halte… die Schriftstellerei.“

Der zweite Abschnitt, „Kult oder Kultur?“ finden wir die Erfolgsautoren Kevin J. Anderson & Rebecca Moesta (insbesondere durch ihre AKTE X-Romane und Star Trek-Romane bekannt geworden, doch das ist lange nicht alles) vor, die buchstäblich rund um die Uhr schreiben und damit die Grenze zwischen Manie und Hingebung an den Stoff fließend machen. Ihr Nachbar ist Roger MacBride Allen, der den Umgang mit Fans, wenn sie ihre Leidenschaft übertreiben, für ziemlich problematisch hält. Und die gut gelaunte Connie Willis1 demonstriert nachhaltig, dass sie außerordentlich intensiv an eine positive Zukunft für die Menschheit glaubt, was zweifelsohne eine Menge ihrer guten Laune erklärt und der Vorstellung eine Absage erteilt, SF-Autoren müssten passionierte Schwarz­seher und sinistre „Orakelpriester“ sein, die von Weltuntergängen, Seuchen, Re­volutionen, Invasionen und Schlimmerem schreiben.

Mr. Science Fiction, der steinalte Forrest Ackerman, der wohl noch immer am Leben ist, führt uns ein in sein Haus, das zugleich ein geniales Science Fic­tion-Museum ist, und der Interviewer ist diesem Mann sichtlich nicht gewachsen, der vermutlich stundenlang von seinen Begegnungen mit späteren Größen des Genres reden könnte, von Regisseuren, die er traf, von Filmen, in denen er klei­nere Rollen zugeteilt bekam usw.

Ja, und dann ist da „Paul, der Wanderer“, ein SF-Fan, der sich eigentlich als ganz normal begreift und lediglich für Conventions als knüppelschwingender Barbar verkleidet (leider gibt es von ihm kein Foto. Das, welches dieses Kapitel illustriert, ist erkennbar ein falsches, denn das zeigt den Autor Albrecht Fritz­sche selbst mit einer Art verkleidetem Hutzelweib, wie es scheint).

Der Schlussteil, „Science oder Fiction“ geht dann mehr in den Bereich der so ge­nannten „Hard SF“ hinein, der streng naturwissenschaftlich fundierten Science Fiction, für die beispielsweise Hal Clement steht, der zwar akademische Ab­schlüsse aufzuweisen hat und oft als Physiker gilt, in Wahrheit aber – inzwi­schen pensionierter – Lehrer ist. Seine Vorstellung, dass die Lösung des Pro­blems im Zentrum steht, war einst auch meine eigene Überzeugung. Dabei blei­ben aber die Protagonisten zu oft auf der Strecke, weswegen ich davon abge­kommen bin, mich so festzulegen.

Jerry Pournelle geht auf das Problem erfundener Daten ein, mit denen sich im Grunde genommen alles beweisen lasse, die zwischenzeitlich verstorbene Mari­on Zimmer-Bradley erläutert am eigenen Beispiel, wie die Beschäftigung mit der Science Fiction zur Bewältigung von Lebenskrisen beitragen kann, und ein weiterer Fan, die Akademikerin Diane fügt den Aspekt des „Wohlfühlens“ durch die Lektüre von SF bei, wobei sie m. E. zu selbstverständlich davon ausgeht, dass Akademiker „natürlich“ Science Fiction läsen. Das mag in den Vereinigten Staaten anders sein als bei uns, und infolgedessen ist anzuzweifeln, dass Dianes Äußerungen auf den europäischen Kontinent zu übertragen sind.

Ein vergnüglicher Anhang beschert dem Leser dann noch eine post-mortem-Kommunikation des Autors mit dem toten Isaac Asimov, gewissermaßen ein Traum, wie Fritzsche zugibt, womit sich auch das „Fiction“ im dritten Ab­schnittstitel erklärt.

Was das Resümee angeht, so ist zu diesem Buch etwa folgendes anzumerken:

Die Science Fiction als das „erfolgreichste Genre unserer Zeit“ zu betrachten, ist vielleicht schmeichelhaft für die Science Fiction, muss aber durchaus angezwei­felt werden, auch angesichts all der beeindruckenden Befunde dieses Buches. Es wäre nämlich notwendig zu unterscheiden zwischen Science Fiction als Medienereignis (was mehrheitlich als Kinofilm bzw. Fernsehfilm bzw. damit ver­bundenes Merchandising stattfindet) und Science Fiction als Buchereignis. Die­se Trennung, zumal eine statistisch untermauerte Teilung, findet nur sehr un­scharf statt. Zahlen werden nahezu überhaupt nicht genannt. Der programma­tische Titel erfährt infolgedessen im Innern des Buches im Kern keine Bestäti­gung.

Was diese Tatsache noch unterstreicht, ist das absolute Fehlen von Interviews mit Verlagsbediensteten, aktuellen Herausgebern (dass einige der Interviewten früher Agenten und Lektoren waren, zählt m. E. nicht, weil über die HEUTIGE SF ein Statusbericht abgegeben werden sollte) und, besonders schwierig, von Regisseuren oder Schauspielern. Es werden ausschließlich SF-Autoren aus­gewählt und befragt. Dabei fällt unweigerlich das nächste Problem auf, nämlich der z. T. sehr stark variierende Fragenkanon. Die im Schnitt 2 bis maximal 3 Sei­ten langen Einleitungen der einzelnen Abschnitte und der Autorenbiografien er­weisen sich überdies als doch etwas zu dürftig, um Fragestellungen wissen­schaftlich zu reflektieren. Das untergräbt leider den Wissenschaftlichkeitsan­spruch des Werkes auf bedauerliche Weise.

Die Fanseite (hier wäre beispielsweise auch ein Interview mit einem der Veran­stalter des WorldCons sehr erhellend gewesen, um die institutionalisierte Fan-Seite zu durchleuchten) wird ebenfalls recht einseitig und eher zufällig unter die Lupe genommen. Während der greise Forry Ackerman natürlich eine Institution ist, sind Paul, der Wanderer und Diane buchstäblich Noname-Personen, die vielleicht gerade wegen ihrer „Normalität“ ausgesucht wurden, eben deswegen aber keinen Anspruch auf allgemeingültige Aussagen erheben können. Wenn man anhand ihrer Aussagen irgendwelche Urteile über die Fan-Szene treffen möchte, kann man diese nur über die amerikanische Szene treffen, und nur über die nicht-institutionalisierte Seite. Die „Profis“ des Fandoms, die professio­nellen Verleger, Herausgeber und Medienmacher der Heutezeit bleiben ausge­blendet und werden nicht eingefangen.

Insgesamt muss darum bei aller anerkennenswerten Mühe und Arbeitsleistung des Verfassers konstatiert werden, dass das Ergebnis hinter den Erwartungen des intellektuellen SF-Lesers doch zurückbleibt. Wiewohl die Interviews sich sehr gut lesen und eine Menge psychologische Rückschlüsse auf die Persönlich­keiten zulassen (ein unbestreitbarer Gewinn, der den Kauf des Buches lohnt!), so sehr überzogen ist doch der Untertitel. Bedauerlich ist zudem, dass es kei­nerlei Schlusskapitel gibt, in dem die Fäden der Argumentationen und Inter­views zusammengeführt und statistisch untermauert werden. So entsteht der Eindruck einer Arbeit, die mit der „heißen Nadel“, also sehr überhastet, „ge­strickt“ wurde.

Leider lässt das doch sehr nachlässige Lektorat diesen Eindruck verstärkt auf­kommen: Auf dem Umschlag und Rücken wird der Autor mit „Albert Fritzsche“ falsch geschrieben. Gleich zu Beginn des Buches widerfährt dem Verfasser der Fauxpas, dass er schreibt: „Nach einigen Schätzungen sollen weltweit mehr als fünfzigtausend englischsprachige Werke des Genres… im Umlauf sein. Der über­wiegende Teil davon ist in englischer Sprache verfasst…“ Nun, naturally, möchte man sagen – alles nämlich.

Schreibfehler wie „Rennaisance“ (S. 30), durchgehend „Harward“ (statt Har­vard), „promt“ (statt prompt), klein geschriebene Anreden, „Ficton“ (statt „Ficti­on“, S. 66), „Tatoos“ (statt „Tattoos“, S. 93) usw. erhöhen nicht eben den profes­sionellen Eindruck. Diese Fehler wären, bei stimmiger Behandlung aller anderen Problemfelder letztlich vernachlässigbar. So jedoch summieren sich die Schnit­zer und Oberflächlichkeiten zu einem Werk, das deutlich mehr und besser gear­beitet hätte sein können und das der Corian-Verlag leider überhastet auf den Markt geworfen zu haben scheint. Die Qualität, die sonst Corian-Bücher aus­zeichnet, ist hier auf der Strecke geblieben.

Eine erweiterte, überarbeitete und besser redigierte Auflage des Werkes wäre sehr zu wünschen. Hoffen wir darauf.

© 2005 by Uwe Lammers

Ja, das war schon ein recht harscher Ritt durch das Genre der Science Fiction, ich gestehe es reumütig. Ihr habt ein wenig Erholung verdient, Freunde. Und so würde ich vorschlagen, dass ihr euch in der kommenden Woche mal richtig soli­de anschnallt und euch auf einen irren Trip gefasst macht, der sich so schnell nicht wiederholen lässt. Ich beginne damit, euch eine Trilogie vorzustellen, die es echt in sich hat und mich manchmal beim Schreiben der Rezensionen sprach­los zurückließ.

Das hat was zu sagen? Oh ja, und wie! Macht euch bereit, Hagbard Celine ken­nen zu lernen und alles, was mit ihm zusammenhängt. Ob ihr ihn anschließend liebt oder hasst, das müsst ihr sehen.

Mehr in einer Woche.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Man lese nur ihr Buch „Die Farben der Zeit“, um festzustellen, wie wunderbar humorvoll diese Frau ist – das kommt auch im Interview hervorragend zum Vorschein.

Wochen-Blog 236: Logbuch des Autors 22: Sirenengesänge

Posted September 10th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

momentan komme ich mir durchaus so vor wie der legendäre griechische Held Odysseus auf seiner Irrfahrt – wer sich mit antiken Mythen auskennt, wird die Anspielung verstehen: Er war auf der Rückfahrt nach Ithaka, fahndete nach dem Weg und wurde von rachsüchtigen Göttern immer wieder in die Irre geführt, was seine Heimfahrt auf zehn Jahre verlängerte und all seine Gefährten das Le­ben kostete. An einem Punkt seiner Odyssee, daher der Ursprung dieser Be­zeichnung, kam er auch in eine Region mythischer Natur, in der die Sirenen ih­ren Ursprung hatten. Wesen von quasi-weiblicher Natur, die so wunderschön zu singen imstande waren, dass sie jedes menschliche Wesen, insbesondere aber jeden Mann in den Wahnsinn zu treiben verstanden.

Odysseus, der unbändig gern diesen Gesang hören wollte, befahl seinen Männern, ihn an den Schiffsmast zu binden, während sie selbst weiter rudern und sich die Ohren verstopfen sollten, auf dass sie nicht Gefahr liefen, den Sire­nengesängen nachzukommen. So konnte der griechische Heroe die honigsüßen, tödlichen Gesänge der Sirenen erlauschen, ohne umzukommen – ich möchte indes nicht wissen, welche Höllenqualen er durchstand.

Auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite befinde ich mich gerade in Odysseus´ Situation, oder we­nigstens in einer Lage, die durchaus dieser sehr ähnlich ist.

Ihr wisst seit langer Zeit, dass mich zwei Pole im Leben stets wie einen Ping­pongball hin und her schleudern: Arbeit und Wissenschaft auf der einen Seite, Kreativität und sprudelnde Schreibfreude auf der anderen. Auf beiden Seiten des Lebens mache ich Entdeckungen. Im „realen Leben“, wie ich es mal ironisch formulieren möchte, führen mich Archivrecherchen, Interviews, wissenschaftli­che Texte und Diskussionen zu neuen Erkenntnissen, die in Aufsätzen, Vorträ­gen und ähnlichem kondensieren.

Auf der anderen Seite, um die es heute geht, die für mich nicht minder real ist, von denjenigen, die dies nicht nachzuvollziehen imstande sind, für irrelevant oder sogar närrisch gehalten wird, schickt mich meine unkontrollierbare kreati­ve Phantasie in unglaubliche Reiche und Welten, die niemand jemals zuvor ge­sehen hat. Hier lerne ich Personen kennen, im Guten wie im Schlechten, die zu dem Besten gehören, das ich kenne.

Alte Freunde warten hier auf mich, neue Bekanntschaften, verrückte Gescheh­nisse, atemberaubende Abenteuer… und fürwahr, zumeist genieße ich jede Mi­nute davon, und die Zeit verfliegt im Nu, ohne dass ich sie wahrnehme. Dann stürmen die Stunden davon, Tage lösen sich in Nichts auf, das Telefon kann klin­geln, wie es möchte, das Mailfach sich füllen ohne Ende… nichts spielt mehr eine Rolle, wenn mich der Bann der Kreativität mitreißt.

Fürwahr, dies ist ein Sirenengesang der ganz besonders erlesenen Art. Ich bin machtlos dagegen.

Fast jedenfalls.

Und nun stellt euch folgende Situation vor, um in der Realgegenwart anzukom­men, denn so stellt sich die Lage derzeit durchaus für mich dar:

Was ist, wenn man diesen honigsüßen Sirenengesang vernimmt und, gleich Odysseus, fest an den Mast des Schicksals gefesselt ist und außerstande, dem Gesang nachzugeben? Wenn andere Aufgaben mich so massiv davor zurückhal­ten, mich der sehnsuchtsvollen Süße hinzugeben und die Gedanken und inne­ren Bilderströme fließen zu lassen?

Das ist meine gegenwärtige Situation – noch für einige Monate hinaus bin ich eingebunden in meine wissenschaftliche Arbeit und muss gewissermaßen mehrheitlich abstinent bleiben, kann dem Lockruf nicht entsprechen. Das ist absolut eine Qual, die jemand von außerhalb kaum nachvollziehen kann. Sie be­herrscht mich mehr und mehr und beeinträchtigt natürlich auch meine wissen­schaftliche Seite. Jeder Psychologe würde das sofort einsehen… ich brauche nicht zu betonen, dass es Menschen gibt, die das, weil nur auf einem Auge se­hend, diesen Teil meiner Persönlichkeit nicht erfassen können. Und ganz so wie die Einäugigen in Odysseus´ Geschichte – denken wir an Polyphem, nicht wahr? – , so kommen sie zu irrigen Annahmen.

Ach ja, irgendwie ist der homerische Klassiker schon sehr geeignet, als Blaupau­se für meine aktuelle Lage herzuhalten, insbesondere Polyphem. Der ja, als er von Odysseus geblendet worden ist – nachdem dieser ihm heimtückisch erzähl­te, sein Name sei „Niemand“ – , seinen Artgenossen qualvoll auf deren Frage zuruft, wer ihm dies angetan habe, hasserfüllt brüllt „Niemand hat mich ge­blendet!“ Worauf man ihn, begreiflich, für wahnsinnig erklärt.

Unverstandenheit, wohin man schaut, nicht wahr?

Doch zurück zu den Sirenengesängen.

Was ich oben sagte, bezieht sich nicht auf alle Geschichten. Natürlich gibt es Gelegenheiten, Werke abzuschreiben. Selbstverständlich finde ich die eine oder andere zeitliche Lücke in all diesen Monaten der starken Beanspruchung, Ge­schichten abzuschließen (wenn auch viel zu wenig) oder neue Fragmente auf­keimen zu lassen. Deshalb kommen beispielsweise sowohl der Archipel wie auch der Oki Stanwer Mythos (OSM) schon zu ihrem Recht.

Aber ein Sirenengesang quält mich seit zahlreichen Monaten mit stetig steigen­der Intensität, und ein ums andere Mal dränge ich ihn zurück, halte ihn nieder und sage mir mit zusammengebissenen Zähnen: Verdammt, es ist noch nicht an der Zeit, dir nachzugeben. Verzeih mir, ich kann das noch nicht!

Der Sirenengesang kommt aus der Galaxis Arc.

Er hat sogar schon einen Namen.

Der Sirenengesang heißt „Oki Stanwer – Regent von Arc“!

Und wer da jetzt die Augen weit aufreißt und zu begreifen beginnt, tut dies mit Recht: Dies ist der Keim einer neuen OSM-Serie, in der Tat. Und ja, ihr versteht nun allmählich, dass dies keine Entscheidung ist, die mir leicht fällt, weder das Nachgeben des Sirenengesangs noch das Nicht-Nachgeben. Vielleicht seht ihr das Element der Qual deutlicher, vielleicht auch noch nicht. Ich gebe euch noch ein paar weitere Informationen:

In früheren Jahrzehnten war es eigentlich fast immer so, dass stets dann, wenn ich mit einer OSM-Serie abschloss, der Keim einer neuen emporspross. Das war schlicht ein natürlicher Prozess. Als ich etwa Anfang 1984 mit der ersten OSM-Serie „Oki Stanwer“ abschloss, wuchs quasi nahtlos daran der KONFLIKT 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ empor. Sobald ich mich 1988 der Fertigstel­lung von KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ näherte, entstand quasi über Nacht KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“. Ein Jahr später beendete ich KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“, und OSM-Ebene 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ blühte auf.

Ihr seht, es gibt hier eine Art von kreativem Entstehungsmuster.

Das änderte sich allmählich in den 90er Jahren. Der letzte solche Fall war – in dieser Beziehung völlig selbstverständlich – die Entstehung des KONFLIKTS 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“, unmittelbar vor Abschluss von KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“. Band 1 von NK entstand tatsächlich ein paar Tage vor dem Finalband von DDj.

Aber danach entstanden doch noch einige Serien, mögt ihr einwenden, wenn ihr die Genese des OSM richtig im Kopf habt. Das ist natürlich präzise.

KONFLIKT 2 „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ blühte 2003 auf, fünf Jahre nach dem Abschluss der bislang letzten fertigen OSM-Ebene – das war KON­FLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“, und es war durchaus ein Abenteuer, das ihr ja inzwischen im E-Book-Format miterleben könnt. Diese Se­rie unterschied sich von den anderen dadurch, dass sie weitgehend vorausset­zungslos argumentieren musste, weil in der Frühzeit des OSM angesiedelt, in der es viele der späteren Strukturelemente noch nicht gab (etwa Dämonen, Dä­monenwaffen, Totenköpfe, die Knochenstraßen TOTAMS, Völker der Lichtmäch­te wie die CROMOS oder die Grauhäutigen, den Orden der Ritter vom Goldkris­tall und die Matrixkoordinatoren).

Dennoch wisst ihr auch, wie sehr ich es damals genossen habe, dem Sirenenge­sang in die Galaxis Twennar zu folgen. Es war ein schönes Abenteuer, und wenngleich es inzwischen etwas grausam zugeht dort in der Heimat der Yantih­ni, es ist eine Geschichte, die durchaus mit den anderen OSM-Ebenen konkur­rieren kann.

2006 musste ich schlagartig dem Sirenengesang ein weiteres Mal nachgeben und den rätselhaften KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ beginnen. Dieser KONFLIKT ist bislang noch nicht wirklich vorangekommen, und das hat ganz zentral nicht mit der Fremdartigkeit der Hohlwelt Hyoronghilaar zu tun, wiewohl das eine wichtige Rolle spielt, sondern primär mit der Ablenkung durch andere, ausgearbeitere OSM-Serien: Ich habe noch keine abgeschlossen, und sie beanspruchen viel Energie und Konzentration.

Und dann ist da natürlich auch noch der 1997 entdeckte Archipel, der unbändig viel Energie verschlingt.

Insofern versteht ihr sicherlich, warum ich es für ein ausgesprochenes Wagnis hielt, als ich 2011 ein weiteres Mal dem süßen Locken der Sirenen nachgab und mich in das Abenteuer des KONFLIKTS 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ stürzte.

Nein, ich bereue dies nicht im Geringsten, ganz im Gegenteil, und das sollte nie­mand von euch glauben, der je diese Serie liest. Sie gehört mit Abstand zu dem Besten, das ich je geschrieben habe, voll von Abenteuern, lebendigen Charak­teren, unglaublichen Zumutungen und bisweilen überbordendem Humor. Aber auch hier stockt gegenwärtig nach stürmischem Anfang der Fluss der kreativen Bilder. Der Grund ist derselbe wie bei HdH: zu viel Konkurrenz.

Und nun, seit etwa Ende 2016, bedrängt mich eben zunehmend wieder dieser Sirenengesang und will mich zu den Ufern der Baumeister-Galaxis Arc fortrei­ßen. Nicht hin zum Saumreich der Talather, nein, auch nicht ins GRALSREICH in KONFLIKT 22, nicht hin zur todgeweihten Baumeister-Ringwelt RANTALON in KON­FLIKT 16 oder zu den furchtbaren Welten des Troohn-Imperiums in KONFLIKT 2. Nicht hin zum Aufstand der Totenköpfe in KONFLIKT 16 und zum Erinnerungs­sender der Shonta (ha, da horcht ihr auf, nicht wahr? Mit Recht!).

Nein, die Galaxis Arc ruft.

Denk doch nur daran“, säuselt mir die Sirene verlockend zu, „wie schnell du dieses Abenteuer schreiben könntest… du weißt doch selbst, wie rasch es vor­bei sein wird.“

Ja“, erwidere ich mit gequälter Miene. „Und du weißt auch, in was für einem blutigen Alptraum das geendet hat! Ich weiß noch genau, wie gramerfüllt das Bewusstsein des ZYNEEGHARS 11, BURTSON, in KONFLIKT 9 war und wie un­tröstlich es der Kleini-Millionärin Viane Vansin el Descorin del Sante sagte, es habe leider damals bei der Aufgabe versagt, die Zentralwelt der Kleinis in der Galaxis Arc vor dem Angriff der Feinde zu schützen.“

Ja, ich weiß das alles nur zu gut. Und indem ich in KONFLIKT 9 diese Ereignisse aus der Retrospektive anriss – übrigens ebenso wie manche Geschehen aus dem ebenfalls noch ungeschriebenen KONFLIKT 8 – , da nährte ich natürlich die Sirene in meinem Geist und lockte sie unter dem Stein hervor, unter den ich sie vor längerer Zeit verbannt hatte.

Natürlich bin ich selbst schuld an diesen Dingen.

Das macht die Lage aber nicht einfacher.

Ich WEISS einfach, ich kann mich jetzt noch nicht auf das Wagnis des KONFLIKTS 3 „Oki Stanwer – Regent von Arc“ einlassen, leider. Ich kann dem Lockruf der kreativen Sirene noch nicht nachgeben. Ich kann, um im Bilde zu bleiben, die Fesseln am Mast nicht sprengen, um mich über Bord in die Arme der men­schenfressenden Sirene zu werfen und mein Leben zu zerstören.

In einer gewissen Weise ist das natürlich gut… aber auf der anderen Seite ist der Schwebezustand, in dem ich verweile, absolut qualvoll.

Jetzt, denke ich, könnt ihr das besser verstehen.

Es ist noch nicht an der Zeit für diese Serie, noch eine ganze Weile lang nicht. Der ideale Zeitpunkt für sie ist eigentlich dann gekommen, wenn ich eine OSM-Ebene abgeschlossen habe. Aber wie euch ebenfalls bewusst ist, sind zwar viele der Serien relativ weit fortgeschritten, die Möglichkeit, eine davon abzuschlie­ßen, ist 2017 einfach noch nicht gegeben. Eventuell gibt es im kommenden Jahr dazu eine Chance, vorausgesetzt, es gibt genügend kreativen Freiraum und Zeit dafür. Dies setzt allerdings, und das ist dann unschön, eine längere Phase der Arbeitslosigkeit voraus. Das ist freilich nichts, worauf ich es anlege.

Ideal wäre jetzt als Folgebeschäftigung tatsächlich eine Halbtagsstelle, die mir entsprechend parallelen Freiraum für das Fertigstellen von Geschichten gäbe. Aktuell ist dergleichen noch nicht in Sicht, aber zu dem Zeitpunkt, da dieser Blogartikel das Licht der Öffentlichkeit erblickt, bin ich bereits wieder auf der Suche…

Was tue ich also dagegen, um dem Sirenengesang zu widerstehen?

Ich lasse mich anderweitig verlocken.

Gegenwärtig bin ich beispielsweise verstärkt dabei, ältere Geschichten „Aus den Annalen der Ewigkeit“ abzuschreiben und zu kommentieren, um sie für die Überarbeitung fertig zu machen. Ich erfasse ältere, längere OSM-Fragmente, um die baldige Weiterarbeit daran zu ermöglichen. Und selbstverständlich kom­men auch die alten Episoden zu ihrem Recht, deren Erfassung ich sukzessive vorantreibe. Die nächste OSM-Ebene, die ich auf diese Weise vollständig erfas­sen werde, ist offensichtlich der oben genannte KONFLIKT 18. Ich schätze, spä­testens im Frühjahr 2018 werde ich damit zu Rande kommen.

Und dann? Tja, dann habe ich vor, mich erst einmal der Fertigstellung einiger längerer Archipel-Romane zu widmen, die schon viel zu lange im halbfertigen Zustand dahindümpeln und dringend aus meinem Kopf aufs Papier drängen, da­mit sie nicht länger Gedankenleistung beanspruchen.

Ist das eine Garantie, dass nicht sogleich entsprechende Ideen nachwachsen?

Nein, natürlich nicht. Aber darum geht es doch auch gar nicht. Gelebte Kreativi­tät ist immer ein Prozess, der unabgeschlossen ist. Geschichten sind stets nur so gut, wie der Verfasser zum nämlichen Zeitpunkt der Fertigstellung auch ist, und sie sind prinzipiell immer revisionsbedürftig, immer ausbaufähig. Perfektionis­mus, das wisst ihr ebenfalls, ist etwas, was mir fremd ist. Ich neige eher dazu, Werke abzuschließen, dann geduldig nachzuschleifen, um die Kinderkrankhei­ten auszukurieren, und die Geschichten dann auf die Öffentlichkeit loszulassen.

Alles andere scheint mir wenig förderlich zu sein für jemanden mit einem der­maßen vielseitig brodelnden kreativen Verstand. Ich halte euch weiterhin auf dem Laufenden, wie lange ich diesen speziellen Sirenengesang noch unter­drücken und anderweitig kanalisieren kann. Demnächst auf dieser Seite.

Damit möchte ich für heute schließen und danke für eure Geduld.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 128: Die Seele des Mörders

Posted September 6th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

also, schnallt euch besser an, wenn ihr die unten stehende Rezension lest, die ich vor fast 15 Jahren geschrieben habe… heute geht es um ziemlich harten Stoff, den ich aber nach wie vor für sehr wichtig und unbedingt lesenswert hal­te. Vermutlich wird mir jeder Krimischriftsteller, der das Buch als Berufslektüre kennen dürfte, darin beipflichten. Vielleicht nicht in meinen individuellen Wer­tungen – ich gehe durchaus nicht mit allem konform, was der Verfasser schreibt. Aber in vielerlei Hinsicht konzediere ich, dass er auf dem richtigen Weg ist.

Vermutlich gibt es bei dem vorliegenden gesamtgesellschaftlichen Problem kei­ne Art von Patentlösung. Es werden immer Verluste bleiben, Ungerechtigkeiten womöglich, Opfer ganz sicher. Aber die hier gemachten Vorschläge zur Präventi­on, um eine bessere Zukunft zu ermöglichen, scheinen mir doch wenigstens be­denkenswert.

Folgt mir also, wenn ihr den Mut dazu habt, in die Lektüre eines schaurigen Sachbuches aus dem Bereich der Kriminalistik der Gegenwart:

Die Seele des Mörders

von John Douglas & Mark Olshaker

Orbis-Verlag 2002

452 Seiten, geb.

(Ohne Übersetzerangabe)

Antiquariatspreis: 5.00 Euro

Was muss das für ein Mensch sein, der so etwas tut?

Gibt es ein Kriminalitäts-Gen?

Sieht man Personen an, ob sie Verbrecher sind?

Wie kann man Serienmorde rechtzeitig verhindern?

Das sind Fragen, die in Medien und in der Öffentlichkeit oftmals diskutiert wer­den, wenn es darum geht, im Kielwasser spektakulärer Mordfälle die aufge­brachte Bevölkerung wieder in Sicherheit zu wiegen, zu besänftigen. Denn so bitter das auch sein mag – wo Menschen leben, kommt es beinahe unwillkür­lich zu Morden, und manche von ihnen haben ein dermaßen grausiges Gesicht, dass die meisten Zeitgenossen lieber nicht die Details hören wollen. Und dann doch.

Es gibt eine Ambivalenz in den Seelen vieler „Davongekommener“, eine Art von wohligem Grusel, so schrecklich es klingen mag. Und neben der Erleichterung, den Mörder dingfest gemacht zu haben, ist die Emotion, nicht selbst betroffen gewesen zu sein und gewissermaßen „ohne Gefahr“ Einzelheiten der grausigen Tat erfahren zu können, nie zu unterschätzen. Menschen, die solcherart struktu­riert sind, werden dieses Buch zweifellos genießen können.

Es gibt aber auch noch jene anderen Personen, die das Gegenteil empfinden: eine Art von heiliger Mission, zu verstehen, zu begreifen und künftige Verbre­chen zu verhindern. Dies sind Polizisten, Psychologen, Mediziner und Analytiker, die weltweit in Polizeitrainingseinheiten tätig sind und beispielsweise mit dem amerikanischen FBI zusammenarbeiten oder Teil davon sind.

John Douglas ist 25 Jahre lang FBI-Beamter gewesen und maßgeblich daran be­teiligt, die moderne Verbrechensbekämpfung, die man heute Profiling nennt, in den Vereinigten Staaten zu etablieren. Er erzählt in diesem Buch seine Lebens­geschichte und davon, wie er eigentlich zum FBI kam und dazu, den wohl furchterregendsten Job dieser Welt zu ergreifen. Niemand wird zum Profiler ge­boren.

John Douglas stammt aus Brooklyn, New York. Er wächst als Sohn eines einfa­chen Druckers auf und sein Ziel besteht eigentlich darin, Tierarzt zu werden. Aber im Grunde genommen ist der nicht untalentierte Douglas eher etwas ziel­los. Das zeigt sich auch in seiner Jugend- und Collegezeit. Überall ist er eher mit­telmäßig. Aber er hat ein Talent zum Erzählen von Geschichten, er ist sportlich.

Letztgenanntes Talent führt ihn zu Jobs als Türsteher bei Clubs und schließlich in die Air Force. Hier bringt ihn sein intuitives Geschick, Menschen zu erkennen, in die Personalprüfstelle der Army. Das Ziel des Tierarztes rückt weiter weg denn je, und er empfindet es bald als sehr faszinierend, mit Menschen umzugehen, ihnen zu helfen… und ehe er sich versieht, findet er einen krisenfesten Job, der ihn aus Vietnam fernhält und seinen Neigungen entspricht – beim FBI.

Jedenfalls denkt er das.

Doch das FBI steht Anfang der 70er Jahre noch immer unter dem erdrückenden Schatten von J. Edgar Hoover, die mentale Entwicklung der Gesetzeshüter ist in den 30er Jahren steckengeblieben, und die Zahl der Straftaten im ganzen Land steigt scheinbar unaufhaltsam. John Douglas merkt auch bald, woran das liegt, aber jahrelang ist er fast unfähig, etwas daran zu ändern.

Man versteht den „Feind“ nicht.

Die FBI-Beamten setzen auf die altbewährten Strategien, die Bevölkerung denkt sich, sie können den Bundesbeamten alles überlassen und sich behaglich zu­rücklehnen. Doch das ist falsch. Denn der „Feind“ entwickelt sich weiter.

Douglas stellt in seinem Buch anhand seiner eigenen Karriere die Veränderun­gen im Verhalten der Polizeibehörden gegenüber kriminellen Tätern dar und er­läutert den wohl folgenreichsten Schritt, der dabei je getan wurde: während er mit seiner Einheit auf Reisen durch die Staaten ist und den Dienststellen moder­ne Verhaltenswissenschaften näherbringt, schlägt er vor, doch dabei nicht nur die Fälle wiederzukäuen, die erfolgreich beendet worden sind, sondern auch die Täter in den Gefängnissen zu besuchen.

Oberflächlich betrachtet scheinen es normale Menschen zu sein. Harmlose, manchmal freundliche, friedfertige Personen, doch sie sitzen ein, weil sie Ange­hörige und Fremde entführt, gefoltert und ermordet, sie verstümmelt oder zer­stückelt oder verzehrt haben. Sie sind Ritualmörder, Serienkiller, Massenver­gewaltiger ohne Gewissen, für manch einen die Ausgeburt der Hölle schlecht­hin.

Und auch John Douglas fragt sich: Was sind das für Menschen, die solche Taten begehen? Wie sind sie dazu fähig? Was denken sie sich dabei?

Dies sind Fragen, die die FBI-Beamten bislang allenfalls am Rande interessiert haben, es sind Fragen, die von ihnen kaum beachtet werden. Ein weitgehendes, fast arrogant zu nennendes Desinteresse an den Verbrechern herrscht vor, das letzten Endes auch die Gesellschaft selbst bedroht. John Douglas und seine Männer beginnen aber rasch zu verstehen, dass sie es hier mit einer lebens­wichtigen Frage zu tun haben.

Wer die Mörder nicht versteht, wer nicht imstande ist, in sie hineinzuschlüpfen und mit ihrem Verstand zu denken, der wird sie weder verstehen, noch wird er zukünftige Verbrechen verhindern können.

Denn die Mörder lernen.

Wenn jemand, um nur ein Beispiel zu nennen, seinen ersten Mord aus Affekt – etwa in einem Nationalpark – begeht und ungestraft davonkommt, mag ihn das anfangs niederdrücken. Bald aber wird er daraus Befriedigung ziehen, der de­struktive Trieb wird immer stärker die Oberhand gewinnen, und er zieht erneut aus, um zu morden. Bleibt er auch beim zweiten und dritten Mal „siegreich“, dann lernt er ständig dazu. Mörder perfektionieren ihre tödliche Begabung. Und es wird immer schwieriger, sie aufzuhalten. Zugleich schreitet die Deforma­tion ihrer Persönlichkeit unaufhaltsam fort.

Intelligente Mörder lesen Zeitung. Sie sehen sich Kriminalsendungen im Fernse­hen an, hören Radio, sie halten sich auf dem Laufenden über die Ermittlungen der Beamten. Manchmal sind sie so dreist und bieten den Polizisten ihre Mithil­fe an. Etwas, womit die altgedienten FBI-Männer nie im Leben gerechnet hät­ten. Was muss etwa im Kopf eines Mörders vorgehen, der mit frischen Leichen im Wagen auf dem Highway von der Polizei angehalten wird und freundlich mit den Beamten plaudert, um dann weiterzufahren? Muss er sich nicht für un­glaublich überlegen halten?

John Douglas und seine Spezialeinheit, die bald aufgrund spektakulärer Erfolge dauerhaft eingerichtet werden kann, beginnt damit, basierend auf den Inter­views mit inhaftierten Mördern und zahlreichen Fallstudien, Profile der Mörder zu erstellen. Allmählich kristallisiert sich heraus, dass „Verbrechen“ keineswegs das diffuse Phänomen ist, für das es lange Zeit gehalten wurde. Die Seele des Mörders wird klarer, immer durchsichtiger für John Douglas, bis er imstande ist, sich anhand von Tatortfotos und Obduktionsprotokollen ein Bild von dem Täter zu machen: „Männlich, weiß, zwischen 20 und 30, wahrscheinlich geschieden, Probleme in der Kindheit, Schwierigkeiten mit Frauen, vermutlich recht unan­sehnlich gekleidet. Ich vermute, der Täter hat einen Sprechfehler und fährt einen gebrauchten Volkswagen, drei bis fünf Jahre alt…“

Solcherart sind die Profile, die Douglas erstellt und die ihn in den Ruf bringen, ein Hexer zu sein. Denn oftmals treffen solche Profile bis in kleinste Details mit gespenstischer Genauigkeit ins Zentrum, nur sehr selten weichen sie gravierend davon ab.

Zauberei? Nein, angewandte Kriminalpsychologie. Aber es ist ein langer, steini­ger Weg, bis diese Erkenntnisse so ausgereift sind, dass sie wirklich Menschen­leben retten können. Und dieser Weg ist gepflastert mit Leichen, mit Toten aller Lebensstufen, die manchmal auf bestialischste Weise ins Jenseits befördert worden sind.

Der Leser lernt eine Menge über die Defekte einer zerstörten Kindheit, über kaputte Familien, dominante Mütter, über Menschen, die von klein auf den Un­terschied zwischen Gut und Böse nicht richtig vermittelt bekommen, über Ob­sessionen, Fetischismus, über die Verschärfung harmlos wirkender Anfänge, an deren Ende oft ein zügelloser Blutrausch steht.

Und immer wieder kommt die Lektion zum Vorschein: Unterschätze den Gegner niemals! Denn jeder Fehler in diesem unerklärten Krieg der Gesetzeshüter ge­gen diejenigen, die meinen, sie selbst seien Richter über Leben und Tod – also die Mörder – führt zu schrecklichen Tragödien.

Und manchmal, das muss auch John Douglas zugeben, manchmal gewinnt der Drache. Es gibt Verbrechensserien, die anfangen und trotz intensivster Aufklä­rung keine Lösung erhalten. Es gibt viele Möglichkeiten, woran es liegen kann, dass Mordserien plötzlich abreißen, ohne dass der Täter gefasst worden ist. Douglas nennt einige: Selbstmord etwa (bei Serientätern aber eher unwahr­scheinlich), der Mörder kann wegen geringerer Vergehen verurteilt worden sein und in Haft sitzen. Wegzug in andere Bundesstaaten oder in Länder außerhalb der USA.

Die Mörder jedoch, die noch immer auf dem Bundesgebiet leben und morden und jene, in deren Geist die Bombe tickt, die sie eines Tages zu Mördern ma­chen wird, sie können im wesentlichen mit Hilfe des Profiling aufgespürt wer­den. Leider erst, wenn sie schon Menschenleben vernichtet haben. Doch ohne solche Aufklärungsinstrumente in den Händen psychologisch versierter Polizis­ten wäre die Gesellschaft dem Verbrechen viel wehrloser ausgeliefert…

Das Buch ist ein beeindruckendes Plädoyer für eine psychologische Durchdrin­gung der Strafverfolgungsbehörden, ein Werk, das seinen unschätzbaren Wert dadurch gewinnt, dass der Leser durch John Douglas´ Augen einen Blick wirft in die Seele des Mörders, in den Abgrund der Finsternis, in dem man nur unstruk­turiertes Böses vermutet, vor dem man sich ängstigt. Er zeigt auch, dass zwar Vorsicht angebracht ist, dass ein solch diffuses Urteil aber gänzlich falsch ist.

Nicht, dass es die Sache besser machen würde. Manchmal gehen die Details, die er beschreibt, wirklich an die Nieren, und ich musste das Buch gelegentlich aus der Hand legen, weil es sich nicht mehr ertragen ließ (etwa in diesem furchtbaren Kapitel um die Atlanta-Kids). Weil er den Opfern ihre Identität zu­rückgibt. Jeder von ihnen wird mit Namen genannt, bei vielen erfährt man, wie alt sie waren, aus welchen Elternhäusern sie kamen, wie die Familien auf den Verlust reagieren, und in welchem Zustand die Opfer waren, als sie dann end­lich gefunden wurden. Ja, und bei den meisten sieht man sich auch dem Täter gegenüber, schlüpft durch Douglas in das Opfer während der Gefangenschaft, Folterung und Ermordung… und in den Kopf des Mörders.

Natürlich würden die meisten Menschen davon gerne nichts wissen. Für viele sind Mörder einfach Ungeheuer, zumal dann, wenn es sich um Kinderschänder oder Sexualmörder handelt. Aber solche Simplifizierung, die auch in bundes­deutschen Medien gerne aufgegriffen wird, weil sie die Dinge so erleichtert, ist schlicht falsch. Nehmen wir nur die gerne gestellte Forderung nach Kastrierung von Vergewaltigern. Was hält Douglas davon, nach 25 Jahren Dienst, in denen er Tausende von Mordopfern kennengelernt hat? Ja, man muss kennengelernt sagen. Die furchtbar verstümmelten Toten sind Teil seiner Familie geworden.

Also, er sagt, „dass es nichts bringt, einen Serienvergewaltiger zu kastrieren – so verlockend die Idee manchem von uns auch erscheinen mag. Das Problem ist, dass es sie nicht aufhält, weder physisch noch emotional. Vergewaltigung ist definitiv ein Verbrechen aus Wut. Schneidet man einem Mann die Eier ab, hat man einen wirklich wütenden Mann.“

Will heißen: es geht nicht um Sex. Es geht um Gewalt gegen Frauen. Nimmt man einem Vergewaltiger die Fähigkeit zur Ausübung des Sex, so hat er noch immer Hände, um zu morden, und dann wird er es gewiss tun.

Unangenehme Wahrheit? Vermutlich aber zutreffend.

Ebenso ging mir Douglas letztendliches Plädoyer für die Todesstrafe gehörig auf die Nerven, das will ich gar nicht bestreiten. Dass er sie damit flankiert, man solle die Gesellschaft zugleich zu einem besseren Erziehungsstil bewegen und die Nachbarn dazu bringen, dass sie aufmerksamer ihre Nachbarschaft beob­achten, um etwa brutale Eltern davon abzuhalten, ihre Kinder zu misshandeln (was viele von ihnen später zu Verbrechern macht, weil ihre Persönlichkeit da­mit geschädigt wird), macht die Sache nicht erträglicher. In meinen Augen ist die Todesstrafe nach wie vor keine sinnvolle Strafe, weil das, was man gerne als Argument für sie ins Feld führt – Abschreckungswirkung – eigentlich nicht vor­handen ist. Diejenigen, die man hinrichtet, kann man nicht mehr abschrecken. Und den Rest potenzieller Gewalttäter brutalisiert man auf diese Weise höchs­tens.

Das Dumme an diesem Plädoyer für die Todesstrafe (oder dauernde Gefängnis­verwahrung) für Serienvergewaltiger und Serienmörder ist…, dass ich ihm psychologisch nicht widersprechen kann. Ich habe leider kein Gegenkonzept, das tragfähig ist. Lobotomie oder dauerhafte Gehirnwäsche widerspricht zwei­fellos den Menschenrechten in demokratischen Gesellschaften.

Dem Leser wird also für den Gewinn an Information hier eine Menge an Nerven und Seelenruhe abverlangt. Und es werden ihm Fragen gestellt, die unange­nehm an der eigenen Seele nagen. Dennoch, ungeachtet der Tatsache, dass ich manches in dem Buch einfach moralisch nicht akzeptieren kann, ungeachtet dieser Tatsache halte ich Die Seele des Mörders für außerordentlich wichtig.

Verbrechen ist nun einmal Bestandteil der menschlichen Gesellschaft, und je mehr Menschen den Globus bevölkern, desto wahrscheinlicher ist es, dass man mit Verbrechen im nächsten Umfeld, vielleicht innerhalb der eigenen Familie, konfrontiert wird. Natürlich wird das immer schockieren. Aber dieses Buch könnte helfen, zu verstehen, wie es dazu kommt. Und vielleicht Eltern davor be­wahren, ihre Kinder so zu behandeln, dass sie die Mörder von morgen werden.

Das ist es wert, unsere eigene Seele mit diesem Wissen zu belasten.

Tut es, eurer Zukunft wegen.

© 2003 by Uwe Lammers

Ja, ich sagte ja eingangs, das ist harter Stoff, und manch einer von euch – fürch­te ich – hat diesen Text nicht fertig lesen können, weil es ihn so schauderte. Ihr seid in guter Gesellschaft. Ich bemerkte ebenfalls oben, dass ich Douglas/Olsha­ker nicht in einem Rutsch lesen konnte… und das dürfte euch wohl, wenn ihr das Buch gefunden habt und zu schmökern beginnt, sehr ähnlich gehen.

In der kommenden Woche bleiben wir bei Sachbüchern, kümmern uns aber um unser Lieblingsgenre – die Science Fiction. Diesmal aus der Feder eines Autors, den ich persönlich kennen lernte, als er noch Mitglied im Science Fiction-Club Baden-Württemberg (SFCBW) war.

Neugierig geworden? Gut so. Dann sehen wir uns in sieben Tagen an dieser Stelle.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

vor acht Wochen verließ ich euch im Oktober des Jahres 2007 mit dem Verspre­chen, diesmal im November gleichen Jahres mit meinem Bericht fortzufahren, was ich damals im Rahmen der „Annalen“ im OSM begann, weiterschrieb oder vollendete. Dann lasst uns doch mal schauen, wie weit wir heute kommen wer­den:

Ich arbeitete zunächst an „In der Hölle“ weiter (damals noch als „Story“ klassifi­ziert, ihr kennt das). Dann bemühte ich mich um eine Neuformatierung des zweiten Romans der Edward-Norden-Saga (ENS), als des OSM-Romans „Der Herrscher von Arc“. Er war damals schon seit langem in Etappen im Fanzine „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) abgedruckt worden, aber ich hatte es stets versäumt, diese gründlich überarbeiteten Einzelkapitel zu einem kompak­ten Manuskript zusammenzufügen. Um es kurz zu machen: es gelang mir in die­sem Monat nicht. Generell kam ich in dem Monat auf keinen grünen Zweig. Nur 7 fertig gestellte Werke, davon ein BWA, das ich redaktionell betreute – Ausga­be 290, die Mars-Sonderausgabe – , und drei Gedichte… kein glorreicher Mo­nat.

Im Dezember versuchte ich, ebenfalls wenig erfolgreich, etwas mehr aufzudre­hen. So schrieb ich weiter an „DER CLOGGATH-KONFLIKT“, an der Novelle „Neu-Babylon“ und diversen Episoden des KONFLIKTS 2 „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI), und ich versuchte mich an dem Weiterspinnen der Hand­lungsfäden in KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ (DSf), doch eben­falls ohne Erfolg.

Immerhin – am 30. Dezember konnte ich noch einen dazu gehörigen Hinter­grundtext schreiben, nämlich „Das Rätsel der Talather“. Aber glaubt bitte nicht, dass ich bis zum Jahre 2016 eine Chance fand, etwas mehr über die Talather zu schreiben. Bis es zum ersten echten Kontakt mit der Bevölkerung des „Saumrei­ches“ der Galaxis Xeloon kommt, die in der Gegenwart lange ausgestorben ist, wird es wohl 2018 werden, fürchte ich. Manche Handlungslinien brauchen im OSM einfach sehr viel Zeit…

Tja, und damit war das Jahr 2007 auch schon vorüber. Unter dem Blickwinkel der „Annalen“ war das eine eher enttäuschende Erfahrung, recht ernüchternd. Nun denn, dachte ich mir: das neue Jahr liegt vor mir, also kann ich mit voller Energie durchstarten.

Das gelang nur bedingt. Ein wesentlicher Grund dafür war natürlich, dass ich mich als Chefredakteur des Fanzines „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) im­mer noch verpflichtet fühlte, meine Kreativautobiografie „25 Jahre im Dienst der Kreativität“ zu vollenden, von der dann in diesem Monat tatsächlich die Teile 7-9 fertig werden sollten. Ansonsten kam ich zwar zu einigen Rezensionen und Episoden, aber das war auch schon alles Nennenswerte.

Der Februar sah nicht schöner aus. Ich versuchte hier, zurück in den verrückten OSM-KONFLIKT 28 zu gelangen, d. h. in die Serie „Oki Stanwer – Der Siegeljä­ger“ (DSj), in der die Episoden inzwischen atemberaubende Ausmaße ange­nommen hatten. Das ging natürlich einher mit einer nicht minder atemberau­benden Verlangsamung des Schreibtempos… das war da sowieso angebracht, weil der KONFLIKT 28 aufgrund seiner rätselhaften Struktur das reinste Minen­feld war. Ich schaffte es also gerade einmal, Band 48 „Das Sirianer-Problem“ zu schreiben. Selbst wenn ich mit den Skizzen bis inklusive Band 56 kam, also bis zu dem ungeheuerlichen Band „Die Mauern der Offenbarung“, der tatsächlich als Handlungsschauplatz nichts Geringeres hat als TOTAMS Leiche (!), klappte sonst rein gar nichts. Endresultat des Monats: frustrierende 4 Werke, davon zwei Rezensionen und eine Fanzine-Redaktion.

Der Grund für diese ineffektive Kreativitätsleistung lag völlig auf der Hand: tägli­ches, zeitraubendes Pendeln zwischen Braunschweig und Salzgitter zur Arbeit, nahezu überhaupt keine Freizeit mehr… kein Wunder, dass ich da völlig ein­brach.

Im März schwappte dann, wie zum gerechten Ausgleich, wieder der Archipel über mich hinweg und riss mich in ein paar Langzeitprojekte, die bis heute nicht beendet sind. Ich vergrub mich außerdem in KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ (NK), wo ich endlich mit dem HANKSTEYN-Zyklus fertig werden wollte. Ich war doch immerhin schon im vorletzten Band, Band 53, mit dem programmatischen Titel „HANKSTEYN“ angelangt. Glaubt ihr, dass ich das fer­tigstellen konnte?

Natürlich nicht.

Mann, was war ich gefrustet!

Es war auch nur ein geringer Trost, dass ich es am 24. März wenigstens auf die Reihe bekam, „Der Herrscher von Arc“ endlich in eine kompakte Datei zu über­führen und auszudrucken. Das stellte nun wirklich keine gescheite Kompensati­on dar.

Im April 2008 überrollte mich dann ein erneuter Todesfall unter Phantasten – und ich schrieb einen kurzen Nachruf auf Sir Arthur C. Clarke, den ich mit Recht als „große Gestalt“ charakterisierte.1

Woran arbeitete ich im April 2008 noch? Nun, etwa an der „Story“ „Ian und der Stein der Götter“. Ich machte eine wenig erfolgreiche Stippvisite im KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (FvL), wo ich leider auch nur im Schne­ckentempo vorwärtskomme.

Und dann war der Monat schon wieder um! Nur 8 fertige Werke! Verdammt noch mal!

Sah Mai 2008 besser aus? Bedingt. Auch nur 8 fertige Werke, aber immerhin darunter NK 53 „HANKSTEYN“, so dass ich mit dem Schlussband „Tödliche Ent­scheidung“ beginnen konnte… ein Band, der leider bis heute nicht vollendet ist. Aber ich sage soviel: inzwischen hat er immerhin schon 84 einzeilige Seiten… und ist ein solches Drama, dass ich eben, während ich mal kurz herüberzappte – das geht bei digitalen Dateien so verführerisch leicht – , doch glatt eine halbe Stunde Lektürezeit darin festsaß. Verdammt, ist das guter Stoff… zu schade, dass ihr noch sehr lange darauf warten müsst, bis ihr das selbst lesen könnt.

Weiterhin kam ich im Mai 2008 dann im Grunde genommen nur noch dazu, eine längere Novelle aus KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ (DMadN) weiterzuschreiben, nämlich „Quisiins letzter Fall“. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass dieses Werk inzwischen auch fertig ist, aber so verhält es sich leider nicht. Es ist eins der zahllosen Fragmente, das noch auf die Fertigstellung wartet. Seufz.

Und dann war der Mai 2008 auch schon vorbei. Wieder nur 8 fertige Werke. Es war echt zum Heulen!

Im folgenden Monat konnte ich endlich mit dem 12. Teil die Artikelserie „25 Jahre im Dienst der Kreativität“ abschließen, die mich viel Zeit und Energie ge­kostet hatte. Prompt witterte mein kreativer Verstand Morgenluft, verständli­cherweise. Jedenfalls gewissermaßen eine Sekunde lang. Das hing ebenfalls da­mit zusammen, dass Mitte dieses Monats die Arbeit für das Stadtarchiv Salzgitter abgeschlos­sen wurde und meine nächste Anstellung erst zum 1. November 2008 zustande kommen würde.

Ich hatte also prinzipiell Luft zum Schreiben. Und verdammt, ich nutzte sie, das könnt ihr aber wohl glauben!

Zunächst schwamm ich in das OSM-Fragment „Parasiten aus dem Kosmos“ zu­rück, aber nicht sehr lange… weil nämlich der Archipel, namentlich „Rhondas Reifejahre“ meine Energie zu fokussieren begann. Da es in dieser Artikelserie nicht primär um den Archipel geht – das werde ich vermutlich beizeiten in einer eigenen Serie mal ausführlicher behandeln – , blende ich diesen Aspekt hier mal vollkommen aus und beschränke mich weiterhin auf den OSM… das ist na­türlich einigermaßen kompliziert, weil ich mich nun im Juni nahezu vollkommen auf den Archipel konzentrierte.

Das brachte die Tatsache des Rhonda-Romans eben so mit sich – es wucherten auch in den nächsten Monaten bis zu Beginn meiner neuen Beschäftigung mehrheitlich Archipel-Ideen in meinem Kopf. Und um ehrlich zu sein, war es das jetzt unter dem Blickwinkel der „Annalen“ schon wieder für Juni 2008 mit mei­nen Schreibaktivitäten.

Auch im Juli sollte das so weitergehen. Rhonda-Roman, zahlreiche Archipel-Fragmente sowie zwei andere längere erotische SF-Romanfragmente, die bis heute unvollendet sind. Sie gehören zu einer weiteren Welt, die ich in diesen Tagen entdeckte. Ich nannte diesen Kosmos das „Erotic Empire“. Aber bis ich euch darüber was erzähle, das wird noch dauern.

Tatsache ist jedenfalls, dass ich im Juli 2008 hinsichtlich des Oki Stanwer My­thos auf keinen grünen Zweig kam. Leider. Und da ich so schön jetzt vorwärts­gekommen bin, was diese Artikelreihe angeht, werde ich für heute schließen. In der nächsten Ausgabe der „Annalen“-Subreihe des Blogs erzähle ich euch was über den August 2008 und die folgenden Monate. Lasst euch da mal über-raschen, wie weit ich kommen werde.

Und wohin es in der kommenden Woche geht, das möchte ich heute auch noch nicht verraten – bleibt gespannt, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Interessanterweise ist er immer noch mental in der Gegenwart präsent. Erst am 25. Juni 2017 wurde ich im Kino wieder mit seinem Namen konfrontiert. Er wird mit einem passenden Ausspruch in „Transformers 5“ gewürdigt. Soviel Tiefgang hätte ich Regisseur Michael Bay gar nicht zugetraut… wenn mir diese Bemerkung gestattet ist.