Blogartikel 396: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 20

Posted Oktober 3rd, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

auf in die Zielgerade für KONFLIKT 14! Noch zehn Episoden sind zu rezensieren, ehe dieser für euch erste vollständig erzählte Kampf Oki Stanwers gegen die Macht TOTAM abgeschlossen werden kann. Demgemäß geht es heute um die Folgen 96-100 der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“.

Rückblick: Oki Stanwer hat inzwischen im Zeituniversum die Ga­laxis Hun‘arc erreicht, wohl wissend, dass sein Erzfeind, der Dä­mon Craathava, der schon unendlichen Schaden angerichtet hat, die Cranyaa-Zentralwelt Wislyon ansteuern wird, um noch Schlimmeres zu verursachen. In Sorge, die gesamte Zukunft könne von dem Dämon ausgelöscht werden, trachtet der Feld­herr der Cranyaa danach, die von Craathava ausgehende Ge­fahr ein für allemal auszuschalten.

In der Realgegenwart hat sich eine fatale Pattsituation ergeben. Drei Machtgruppen stehen sich gegenüber, zwei davon bis an die Zähne hochgerüstet: einmal TOTAM, der abtrünnige Helfer des Lichts Klivies Kleines und TOTAMS Streitkräfte, zum ande­ren die kleine Nation der Tekras, die von dem abtrünnigen Troohn Tronlekk, dem sinistren Soffrol und drei intriganten Bau­meistern technologisch aufgerüstet worden sind. Und schließ­lich sind da im EXIL an den Rand gedrängt der Matrixkoordina­tor WÄCHTER, die Kaiserin Sini-Ag, die ihr Volk verloren hat, und der von der Gegenseite wieder gerettete, geschwächte Ritter vom Goldkristall, Yorrok.

Schlimmer ist allerdings, dass die Baumeister doppeltes Spiel treiben. Sie rauben erst TOTAM die WAFFE, den negierten Rest der STELE DER EWIGKEIT, die Oki Stanwer im Zeituniversum aufgeben musste, und dann setzen sie entgegen der Absprache mit Soffrol den Vernichtungscountdown für die Galaxis Hun‘arc in Gang. Der Untergang der Cranyaa-Galaxis liegt nur noch Wo­chen entfernt …

Episode 96: Götze der Cranyaa

(24. Dezember 1987, digitalisiert 2020)

Blende ins Zeituniversum: Oki Stanwer fliegt mit der SIEG DES LICHTS hat nach einer Stippvisite auf der Wüstenwelt Yurok Wis­lyon angesteuert, die Ursprungswelt der Cranyaa, die hier noch in einem nomadenhaften Stadium leben. In der Friedensstadt Hyongg treffen sie zu ihrer maßlosen Überraschung den Cranyaa-Helfer des Lichts Ureg-Ni, den sie tot geglaubt haben. Er erzählt ihnen von seinem Schicksal, kann sich aber auch nicht erklären, warum er auf Wislyon landete und hier Jahrtausende auf Oki Stanwer zu warten hatte.

Schließlich kommt es zum dramatischen Kampf gegen Craatha­va und zum Amoklauf der Schrottis, denen Craathavas Metropo­le und Zehntausende von Cranyaa zum Opfer fallen. Im letzten Moment erhält Oki Stanwer die ungefähren Koordinaten des nächsten Zeittransmitters namens Theradyyl.

Aber warum war Craathava so siegessicher, bevor er starb …?

Episode 97: Die Höllenwelt

(2. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Wochenlang suchen Oki Stanwer und seine Gefährten in dem stellaren Sektor nahe dem Zentrum von Hun‘arc nach Thera­dyyl, aber erst dann stoßen sie mehr durch Zufall auf ihn … Theradyyl, so müssen sie entdecken, ist eine gigantische Gas­welt, umkreist von erdgroßen Monden.

Und auf einem dieser Monde treffen sie zu ihrer maßlosen Er­leichterung tatsächlich auf den Baumeister – und bei ihm eine Cranyaa-Admiralin namens Then-Ad von den Neuen Cranyaa mit ihrem Geschwader, das vom Baumeister durch die Zeit ver­setzt wurde, nachdem sie ihren Auftrag ausgeführt haben.

Der Auftrag bestand darin, den letzten Zeittransmitter namens Xyriac-Nehm zu sabotieren und auszuschalten. Anfangs ist der Schreck unter Okis Gefährten dramatisch – heißt das nun, sie sitzen in der Vergangenheit fest, über hunderttausend Jahre von der Gegenwart entfernt?

Nein, beruhigt der Baumeister sie. Ein in der Gegenwart warten­der Artgenosse hat einen eigenen Zeittransmitter geschaffen und die Zielsteuerungsimpulse von Theradyyl gehen wegen der Zerstörung von Xyriac-Nehm ins Leere. Wenn sie den Transmit­ter der Höllenwelt auf das neue Ziel ausrichten, werden sie mü­helos in der Gegenwart landen.

Was der intrigante Baumeister natürlich nicht verrät: die Galaxis Hun‘arc in der Gegenwart geht gerade unter. Und wenn Oki Stanwer und seine Freunde dorthin reisen, reisen sie gerade­wegs in den Tod …!

Episode 98: Kämpfer für TOTAM

(2. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Rückblende in die nahe Vergangenheit der Realgegenwart: Als Klivies Kleines im Reich des Rookax auf dem Planeten Runix die Gigant-Syndrom-Metamorphose durchmacht und als tot gilt, zerstört er damit die calnarerische Zivilisation (vgl. dazu Bd. 38 der Serie). Tausende von Calnarern flüchten daraufhin zwischen die Sterne.

Die meisten von ihnen werden wieder von TOTAMS Schergen eingefangen und zu Untoten gemacht. Aber ein Konvoi erleidet eine Fehltransition und strandet nahe dem galaktischen Zen­trum von Hun‘arc in der Nähe eines Systems mit zwei vulkani­schen Planeten. Der zweite davon ist mäßig bewohnbar und kann als Reparaturstützpunkt dienen.

Leider haben die Calnarer keine Ahnung davon, dass diese Welt schon viele Zehntausende von Jahren früher von Flüchtlingen aus einer anderen Galaxis erreicht wurde, die hier einen unterir­dischen Stützpunkt erschufen, in dem sie einen ewigen Schlaf schlummern.

Es handelt sich um DIGANTEN aus der Galaxis Moorangor, die Oki Stanwers Freunde im Zeituniversum aufsuchten (vgl. dazu die Bände 59-65 der Serie). Als die Calnarer nun den Stützpunkt der DIGANTEN finden und ein Zwischenfall die Schlummernden weckt, glauben diese, Kämpfer TOTAMS hätten sie entdeckt, und sofort bricht ein rücksichtsloser Kampf auf dieser Vulkan­welt namens Tohl-ankhor aus … und die Calnarer sind geradezu lächerlich technologisch unterlegen.

Episode 99: Sini-Ags Tod

(14. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Fortsetzung des Handlungsstroms aus Band 98: Die unterworfe­nen Calnarer auf Tohl-ankhor sind nicht bereit, sich restlos auf­zugeben. Eine Widerstandsgruppe organisiert einen Hypersen­der und schickt einen Notruf ans Reich der Cranyaa aus.

Währenddessen entschließt sich der fatalistisch gestimmte WÄCHTER, überzeugt von Yorrok und Sini-Ag, gegen die WAFFE vorzugehen, die den Untergang von Hun‘arc eingeleitet hat. Parallel dazu hat auch Soffrol den Betrug der Baumeister erkannt und leitet nun Verhandlungen mit TOTAM ein, um gegen die Baumeister vorzugehen, da die WAFFE seinen eigenen Zugriffsmöglichkeiten entzogen ist.

Der WÄCHTER gelangt mit seinen Gefährten zum Ziel und kann tatsächlich erfolgreich die WAFFE sabotieren. In dem Chaos empfängt Sini-Ag den Notruf der Calnarer und kann die Ausgangskoordinaten als Notkoordinaten weitergeben, so dass ihnen im letzten Augenblick die Flucht aus der explodierenden WAFFE gelingt und sie nach Tohl-ankhor gelangen … mitten in die Gefangenschaft der DIGANTEN. Sie selbst findet dort den Tod.

Episode 100: TOTAM

(19. Januar 1988, digitalisiert 2020)

Im Jubiläumsband 100 der Serie fließen die Handlungsströme nach langer Zeit wieder zusammen. TOTAM bereitet sich darauf vor, seine Undercover-Waffe in Oki Stanwers Begleitung zu akti­vieren. Oki Stanwer, der nach einer finalen Auseinandersetzung mit den vor Hass wahnsinnigen Schrottis die SIEG DES LICHTS eingebüßt hat und auf das Cranyaa-Flaggschiff THINOOV der Admiralin Then-Ad umgestiegen ist, fliegt zusammen mit dem Cranyaa-Kreuzer GHITAAR durch den Zeittransmitter Theradyyl in Richtung Gegenwart.

Während des Transits haben sie Funkkontakt mit einer Toten, der Cranyaa-Kommandantin Mani-Ul vom Kreuzer HUHLEG (vgl. Bd. 19 der Serie). UCHULON empfängt einen mentalen Notruf von seinem Helfer-Kollegen Glusem, den er auch tot geglaubt hat, der nun offenbar in der Gegenwart bei der Schockzone der Vernichtung nahe ist.

Dann landen sie im Hun‘arc der Gegenwart, einer chaotischen Galaxis, die ungeachtet der Vernichtung der WAFFE und der Er­mordung eines der drei intriganten Baumeister der Vernichtung nahe ist. Der Bruch des zentralen Ereignishorizontes des galak­tischen Black Holes ist irreparabel.

Der Zeittransmitter der Baumeister erweist sich als ein ZYNEEGHAR, der, als er nun nach Transfer der ersten beiden Cranyaa-Schiffe durch TOTAM-Kräfte unter dem Kommando von Oki Stanwer attackiert wird, zu einer waffenspeienden Festung wird. Eine Nottransition bringt die beiden Schiffe in Sicherheit – aber danach möchte der Feldherr der Cranyaa nichts von einem Direktanflug auf Kareton hören, wie Admiralin Then-Ad vorschlägt. Er hat ein anderes Reiseziel im Sinn.

Im Reich der Tekras schwindet zugleich der Rückhalt für Soffrol, und der Rat entzieht ihm das Vertrauen. Dem Gedanken, TOTAM direkt anzugreifen, wird eine Absage erteilt. Daraufhin nimmt Soffrol Zuflucht zu Plan B …

Wie man unschwer erkennen kann, beginnt die dramatische Endphase im KONFLIKT 14. Alle Protagonisten ballen sich im Raum nahe der Galaxis Hun‘arc, bewährte Bündnisse werden brüchig, Trümpfe auf brutale Weise aus dem Weg geräumt. Aber es bleiben natürlich noch Unwägbarkeiten offen: Wie konnte Glusem das Inferno im Reich der Waaklors überleben (vgl. dazu Bd. 83)? Was wurde aus den restlichen Schiffen der Admiralin Then-Ad? Was für Pläne verfolgt Oki Stanwer nun konkret? Und können die Lichtmachtbediensteten sich auf dem Planeten Tohl-ankhor befreien und noch irgendwie in die Kämpfe eingreifen?

Die Auflösung all dieser offenen Fragen findet ihr in der nächs­ten Folge der Close Up-Artikelserie.

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 288: Die Kuba-Verschwörung

Posted September 30th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

gerade ist der Autor des vorliegenden Buches im Frühjahr 2020 verstorben, hoch betagt mit 88 Jahren. Aber ich nehme deshalb nicht an, dass wir in absehbarer Zeit auf seine Werke verzichten müssen – ähnlich wie beispielsweise im Krimimilieu bei Autoren wie Robert Ludlum oder Tom Clancy kann man sicher sein, dass Coautoren und spätere Epigonen sicherlich seine Welt und seine Protagonisten am Leben halten werden. Allein jetzt schon weiß ich von einem runden Dutzend Romanen, die noch ins Deutsche übersetzt werden müssen, der Himmel mag wissen, wie viele weitere in Arbeit sind oder in Planung.

Also, Clive Cussler bleibt uns erhalten, wiewohl er verstorben ist. Aber möglicherweise ist sein Tod auch nicht das tragische Unglück, für das Fans es halten. Immerhin war doch in den zu­rückliegenden Jahren immer wieder zu erkennen, dass er gele­gentlich kein gutes Händchen in der Auswahl der Coautoren be­wies (dies sieht man leider insbesondere bei den Fargo-Aben­teuern, wo die Coautoren ständig im Wechsel tätig sind und die Resultate in den seltensten Fällen wirklich überzeugen können).

Auch die von ihm und seinem Sohn Dirk verfassten Dirk Pitt-Abenteuer fielen doch merklich im Vergleich zu früheren ab. Und das beziehe ich jetzt nicht auf die amouröse Schiene (wie­wohl es da besonders auffallend ist, wie asexuell Cusslers Hel­den geworden sind). Ich male mir besser nicht aus, wie die Cussler-Romane seiner Nachfolger ausfallen werden, wenn die moderne amerikanische Prüderie-Einstellung auf die „#MeToo“-Konsequenzen in der Literatur stoßen wird. Das stelle ich mir besonders unerfreulich und zudem äußerst realitätsfremd vor. Aber lassen wir uns davon überraschen.

Im vorliegenden Roman begeben wir uns jedenfalls in das Span­nungsfeld USA-Kuba-Mexiko, und selbst wenn ich attestieren muss, dass der Roman eher zur Durchschnittskost gehört und klar auf Geschwindigkeit geschrieben (und leider auch nur durchschnittlich und standardmäßig als Übersetzung herunter­gekurbelt) wurde, gibt es definitiv ödere Werke des Autorendu­os. Ein wenig bekommt man das Gefühl, dass Cussler & Co. die Schatzsuchergeschichten ausgehen, wenn er schon wieder die Azteken bemühen muss … aber was das im Detail bedeutet, schaut euch besser mal selbst an und bildet euch ein eigenes Urteil:

Die Kuba-Verschwörung

(OT: Havana Storm)

Von Clive Cussler & Dirk Cussler

Blanvalet 0474

480 Seiten, TB, 2017

ISBN 978-3-0474-9

Aus dem Amerikanischen von Michael Kubiak

Man schreibt das Jahr 1898, als Dr. Ellsworth Boyd von der Yale University unvermittelt im Hafen von Havanna auftaucht und mitsamt einer rätselhaften Kiste Zuflucht auf dem amerikani­schen Kriegsschiff „Maine“ sucht, das hier vor Anker liegt. Die Zeiten sind unsicher. Die Spannungen zwischen den jungen USA und der spanischen Regierung, die noch die koloniale Oberherr­schaft über Kuba ausübt, sind enorm, und das Schiff ist hier, um für die Sicherheit der amerikanischen Staatsbürger auf der Insel zu sorgen.

Dummerweise ist sie stattdessen der tragische Anlass für den kurzen spanisch-amerikanischen Krieg, der Kuba nach kurzem Konflikt zwischen den US-Streitkräften und den spanischen Trup­pen in die Freiheit entlässt. Doch dafür müssen Dr. Boyd und die meisten Besatzungsmitglieder der „Maine“ kurz nach seinem Auftauchen an Bord sterben. Der Grund, warum Dr. Boyd ster­ben musste, versinkt indes im Dunkel der Vergangenheit.

In der Gegenwart des Jahres 2016 wird die NUMA, die amerika­nische Meeresbehörde, mit der Tatsache konfrontiert, dass nach dem desaströsen Unglück der „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko nun auch noch eine Verseuchung mit Quecksilber droht. Das kann mit Ölbohrungen vor der kubanischen Küste zu tun haben, aber irgendwie scheint das nicht die ganze Wahrheit zu sein – das entdeckt Direktor Dirk Pitt, als er sich persönlich um die Angelegenheit kümmert und gerade recht kommt, um ein untergehendes Ölsuchschiff anzutreffen, die Überlebenden zu bergen und die auf Grund in einer Taucherglocke festsitzenden Männer zu retten. Bei diesem Tauchversuch entdecken Pitt & Co. überraschenderweise Raupenkettenspuren auf dem Meeres­grund, die bei einer Ölbohrung nichts zu suchen haben.

Als sie der Angelegenheit weiter nachgehen, wird wenig später das NUMA-Schiff „Sargasso Sea“ von kubanischen Soldaten ge­kapert und in kubanische Gewässer entführt. Dirk Pitt und seine Tochter Summer geraten in Gefangenschaft.

Pitts Sohn Dirk und Summer hielten sich ebenfalls in der Ge­gend auf, allerdings eher an der mexikanischen Küste, wo sie Archäologen bei der Erkundung eines Cenote halfen – und hier entdeckten sie Hinweise auf ein Artefakt der Azteken, das eine Aufhellung der letzten Tage des Aztekenreiches bieten könnte. Es ist ein Hinweis auf eine bearbeitete Steinscheibe, die in zwei Teile gespalten wurde. Und es gibt offenkundig Personen, die dafür bereit sind, über Leichen zu gehen. Beinahe sind es die von Dirk und Summer Pitt – aber sie können den Gegnern, die offenbar kubanischer Herkunft sind, entrinnen und entdecken während ihrer Suche ein Tagebuch eines amerikanischen Histo­rikers namens Dr. Ellsworth Boyd (!), der eine Hälfte der Stein­scheibe gefunden hat. Sie ist jedoch mit der „Maine“ unter­gegangen, darauf scheint alles hinzudeuten.

Doch warum interessieren sich kubanische Kreise so sehr für diese fünfhundert Jahre alte Steinscheibe? Was für ein Geheim­nis wird enthüllt, wenn man beide Teile zusammenfügt? Handelt es sich tatsächlich, wie Juan Díaz glaubt, der eine der Finsterlin­ge in der Geschichte, um einen sagenumwobenen Schatz der Azteken? Oder geht es um etwas völlig anderes?

Und was ist mit den politischen Krisen, die sich auf Kuba nun nach Fidel Castros Tod abzeichnen? Ganz zu schweigen von den rätselhaften Quecksilberverseuchungen vor der Küste? Wie hängt das alles zusammen? Rasch entdecken die NUMA-Mitar­beiter, dass die Dinge noch sehr viel schlimmer stehen, als sie befürchtet haben – und der amerikanischen Regierung sind die Hände gebunden, zumal dann, als durch ein Attentat der US-freundliche nachfolgende Regierungspräsident Rául Castro ebenfalls umkommt und sich auf Kuba ein Regierungsumsturz ankündigt. Und der neue starke Mann dort hat sogar schon ei­nen idealen Attentäter gefunden, den er der Öffentlichkeit als Mörder präsentieren will, um den amerikafreundlichen Kurs ein für allemal zu beenden: einen Mann namens Dirk Pitt senior von der NUMA …

Zugegeben, nach dem letzten Roman um Dirk Pitt war ich durchaus schon sehr skeptisch geworden, was die Qualität des Nachfolgebandes angeht. Und anfangs fand ich definitiv, dass diese Sorge berechtigt war. Der Roman war klar auf Geschwin­digkeit geschrieben, eher eine Verkettung hastiger Actionsze­nen und Verfolgungsjagden und Stunts, die Charaktere schienen eher grob und holzschnittartig gearbeitet zu sein.

Hinzu kamen dann noch diese seltsamen und bizarren Überset­zerfehler: Admiral Sandecker wird auf einmal zu „General Sandecker“, was völliger Schwachsinn ist, wenn man die Roma­ne von früher kennt. Und warum um alles in der Welt die „Cay­man Islands“ durchgängig und penetrant als „Kaimann-Inseln“ (sic!!!) übersetzt werden müssen, erschließt sich mir absolut nicht. Da hat wohl jemand den Google-Übersetzer wortwörtlich übertragen lassen. Das ist so, als würde man „dead end of the street“ als „totes Ende der Straße“ übersetzen statt mit „Sack­gasse“. Manche Eigennamen müssen einfach nicht übersetzt werden (ich male mir gar nicht aus, was in diesem Fall etwa aus „Montevideo“ gemacht worden wäre! Kommt im Roman glückli­cherweise nicht vor). Keine Ahnung, ob Michael Kubiak nur kei­nen Bock hatte, gescheit und akkurat zu übersetzen oder ob das Lektorat diese eigenartigen Dinge gemacht hat. Übersehen wurde das von Verlagsseite auf alle Fälle, und ich konnte da echt nur den Kopf schütteln.

Allerdings wird es in der zweiten Hälfte des Romans etwas bes­ser – vielleicht, weil ich mich daran beim geschwinden Lesen gewöhnt hatte. Witzig ist natürlich, hier eine (verschwörungs­theoretisch) interessante neue These für den spanisch-amerika­nischen Konflikt 1898 zu finden. Leider bleibt vollkommen im Dunkeln, wie wohl Díaz von dem Schatz erfahren haben mag. Grundsätzlich ist sein Verhalten bestenfalls irrational zu nennen, und wer sich schlimme Vorstellungen macht, was der armen Summer Pitt wohl in der kubanischen Gefangenschaft zustößt, den kann ich sogleich beruhigen. Da passiert außer einem Krat­zer an der Wange rein gar nichts. Alle Kubaner werden durch die Bank zwar als ziemlich gewalttätig beschrieben, aber sexuell sind sie etwa so potent wie ein Eunuch, nämlich gar nicht.

Erotik braucht man in dem Roman also nicht zu suchen – da ist Cussler auf so geradezu absurde Weise bieder und harmlos ge­worden, das könnte man (bezogen auf diesen Aspekt) auch Kleinkindern zu lesen geben. Da ist von seiner früheren Libido so gar nichts mehr übrig, und Summer ist quasi nur schmücken­des Beiwerk … wie Frauen in frühen Hollywood-Filmen, in denen ihnen die Rolle der entführten Schönheit zugedacht wurde, die eigen­ständig (oder gar sexuell) gar kein Profil bekommen durften. Da kann man als heutiger Leser über die Züchtigkeit der neuen amerikanischen Prüderie nur seufzen, der Cussler & Co. in ihren Romanen vollständig entsprechen.

Auch naturwissenschaftlich und meeresarchäologisch ist die Ge­schichte an manchen Stellen halbseiden, schätze ich. Ob es bei­spielsweise in der Karibik tatsächlich hydrothermale Schlote am Meeresgrund gibt, zumal in Tiefen bis 500 Meter, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Ob die Sprengung derselben die Aus­wirkungen hat, wie es beschrieben wird, dito. Und ob auf dem Grund der Karibik ein hölzernes Kanu nach 500 Jahren immer noch vorhanden ist, dass man es optisch überhaupt erkennen kann, das möchte ich doch im warmen Karibikwasser sehr in Zweifel ziehen. Im hohen Norden: okay, da kommt so etwas vor. Aber im relativ warmen karibischen Gewässer sollte man davon wohl eher nicht ausgehen.

Ebenso führt das Titelbild natürlich mal wieder dramatisch in die Irre – sucht nicht nach einem Wasserflugzeug, das explodiert. Ihr werdet es nicht finden. Sie hätten vielleicht besser einen ab­stürzenden Hubschrauber bringen sollen. Der kommt definitiv vor!

Der Schluss der Geschichte hingegen kommt dann durchaus witzig herüber, wenn auch recht lieblos im Vergleich zu früheren Romanenden (man schaue sich mal als Gegenbeispiel etwa den Schluss von „Das Alexandria-Komplott“ an!). Als Fazit ist darum zu sagen: Der Roman ist eher Durchschnittskost, und wer viele frühere Cussler-Romane kennt, wird reichlich Versatzstücke wie­dererkennen. Wer sich mit Cussler noch nicht so auskennt, fin­det einen ganz netten Abenteuerroman vor und sieht vielleicht auch über die schematische Charakterisierung der Personen hinweg. Kann man also lesen. Es hätte deutlich schlimmer sein können.

Schauen wir mal, wie der nächste Band ausfallen wird.

© 2020 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche geht es dann zurück zur Science Fiction und zu einem wirklich guten Autor & Roman! Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 395: Work in Progress, Part 91 – Der OSM im Juni 2020

Posted September 27th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

natürlich war mir das klar – sobald ich wieder voll arbeiten wür­de, musste die Zeit für kreative Action entsprechend einge­schränkt werden, und so kam es dann in diesem Monat auch. In einer Arbeitswoche mit 85 % Arbeitszeit bleibt natürlich ein frei­er Tag plus eben die zwei Wochenendtage. Aber an diesen neu­en Arbeits- und Lebenszeitrhythmus gilt es sich erst mal anzu­passen. Je älter ich werde, desto länger dauert diese Adaptions­zeit. Mal schauen, wie das in den kommenden Monaten läuft. Hinzu kam in dem abgelaufenen Monat dann auch noch das Üb­liche: steigende Temperaturen, grelle Sonnenglut, die sich dies­mal mit kühlen Tagen und Gewittergüssen erfrischte, und, na­türlich „Corona“.

Man wäre doch arg einfältig, wenn man annähme, das mich das in keiner Weise tangierte. Hat es natürlich schon. Gleichwohl versuchte ich, in meinen Projekten weiter voranzukommen, und wie ihr sehen werdet, ist mir das in Maßen auch gelungen. Letz­ten Endes komme ich zwar nur auf 21 vollendete Werke, aber … na, ihr werdet schon sehen.

Das hier ist jedenfalls das, was ich im Juni an Berichtenswertem bearbeiten konnte (unter Ausblendung alles dessen, was nicht zum OSM und Archipel gehört):

(Glossar des Romans „Licht und Schatten auf Dawson“)

Blogartikel 391: Work in Progress, Part 90

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“)

(Licht und Schatten auf Dawson – OSM-Roman)

(14Neu 96: Götze der Cranyaa)

(14Neu 98: Kämpfer für TOTAM)

Blogartikel 403: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 73

12Neu 87: Der Täuscher von Pholyar

12Neu 88: Expedition nach Quanier

(12Neu 89: Rescaz‘ Vermächtnis)

(OSM-Wiki)

(12Neu 92: Schleichweg nach Bytharg)

Blogartikel 392: Legendäre Schauplätze 19: Siegelwelt

Blogartikel 405: Close Up – Der OSM im Detail, Teil 22

Anmerkung: Das ist jetzt für euch vielleicht interessant. Be­kanntlich ist die Artikelreihe „Close Up“ eine Kurzrezensionsfas­sung der OSM-Serien, aufsteigend von KONFLIKT 14 „Oki Stan­wer – Feldherr der Cranyaa“ (105 Episoden) bis KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (114 Episo­den). Das sind insgesamt 506 Episoden des OSM, die alle schon z. T. seit Jahrzehnten fertig sind. Aktuell habe ich davon 95 be­sprochen (in den ersten 19 Close Up-Artikeln).

Wie ihr sicherlich richtig anmerken wollt, fehlen da doch noch zehn Episoden. Das ist richtig, das ist der Inhalt der Close Up-Beiträge 20 und 21. Aber ich sagte jüngst auch schon, dass die darauf folgende Serie „Oki Stanwer“, in der ich ab 1982 den ur­sprünglichsten (nachher dann: 15.) KONFLIKT abhandelte, schon seit langem komplett digitalisiert vorliegen habe. Ihn also nun zu besprechen, stellt kein Problem dar.

Inzwischen habe ich schon die ersten 10 Episoden durchleuch­tet und werde damit fortfahren, derweil ich parallel noch die letzten FdC-Bände (14Neu-Digitalisate) abschließe und dann in Form der Close Ups resümiere. Wundert euch also in den nächs­ten 2-3 Monaten nicht über sehr hohe Blogartikelnummern für scheinbar sehr frühzeitig geschriebene Blogartikel.

14Neu 93: Srakkonar Eins

14Neu 94: Flug nach Hun‘arc

14Neu 95: Der Ewige von Wislyon

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“)

(14Neu 99: Sini-Ags Tod)

(14Neu 100: TOTAM)

(12Neu 93: Die Geheimwaffe)

(14Neu 101: Ruf aus dem Halo)

(14Neu 102: Oki Stanwers Doppelspiel)

(14Neu 97: Die Höllenwelt)

(DKdO 19: Lügengespinste)

Anmerkung: Ja, auch so etwas gibt es natürlich. Unvermittelt überkam mich der Wunsch, an diesem Kosmos, OSM-KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“, weiter zu schreiben. Ein schöner Gedanke, der leider noch nicht ganz für die Vollendung gereicht hat. Mal schauen, vielleicht im Juli …?

(12Neu 90: Dämonenfalle Ghartaion-West)

(12Neu 91: Der Dank der Baumeister)

Blogartikel 390: Close Up – Der OSM im Detail, Teil 19

Blogartikel 397: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XXXVIII)

Blogartikel 406: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XXXIX)

(12Neu 94: Der Berinnyer-Forscher)

(E-Book BdC 2: Gestrandet in Bytharg)

Anmerkung: Und auch das ist für mich so spät im Monat eine ziemliche Überraschung gewesen. Das hatte natürlich wieder mal mit dem Glossieren der Episodenserie des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (im Digitalisat: 12Neu) zu tun. Genau genommen ist der erste der drei Abschnitte des E-Books jetzt fertig … nun müssen noch die anderen beiden aus­gearbeitet werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ihr dieses E-Book noch in diesem Jahr werdet erwerben können.

(14Neu 103: Stoßtrupp zur Welt des Bösen)

Anmerkung: Ihr wisst noch, dass die FdC-Serie nur 105 Episo­den umfasst? Dann wisst ihr ebenfalls, wie dicht ich vor dem Abschluss des Digitalisats stehe … ich schätze, im August sollte ich die Serie fertig als Digitalisat vorliegen haben.

Nun, und da verließen sie mich dann leider wieder, und der Mo­nat war so blitzgeschwind rum, dass ich nur ungläubig gucken konnte. Hey, das war schon der ganze Monat? Ich konnte es nicht fassen, aber es stimmte wirklich. Ein ganzer Arbeitsmonat, ruckzuck vorbei. Unglaublich!

Lassen wir uns mal überraschen, wie der kommende Monat Juli wird. In vier Wochen seid ihr schlauer, Freunde, versprochen!

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 287: After Work

Posted September 22nd, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie in der letzten Woche angedeutet, haben wir es heute mal mit einem voluminösen Roman zu tun – einem von sehr vielen, die z. T. gelesen, z. T. noch ungelesen, in meinen Bücherregalen ihren Platz gefunden haben. Ist er der Phantastik zuzuordnen? Nein, definitiv nicht. Ich würde ihn strukturell als modernen ro­mantischen Liebesroman einstufen, der aber, und da solltet ihr jetzt mit dem Weiterlesen NICHT aufhören, definitiv brennend aktuelle Themen der Gegenwart aufgreift und auf intelligente und plausible Weise thematisiert.

Gewiss, am Ende deute ich darauf hin, dass das Werk einen blinden Fleck aufweist, der mir zumindest unschön aufstieß. Aber grundsätzlich ist der Roman von Simona Ahrnstedt eine schöne, lesenswerte Entdeckung, und ich habe mich seit 2019 auch schon mit einigen weiteren ihrer Werke „verproviantiert“, die hier auf mein lesehungriges Auge warten. Kommt Zeit, kommt auch diese Lektüre.

Wer, wie es in der heutigen Zeit fast unvermeidlich ist, durch die #MeToo-Debatte sensibilisiert worden ist, sollte sich diesen Roman wirklich mal näher anschauen. Und schnupperweise zu­nächst mal meine Rezension durchlesen, die ich anno 2019 schrieb.

Danach könnt ihr entscheiden, ob das in voller Länge etwas für euch ist oder ihr lieber sagt: Nee, ich gehöre vielleicht zu den sexistischen Dinosauriern, emanzipierte Frauen sind nix für mich … dann wärt ihr hier natürlich fehl am Platze.

Allen anderen schlage ich vor: Einfach mal weiterlesen.

After Work

(OT: Allt eller inget)

Von Simona Ahrnstedt

Lyx (keine Verlagsnummer!), 2018

528 Seiten, TB

ISBN 978-3-7363-0559-5

Aus dem Schwedischen von Antje Rieck-Blankenburg

Die Werbeagentur Sandelman & Dyhr ist in Stockholm eine der eher kleineren Agenturen, in der ein freundschaftliches, kollegiales Teamwork herrscht. Und es ist eine Agentur, in der selbst so eine Quereinsteigerin wie Lexia Vikander eine Chance gehabt hat, hineinzukommen und sich ihren Lebenstraum zu erfüllen. Sie ist mit Herz und Seele Werbetexterin und nimmt dafür auch diverse Eintrübungen des Alltags in Kauf.

Eine dieser Eintrübungen ist der Juniorchef der Agentur, Leo Sandelman. Er ist mit ihrer alten Jugendfeindin Josephine San­delman verheiratet, die inzwischen eine erfolgreiche Bloggerin ist und einen von mehreren hunderttausend Followern geliketen Lifestyle-Podcast moderiert. Und auch wenn sie beide so gut wie überhaupt keinen Kontakt mehr zueinander haben, hasst Jo­sephine Lexia nach wie vor und hänselt sie immer noch – primä­rer Fokus ist Lexias grundsätzliches Problem, das sie selbst auch als Achillesferse ihres schwachen Selbstbewusstseins mit sich herumschleppt: sie isst einfach zu gern und entspricht folgerich­tig eher den Rubens-Figuren des Mittelalters von der Statur her als den gertenschlanken Models, die die Laufstege der Welt be­völkern.

Nun, und Leo schließt sich den gehässigen Tiraden seiner Frau gern an und stichelt Lexia in der Agentur, wann immer er nur kann. Er hat ja auch gut reden, hat eine Eliteschule besucht, eine extrem gute Werbeausbildung gemacht und sieht ständig wie aus dem Ei gepellt aus. Dass er selbst keine eigenen Ideen entwickelt, sondern sich gern mit fremden Federn schmückt (be­sonders gern mit Lexias eigenen Erfolgen), kommt erschwerend hinzu. Überhaupt arbeiten in der Agentur nur sehr wenige Frau­en, und lediglich Dina, die Empfangsdame, hat so etwas wie ei­nen ethnisch anderen Touch, der Rest entspricht dem gängigen Modeklischee: weiß, jung, dynamisch, aus wohlhabendem Haus stammend, und natürlich rank und schlank und sportlich.

Damit könnte Lexia sich jedoch durchaus anfreunden, das ist sie nun seit Jahren gewohnt. Dasselbe gilt für die fanatischen Allü­ren ihrer sportfanatischen Mutter Eva Sporre, die inzwischen zum fünften Mal verheiratet und zudem schon so mager ist, dass sich Lexia ernstliche Sorgen macht (mit Recht, wie der Ro­man zeigt). Jedes ihrer meist nur sehr kurzen Telefonate tränkt Eva mit Vorhaltungen bezüglich Lexias „lukullischer Zügellosig­keit“, was die Tochter regelmäßig dazu zwingt, das Gespräch zu beenden.

Wie gesagt, auch damit könnte sie umgehen.

Doch dann erfährt sie am Ende eines ohnehin schon stressigen Tages, dass die Agentur verkauft worden ist an einen ausländi­schen Investor. Und nun soll ihnen auch noch ein arroganter Däne als Chef vorgesetzt werden. Das gibt ihr den Rest. Schließ­lich muss sie aufgrund ihrer eher geringen Qualifikationen nun um ihren Arbeitsplatz bangen.

Lexia beschließt kurzerhand, ihren sinn- und ziellosen Frust im Alkohol zu ertränken und setzt sich allein an einen Bartresen. Und hier begegnet sie dann auf einmal diesem erstaunlichen Kerl in seinen lässigen Klamotten, der sie wirklich fasziniert. Vielleicht liegt das schon am Alkoholpegel oder daran, dass ihr sowieso alles gleichgültig ist. Oder daran, dass er so gut zuhö­ren kann. Jedenfalls schüttet sie diesem Unbekannten namens Adam ihr Herz aus und klagt auch ihr berufliches Leid, während sie sich dummerweise auf mehr Drinks einladen lässt.

Sie hat zwar nicht den klassischen Filmriss, sondern weiß durch­aus noch, was sie gesagt und getan hat, aber schon einen ar­gen Brummschädel, als sie am kommenden Morgen zu sich kommt und – was selten geschieht – zu spät zur Arbeit er­scheint, zudem in völlig desolater Verfassung. Lexia hofft da im­mer noch, dass das niemand so ernst nimmt und sie sich im Morgenmeeting ein wenig verstecken kann.

Doch dann geht die Tür auf, und herein tritt: Adam Nylund, ge­nau der Mann, dem sie gestern Abend in der Bar begegnet ist und den sie in einem verrückten Überschwang der Gefühle so­gar auf den Mund küsste.

Er ist ihr neuer Chef.

Das ist schon eine verdammt üble Überraschung. Er ist also der­jenige – zumindest kein „verdammter Däne“, wie sie am Vor­abend geschimpft hat – , über den sie in absentia hergezogen ist. Das ist so superpeinlich, dass sie am liebsten im Boden ver­sänke. Und ein Blick in sein emotionsloses Gesicht zeigt ihr, dass auch er absolut nichts vergessen hat.

Um die Lage noch schlimmer zu machen, fordert ausgerechnet Leo Sandelman nun Lexia auf, als erste von ihren aktuellen Pro­jekten zu berichten. Es ist offenkundig, dass er das aus gehässi­ger Berechnung macht, denn Adam muss den Angestellten der Agentur verkünden, dass er im Auftrag des Investors Roy Hans­son, seines väterlichen Freundes, Stellen streichen soll. Und es ist ziemlich deutlich zu spüren, dass Leo gern Lexias Kopf als ersten rollen sehen möchte und sie deshalb zu der desolat gera­tenden Präsentation genötigt hat.

Nun, er wird enttäuscht.

Dennoch erweist sich die erste Arbeitswoche unter der neuen Führung als Alptraum für Lexia. Jenseits der Bar scheint Adam tatsächlich ein eiskalter und rücksichtsloser Perfektionist zu sein, der mehrere Leute ohne Gnade auf die Straße setzt (das schwedische Arbeitsrecht lässt so etwas explizit zu), darunter Lexias Lieblingskollegen. Und Furcht und Schrecken ziehen in die Agentur ein. Zu dumm, dass Lexia sich immer noch zu Adam hingezogen fühlt, wie schon in der Bar. Sie ist völlig durcheinan­der.

Es ist quasi unvermeidlich, dass sie ihrer offen lesbischen Mitbe­wohnerin Siri Stiller, mit der sie zusammen auf einem Hausboot im Stockholmer Hafen lebt, ihr Herz ausschüttet und händerin­gend nach einer Möglichkeit sucht, nicht selbst mangels qualifi­zierten Abschlusses aus der Agentur gefeuert zu werden. Und welch ein Wunder, Siri weiß tatsächlich Abhilfe: sie hat nämlich die letzte Nacht wieder mit einer tollen Frau verbracht, von der sie schwärmt. Und als Lexia Näheres erfährt, ist sie völlig aus dem Häuschen.

Siris neuer Schwarm heißt Ofelia Oscarsson – eine unglaublich berühmte Skirennläuferin, die schon bei den Olympischen Spie­len erfolgreich war und inzwischen auch ein eigenes Dessous-Label besitzt. Und sie, die landläufig Offi O. genannt wird, sucht nun nach einer Agentur für ihre neue Dessous-Werbekampagne, die sich von den einfallslosen, eindimensional ausgerichteten Angeboten anderer Agenturen fundamental unterscheiden soll.

Kurzum: Siri vermittelt, Lexia trifft sich mit Ofelia, und sie sind auch in puncto Diversität und Diätwahn sofort auf einer Wellen­länge. Und wenig später gelingt es Lexia, diese Kampagne an ihre Werbeagentur zu vermitteln.

Leo reagiert mit Bissigkeit darauf und versucht, die Kampagne an sich zu reißen, was allerdings an Adams Einspruch scheitert. Doch während dann Adam an Lexia absolut widersprüchliche Signale der Versöhnung, des dezenten erotischen Interesses und der Harmonie abstrahlt, immer wieder kontrastiert von schroffen, kalten Chef-Allüren, die die Werbetexterin grundlegend verunsichern, kommt noch ein weiterer Faktor in die Agentur, den niemand vorausgesehen hat, nicht mal Adam.

Der Investor Roy Hansson setzt durch, dass seine jüngste Toch­ter Rebecca – ein natürlich hellhäutiges, blendend aussehendes Geschöpf, das auf eine erfolgreiche Modelkarriere zurückblicken kann und ebenso natürlich sofort von Leo umschwärmt wird – in die Agentur eintritt, und Adam spannt sie mit Lexia und Leo zu­sammen für die „Offi O“-Kampagne. Hier macht Rebecca über­haupt keinen Hehl daraus, dass sie Lexia nicht leiden kann. Und mehr und mehr ziehen sie und Leo nach der ersten Pitch-Veran­staltung, die Lexia noch organisieren kann und die Ofelia sehr gefällt, die Kampagne an sich – und erleiden dabei fast Schiff­bruch, da sie sich einen feuchten Kehricht um Diversity scheren. Nur mit Mühe kann Lexia die Sache retten … was ihr von den beiden anderen aber nicht gedankt wird.

Während sich unter so erschwerten Bedingungen zwischen Le­xia und Adam allmählich eine zunehmende erotische Attraktion entwickelt, hat der neue Geschäftsführer ganz andere Probleme, mit denen er niemanden behelligt: er arbeitet nach einer wirk­lich grundlegend traumatischen Kindheit intensiv seit fünfzehn Jahren darauf hin, Roy Hanssons Firma alsbald zu übernehmen. Und Roy macht seinerseits keinen Hehl daraus, dass er sich wünscht, Rebecca und Adam kämen wieder – wie vor so vielen Jahren – zusammen. Aber Rebecca ist die Frau, die ihm das Herz gebrochen und ihn kaltblütig in die Wüste geschickt hat. Er empfindet rein gar nichts mehr für sie.

Stattdessen registriert er immer stärker, wie er auf Lexia Vikan­der reagiert, diese sensible, ruhige, intelligente und in seinen Augen unfassbar erotische Frau. Aber zahlreiche Geheimnisse und Hemmschwellen stehen offensichtlich einem gemeinsamen dauerhaften Liebesglück im Weg. Und dann häufen sich die Ka­tastrophen …

Ich habe diesen voluminösen Roman schon vor Monaten im Buchhandel immer wieder neugierig beäugt und dachte mir: was für eine interessante Grundidee. Man trifft seinen zukünfti­gen Chef ahnungslos in der Bar, findet ihn attraktiv und erotisch und schüttet ihm im cocktailseligen Zustand sein Herz aus, um ihm dann am nächsten Tag amtlich gegenüberzustehen und völ­lig von der Rolle zu sein.

Und gerade in Zeiten der #MeToo-Debatte ist es ja höchst kri­senhaft, etwas Positives über eine Chef-Untergebenen-Liebesbe­ziehung am Arbeitsplatz zu schreiben. Ungeachtet übrigens der Tatsache, dass allgemein bekannt ist, wie häufig es am Arbeits­platz zwischen Kollegen funkt und dort erste Liebesbande ge­knüpft werden, die nicht selten zur Ehe führen (ich kenne da selbst ein Beispiel aus meiner Arbeitswelt). Hier steht sich die #MeToo-Debatte vermutlich ein wenig selbst im Weg. Auf der anderen Seite haben wir im vorliegenden Roman dann natürlich solche sexistischen Dinosaurier wie Roy Hansson, die übergriffig werden (es wird zwar erzählt, er sei glücklich verheiratet, und dies schon seit Jahrzehnten, aber da seine Frau nur ein Phantom im Roman ist, bleibt dies ein reines Lippenbekenntnis).

Psychologisch erweist sich der Roman als feinfühlig gestrickt. Die Autorin lässt sich wohltuend Zeit und Raum für die Entwick­lung komplexer Protagonisten. Weder Lexias noch Adams Bio­grafie ist einfach, nicht ihre Vergangenheit und auch nicht ihre Gegenwart. Themen wie Gewalt in der Ehe, frühe traumatische Verluste, Mobbing und sogar das Problem von digitalem Shitstorm in den sozialen Medien, die Verzerrung von Nachrichten und Interviews durch unzulässige Verkürzung – was schon fast in Richtung von „Fake News“ geht – tauchen hier en passant auf. Ebenso wird der selbst in meinen Augen krankhafte Mager­wahn der modernen Modelkultur auf sehr berechtigte Weise bloßgestellt. Und es werden Lanzen für alternative Lebensmo­delle, Homosexualität und abweichende Körpernormen gebro­chen. Da ist das Buch also höchst aktuell und auch politisch durchaus relevant.

Dass die ernsthafte Erotik erst ab etwa Seite 300 des Romans Raum findet, spielt gar keine zentrale Rolle. Die Geschichte bis dahin ist wirklich alles andere als langweilig, ich habe das Werk binnen von drei sehr kurzweiligen Tagen geradezu verschlungen und werde mich auf die Suche nach weiteren Büchern der Auto­rin machen, soviel steht fest.

Indes … einen Wermutstropfen in diese positive Würdigung des Romans einfließen zu lassen, kann ich dann doch nicht vermei­den. Es ist allgemein bekannt, dass die skandinavischen Länder ein recht starkes Alkoholproblem haben. Und es ist schon legen­där, dass viele Skandinavier beispielsweise nach Norddeutsch­land pendeln, um sich dort „vollzutanken“, weil der „Sprit“ hier preiswerter zu haben ist als beispielsweise in Stockholm. In die­ser Hinsicht, das muss gesagt sein, ist Lexia Vikander eine typi­sche Skandinavierin. Was sie in diesem Roman an Bier, Cock­tails, Sekt und Ähnlichem zu sich nimmt, von ihrem sozialen Umfeld mal ganz zu schweigen, das fand ich doch höchst be­denklich. Aber das ist natürlich der Standpunkt eines Lesers, der seinen Patenonkel durch Suff verloren hat und strikter Anti­alkoholiker ist.

Es ist leider eine Tatsache, dass das verheerende Suchtmittel Al­kohol als Teil des allgemeinen Lifestyles längst in der Mitte der Gesellschaft epidemische Verbreitung gefunden hat. Ich fand diesen Bereich des Romans darum unappetitlich. Aber wer sich daran nicht stört, wird das Buch sicherlich in vollen Zügen ge­nießen können.

Abgesehen von dieser Einschränkung – absolute Leseempfeh­lung!

© 2019 by Uwe Lammers

Das Schöne an Literatur ist, dass permanent Talente nachwach­sen und aus allen möglichen Ländern übersetzt werden – schwedische Romane sind darunter üblicherweise eher wenige. Simona Ahrnstedt ist diesbezüglich aber eine tolle Entdeckung.

In der kommenden Woche kehre ich zu einem meiner Lieblings­autoren zurück, der leider kurz vor Erstellung dieses Rezensi­ons-Blogs am 24. Februar 2020 verstorben ist. Die Rede ist von Clive Cussler. Um welches seiner zahlreichen Werke es nächste Woche geht, erfahrt ihr, wenn ihr hier wieder vorbeischaut.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

es tut mir leid, dass es schon wieder so lange her ist, seit ich über das Phänomen „Horrorwelt“ mit euch sprechen konnte – aber ich wollte eigentlich mal schauen, wie der Teil 1 als Blogar­tikel 376 so ankam. Und da ich so weit im Voraus geschrieben hatte, war das mit einer ziemlichen Wartezeit verbunden.

Nachdem ich, ohne Witz, dann mehr als zweieinhalb Stunden damit zubrachte, all die neuen Wiki-Einträge allein dieses einen Beitrages einzuarbeiten, kam ich zu einer grundlegenden Ent­scheidung: Offensichtlich war ein Rahmen von 50 Episoden der Serie für einen Blogeintrag bei weitem zu ambitioniert, dafür spricht wohl auch die Tatsache, dass der Eintrag dann so aus dem Teig ging, wie man wohl am sinnvollsten schreiben sollte. Darum gehe ich heute mal etwas anders vor.

Entgegen meiner letzten Ankündigung vor 18 Wochen möchte ich heute nur die Bände 51-75 der „Horrorwelt“-Serie behan­deln. Das hat zur Folge, dass der Handlungskomplex um die „Höhle der Tausend Steine“ erst ganz zum Schluss und eher pe­ripher thematisiert werden wird und sich in voller Stärke dann erst in Teil 3 dieser Artikelreihe entfalten kann. Das sollte aber so nachteilig nicht sein.

Da doch einige Zeit vergangen ist, starte ich – wie in der Close Up-Artikelreihe – mit einem grundlegenden Rückblick des bis­lang Geschehenen.

Rückblick: Die Horrorwelt ist eine feudal-magisch ausgerichtete Welt, die man am ehesten vom Technologisierungsstand mit dem frühen Mittelalter assoziieren kann. Es gibt zwei Kontinen­te, den Nordkontinent (kein weiterer Eigenname) und den Süd­kontinent (Sin’ol’ghe), die untereinander heutzutage keinen Kontakt mehr haben und füreinander eher als Mythos existie­ren.

Vor mehr als 100 Jahren erfolgte von den so genannten Jenseiti­gen Dimensionen aus der „Dämonensturm“, also der Versuch, die Horrorwelt zu erobern, der fehlschlug. Viele Dämonen stran­deten auf der Horrorwelt, assimilierten sich oder galten an­schließend als tot (z. B. den Heerführer ONOGAER ereilte dieses Schicksal).

In den Jenseitigen Dimensionen hat seither der Dämon der Ge­walt, TOETAAR, die Macht ergriffen und mit seiner treibenden Riesenfestung, der SCHATTENRESIDENZ, und einem stetig wachsenden Heer von Eisernen Kriegern und magischen Ge­fährten, den WOLKEN, seine Macht gefestigt. Von hier aus greift er nun über Dimensionstore nach der Horrorwelt und will sie un­terwerfen.

Einer seiner Heerführer, die Mumie Mapun, meutert jedoch und kann auf die Horrorwelt entkommen mit dem Wunsch, die Be­wohner dort vor dem bevorstehenden Angriff zu informieren und Widerstand zu organisieren. Er trifft, verfolgt vom Eisernen Krieger und Vollstrecker ULKORAW, verwickelt in zahlreiche Scharmützel und Komplikationen, eine Reihe von Verbündeten. Der machtvollste darunter ist der Hexendämon TOOWATAER, der seinerseits ein Hexenheer zusammenstellt, um TOETAARS Attacke aufzuhalten. Dieser Widerstand ist zwecklos – TOETAAR vernichtet das Hexenheer fast vollständig und nimmt TOOWA­TAER gefangen, raubt dem Dämon die Erinnerung und macht ihn als üppige Schönheit mit dem Namen Tanja zu seiner Skla­vin.

Mapun hat unterdessen seine menschliche Gestalt zurücker­langt und ist mit seinen Gefährten, dem Vampir-Grafen Corian vom Schattenstein (dem auch die Wiedergewinnung seines nor­malen Lebens glückt), der verstoßenen Hexe Noola und der Waldhexe Rena auf dem Weg in den Süden, wo sie in der Höhle des Orakels den tot geglaubten Dämon ONOGAER treffen. Hier stoßen sie auch mit schwarzen Reitern zusammen. Die Gruppe wird getrennt. Mapun und ONOGAER gelangen in das Land So­nofal, das vom Dämon YTHOKAAN regiert wird, einem strikten Parteigänger TOETAARS. Hier erweist sich ONOGAER als Verrä­ter, der Mapun in die Gefangenschaft schickt und sich selbst TOETAAR als Berater andient. Aber der dimensionale Transit, der Mapun direkt in die Jenseitigen Dimensionen zurückbringen soll, schlägt aus unbekannten Gründen fehl. Stattdessen ge­langt er ins Nordpolarmeer, wo er mit zwei schönen Schwes­tern, Gera und Gesa, intim werden kann, die daraufhin seine angeschworenen Ehefrauen sind.

Seine Mission ist aber nicht erfüllt – von TOOWATAER weiß er, dass auch der legendäre Südkontinent Sin‘ol‘ghe von TOETAAR heimgesucht werden wird, und er durchschreitet ein Dimensi­onstor gen Süden.

Der zweite Teil der Renegatengruppe, der Corian, Noola und Rena umfasst, wird von den schwarzen Reitern verfolgt, gerät dann aber in Gefangenschaft von magisch belebten Puppenkrie­gern des Dämons KOOMAEG, der einen Regierungsumsturz in Sonofal anstrebt. Während Corian wieder die Flucht gelingt, ist das Glück Rena und Noola nicht hold. Noola wird in ein seelenlo­ses Wesen verwandelt, Rena entscheidet sich zur Kollaboration mit KOOMAEG, verliert aber ihre Freiheit, als der Putschversuch in Sonofal fehlschlägt. Sie wird als Sklavin in die SCHATTENRE­SIDENZ TOETAARS entführt.

Corian, der ebenfalls mit Getreuen aus dem wertanischen He­xenwald unterwegs ist (er hat hier den alten Freund und Bera­ter-Dämon COORAET sowie die Junghexe Firona getroffen, die sich ihm angeschlossen haben), um zu seiner Burg Schatten­stein zu gelangen, gerät in einen Hinterhalt und wird von Skla­venjägern der Freiheit beraubt.

Während TOETAAR zunehmend jeden Widerstand auf dem Nord­kontinent niederwalzt, sind die verstreuten Kämpfer des Hexen­heeres, darunter die Nordhexe Kani und der Ritter Rinterson, der vormalige Geliebte des Hexendämons TOOWATAER, auf der Flucht.

Die Zeichen stehen schlecht, und niemand scheint mehr im­stande zu sein, wirksamen Widerstand gegen die monströse Machtmaschinerie TOETAARS zu leisten …

Direkt nach Band 50 setzt die Handlung mit der Handlungsspur Corians und seiner Gefährten ein. In einem Bergwerk werden sie zu Sklavenarbeit gezwungen, aber hier entdeckt Firona auch die seelenlose Noola. Mit COORAETS Hilfe gelingt ein Aufstand, der die Gruppe wieder in die Freiheit gelangen lässt.

In Band 52 wird nach Sin‘ol‘ghe umgeblendet – Mapun gelangt auf diesen tropischen Kontinent und stößt umgehend mit Pries­terinnen des Stein-Kultes zusammen, die ihn attackieren. Ihm gelingt die Flucht von der dem Kontinent vorgelagerten Insel auf das Festland, wobei ihn eine in Ungnade gefallene Priesterin begleitet. Auf dem von Savannen dominierten Nordrand des Südkontinents trifft der Deserteur des Bösen außerdem auf Kat­zenfrauen, halbmenschliche Wesen, die im Grunde Menschen feindselig gegenüberstehen. Da er aber der Katzenfrau Yeerie bei der Geburt ihres Kindes assistiert hat, gewinnt er ihr Ver­trauen. In dieser Gruppe erreicht er dann die Katzenstadt, in der die Hohepriesterin Tian regiert. Interessanterweise wird er hier bereits erwartet.

Corian setzt auf dem Nordkontinent seinen Weg zur Burg Schat­tenstein fort. Hier kann er nach und nach die erinnerungslose Noola wieder zu einem bewussten, selbstbestimmten Wesen machen, das auch imstande ist, wieder über die eigene Sexuali­tät zu bestimmen. Aber in der Ruinenstadt Deeburg vermeint Noola unvermittelt, sich selbst zu sehen. Corian hält das für eine Überreizung ihrer Nerven, doch leider täuscht er sich.

Als Noolas Seele durch KOOMAEG in einen gläsernen, magi­schen Tetraeder gesperrt wurde, ging sie in den Besitz eines im Geheimen operierenden Dämons namens XAMANEAK über, der auch „Herr der Alptraumlegionen“ genannt wird und dessen Machtzentrum auf dem Südkontinent liegt. Er steckte auch hin­ter KOOMAEGS Umsturzversuch in Sonofal. Und nun reaktiviert er über den Seelenkristall Noolas einen Kunstkörper (wir würden vermutlich von Klonkörper sprechen), dem er mit Noolas Seele Leben einhaucht – und diese Kämpferin mit Noolas Seele und Aussehen versteht sich als die einzige Noola, die es gibt … und nun weiß sie, dass es eine Rivalin mit demselben Körper gibt!

Corian gelingt es, Burg Schattenstein von der intriganten Hexe Phyllis, die ihn einst mit einem Fluch in einen Vampir verwan­delte, zu befreien. Phyllis‘ Versuch, ihn in eine Falle zu locken, schlägt fehl. Der Dämon TOETAAR bestraft sie dafür, indem er sie als seine weitere Sklavin in die Jenseitigen Dimensionen ver­schleppt.

Der Ritter Rinterson und seine schamlose Gefährtin, die Nordhe­xe Kani, die die Vernichtung des Hexenheeres überlebt haben, versuchen derweil, zur Insel Ankiay vorzudringen, die vor der Küste von Sonofal liegt und von einem Konglomerat von matri­archalischen Stämmen regiert wird. Sie hörten bislang auf den Hexendämon TOOWATAER, aber TOOWATAER gilt als tot. Infol­gedessen sind Ankiay-Stammesoberhäupter anfällig geworden für Einflussversuche des Dämons YTHOKAAN. Als Rinterson und Kani hier also landen, geraten sie bald darauf in Gefangenschaft von YTHOKAANS Schlangenkriegern und werden nach Sonofal ausgeliefert.

Nach Monaten der Unterdrückung beginnt sich in den am Süd­rand des Nordkontinents gelegenen Grafschaften des Landes Wertan Widerstand zu regen. Doch wiewohl er partielle Erfolge erzielt, bleibt er doch letztlich nur ein Strohfeuer des Aufbegeh­rens, das blutig unterdrückt wird.

In der Katzenstadt auf dem Südkontinent wird Mapun inzwi­schen von der Priesterin Tian in die Hintergründe des Konfliktes eingeweiht: Vor langer Zeit haben die Götter der Schluchtwelt auf dem Südkontinent einen magischen Hort geschaffen, die „Höhle der Tausend Steine“. Wer dorthin vorstoßen kann, er­langt unfassbare magische Macht – und tatsächlich ist die „Höh­le der Tausend Steine“ der einzige Ort auf der Horrorwelt, den TOETAAR ernsthaft fürchtet. Er hat deshalb schon Zehntausen­de von Kriegern, Untoten und WOLKEN hier anlanden lassen, die sich mit den Armeen des Südkontinents erbitterte Kämpfe liefern. Mapun, so sieht Tian es jedenfalls vor, die Vorsteherin des Katzenclans, ist von den Göttern der Schluchtwelt als Heroe des Lichts ausersehen, die Höhle zu erreichen und den finalen Kampf gegen TOETAAR zu führen – zu genau diesem Zweck sei sein Weg, statt in die Jenseitigen Dimension zu führen, wieder auf die Horrorwelt umgeleitet worden.

Mapun ist in Anbetracht der schon erlebten Gräuel mehr als be­reit, diese Rolle einzunehmen, aber er fordert dafür ein entspre­chendes Heer, das ihn unterstützt. Tian sagt das zu und gibt es ihm.

Als sie sich auf den Weg zur „Höhle der Tausend Steine“ ma­chen, die derzeit schon von TOETAARS Truppen unter ONOGAER belagert und deren Verteidigung von den Soldatinnen des Stein-Clans (mit dem Mapun Anfang der 50er-Bände unschön zusam­menstieß) übernommen wird, treffen sie in der Gebirgskette der „Frostbarriere“ auf eine weitere magische Macht.

Die Person, mit der sie hier kollidieren, heißt XAMANEAK, denn die Frostbarriere ist sein magisches Refugium, von wo aus die­ser intrigante Dämon die Geschicke der Welt zu lenken sucht. Er ist es auch, der Mapun gesteht, dass er vor Monaten den Voll­strecker ULKORAW von seiner Fährte abbrachte (Horrorwelt-Bd. 24). Er ermöglicht dem Deserteur des Bösen einen finalen Zwei­kampf mit dem Vollstrecker, der damit besiegt werden kann.

Dann soll Mapun den Weg zur „Höhle der Tausend Steine“ in XA­MANEAKS Auftrag fortführen … aber Kriegerinnen des Stein-Clans fangen ihn ab, und die Priesterin Janine macht Mapun se­xuell hörig und instrumentalisiert ihn im Sinne ihres Stein-Clans.

Im Norden prallen zwischenzeitlich Noola I und Noola II in einem Kampf aufeinander. Als XAMANEAK, der hinter Noola II steht, je­doch merkt, dass der Kampfplatz magisch kontaminiert ist, sieht er keine andere Möglichkeit mehr, als beide Kontrahentinnen prophylaktisch zu töten … leider reicht das nicht aus. Die am Kampfplatz nahe der Burg Schattenstein im Boden ruhende magische Präsenz wird freigesetzt – die Essenz des furchtbars­ten Dämons, den die Horrorwelt jemals gekannt hat: der Rote Dämon, ein Ungeheuer, das einstmals fast vollständig das Volk der Feen ausrottete, vor vielen Jahrtausenden.

Seine Essenz ist nun freigesetzt und vermag seine physische Wiederkehr vorbereiten. Außer XAMANEAK scheint das aber nie­mand zu ahnen … nun, man muss auch zugeben, die anderen Protagonisten haben sehr viel anderes zu tun, unter anderem, schlicht am Leben zu bleiben. Denn immer noch rollt TOETAARS Invasion und zermalmt gnadenlos jeden Widerstand.

Ebenfalls auf den Südkontinent konnte die einstige junge Drui­denhexe Silva flüchten, die in der SCHATTENRESIDENZ lange Monate als willige Sklavin des Gewaltdämons zugebracht hat, ehe der schrumpelige Magier Jiogre sie vergötterte und durch ein Dimensionstor in den Süden des Kontinents Sin‘ol‘ghe beför­derte. Hier stellt Silva, nunmehr von der TOETAAR-Hörigkeit gründlich kuriert, fest, dass der blaue Kristall, der ihr mit die Flucht ermöglichte, aus der „Höhle der Tausend Steine“ stammt. Und ja – er ist einwandfrei eine sehr wirkungsvolle Waffe gegen die ansonsten unbesiegbaren Eisernen Krieger TOETAARS.

Silva macht sich nun mit Jiogre durch die Urwälder im Süden des Kontinents in Richtung Norden auf. Ihr Ziel ist ebenfalls die „Höhle der Tausend Steine“.

Eine weitere Reise erreicht ihr Ziel: die Druidenhexe Franca, die kurz vor Vernichtung des Hexenwaldes im Herzen des Nordkon­tinents durch TOETAARS Truppen die mentale Essenz des Drui­dendämons NANERAEK aufnahm, wurde von ihm in die Jenseiti­gen Dimensionen gesandt, wo sie nun dessen zurückgelasse­nen, mumifizierten Körper findet. Als der Energieaustausch er­folgt ist, lebt NANERAEKS sehr ansehnlicher maskuliner Körper wieder – und zum Dank schläft er mit Franca, die so seine Ge­liebte wird. Allerdings befinden sich beide nun in definitiven Feindesland – denn die Jenseitigen Dimensionen werden von TOETAAR und seinen willfährigen Statthaltern regiert. Und phy­sisch auf die Horrorwelt zurückkehren, wo sie vielleicht sicherer wären, können sie nur über die Dimensionsportale, die von ei­nem zentralen Ort gesteuert werden: von der SCHATTENRESI­DENZ! Aber dorthin vorzustoßen, wäre blanker Selbstmord.

Während so die Erfolge und Zersplitterungen der Kräfte gegen TOETAAR sich die Waage halten, erhält YTHOKAAN von TOE­TAAR die Order, direkt offensiv gegen Ankiay vorzugehen. Er selbst entschließt sich dafür, nun massiv die „Höhle der Tausend Steine“ zu attackieren, um diese magische Bedrohung auszu­schalten.

Die Zeit wird knapp für Mapun & Co., denn selbst als er mit der Feldherrin Janine durch das magische Treibende Land das Eiland mit der Höhle selbst erreichen kann, ist überhaupt nicht gesagt, dass er imstande ist, mit der magischen Macht umzugehen. Mehr noch … es scheint fast so, als sei er gar nicht würdig, son­dern würde eher – wie alle Ankömmlinge vor ihm – geradewegs von der magischen Stätte gefressen werden!

Da ist jetzt guter Rat teuer!

An dieser Stelle setze ich die Berichterstattung im dritten Teil dieser Artikelserie fort – und definitiv sehr viel früher als in 18 Wochen, Freunde! Mein Ehrenwort darauf!

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 286: Mythos Bernsteinzimmer

Posted September 16th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist echt verblüffend, wenn man ganz und gar unerwartet mit etwas konfrontiert wird, was man nun wirklich überhaupt nicht erwartet – so ging mir das gestern (9. März 2020!) beim Coa­ching. Ich war mit meinem Coach gerade im Gespräch über Schätze der Vergangenheit, und auf einmal redete er über das Bernsteinzimmer! Ernsthaft! Ich dachte fast, ich bin im falschen Film! Aber in einem zutiefst interessanten zugleich gelandet, muss ich dazu sagen.

Das Bernsteinzimmer ist eine Legende der jüngeren Vergangen­heit, und sein Verschwinden in Ostpreußen in den Schlusswirren des Zweiten Weltkriegs befeuert offenkundig noch heute, nach­dem es in St. Petersburg mühsam wieder aus Bernstein anhand historischer Aufnahmen rekonstruiert wurde, die Phantasie der Altgeborenen wie Nachgeborenen.

Warum ist das wohl so? Nun, manch einer mag darob befremdet sein, andere junge Leute wissen mit dem Begriff wohl gar nichts mehr anzufangen. Das zu ändern, scheint mir darum geboten. Und es gibt da ein faszinierendes Buch, das zumindest meine Meinung zum Thema Mythos Bernsteinzimmer zementiert hat, weil es äußerst glaubwürdig argumentiert. Es ist das Werk, das ich heute vorstellen möchte und das nicht nur zum Einstieg in die Thematik taugt, weil es sich akkurat in historischer Präzision an die Fakten hält, sondern auch, weil es sich in der Art und Weise des investigativen Journalismus wie ein Krimi liest.

Klingt spannend? Ist es! Vertraut mir, Freunde. Und wer neugie­rig geworden ist, der lese weiter:

Mythos Bernsteinzimmer

von Maurice Philip Remy

List-Verlag, 2003

244 Seiten, geb.

ISBN 3-471-78579-5

Das erste Stück, das auftauchte, war von zweifelhafter Her­kunft: ein kleiner, geschnitzter Kriegerkopf aus Bernstein, am frühen Nachmittag des 13. Dezember 1993 unter der Nummer 73 beim Londoner Auktionshaus „Christie’s“. Es wechselte für 10.350 Pfund den Besitzer und verschwand in einer privaten Sammlung. Niemand nahm davon anfangs Notiz.

Die zweite Spur bestand aus einem Florentiner Steinmosaik, das im Jahre 1997 auf dem grauen Kunstmarkt auftauchte und für zweieinhalb Millionen Mark angeboten wurde. Statt dem Verkäu­fer Geld einzubringen, wurde es von der Polizei beschlagnahmt – und als echt klassifiziert!

Das Mosaik stammte unzweifelhaft aus dem seit 1945 verschol­lenen Bernsteinzimmer aus dem Leningrader Schloss Zarskoje Selo. Der SPIEGEL bekam Wind von der Angelegenheit und pu­blizierte einen Artikel – neun Tage später lieferte ein Berliner Rechtsanwalt eine Louis-XIV.-Kommode direkt in der Redaktion des SPIEGEL ab, arg ramponiert zwar (man hatte früher einen Kaninchenstall aufgenagelt), aber auch hier stellten die Exper­ten nach einer eingehenden Prüfung zweifelsfrei fest, dass diese Kommode einst Teil des legendären Bernsteinzimmers gewesen war.

Es schien, als seien die Gerüchte der Schatzsucher von einst doch ernsthafte Realität, die Behauptungen jener fieberhaft den Träumen Nachjagenden, die nicht glauben mochten, was manch einer seit langem dachte: dass das Bernsteinzimmer einst in den Endtagen des Zweiten Weltkriegs der Vernichtung anheim­fiel. Denn – wenn diese Teile noch existierten, warum dann nicht auch der Rest? Der Dokumentarfilmer und Historiker Maurice Philip Remy, der seit fünfzehn Jahren selbst nach den Spuren des Bernsteinzimmers suchte, beschloss, endlich das Gewirr an Mythen und Legenden zu entrümpeln und die Fakten ein für al­lemal zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.

Die Geschichte beginnt vor über zweihundertfünfzig Jahren, am Ostseestrand, wo seit Jahrhunderten bereits das „Gold des Nor­dens“, fossiles Baumharz, also Bernstein, angespült wurde und damals dem kleinen Staat Preußen als unerwarteter Rohstoff diente. Da in den Kunst- und Wunderkammern des 18. Jahrhun­derts sonderliche Objekte aus Bernstein in Hülle und Fülle exis­tierten, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich schließlich der verschwenderische König Friedrich I. von Preußen, der sich auch luxuriöse Jachten bauen ließ, auf die großflächige Verwendung von Bernstein einließ. Nachdem unter dem Baumeister Eosan­der die Umbauarbeiten im Schloss Charlottenburg begonnen hatten, gab er schließlich Anweisung, ein ganzes Zimmer aus dem kostbaren Stoff zu schaffen (vermutlich zu Ehren seiner Frau Sophie Charlotte), unterstützt von venezianischen Leuch­tern und schmalen Spiegelpaneelen.

Die aufwändige Inkrustationstechnik, die besonderen Alterungs­techniken, mit denen der Bernstein verfärbt wurde, um ihm sein spezielles „Feuer“ zu verleihen, all das war nicht zum Nulltarif zu haben, und Gottfried Wolffram, begnadeter Künstler des Bernsteins, war ebenso nicht preiswert. Er machte zwar gute Ar­beit, aber auch teure. Etwa um 1705 muss es schließlich im We­sentlichen fertig gewesen sein, die archivalischen Unterlagen lassen keinen genauen Schluss darüber zu.

Das Gesamtkunstwerk war beeindruckend: der Saal in Charlot­tenburg besaß eine Deckenhöhe von 4.75 Metern, es existierten vier breite Wandpaneele aus Bernstein (1.65 Meter Breite) und vier schmale (1.26 Meter), dazu zahlreiche weitere Sockelpa­neele. Die Spiegelfelder besaßen aufwändig gearbeitete, breite Bernsteinrahmen. Bei Sonnenlicht zweifellos ein Anblick für die Götter, wenigstens anfangs.

Denn das Bernsteinzimmer war zwar ein geniales Kunstwerk, aber die Technik, mit der es geschaffen worden war, besaß ihre Tücken: sie ließ den Bernstein rasch altern, spröde werden und sich vom Untergrund lösen. Die Konsequenz bestand darin, dass sich nach wenigen Jahren schon die ersten Schäden am Bern­steinzimmer zeigten, und diese Schäden machten es zum dauerhaften Sanierungsfall, durch alle Jahrhunderte.

Außerdem, nachdem Friedrich I. verstorben war, hatten seine Nachfolger keine gescheite Verwendung mehr für dieses Prunk­stück, das ihnen als Symbol einer verschwenderischen Epoche erschien. Es war nur konsequent, dass Friedrich Wilhelm I. die­ses Kunstwerk, das durch die Zerfallserscheinungen immerzu Folgekosten verursachte, loszuwerden versuchte. Als die Not­wendigkeit bestand, sich mit dem russischen Regenten Peter I. anzufreunden, wusste er darum auch sogleich einen Weg: er verschenkte im Jahre 1716 sowohl königliche Jacht „Liburnica“ seines Amtsvorgängers (für die er auch keine Verwendung be­saß) wie das Bernsteinzimmer.

Doch in St. Petersburg ruhte das Bernsteinzimmer zunächst ver­packt bis zum Amtsantritt von Elisabeth I. im Jahre 1741. Erst nach 1743 sollte das Bernsteinzimmer aufgestellt werden – in einem Saal, der dafür zu groß war. Also wurde der Graf Bartolo­meo Francesco Rastelli beauftragt, die leeren Flächen mit 26 Pi­lastern aus 28 schmalen, von goldenem Schnitzwerk verzierten Spiegeln – jeweils mit einem dreiarmigen, feuervergoldeten Bronzeleuchter in der Mitte – zu ergänzen. Außerdem gab die Regentin vier Ölbilder in Auftrag, durch die die vier ursprüngli­chen Spiegelflächen im Bernstein ersetzt werden sollten. Es war geplant, die Bildinhalte später in Bernstein nachzuschnitzen, wozu es indes nie kam.

Die Restaurierung des Zimmers dauerte drei Jahre und hätte noch länger gedauert – es fehlte nämlich im ursprünglichen Zimmer ein Bernsteinrahmen, den der ursprüngliche Architekt Wolffram, der sich schon 1707 mit dem Baumeister Eosander überworfen hatte, zusammen mit zahlreichen Bernsteinteilen nach Schweden mitgenommen hatte, zu seiner nächsten Wir­kungsstätte. Friedrich II. sandte allerdings der russischen Zarin einen nachgebauten Bernsteinrahmen, so dass das Zimmer nun komplettiert werden konnte.

Die Ölgemälde wurden durch ein Gastgeschenk der österreichi­schen Regentin Maria Theresia – die Friedrich I. im Werben um Elisabeths Gunst offensichtlich in nichts nachstehen wollte – er­setzt: durch vier florentinische Steinmosaike. Außerdem fanden zwei reich verzierte Kommoden ihren Platz im Bernsteinzimmer. 1755 siedelte das komplettierte Bernsteinzimmer auf den Som­mersitz der Zarin in Zarskoje Selo um, wo es von da an dauer­haft bleiben sollte: noch immer ein Sanierungsfall, wenn auch anfangs sehr repräsentativ. Hier bildete es bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine von zahllosen Kostbarkeiten, die aus der Zarenzeit in den Besitz der kommunistischen neuen Machthaber übergegangen waren. Und schließlich geriet das Bernsteinzimmer in die dramatische Zeit des Vernichtungs­kriegs des Deutschen Reichs gegen die UdSSR und damit in di­rekte Zerstörungsgefahr …

Maurice Philip Remy unternimmt nun in diesem Buch den Ver­such, zu den Quellen zurückzugehen. Er stützt sich nur am Ran­de auf die zahllosen Publikationen der Spätzeit zum Bernstein­zimmer, die von den Hobbyforschern und Historikern stets im­mer wieder unkritisch aufs Neue zitiert wurden. Dabei entlarvt er schon für die Frühzeit zahlreiche unpräzise Angaben, was Er­schaffer und Entstehungszeit des Zimmers angeht, er bringt eine Fülle an Details, die er aus vieler Herren Länder herangezo­gen hat, und schließlich gibt er nicht nur ungeschminkt den Glanz und die Glorie des Bernsteinzimmers wieder, sondern nennt auch die Probleme, die damit einhergingen.

Die mitunter erstaunlich despektierlichen Ansichten der Kurato­ren und Fachleute, die er zu Tage bringt, überraschen bisweilen. Vor allen Dingen aber zeigt Remy durch Gegenüberstellung von bislang unbekannten Dokumenten aus vornehmlich russischen Archiven, wie sehr hier Vertuschung, ideologische Neuzuwei­sung von Zerstörungen und schlichte Ignoranz bzw. Nachlässig­keit dazu beitrugen, den Mythos vom Bernsteinzimmer in der Nachkriegszeit zu schaffen (vorher war das Zimmer, interessan­terweise, gar kein Thema). Man erfährt vieles über Antiquitäten­handel, mit dem die frühe kommunistische Regierung zwischen 1917 und 1930 schwunghaft Devisen erwirtschaftete (wohl nur die sperrige Größe des Bernsteinzimmers verhinderte, dass es selbst verkauft wurde), man liest einiges über die Nachlässigkeit und Plünderungswut russischer wie deutscher Soldaten, die in vielen Fällen von historischem Sachverstand völlig unbeleckt waren … und zu guter Letzt erfährt man auch die Wahrheit.

Ja, die Wahrheit über das Schicksal des Bernsteinzimmers.

Denn die aus zahlreichen Indizien zusammengesetzte Kette von Beweisen, die Remy dem geneigten Leser vorlegt, beweist ein­wandfrei, was für ein Schicksal das Bernsteinzimmer genommen hat, was 1945 wirklich in seinem Auslagerungsort, dem Königs­berger Schloss, geschehen ist und woher die Kommode, das Steinmosaik und der Soldatenkopf stammen.

Wer immer also die Wahrheit über diesen Mythos Bernsteinzim­mer erfahren möchte – die im übrigen spannender ist als der Mythos selbst – , der sollte sich dieses Buch kaufen und lesen. Der Kenner mag zwar Hinweise auf die Wilhelm Gustloff oder auf Mittelbau Dora vermissen, aber wer Remys Indizienreihe folgt, und eigentlich bleibt da gar keine andere Wahl, der wird verstehen, dass man dort nicht mehr nach dem Bernsteinzim­mer wird suchen müssen.

Man wird gar nicht mehr suchen müssen. Nach qualvollen 58 Jahren ist die Jagd endlich zu Ende …

© 2007 by Uwe Lammers

Ehrlich, ich fand, als ich das Buch ausgelesen hatte, beein­druckt, erschüttert und ein bisserl desillusioniert, dass es schlicht und einfach zu kurz geraten war. Gewiss, die Geschich­te (oder Geschichten, je nachdem, wie man das sehen mag) des Bernsteinzimmers war auserzählt, einwandfrei. Aber irgendwie war ich erneut auf das alte Problem hereingefallen, das mich stets packt, wenn ich spannende Bücher lese – sie sind einfach immer notorisch zu kurz und viel zu rasch ausgelesen.

Natürlich ist das ein gewisses Luxusproblem, das all die Zeitge­nossen nicht haben, für die schon eine halbseitige Mail als „Ro­man“ gilt. Aber ich bin Schriftsteller, Freunde, und ich liebe die Worte, die Sätze, die sich aneinander reihenden Seiten. Und ich verschlinge auch bereitwillig tausendseitige Schmöker, wenn sie unterhaltsam genug sind. Da sind doch nun wirklich 244 Seiten eher eine leichte Übung.

Ich seufzte also und dachte mir, es sei echt mal wieder Zeit für einen richtig langen Roman. Und im Rezensions-Blog habt ihr Glück, Freunde, denn in der nächsten Woche versinken wir in ei­nem solchen opulenten, seitenschweren „Ziegelstein“ von Ro­man.

In welchem? Na, lasst euch mal überraschen!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

ich verließ euch mit der Berichterstattung über den Kreativmo­nat September 2018 vor inzwischen zwölf Wochen. Die Schreib­pause an dieser Sub-Artikelreihe tut mir leid, aber das ließ sich leider nicht anders realisieren. Ich ging aber ohnehin von An­fang an davon aus, dass diese Artikelreihe in langsamerer Folge erscheinen würde, je näher ich der Gegenwart komme. Und das hat sich ebenso bewahrheitet, wie ich im Rezensions-Blog die Abstände zwischen den Clive Cussler-Romanen vergrößert habe.

Heute soll es um die Monate Oktober bis Dezember 2018 ge­hen. Jüngst schrieb ich, dass ich die Monate davor insbeson­dere durch drückende Hitze, die grundsätzlich meine Kreativität lähmt, nur zu sehr wenig gekommen bin. Der Tiefststand war im September mit 10 beendeten Werken erreicht.

Im Oktober wurde es dann erfreulicherweise kühler, was sich sofort auf mein Schreiben auswirkte. Mit 20 fertig gestellten Texten verdoppelte ich meinen rein numerischen Output quasi … aber lasst euch von den blanken Zahlen nicht beirren. Bei sechs Texten handelte es sich um Blogartikel (inzwischen natür­lich alle lange veröffentlicht). 11 weitere entfallen auf Rezensio­nen, die naturgemäß eher knapp gehalten sind.

Bis zum 23. Oktober wurde ich dann stark von einem E-Book-Projekt in Anspruch genommen. An diesem Tag vollendete ich „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ (CK 1), das Ende 2018 digital veröffentlicht werden sollte, mit über 500 Textsei­ten bei weitem mein umfangreichstes E-Book.

Ebenfalls eine Menge Zeit in diesem Monat verwendete ich na­turgemäß auf die Digitalisierung des immer noch fragmentari­schen BUCHES „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ und für das dazu gehörige Glossar. Bei ersterem konnte ich auch weitere Textseiten dazu schreiben und damit die Ursprungsskriptfas­sung ausdehnen. Die Abschrift selbst war aber noch immer nicht beendet.

Sonst hielt ich mich in den Digitalisaten des KONFLIKTS 12 („Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“) auf, kümmerte mich um das dazu gehörige Glossar und machte eine Stippvisite auf dem Pla­neten Saigon II im Erotic Empire. Außerdem entwarf ich die Lückenstory „Das Geheimnis von Church Island“, das ei­gentlich im Herbst 2019 die Handlungslücke zwischen dem CK 1-E-Book und dem E-Book „DER CLOGGATH-KONFLIKT 2: Monstererwachen“ schließen sollte, an dessen Entwurf ich hier ebenfalls weiterarbeitete. Die Fertigstellung hat sich aller­dings zumindest bis zu dem Zeitpunkt der Erstellung dieses Blogartikels (23. Mai 2020) verzögert.

Im Monat November wurde ich – klar temperaturabhängig – noch reger und erreichte eine Gesamtzahl von 27 fertigen Wer­ken. Darunter befanden sich zwar wieder 9 Blogartikel und 7 Re­zensionen, aber auch einige andere interessante Sachen. An den für Oktober oben erwähnten Werken arbeitete ich weiter, konnte mit dem OSM-Newsletter #10 einen weiteren Beitrag für FAN abschließen – aus dem pragmatischen Grund, weil ich über „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ berichten wollte.

Im Erotic Empire kümmerte ich mich ein wenig um das Roman­fragment „Saskia und die Nomaden“, legte sonst aber sehr viel mehr Wert darauf, mit den Seriendigitalisaten des OSM vor­anzukommen. Da sind natürlich zu nennen die kommentierten Abschriften von KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) und 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC). Bei beiden kam ich solide vorwärts.

Am 4. November schloss ich mit „Die Kristalltränen und an­dere phantastische Geschichten“ die nächste E-Book-Story­sammlung ab, die dann bald darauf erscheinen sollte. Und am 24. November schloss ich das Schnell-Digitalisat der Story „Ul­likummi“ ab. Was ein wenig witzig wie „Kaugummi“ klingen mag, ist in Wahrheit ein monströses, absolut tödliches Wesen, bei dem man sich streiten kann, ob es Leben in unserem gängi­gen Sinn ist. Ihr werdet Ullikummi beizeiten in den E-Books der BdC-Serie kennen lernen.

Ich versuchte ferner, ein wenig an der Abschrift des „stähler­nen Todes“ voranzukommen, aber damit hatte ich dann mein Glück überstrapaziert – da war der Monat nämlich schon zu Ende.

Der schon immer sehr aufwändige Monat Dezember begünstig­te mich zwar klimatisch, so dass ich insgesamt auf 33 fertig ge­stellte Werke kam, aber zugleich hatte ich natürlich viel mit der Briefpost, Weihnachtskarten, Weihnachtsmails, der Aktualisie­rung von Listen usw. zu tun. So finden sich quasi naturgemäß eher kurze Werke in diesem Monat, darunter wieder einmal 8 Blogartikel. Außerdem verfasste ich 12 Rezensionen und küm­merte mich um ein paar Non-OSM-Story- und Artikelabschriften.

Beim Digitalisat der BdC-Serie überschritt ich den Band 50, in dem Oki Stanwer zur Baumeister-Galaxis Arc aufbricht, im FdC-Digitalisat näherte ich mich Band 60 der Serie.

Als dann das Jahresende kam, konnte ich mit einiger Erleichte­rung ungeachtet diverser biografischer, beruflicher und gesund­heitlicher Turbulenzen auf runde 312 vollendete Werke zurück­blicken, die ich im Jahr 2018 geschaffen hatte. Mag man auch sagen, dass sehr viele davon auf Rezensionen oder Blogartikel bzw. kommentierte OSM-Episoden entfallen – ich glaube durch­aus, einen Grund zu haben, auf das Erreichte stolz zu sein.

In der nächsten Folge dieser Reihe brechen wir dann auf ins Frühjahr 2019.

Bis bald, meine Freunde,

mit Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 285: Das Tal der Angst

Posted September 8th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Klassiker sind eine schöne Sache, wie ich finde. Man kann zu Klassikern, zumal solchen der Literatur, verschiedene Stand­punkte einnehmen, aber der meine ist üblicherweise der, dass es gute Gründe dafür gibt, warum ein Werk in den Kanon der Klassiker aufgenommen wird.

Nehmen wir da etwa mal Goethes „Faust“ oder Cervantes‘ „Don Quixote“, die gehören da meiner Ansicht nach auf jeden Fall hinein. Ob dasselbe auch, sagen wir, für die „Budden­brooks“ oder den „Mann ohne Eigenschaften“ oder viel­leicht auch „Homo faber“ gilt, lasse ich mal dahingestellt sein. Es gibt bekanntlich auch unterschiedliche Geschmäcker.

Auf der anderen Seite kann man Romane aber nicht allein des­halb, weil sie alt sind, automatisch zu Klassikern erklären. Und es scheint mir auch inopportun, sie deshalb gewissermaßen au­tomatisch und summarisch zu Klassikern zu stempeln, weil sie von einem Autor verfasst worden sind, der mal einen solchen geschrieben hat. Wir wissen alle, dass auch Schriftsteller mal stärkere und mal schwächere Werke vorlegen.

Wenn man es dann mit jemandem wie Arthur Conan Doyle zu tun hat und mit einem Roman aus seiner späteren Schaffens­zeit, wenn man zudem weiß, dass der „Held“ der Geschichte Sherlock Holmes heißt und Doyle von der Leserschaft und den Verlegern geradewegs dazu gezwungen wurde, ihn nach dem Sturz in die Reichenbachfälle zu reanimieren, der wird ahnen, dass daraus nicht viel Gutes erwachsen kann. Und er behält ab­solut recht mit dieser Einschätzung, soweit es sich um den vor­liegenden Roman handelt.

Als ich anno 2006 diesen Roman las, waren mir die obigen Fak­ten durchaus bewusst, und ich ging mit durchaus gedrosselten Erwartungen an die Geschichte von Vermissa Valley heran. Dar­an tat ich gut. Warum?

Nun, schaut selbst:

Das Tal der Angst

(OT: The Valley of Fear)

von Sir Arthur Conan Doyle

Haffmanns-Doyle-Gesamtausgabe Band IV, 1986

228 Seiten, geb.

Übersetzt von Hans Wolf

ISBN 3-251-20103-4

Alles beginnt mit einer verschlüsselten Nachricht, die dem genialen Detektiv Sherlock Holmes in der Baker Street 226 b ein Rätsel aufgibt und ihm buchstäblich die Laune verhagelt. Die geheimnisvolle Botschaft lautet wie folgt:

534 K2 13 127 36 31 4 17 21 41

DOUGLAS 109 293 BIRLSTONE

26 127 171

Zwar kann er dank seiner Deduktion und der Schützenhilfe von Dr. John Watson die Aufgabe lösen und herausfinden, dass dem Besitzer von Birlstone Manor Gefahr droht … doch ist diese Lö­sung zu spät erfolgt. Ein hereinstürzender Polizist offenbart ihm, dass just an diesem Morgen in Birlstone Manor ein Mord verübt worden ist. Damit geht jene Recherche los, die Holmes schließ­lich auf die Spur des „Tales der Furcht“ führen soll, in dieser Aus­gabe als „Tal der Angst“ übersetzt, was vermutlich treffender ist.

Am Tatort, dem von einem flachen Wassergraben umgebenen Birlstone Manor, das durch eine nächtlich hochgezogene Zug­brücke von der Außenwelt abgeschnitten ist, findet Holmes „die üblichen Verdächtigen“ vor: die junge Ehefrau des verstorbenen Mr. Douglas, einen ebenfalls jungen Freund des Hausherrn, der auf sehr gutem Fuß mit der Witwe steht … und dann ist da jene obskure Karte auf der Brust des mit einer amerikanischen Waf­fe, einer Schrotflinte mit abgesägtem Lauf erschossenen Man­nes. Die Karte ist kaum weniger kryptisch als die Mitteilung des Morgens. Steht doch auf ihr nur V.V. 341.

Es sieht so aus, als sei der Mörder flüchtig und spurlos ver­schwunden, aber Holmes entdeckt interessante Widersprüche in dem Ablauf des Tatmorgens. Und wiewohl die Polizeibeamten sehr gewissenhaft und weitsichtig agieren, ist er ihnen letztlich einen entscheidenden Schritt voraus. Das alles hängt mit dem Graben von Birlstone Manor zusammen und mit dem Zuschla­gen einer Tür … oder dem, was eine Angestellte dafür gehalten hat.

Doch als das Rätsel sich schließlich aufhellt, beginnt die eigent­liche Geschichte erst – sie führt Jahrzehnte zurück nach Ameri­ka, bis in ein Bergarbeitertal, das von einer furchtbaren Gemein­schaft beherrscht wird – nach Vermissa Valley, ins Tal der Angst

The Valley of Fear erschien, wie die meisten Holmes-Geschich­ten, als Fortsetzung im Strand Magazine, und zwar von Septem­ber 1914 bis Mai 1915.1 Schon im Einleitungskapitel bedient sich der sichtbar gereizte Arthur Conan Doyle des legendären Namens seines Erzbösewichts Professor James Moriarty und be­schwört damit sofort einen Konflikt mit der Chronologie der gan­zen Geschichte herauf. Wie überhaupt diese Geschichte diese Erzählung sehr unter Unschärfen leidet. Aber dazu gleich mehr.

Inwiefern gibt es ein Problem mit der Chronologie? Nun, im An­hang von „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“2 wird The Valley of Fear der Handlungsmonat Januar 1888 beigelegt, was plausibel er­scheint. Nun ist es aber aufgrund der anderen Geschichten um Holmes völlig unbestreitbar, dass Dr. Watson und der Rest der britischen Polizei von den verbrecherischen Umtrieben Professor Moriartys wirklich erst im Jahre 1893 Kenntnis erhielt, als näm­lich Dr. Watson die falschen Behauptungen von Moriartys Bruder zu widerlegen trachtete.3 Holmes weitschweifige Auslassungen über die sinistre Natur des „Napoleons des Verbrechens“ doku­mentieren – vorausgesetzt, die chronologische Zuordnung ist korrekt (und die Geschichte MUSS vor 1891 spielen, da Moriarty danach nachweislich tot ist) – sind infolgedessen als effektha­scherischer und umsatzsteigernder Aspekt der Geschichte leicht zu entlarven.

Auch sonst ist Doyle schrecklich ungenau. So lässt er Holmes auf Seite 25 gegenüber Watson und einem Polizisten über den historischen Verbrecher Jonathan Wild schwadronieren, und zwar mit den Worten „Er war ein meisterlicher Verbrecher und hat im vorigen Jahrhundert gelebt – so um 1750 herum.“ Dazu kommentiert der Übersetzer im Fußnotenapparat peinlicherwei­se: „Hier irrt sich Holmes gleich zweifach. Erstens lebte der 1682? geborene Kopf einer Diebes- und Hehlerorganisation nicht ‚so um 1750 herum‘, sondern wurde bereits am 24.5.1725 auf dem öffentlichen Richtplatz Londons gehenkt; und zweitens kommt Wild sehr wohl in einem Roman vor, ja, er taucht gleich in mehreren Werken der Literatur auf …“

Ein solcher Recherchefehler, der vom Meistergehirn Londons so schlampig wiedergegeben wird, deutet auf hochgradige Unlust des Autors beim Verfassen der Geschichte. Es gibt im Fortgang der Handlung noch einige Stellen, insbesondere in der zweiten Hälfte, die sich um die amerikanische Handlungslinie, die Frei­maurer und die Scowrer im „Tal der Angst“ dreht.

Hier ist von meiner Seite besonders zu kritisieren, dass die Frau­engestalt, die dort eine wesentliche Rolle einnehmen sollte, am Schluss zur völligen Statistin degradiert und aus der Handlung herausgefegt wird, so dass der Leser das unbehagliche Gefühl erhält, Doyle habe die Geschichte nur noch schnell beenden wollen. Womöglich entspricht das der Wahrheit.

Und wie ist es nun mit der erwähnten „Unschärfe“? Nun, übli­cherweise, man erinnere sich, wird die Geschichte von Dr. John Watson im Wesentlichen erzählt (es gibt im ganzen Kanon ei­gentlich nur eine Geschichte, die sich davon abhebt und die Holmes selbst erzählt). In diesem Roman indes verschwindet Watson beinahe vollständig aus der Handlung. Zwar ist er dabei und gelegentlich auch in der Ich-Perspektive vorhanden, aber eigenständige Gedanken, wie sie noch im „Hund der Baskervil­les“ gang und gäbe waren, tauchen hier nicht mehr auf. Watson wird zum Statisten degradiert, was der Geschichte einen ganz erheblichen Teil ihres Reizes nimmt.

Nachdem die Handlung dann ins „Tal der Angst“ und in die Ver­gangenheit wechselt, bekommt man als Leser leider relativ rasch mit, woher der Wind weht, und der als „überraschend“ vorgesehene Schluss ist schon lange vorher deutlich zu erken­nen. Das Pulver hat Doyle also bereits im Kapitel 7 nach nicht einmal 100 Seiten verschossen, der Rest ist leider mehr oder weniger heruntergespulte Routine, da helfen auch die geheim­nisvollen Machenschaften der Freimaurer nicht mehr.

Das Tal der Angst muss daher leider als ein Sherlock-Holmes-Ro­man zum Abgewöhnen beschrieben werden. Man halte sich lie­ber an die jüngeren Werke, in denen noch wirkliches Interesse an der Handlung den Autor bei der Stange bleiben ließ. Oder man lese hier nur die vordere Hälfte des Buches …

© 2006 by Uwe Lammers

Autsch, das ist eine ganz schöne Watsche für Arthur Conan Doy­le? Und das von einem ausdrücklichen Holmes-Fan wie mir? Nun ja, das kann ich leider nicht leugnen. Aber ich pflege hier dar­an zu erinnern, dass ich keinen Schönwetter-Blog verfasse. Wenn es profunde Kritik an Werken gibt, die ich rezensiere, dann nehme ich da durchaus kein Blatt vor den Mund. Das schien mir anno 2006 hier absolut angebracht.

Wird es wieder besser? Aber unbedingt. Auch wenn ich hier schon mal wegen des Artikels der kommenden Woche vorwar­nen möchte – manch einer, der sich an eine faszinierende histo­rische Legende klammert, wird meine Ausführungen in sieben Tagen sicherlich als arg desillusionierend empfinden. Doch ist vermutlich das letzte Wort zum Thema „Bernsteinzimmer“ auch danach nicht gesprochen. Und ihr wisst ja – die Hoffnung stirbt zuletzt.

In diesem Sinne bleibt gespannt, was für ein Buch ich euch in der kommenden Woche an dieser Stelle serviere. Ich glaube, es ist die Vorstellung unbedingt wert.

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Und das einzige zeitgeschichtlich interessante Faktum besteht darin, dass die hier er­wähnten Deutschen aus politischen Gründen bei der Publikation zu „Schweden“ mutie­ren. Eine Folge des Ersten Weltkriegs.

2 Vgl. Mike Ashley (Hg.): Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton, Bastei 14916, Juni 2003, S. 727.

3 Vgl. hierzu die Story „Sein letzter Fall“, publiziert im Strand Magazine, Dezember 1893.

Blogartikel 392: Legendäre Schauplätze 19: Siegelwelt

Posted September 6th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

alles fängt auf eine bizarre, unglaubwürdige Weise an – an der Küste der Bucht „The Wash“ an der Westküste von England wird ein toter Fischer angetrieben. In seinen Händen hält er einen seltsamen Kristallzylinder, in der anderen … eine Art von Tenta­kelstück. Diese Entwicklung ruft während des KONFLIKTS 18 des Oki Stanwer Mythos, also innerhalb der Serie „Kampf gegen TO­TAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) Oki Stanwer und sei­ne Weggefährten auf den Plan.

Die Fährte führt zur Insel Church Island (ah, wer da jetzt neugie­rig aufhorcht und sagt: „Den Namen kenne ich doch!“, der hat völlig recht … er befindet sich freilich im falschen Universum), und hier existiert ein unsichtbares Portal in eine andere Welt, in der Oki Stanwer ausdrücklich erwartet wird.

Jenseits dieses Portals befindet sich etwas, das als Siegel­welt bezeichnet wird – eine künstliche Welt, die die Gestalt eines Würfels besitzt. Unter jeder der Flächen befindet sich in der Tie­fe eine künstliche Gravitationsquelle, so dass auf jeder Seite Seen, Meere, Wälder und Gebirge existieren können, die man auch begehen kann. Die Verbindung zwischen den einzelnen Seiten der Siegelwelt wird durch halbtransparente Transitquader hergestellt, die offensichtlich aus der technologischen Sphäre des Volks der Baumeister stammen.

Zu dumm: am Himmel über der Siegelwelt steht ein grünes Ge­stirn – und der OSM kennt nur ein einziges grünes Gestirn im Universum, nämlich Granat, die Sonne des Dämonenplaneten TOTAM. Und ja, die Siegelwelt befindet sich in unmittelbarer kosmischer Nachbarschaft zu TOTAM. Wenn es Nacht wird auf der Siegelwelt, kann man die schwarze Welt des Bösen am Fir­mament sehen … und nicht nur sie.

Die Siegelwelt, muss Oki Stanwer auf die harte Tour in diesem KONFLIKT feststellen, befindet sich im so genannten Vorhof TO­TAMS, jener kosmischen Enklave, in der die Welt des Bösen ka­tegorisch geschützt ist vor Attacken der positiven Mächte. Und dimensional benachbart zum Vorhof ist der Ort, der das Zen­trum des Schreckens schlechthin darstellt – die so genannte Knochendimension, ein gigantisches Heerlager TOTAMS, in dem ganze Sonnensysteme, Festungen, Kampfschiff-Flotten und rie­sige Heere eingelagert wurden, um in den ewigen Krieg Gut ge­gen Böse einzuschreiten, sobald es an der Zeit ist.

Aber die Verhältnisse im KONFLIKT 18 sind kompliziert, und vie­les resultiert aus Erschütterungen und Verwerfungen des frühe­ren KONFLIKTS 17, über den ich in der Serie „Drohung aus dem All“ schrieb. Und vielleicht ist es ganz gut, dorthin zurückzukeh­ren, um ein wenig die Wurzeln der Siegelwelt zu erläutern, so­weit sie bis heute klar sind … denn der legendäre Ort der Sie­gelwelt ist einer, der bis zum heutigen Tag erstaunliche Wunder birgt und noch lange nicht vollständig erschlossen ist. Das wäre auch schwierig, weil die Siegelwelt auf ihre Weise so wechsel­haft ist wie die vermeintlich schematische Oberfläche der schwarzen Kristallwelt TOTAM.

Erstmals mit der Siegelwelt in Kontakt kam ich, wie oben ange­deutet, im KONFLIKT 17, und zwar gegen Ende der Serie, also im Jahre 1986. Damals war die SCHWARZE MAUER dabei, die Milchstraße zu verschlingen und die dortigen Zivilisationen samt und sonders zu schleifen. Zahlreiche Kombattanten des KON­FLIKTS um Oki Stanwer verschlug es dabei nicht direkt nach TO­TAM, sondern auf eine bizarre würfelförmige Welt mit gelblichen Meeren, Kristallwüsten, archaischen Festungen und wagemuti­gen Insektenkriegern auf fliegenden Rieseninsekten. Rammwale wurden als biologische Waffen gegen Galeeren eingesetzt, es gab aber auch höher technisierte Regionen dieser Welt.

Leider neigte sich der KONFLIKT 17 sehr rasch dem Ende zu, und ich musste diese Welt verlassen. Ebenfalls dort zurücklas­sen musste ich eine legendäre und sehr umstrittene Person des OSM, einen monströsen Frontenwechsler, den ich Ende 1983 erstmals kennen gelernt hatte – Soffrol. Er wurde zusammen mit der Siegelwelt damals in TOTAMS Knochendimension eingela­gert und verschwand vom Radar.

In KONFLIKT 18, als der Kontakt zur Siegelwelt via Church Island wieder hergestellt wird, ist Soffrol wie ein Springteufel zur Stelle und ermöglicht es Oki Stanwer, in der „Kristallgruft der Erinne­rungen“ einen Teil seines verlorenen Gedächtnisses an frühere Kämpfe mit TOTAMS Dämonen und Schergen zurückzuerlangen. Als formaler Herrscher der Siegelwelt befindet sich Soffrol nun in einer wenig angenehmen Sandwich-Position: auf der einen Seite versuchen die Dämonen von TOTAM und ihre Totenkopf-Truppen, die Siegelwelt einzunehmen. Auf der anderen Seite bricht bald nach dem Kontakt mit Oki Stanwer auf der Erde die Matrixfehler-Seuche aus, die ihre tödlichen Verwerfungslinien bis zur Siegelwelt fortsetzt.

Als Oki Stanwer viele Jahre später von neuem mittels des Di­mensionsportals von Church Island zur Siegelwelt zurückkehrt, erwartet ihn ein grässlicher Anblick vollendeter Verwüstung. Die vormals bevölkerten Hafenstädte sind ausgelöscht, Ruinen und Leichen sind zurückgeblieben, teilweise sind sogar Meere kom­plett leer gelaufen, was darauf hindeutet, dass die Siegelwelt in ihrer strukturellen Integrität ernsthaft beschädigt wurde. Soffrol ist spurlos verschwunden. Eine Aufklärung, warum diese Welt offenkundig mit Baumeister-Technologie aufgerüstet wurde, wo sie sich doch unzweideutig in TOTAMS Besitz befindet, wurde in der KGTDUS-Serie nicht geleistet.

Die Serie endete im Frühjahr 1989, bevor ich meinen Zivildienst antrat … aber das Mysterium der Würfelwelt, wie man die Sie­gelwelt auch nennt, ließ mich nicht in Frieden. Gar zu viele wei­ße Flecken waren dort zurückgeblieben, als dass ich zufrieden hätte sein können. Vor allen Dingen war unklar, warum man eine Welt, die ganz offenkundig nur sechs Seiten besitzt, mit den SIEBEN SIEGELN VON TOTAM in Verbindung bringen konnte, mindestens dem Namen nach.

Als ich in den Folgejahren den KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (FvL) entwickelte, stieß ich zu meiner nicht eben geringen Überraschung im Vorfeld der Grünen Galaxis Bytharg (ihr merkt, hier verknüpfen sich allmählich interessante Aspekte verschiedener OSM-Serien miteinander, so dass der Netzwerkgedanke, der den OSM grundsätzlich durchzieht, sicht­bar wird) auf was?

Auf eine Welt namens EWIGKEIT EINS.

Ein Planet, der aus dem Weltraum betrachtet würfelförmige Ge­stalt besaß und der ganz offenkundig von den Baumeistern er­schaffen worden war!

Na, dachte ich schmunzelnd, wer da jetzt nicht als Eingeweihter sofort an die Siegelwelt denkt … und dann stieß ich auf weitere dieser EWIGKEIT-Welten … insgesamt waren es sechzehn. Die Koinzidenz, dass es auch 16 Dämonenwaffen von TOTAM gab und dass jede dieser Welten eine Art von lenkender Intelligenz besaß, eine so genannte „Tiefenseele“, ließ mich weiter grübeln. Die technologische Unterwelt dieser Planeten ist, ganz analog übrigens zur Siegelwelt, unübersehbar von den Baumeistern de­signed. Doch die Oberflächen der Planeten werden von den Dä­monen von TOTAM und ihren Schergen beherrscht.

Soviel scheint also heutzutage festzustehen: vor sehr langer Zeit (irgendwann zwischen KONFLIKT 7 und KONFLIKT 11, schät­ze ich mal) haben die Baumeister diese Habitate erschaffen. Ob es nur sechzehn – oder, die Siegelwelt eingerechnet, 17 – gibt, kann aktuell nicht gesagt werden. Auch sind über den Existenz­zweck nur Spekulationen möglich. Die Oberflächen dienen zwei­felsohne Siedlungszwecken und sind planetaren Habitaten nachempfunden.

Wann die Siegelwelt und die anderen Würfelwelten in TOTAMS Gewalt geraten sind, kann ich zurzeit auch noch nicht mit Be­stimmtheit sagen. Ich weiß nur soviel: ich werde unbedingt zur Siegelwelt zurückkehren und versuchen, ihre Rätsel und Ge­heimnisse zu klären. Und euch werde ich da beizeiten auch mit hinnehmen. Das wird mir umso leichter fallen, hoffe ich, da so­wohl KONFLIKT 17 wie 18 inzwischen komplett digitalisiert sind.

Natürlich ist das kein absoluter Garant dafür, dass die Blicke in diese geheimnisvolle Welt voll bizarrer, archaischer Völker und bemerkenswerter Landschaften alsbald möglich sein werden. Aber im Gegensatz zu legendären Orten, die in KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ oder KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ liegen, kann man die obigen Serien bereits als leichter zugänglich betrachten, wenigstens in der Episodenfassung.

Soviel für heute zum Thema Siegelwelt. Im nächsten Beitrag dieser Artikelreihe reisen wir direkt ins Herz des OSM – zur Welt des Bösen selbst, nach TOTAM. Und über diese geheimnisvolle Welt gibt es eine Menge zu erzählen, wie ihr euch vorstellen könnt …

Macht es gut, bleibt neugierig und vor allen Dingen gesund!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 284: Der Dieb der Zeit

Posted September 1st, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

zugegeben, es ist wirklich schon geraume Zeit her, dass ich mich im Rahmen des Rezensions-Blogs um diesen Autor, den Briten Peter F. Hamilton, kümmerte.1 Das hatte nichts zu tun mit dem Gedanken, er habe seither keine Romane von Bedeutung mehr geschrieben (weit gefehlt) oder ich hätte keine davon mehr in meinem Regal stehen gehabt (auch falsch) oder sie vielleicht einfach noch nicht gelesen (das trifft allerdings auf ein paar seiner Werke definitiv zu2).

Es war vielmehr eher eine Art von Gourmet-Gedanke. Das sollte ich vielleicht genauer ausführen: Es gibt Autoren, die wie am Fließband ständig neue Romane produzieren. Leute wie etwa Wolfgang Hohlbein, Bernd Robker alias Robert Corvus oder Clive Cussler … und dann gibt es die Autoren, die bisweilen Jahre be­nötigen, ehe sie ihr nächstes Opus vorlegen. Zu dieser Art von gründlich und langsam arbeitenden Verfassern gehört Hamilton.

Und die Wirkung, die er mit seinen Büchern entfaltet, gibt ihm und seiner Arbeitsweise Recht: Ich kenne bislang keinen „schwachen“ Hamilton-Roman. Aber sie sind eben durchaus rar. Was wäre also damit gewonnen, wenn ich sie ebenso rasch re­zensierte, wie ich sie üblicherweise verschlinge? Und das muss man wohl so nennen, weil sich selbst achthundertseitige Schmöker aus seiner Feder fast wie von selbst lesen.

Gleichwohl habt ihr auch mit dem Gegenargument Recht: Ich hätte längst schon wieder etwas von Hamilton rezensieren sol­len. Und so mache ich also heute den Einstieg in das Universum seines Commonwealth-Zyklus, der insgesamt 12, vielleicht auch dreizehn Bände umfasst (drei der erwähnten Romane habe ich noch nicht gelesen, deren Rezensionen kann ich also wohl frü­hestens Ende 2021 nachreichen).

Den Anfang macht jedenfalls dieser durchaus exotische und sehr kurzweilig zu lesende erste Band, der unbedingt vor dem formalen Roman „Der Stern der Pandora“ gelesen werden sollte, da er die Vorgeschichte dazu erzählt und die Grundlage für die Commonwealth-Zivilisation legt. Auch wenn meine Re­zensionsworte vielleicht etwas bärbeißig und möglicherweise abschreckend klingen mögen … der Roman ist durchaus defini­tiv empfehlenswert, wenn auch vielleicht sehr gewöhnungsbe­dürftig, was den Inhalt angeht.

Und ja: ihr dürft Jeff Baker hassen. Er wird euch im „Commonwealth-Zyklus“ nicht mehr über den Weg laufen. Denn der spielt, wie unten erwähnt, 350 Jahre später.

Und nun legen wir mal richtig los:

Der Dieb der Zeit

Das zweite Leben des Jeff Baker

(OT: Misspent Youth)

von Peter F. Hamilton

Bastei 23274, August 2004

512 Seiten, TB

Deutsch von Winfried Czech

ISBN 3-404-23274-7

Der ewige Traum des Menschen ist wohl der eines verlängerten Lebens, nach Möglichkeit verlängert bis in alle Ewigkeit, dabei aber befreit zu sein von den Gebrechen des Alters, bar der bio­logischen Ketten, mit denen die Genetik uns alle naturgemäß fesselt.

Nun, etwa im Jahre 2044 ist dieser Traum in erreichbare Nähe gerückt: ein europäisches Team von Biologen unter Dr. Sperber hat eine Therapieform entwickelt, zahllose Milliarden Euro teuer und noch nicht erprobt, mit der es möglich ist, einen einzelnen Menschen binnen 18 Monaten sensationell zu verjüngen, weit über die Grenzen der üblichen Genomproteintherapie hinaus, die inzwischen weltweit zur Verfügung steht und eine ständige Einnahme von Anti-Aging-Substanzen notwendig macht.

Der Jungbrunnen scheint entdeckt, doch wer um alles in der Welt soll das Vorrecht genießen, ihn auszuprobieren? Wem soll man ein neues Leben schenken? Einem Politiker? Einem der zahllosen Superreichen und Industriellen? Oder vielleicht einem Wissenschaftler?

Die Wahl der Europäischen Forschungskommission fällt auf den Briten Jeff Baker. Baker, verheiratet mit dem ehemaligen Model Sue, das Jahrzehnte jünger ist als er, Vater des gemeinsamen Sohnes Tim, ist kein unbeschriebenes Blatt. Er geht stramm auf die 80 zu und ist mit Abstand der berühmteste Mensch der Welt, allerdings auch – zu Recht – einer der am meisten gehass­ten überhaupt. Der Grund dafür liegt Jahrzehnte zurück.

In der Frühzeit des 21. Jahrhunderts entwickelte Baker einen re­volutionären Speicherchip, der zur Grundlage der allgemeinen Datasphäre wurde, einer Weiterentwicklung des Internet. Da­durch, dass Baker diesen Speicherchip nicht patentierte, son­dern zur allgemeinen freien Verwendung freigab, verhinderte er zwar, dass er zum Multimilliardär aufstieg (was sein Sohn Tim lange nicht verstehen konnte), aber zugleich unterhöhlte er die internationalen Copyrightstandards, trieb die Film-, Musik- und Verlagsbranche weltweit in den Ruin und krempelte die gesam­te Unterhaltungsindustrie um.

Außerdem arbeitet Baker nun an einer neuen revolutionären Technologie, die er ganz gewiss erst dann zur vollen Reife entwi­ckeln kann, wenn man ihm ein paar zusätzliche Lebensjahrzehn­te einräumt. Die europäischen Politiker entscheiden deshalb über die Köpfe der europäischen Bevölkerung eigenmächtig, dass es Baker sein wird, dem diese Therapie zugute kommen soll. Also wird er 18 Monate lang einer Gentherapie unterzogen, und sehr zum Unglauben und bald zum Schrecken seiner Ehe­frau und seines Sohnes kehrt der 78jährige Wissenschaftler als 20jähriger, draufgängerischer Mann zurück, bei dem insbeson­dere eines äußerst intakt ist – sein sexuelles Verlangen. Das be­kommt zunächst seine selbst nicht sonderlich treue Ehefrau Sue zu spüren … und dann die Schulkameradinnen seines Sohnes Tim, inklusive dessen eigener Freundin Annabelle. Und damit fangen die Probleme erst richtig an – denn natürlich möchte Jeff Baker, egoistisch, wie er ist, sein neues Leben in vollen Zügen genießen, mit allen Frauen, die ihm über den Weg laufen …

Sehen wir einmal davon ab, dass das Titelbild mit dem Inhalt nichts zu tun hat, sehen wir auch davon ab, dass der Titel doch reichlich irreführend ist und ebenso davon, dass die Kapitel für Peter F. Hamilton-Leser ungewöhnlich kurz sind (59 Kapitel auf gut 500 Seiten ist fast schon abenteuerlich. Zum Vergleich: sein neuer Roman „Der Stern der Pandora“ besitzt auf über 700 Seiten davon nur 14), dann beginnt man als Leser recht schnell die Bemerkungen zu verstehen, die Hamiltons Testleser ge­macht haben und die der Autor dem Buch voranstellt. Beispiels­weise ist da „Graham, der die meisten Figuren am liebsten um­gebracht hätte“ oder „Colin, der sich gewünscht hätte, den Fi­guren wäre mehr Gewalt angetan worden“.

Das hört sich unangenehm an, und das ist es auch. Das Buch ist, würde ich mal vorsichtig formulieren, nicht eben das, was man sich als moralische Richtschnur für sein eigenes Verhalten wünschen sollte, geschweige denn das seiner Mitmenschen. Es ist eher so, dass die Hauptperson so ziemlich alle moralischen Regeln, die wir kennen, herzhaft mit Füßen tritt und damit auch noch (meist) davonkommt.

Jeff Baker benimmt sich in seinem neuen Leben auf frappieren­de Weise so, wie man sich das Leben des alternden Playboy-Gründers Hugh Hefner vorstellt (inklusive Viagra), und zweifel­los hat dieses Leben Hamilton erst auf die Idee zu dem Buch ge­bracht. Die Personen des Romans finden viel Vergnügen an Sex mit verschiedensten Frauen, One-Night-Stands, Alkoholexzes­sen, regelmäßigem Drogenkonsum und ähnlichem. Dennoch er­schöpft sich der Roman darin nicht, und das macht ihn dann wieder interessant. Wie in seinen MINDSTAR-Romanen wirft Ha­milton kritische Blicke auf die Macht der Politiker und der Medi­en, wenngleich man ihm natürlich vorhalten muss, dass er dies halbherzig tut.

Viele Dinge, auf die er eigentlich hätte eingehen müssen, um dem Roman ein plausibleres Fundament zu geben, blendet er der Bequemlichkeit halber einfach aus. Beispielsweise die Fra­ge, wie genau Jeff Baker seinen doch recht aufwändigen Le­bensstil finanziert. Es reicht kaum aus, zu sagen, er lebe auf Kosten der Steuer der Bürger innerhalb der Europäischen Union. Auch spürt man deutlich, dass die Interferenz zwischen Wissen­schaftlerdasein und Privatleben eigentlich nur blass skizziert wird. Hamilton ist viel zu beschäftigt, Jeff Bakers zerrüttetes Fa­milienleben und das ausufernde neue Sexleben seines Protago­nisten zu beschreiben, um den WISSENSCHAFTLER Jeff Baker überhaupt in Erscheinung treten zu lassen. Dieser Aspekt des Romans wird dadurch äußerst unglaubwürdig.

Interessant hingegen ist die Instrumentalisierung Bakers durch die Politiker geraten. Und die schroffen Gegensätze zwischen Arm und Reich, die Protestbewegungen im vereinigten Europa der nahen Zukunft (leider auch nur angedeutet, der Wissen­schaftsgipfel in London reicht da definitiv nicht aus) erzeugen im Leser ein dauerhaftes Unbehagen. Dennoch – man ahnt, dass dieses Buch im Oeuvre aller Werke Hamiltons ein wenig aus dem Rahmen fällt. Insbesondere fällt es durch eine gewisse Oberflächlichkeit und permanente Andeutungen auf, die deut­lich signalisieren, dass er viel mehr über diese Zukunftswelt zu erzählen gehabt hätte, es aber einfach nicht tut. Auch in diesem Punkt wirkt der Roman halbherzig. Da allerdings dieses Buch in derselben Welt spielt, in der später der „Commonwealth-Zy­klus“ spielt, ist es einfach realistisch anzunehmen, dass er nicht schon sein „ganzes Pulver verschießen“ wollte. Nicht schon hier. Allerdings ist auch kritisch anzumerken, dass letztgenannter Zy­klus rund 350 Jahre NACH „Misspent Youth“ spielt.

Und schließlich: Ja, wenn man den Titel wörtlich übersetzt, ist Jeff Bakers zweite Jugend wirklich „zu Unrecht verliehen“. Und wie mit allen Häretikern, die sich gegen die Götter vergehen, so ist auch der Sturz des Jeff Baker brüsk und tief.

Der Leser wird es erleben.

© 2006 by Uwe Lammers

Autsch, sagt ihr euch? Was ist denn das für ein abgefahrener Egotrip gewesen? Nun, sicherlich seht ihr nach der Lektüre des Romans selbst ein wenig klarer. Und vertraut mir, in ein paar Wochen werdet ihr die Grundlagen, die dieses Werk für Hamil­tons „Commonwealth-Zyklus“ gelegt hat, deutlicher erkennen – denn sie krempeln die menschliche Gesellschaft wirklich von Grund auf um.

In der kommenden Woche geht alles wieder etwas gemächli­cher zu, weil wir uns ans Ende des 19. Jahrhunderts beamen, um dem großen Detektiv über die Schulter zu schauen. Und auch das wird sich lohnen, glaubt mir.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Genau genommen war das in Rezensions-Blog 71 der Fall, wo ich am 3. August 2016 den Abschlussband seines unten erwähnten „Mindstar-Zyklus“ rezensierte. Für weitere Details schaut euch den Rezensions-Blog 200 an, der am 23. Januar 2019 erschien.

2 Damit meine ich z. B. den ersten Band seines „Salvation“-Zyklus. Der zweite sollte auch schon erschienen sein, bis ihr diese Zeilen lest.